Ein Todesurteil zur Freude der Präsidenten

Am 5. November 2006, dem Tage der Urteilsverkündung, ließ sich der amtierende irakische Präsident von US-Gnaden erneut, wie während des Prozesses schon einmal, mit Äußerungen zitieren, wonach de

Angeklagte den Galgen verdient habe. Kurz nachdem das Gericht im Bagdader Hochsicherheitstrakt das so nachdrücklich gewünschte Todesurteil verkündet hatte, würdigte US-Präsident Bush es auf allen Kanälen als "Meilenstein in den Bemühungen des irakischen Volkes". Seine Botschaft zur Unterstützung der Republikaner in der Endphase des Kongreßwahlkampfs hatte jedoch keinen Erfolg: Seine Partei wurde geschlagen. Die Wähler votierten gegen die Fortsetzung des schmutzigen Krieges im Irak. Und weltweit wurde das Todesurteil kritisiert.

Die Kritik beispielsweise von amnesty international betraf allerdings nicht nur die Todesstrafe. Sie richtete auch gegen manche Umstände, die das Verfahren zur Farce machten. Diesen Teil der Kritik unterschlugen die meisten Medien. Dazu gehörten folgende Beanstandungen:

Kurz vor der Urteilsverkündung ließ der Gerichtsvorsitzende den früheren US-Justizminister Ramsey Clark, Mitglied des internationalen Verteidigerteams, aus dem Gerichtssaal entfernen, um einen Antrag zu verhindern.

Im Laufe des Verfahrens waren drei Verteidiger ermordet und einer verletzt worden. Weitere neun Personen aus dem Kreis der Verfahrensbeteiligten starben ebenfalls eines gewaltsamen Todes.

Die Urteilsverkündung fand nicht in öffentlicher Verhandlung statt. Dies stellt einen schweren Verstoß gegen internationales Recht dar.

Zuvor war bereits der Bericht einer Arbeitsgruppe der UN-Menschenrechtskommission bekannt geworden, die beanstandet hatte, daß das Verfahren grundlegende Menschenrechte verletzt habe, insbesondere Art. 14 des Paktes für bürgerliche und politische Rechte (der eine wirksame Verteidigung mit ausreichender Vorbereitungszeit verlangt).

Nach der Urteilsverkündung erhielt die Verteidigung nicht einmal die schriftlichen Urteilsgründe. Damit wurde sie ein weiteres Mal behindert, weil ihr damit Zeit verloren ging, die richterliche Beweiswürdigung anzufechten.

Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, die jahrzehntelang Menschenrechtsverletzungen unter Saddam Hussein dokumentiert und einen öffentlichen Prozeß gegen ihn gefordert hatte, attestierte dem Sondertribunal in Bagdad "substantielle verfahrensrechtliche Mängel", die, wie HRW anmerkte, "auch nachfolgende Prozesse vor dem Tribunal in Frage" stellten:

Abgeordnete und sogar Minister hätten Unabhängigkeit und Objektivität des Gerichts gefährdet, indem sie das Tribunal regelmäßig als zu schwach kritisiert hätten. Dies habe zum Rücktritt des anfänglichen Vorsitzenden und damit zu einem Wechsel im Amt des Vorsitzenden geführt.

Das Gericht habe regelmäßig versäumt, der Verteidigung Einblick in entscheidendes - auch entlastendes - Beweismaterial zu geben.

Das grundlegende Recht des Angeklagten, Belastungszeugen gegenübergestellt zu werden, sei verletzt worden.

Der Vorsitzende Richter habe gegen Verhaltensregeln verstoßen und damit selber seine notwendige Unparteilichkeit in Frage gestellt.

Es gebe Zweifel an der Stichhaltigkeit mancher Anklagepunkte und wesentliche Lücken in der Beweisführung.

Die Statuten des Tribunals verlangen, daß die Todesstrafe 30 Tage nach dem rechtskräftigen Urteil vollstreckt wird; sie erlauben keine Umwandlung der Strafe. Das kann zur Folge haben, daß Saddam Hussein in dem laufenden Prozeß um den Genozid an den Kurden nicht mehr gehört und nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.

Aber vielleicht ist das ja gerade die Absicht Bushs und seiner willigen Vollstrecker im Irak. Vielleicht sollte verhindert werden, daß die zeitweilig sehr engen Verbindungen zwischen Saddam und der US-Regierung zur Sprache kommen und der Angeklagte - ähnlich wie Milosevic in Den Haag - zum Ankläger wird.

Der US-amerikanischen Einfluß reichte unmittelbar in den Gerichtssaal hinein. Laut Human Rights Watch wurden die einzigen internationalen Berater für Staatsanwaltschaft und Richter vom "Verbindungsbüro für staatliche Verbrechen" (RCLO) gestellt, einer Einrichtung der US-Botschaft in Bagdad. Die RCLO-Berater hätten mehrfach eingegriffen, erfährt man aus dem HRW-Bericht. Einer der beteiligten Richter habe im Gespräch mit HRW zugegeben, daß dieses Verbindungsbüro zeitweilig wie die "Exekutivgewalt" des Gerichts fungiert habe. Mit dem Verbindungsbüro habe die Besatzungmacht garantiert, daß nicht Bush für seine Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Irak vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt wurde - wo er hingehört.