1 Einleitung:
Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte hat seit der Krise 2008 in den meisten Ländern Europas stark zugenommen. Sie ist eine der Schlüsselfragen der gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen. Die degressiven gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Schulden sind bekannt. Seit den 1980er Jahren wurden viele Analy- sen über die Verschuldung der Länder der Dritten Welt, besonders in Lateinamerika (Toussaint 2000; Peet 2003), verfasst. Nun geraten die Schulden der öffentlichen Haus- halte in Europa zunehmend ins Blickfeld. Die Staatsschulden sind ein zentrales Kennzei- chen der gegenwärtigen Phase des Kapitalismus.
Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, die gegenwärtige Verschuldungsdynamik in den Kontext der grundlegenden Entwicklungstendenzen der gegenwärtigen Konfigura- tion des Kapitalismus zu verorten, und zweitens eine radikale politische Alternative zu skizzieren, die von den gegenwärtigen Auseinandersetzungen und Herausforderungen ausgeht.
Ich stelle in diesem Artikel drei miteinander verbundene Vorschläge zum Verständnis der öffentlichen Verschuldung zur Diskussion. Die Aufblähung der öffentlichen Ver- schuldung war erstens ein wesentliches Element für die Machtzunahme des Finanzkapi- tals. Sie war zweitens Ergebnis einer bewussten Unterfinanzierung des Staates. Drittens ist sie ein Hebel zur Durchsetzung einer Austeritätspolitik, die dazu dient, den Mehrwert zu steigern und dem Kapital neue Felder zu seiner Verwertung zuzuführen.
Ich argumentiere zudem, dass die Aufblähung der öffentlichen und privaten Schulden dazu dient, Krisen der Kapitalakkumulation zu verschieben – zeitlich, räumlich und in andere Bereiche der Gesellschaft. Die Verschuldung, vor allem in den peripheren Län- dern des Euro-Währungsraums, ist im starken Maße auch Ausdruck der ungleichen Ent- wicklung in Europa. Die Kluft zwischen den exportstarken Ländern und den Ländern, die zunehmend auf Kapitalimporte angewiesen sind, hat sich seit der Einführung des Eu- ro laufend vergrößert. Die Troika (Europäische Union, Europäische Zentralbank und In- ternationaler Währungsfonds) versucht nun mit weitreichenden Bedingungen und Er- pressungen die Kosten der Krise auf die Lohnabhängigen abzuwälzen. Die Auseinander- setzungen über die Austeritätspolitik in Griechenland, Spanien, Portugal und Italien sind von großer Tragweite für die politischen Kräfteverhältnisse in ganz Europa.
Der zweite Abschnitt erklärt die wesentlichen Entstehungsfaktoren, die zur Formie- rung eines globalen Rentierregimes führten. Als Antwort auf die systemische Krise wird dieses Regime seit 2008 ganz wesentlich durch einen Staats-Finanz-Komplex getragen. Im dritten Abschnitt analysiere ich einige Kennzeichen der ungleichen Entwicklung in Europa, die Ausdruck des grundlegenden Charakters der EU und des Euro sind, und die Rettungsschirme für die Rentiers. Die Politik der Troika dient nicht der Lösung der Kri- se, sondern der Sicherung der Einnahmen der Rentiers. Der vierte Abschnitt skizziert ei- nige Kennzeichen der europäischen Krise und der Krise in Griechenland. Der fünfte Ab- schnitt schließlich diskutiert die zunehmend stärker erhobene Forderung nach einem Moratorium der Schuldenzahlungen und einem gesellschaftlich breit diskutierten Audit der öffentlichen Schulden.
2 Staatsschulden im Rentierregime
Der starke Anstieg der Verschuldung ist direkter Ausdruck der zunehmenden Macht des Finanzkapitals. Denn die finanziellen Vermögensbestände und Forderungen der Einen entsprechen zugleich finanziellen Verpflichtungen der Anderen. Die mit der Aufblähung des Finanzsektors durchgesetzte Zunahme der Staatsverschuldung war ein wesentliches Element der Antworten des Kapitals auf die Krise seit Mitte der 1970er Jahren.
