Wir haben das Problem "Rente mit 67" gelöst. Wenn wir mittags in der Kantine sitzen, sprechen wir gemeinsam alle Neuigkeiten durch und versuchen, Klarheit zu gewinnen. Gegen die "Rente mit 67" hatte
unsere Tischrunde zunächst starke Abneigung, vor allem als dieser Tage gemeldet wurde, daß der zuständige überaus sozialdemokratische Sozialminister den Einführungstermin vorverlegen will, so daß Uli und Christoph zu den Betroffenen gehören werden. Aber gestern - es gab Nudelsuppe mit Hühnerfleisch - haben wir noch einmal gründlich darüber nachgedacht und sind zu einem allseits befriedigenden Ergebnis gelangt.
Ich muß vorausschicken, daß ich immer dagegen war. Sobald das Thema aufgebracht wurde, war meine Rede: Die wollen nur unsere Rente kürzen. Aber damit lösen sie keines unserer Probleme. Für die "Rente mit 67" gibt es keinen vernünftigen Grund. Was hat es denn gebracht, das Renteneintrittsalter der Frauen und der Behinderten von 60 auf 65 anzuheben? Arbeiten die Frauen und die Behinderten jetzt länger? Werden sie auf dem Arbeitsmarkt gebraucht? Im Gegenteil, sie werden immer früher arbeitslos.
Der entscheidende Punkt - so versuchte ich meinen Tischnachbarn immer wieder klarzumachen, und es schien ihnen auch einzuleuchten - ist der, daß dank technischem Fortschritt immer weniger Arbeitszeit und Arbeitskraft aufzuwenden sind, um die Waren herzustellen, die auf dem Markt verlangt werden, daß aber die Unternehmer diesen Produktivitätsfortschritt ganz für sich allein nutzen wollen, indem sie Arbeitsplätze abbauen. Möglich und nötig wäre es, die Wochenarbeitszeit, die Jahresarbeitszeit und die Lebensarbeitszeit zu senken: die Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden an vier Tagen, die Jahresarbeitszeit durch Verlängerung des Urlaubs und durch Einführung von Bildungsurlaub, die Lebensarbeitszeit durch früheren Eintritt in den Ruhestand. Das wäre das wirksamste Mittel gegen die Massenarbeitslosigkeit. Viel mehr Menschen - tendenziell alle - könnten beschäftigt werden und könnten folglich in die Sozialversicherung einzahlen. Das wäre also auch wirksam gegen Altersarmut. Und es würde die Massenkaufkraft erhöhen, den langersehnten Aufschwung herbeiführen.
Daß Schröder und Clement und Merkel und Stoiber und Westerwelle und Hundt sowie die meisten Professoren, die bei Christiansen zu Wort kommen, genau in die entgegengesetzte Richtung steuerten und alle unsere Probleme vergrößerten, nahm unsere Mittagsrunde mit wachsendem Zorn wahr, und wenn wir uns über die Torheit und Schädlichkeit dieser Politik nicht immer einig gewesen wären, hätte uns das Thema allemal das Essen verdorben.
Aber gestern haben wir die Diskussion einfach mal ganz anders angefangen. Christoph fragte: Wenn wir nun fleißig bis 67 arbeiten, vielleicht auch jede Woche noch ein paar Stunden länger, wie es die Unternehmer und Politiker wünschen - was machen dann die Jungen?
Viele Junge finden doch gar keine Stelle, nicht mal einen Ausbildungsplatz, fiel uns ein.
Ja, sagte Christoph. Aber damit ist das Problem offenkundig nicht gelöst.
In Deutschland wird aber auch längst nicht mehr so viel Nachwuchs geboren wie früher, sagte ich.
Das bringt uns weiter, befand Christoph, hilft uns jedoch in den nächsten Jahren noch nicht.
Uli kam darauf: Das Mindestarbeitsalter muß erhöht werden.
Ja, sagte Christoph, etwa auf 47. (Er ist Jahrgang 1959.)
Vorher, ergänzte ich, sind allenfalls unbezahlte Praktika erlaubt - zwischen dem 27. und 47. Lebensjahr.
Und als erstes, so Uli, müssen die jungen Leute in der Bundeswehr preußische Tugenden bei Schleifer Platzeck erlernen.
Allgemeiner Beifall. Unter fröhlichem Lachen verzehrten wir die Nachspeise: Schokoladenpudding mit Birnenstücken.
Bitte sehr. So haben wir das Problem "Rente mit 67" gelöst.