2.1 Die Macht des Finanzkapitals und die Staatsschulden
Die seit den späten 1970er Jahren durchgesetzten neokonservativen und neoliberalen De-
und Reregulierungen, die zuerst die Regierungen in den USA und Großbritannien prak-
tizierten und dann von den meisten Staatsführungen auf der Grundlage massiver Nie-
derlagen der Arbeiterbewegung übernommen wurden, schufen die institutionellen
Grundlagen für die verstärkte Konzentration des Finanzkapitals in den Händen von Fi-
nanzunternehmen und institutionellen Anlegern wie Versicherungen, Investment-, An-
lage- und Pensionsfonds und Banken (Chesnais 2004a). Die institutionellen Anleger
konnten sich als dominierende Akteure auf den Kapitalmärkten durchsetzen. Das Finanzkapital wird hier verstanden als konzentriertes Geldkapital, dessen Besitzer
gestützt auf Eigentums- oder Gläubigertitel Einkommen in Form von Zinsen und Ren-
ten oder Gewinne durch den Verkauf eben dieser Titel erwarten (Robinson 1956: 247).
Diese Zins- und Renteneinkommen sind einzig durch das Eigentum an Vermögen legi-
timiert, auch wenn der Eigentümer außerhalb der Produktion steht (Marx 1894: 390).
Dieses Anlagekapital verwertet und vergrößert sich also als zinstragendes und rententra-
gendes Kapital durch Abschöpfung eines Teils des Mehrwert (vgl. Marx 1863: 462). Der Aufstieg des Finanzkapitals beruhte auf mehreren, miteinander verflochtenen
Prozessen. Neben der Entstehung einer riesigen Kredit- und Verschuldungspyramide
(Serfati 2009; Altvater 2010: 40, 59) sind eine Reihe weiterer institutioneller Verände-
rungen zu nennen: der Zusammenbruch der Bretton Woods-Währungsordnung 1973
und der hieraus entstandene Devisenhandel (McNally 2009; Serfati 2009); die Entste-
hung von Eurodollar-Märkten und Petrodollar-Märkten (Chesnais 2004b; Guttmann
2009); die Einführung kapitalgedeckter Altersversicherungssysteme (Blackburn 2002;
Sauviat 2004); die Befreiung der Kapitalmärkte von institutionellen Einschränkungen,
die somit den finanziellen Investoren die nötige Liquidität, das Privileg innerhalb kurzer
Zeit ihr Kapital in Unternehmen zu platzieren oder abzuziehen, bieten (Orléan 1999); die
bewusste Steigerung der Liquidität durch tiefe Zinsen und lockere Geldpolitik durch die Notenbanken (Guttmann 2009); die Liberalisierung und Deregulierung des Handels, der Direktinvestitionen, der Währungstransaktionen und Kapitalflüsse und das Entstehen neuer sogenannter Finanzintermediäre, die das Kreditsystem weit über die vormaligen Grenzen der Geschäftsbanken erweiterten (Guttmann 2009) sowie die Durchsetzung umfassender Privatisierungsprogramme, die Fonds neue Anlagemöglichkeiten eröffne- ten (Jeffers 2004; Coriat 2006).
Diese Prozesse setzten sich je nach Land und konkreten Kräfteverhältnissen unter- schiedlich stark durch. In Deutschland trugen beispielsweise die teilweise Entflechtung der bislang engen Verbindungen von Banken und Industrieunternehmen, Privatisie- rungsprogramme und die Durchsetzung einer Corporate Governance im Sinne des Sha- reholder-Value-Konzepts zur Machtsteigerung des finanziellen Anlagekapitals bei (Wój- cik 2003).
Ein beträchtlicher Teil des überschüssigen Geldkapitals (wofür die Petrodollars mit- verantwortlich waren) floss in die Entwicklungs- und Schwellenländer und blähte deren Verschuldung auf. Die abrupte Erhöhung der Zinssätze unter dem US-Notenbankpräsi- denten Paul Volcker im Jahr 1979, noch während der Präsidentschaft von Jimmy Carter, ließ die Verschuldung zahlreicher Länder in Südamerika, Afrika und Asien sprunghaft ansteigen und bewirkte einen kontinuierlichen Geldfluss zu den Finanzunternehmen in Europa und Nordamerika (Toussaint 2000). Die Verschuldung der Länder des Südens hat wesentlich zum Wachstum des finanziellen Anlagekapitals und der Stärkung der Macht des Finanzsektors beigetragen.
Quantitativ noch wesentlicher war, dass die öffentliche Verschuldung in allen kapita- listischen Kernländern, namentlich den USA, seit den späten 1970er Jahren deutlich an- schwoll und eine Akkumulation liquiden Geldkapitals in den Händen finanzieller Anle- ger bewirkte (Chesnais 2004). Anfang der 1980er Jahre griffen die Staaten zunehmend auf die Ausgabe von Staatsanleihen auf spezialisierten Märkten zur eigenen Finanzierung zurück. Die Bezahlung der Zinsen und die Zurückzahlung der Schulden trugen zum Transfer großer Reichtümer zugunsten der Käufer von Staatsanleihen, also vor allem in- stitutionellen Finanzanlegern, bei und engten den ökonomischen Handlungsspielraum der Staaten ein.
Die Kreditaufblähung erfuhr in den USA und zahlreichen Ländern Europas, beson- ders in Großbritannien, in den 2000er Jahren durch die starke Zunahme der Verschul- dung des Finanzsektors und der privaten Haushalte weitere Schübe (McKinsey Global Institute 2010: 23, 28). Während sich die finanziellen Vermögensbestände, einschließlich Eigenkapital, private und öffentliche Schulden und Bankguthaben, in den ersten acht Jahrzehnten des 20. Jahrhundert in etwa im Einklang mit dem Wachstum des Bruttoin- landsprodukts entwickelten (mit Ausnahme der Kriegszeiten, als die Staatsschulden stie- gen), haben sich deren Ausmaße von 1980 bis 2007 auf ein Verhältnis von 393 % am welt- weiten BIP vervierfacht (194 Billionen USD).
Die Aufteilung des gesamten Volkseinkommens hat sich zugunsten des Kapitals ver- schoben. Finanzoperationen haben eine zunehmend wichtigere Rolle bei den Aktivitä- ten der Banken eingenommen, die sich zu großen Finanzkonglomeraten transformiert haben. Die von neoklassischen Ökonomen formulierte Theorie der Effizienz der Märkte hat dazu beigetragen, die wachsende ökonomische und gesellschaftliche Macht der Fi- nanzinvestoren ideologisch abzustützen (Chesnais 2011: 27).
Die Finanzialisierung verschärfte den Druck zur Reorganisation der Arbeitsverhält- nisse und zur Prekarisierung der Arbeit und der Lebensbedingungen. Damit die Unter- nehmen den Renditenormen der Finanzanleger entsprechen und sich rasch auf die vola- tilen Märkte einstellen können, sind im finanzdominierten Kapitalismus Löhne, Ar- beitszeiten und Arbeitsbedingungen zu Restgrößen geworden (Dörre 2009). Der Hunger der finanziellen Anleger nach höheren Erträgen auf ihre Platzierungen, also die Stärkung der Rente und des Zinses im Prozess der Teilung des Mehrwerts in Profit und Rente, re- spektive des Profits in Unternehmensprofit und Zins (Marx 1894: 388ff., 452f., 462ff.) be- wirkt eine stärkere Ausbeutung der Lohnabhängen in Form einer Steigerung der Mehr- wertrate, was annähernd durch die Entwicklung des Lohnanteils am BIP ausgedrückt werden kann (Abbildungen 1 und 2) (vgl. Husson 2008: 13ff.; 2010). Die Gewerkschaf- ten in Europa und Nordamerika waren nicht in der Lage oder nicht willens, sich dieser Entwicklung zu widersetzen.
Trotz der weitreichenden industriellen Reorganisation stieg die Akkumulationsrate nicht im selben Maße wie die Profitrate, weil es an Realisierungsmöglichkeiten des Mehr- werts mangelt. Deswegen platzieren die Institutionen des Finanzkapitals einen Teil des Mehrwerts in die Finanzsphäre, in der Erwartung damit besonders hohe Erträge zu er- zielen (Epstein und Jayadev 2005; Husson 2010; Stockhammer 2008). Es geht also dar- um, aus Geld mehr Geld zu machen oder mit anderen Worten die fetischisierte Form des Kapitals im Prozess G–G’ zu verwerten (Marx 1894: 355ff.).
Abbildung 1: Entwicklung der Lohnquote in ausgewählten Ländern des europäischen Zent- rums. Quelle: AMECO Datenbank
Abbildung 2: Entwicklung der Lohnquote in ausgewählten Ländern der europäischen Peri- pherie. Quelle: AMECO Datenbank
2.2 Fiktives Kapital
Dieser verkürzte Kapitalkreislauf G–G’ mündet in eine Aufblähung des fiktiven Kapitals.
Fiktives Kapital ist Kapital, das nicht den Kreislauf G –W–G’ durchläuft und Mehrwert
produziert. Es wird also nicht zum Ankauf von Arbeitskraft und Produktionsmitteln ver-
wendet, sondern ist Kapital, das sich in Form von Eigentumstiteln anhäuft. Wertpapiere
(insbesondere Aktien oder Staatsanleihen) sind Anrechte auf den gesellschaftlich produ-
zierten Reichtum in Form von Zins, Dividende oder Rente, tragen selbst aber nicht zur
Schaffung von Reichtum bei. Daraus folgt, dass sich das fiktive Kapital nicht beliebig und
unabhängig von der Dynamik des Produktivkapitals entwickeln kann (Becker 2001:
74ff.). Das fiktive Kapital in Form handelbarer Eigentumstitel wie Schuldscheine, Anleihen
und Aktien, die Duplikate auf reales Kapital oder Ansprüche auf zukünftiges Einkom-
men sind, dient dazu die Schranken zu überwinden, die das fixe (und räumlich fixierte)
Kapital für die zukünftige Akkumulation schafft (Marx 1894: 482ff.; Harvey 1982: 266ff.;
Chesnais 2006: 82ff.). Für Marx erwächst aus der Staatsanleihe die erste Form des fiktiven Kapitals, während
die zweite Form mit der Gründung von Aktiengesellschaften und dem Handel der Akti-
en auf Sekundärmärkten entsteht (Marx 1894: 482–485). Die Staatsschulden waren be-
reits ein zentrales Moment der ursprünglichen Akkumulation und der Entstehung des
Kapitalismus (Marx 1867: 779ff.; Harvey 2003; Stützle 2008). Der handelbare Eigentums-
titel einer Staatsanleihe berechtigt zu einer regelmäßigen Zinszahlung, die sich aus den
Steuereinnahmen nährt. Die Aufblähung der Staatsschulden und die daraus erwachsenden Zinszahlungen werden – vermittelt über die direkte und indirekte Besteuerung der Lohnabhängigen – eine zentrale Form der Mehrwertaneignung. Die Steuerausbeutung wird somit eine zentrale Quelle für das fiktive Kapital.
Das fiktive Kapital wurde durch die Verschuldung von Privaten, Unternehmen und Staaten seit den späten 1970er Jahren stark aufgebläht und konnte «endlose» Zins- und Rentenzahlungen durchsetzen. Der Aufstieg des konzentrierten Anlagekapitals in den letzten drei Jahrzehnten mündete in eine ausgedehnte Akkumulation von Eigentumsti- teln und «Finanzprodukten» aller Art, die ihren Eigentümern als Kapital erscheinen, während sie tatsächlich Ansprüche auf zukünftige Profite aus der Produktion oder einen Teil der Steuereinnahmen sind. Die Steigerung der Marktkapitalisierung der Unterneh- men weit über ihre tatsächliche Akkumulationstätigkeit hinaus ist eine der Ausdrucks- formen des Aufbaus fiktiven Kapitals.
Die Entstehung fiktiven Kapitals ist eng mit dem Kredit verbunden. Das Kreditsystem operiert mit einer Form fiktiven Kapitals, eines Flusses von Geldkapital, das nicht von ei- ner Warentransaktion getragen wird. Die Kreditvergabe beruht auf der Annahme, dass die kreditfinanzierten Investition eine höhere Nachfrage nach Konsumgütern auslösen wird und untergenutzte Produktionsinfrastruktur wieder in Gang gesetzt wird. In die- sem Fall wird das vorgeschossene fiktive Kapital nachträglich in realer Wertform reali- siert (Harvey 1982: 266).
Die Aufblähung des Kreditwesens und der Staatsschulden entspricht somit einem Überlaufkanal für überakkumuliertes Kapital. Das fiktive Kapital kann zeitlich verscho- ben und räumlich verlagert in produktives Kapital verwandelt werden. Doch es kann auch selbständig akkumuliert werden. Die Staatsverschuldung wurde ein willkommenes Feld zur Verwertung überakkumulierten Kapitals in Form von Finanzplatzierungen.
Um der tendenziellen Überakkumulation und der damit einhergehenden Verwer- tungskrise zu begegnen, musste sich das Kapital neue Felder erschließen. Das geschah so- wohl über die Integration neuer geografischer Märkte und die Entstehung neuer Indu- striesektoren als auch über die Aufblähung des fiktiven Kapitals. Diese Prozesse der Mo- bilisierung, Verlagerung und Fixierung von Kapital entsprachen der wiederholten Durchsetzung neuer spatio-temporal fixes (Harvey 1982, 2006), die jeweils dazu beitru- gen, das Problem der Überakkumulation geografisch und zeitlich zu verschieben, um es bald auf höherer Stufenleiter erneut auftreten zu lassen.
Mit der Durchsetzung des globalen Rentierregimes hat sich die Kluft zwischen dem Wachstum der Kapitaleinkommen und der Einkommen aus Arbeit vertieft. Weltweit lässt sich eine starke Zunahme der Einkommen beobachten, die auf Eigentumsmonopo- len und Eigentumstiteln beruhen. Diese Einkommen können als Renteneinkommen be- zeichnet werden, welche die Besitzer von Eigentumstiteln unabhängig von ihrer Beteili- gung am produktiven Prozess einstreichen können. Diese Rentiers konzentrieren sich vor allem in den Ländern der nordatlantischen Zone, in Japan und zunehmend auch in auf- strebenden Ländern (Serfati 2006: 98ff.). Allerdings fehlen diesem globalen Rentierregi- me die Grundlagen für eine stabile Entwicklung. Die lange Periode kapitalistischer Re- strukturierungen produzierte scharfe regionale und sektorale Krisen, sowie ein geogra- fisch sehr ungleiches Wachstum (Zeller 2011).
2.3 Anleihen statt Steuern
Zumeist ist die Staatsverschuldung Ergebnis einer Unterfinanzierung der öffentlichen
Haushalte unter anderem durch eine Senkung der direkten Steuern auf das Einkommen
sowie die Gewinne und das Kapital der Unternehmen. Seit Mitte der 1980er Jahre wur-
den in ganz Europa die Spitzensteuersätze bei Einkommen und Unternehmensgewinnen
reduziert (Millet und Toussaint 2012: 103ff.). Zwei französische Autoren haben den Zu-
sammenhang zwischen Steuerreduktionen und Anwachsen der öffentlichen Verschul-
dung im Falle von Frankreich deutlich offengelegt (Pucci und Tinel 2010). Die durch die
Zuspitzung der Steuerkonkurrenz angetriebene Steuerflucht ist ein weiterer Faktor. Die
meisten Regierungen in Europa haben auf das Problem der Unterfinanzierung mit der
verstärkten Ausgabe von Anleihen reagiert. Sie haben also genau bei jenen Teilen der Ge-
sellschaft Geld ausgeliehen, die sie mit tieferen Steuern begünstigt haben (Chesnais
2011). Diese Politik war im Sinne der Kapitaleigentümer, Vermögenshalter und Rentiers.
Diese profitieren gleich doppelt: erstens indem sie weniger Steuern bezahlen und zwei-
tens indem sie Zinszahlungen aus den andauernden Staatsschulden empfangen. Dieser
Prozess vollzog sich im Zuge einer massiven Internationalisierung der Staatsanlei-
hemärkte und Ausdehnung der Sekundärmärkte. Vor allem zu Zeiten hoher Zinssätze wurde die Zahlung der Zinsen für die Schulden in
manchen Ländern einer der wichtigsten Budgetposten. Die Mehrwertsteuer, also die
Steuer, die die Lohnabhängigen verhältnismäßig am stärksten belastet, stellt in der Regel
das Rückgrat der Einnahmen dar. Dieses System der Staatsfinanzierung bedeutet einen
Transfer von Reichtum von den Lohnabhängigen zu den Banken und den Anlagefonds. Die Entwicklung der Anteile der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt offenbart, dass der weitverbreitete Diskurs der zu hohen Staatsausgaben irreführend ist (Abbildungen 3 und 4). Die Staatsausgaben stiegen im Verhältnis zum wirtschaftlichen Ausstoß als Ergebnis der Reaktionen auf die ersten beiden Krisen Mitte der 1970er und der frühen 1980er Jahre an. Doch in den 1990er und 2000er Jahren nahmen die gesamten Staats-
ausgaben kaum mehr zu und sanken in einigen Ländern sogar. In Portugal und Grie-
chenland stiegen sie hingegen fast ständig an. Erst als Reaktion auf die Krise schnellten
die öffentlichen Ausgaben schlagartig in die Höhe. Die Staatsschulden sind also nicht ein
Resultat übertriebener Staatsausgaben. Sie sind vielmehr ein integriertes Element des
Rentierregimes und Ausdruck einer strukturellen Unterfinanzierung der öffentlichen
Haushalte. Die knappen Haushalte wurden zu einem wichtigen Hebel, um eine harte Austeritäts-
politik durchzusetzen. Sie dienen als Vorwand, um den Staat aus bestimmten Sektoren
der Wirtschaft zurückzudrängen, Privatisierungen und eine umfassende Reorganisation
oder sogar Zerstörung des gesamten Wohlfahrtssystems durchzusetzen – auf Kosten der
Lohnabhängigen und der enteigneten Bevölkerung (vgl. Kreislauf in Abbildung 5). Die Privatisierungen ihrerseits bieten dem Kapital neue Felder für Investitionen und Finanzplatzierungen. Sie kommen einer privaten Aneignung öffentlicher Vermögensbe-
stände gleich und können als Form der Akkumulation durch Enteignung charakterisiert werden (Harvey 2004).
Abbildung 3: Entwicklung der Anteile der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in aus- gewählten Ländern des europäischen Zentrums. Quelle: AMECO Datenbank
Abbildung 4: Entwicklung der Anteile der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt der eu- ropäischen Peripherie. Quelle: AMECO Datenbank
Abbildung 5: Der für Rentiers fruchtbare Kreislauf von Staatsschulden und Rentiereinkom- men, eigener Entwurf.
Die Abbildungen 6 und 7 zeigen die konsolidierten Bruttoschulden in ausgewählten Län- dern Europas. Die Verschuldung stieg in den meisten Ländern seit 1980 an und sank anschließend in den 1990er Jahren als Ergebnis der durchgesetzten Austeritätspolitik so- wie in den 2000er Jahren bis 2007 dank höherer Wachstumsraten in einigen Ländern.
2008 und 2009 explodierte die Schuldenlast in vielen Ländern aufgrund der Rettung der Banken und des Finanzsystems.
Abbildung 6: Entwicklung der Bruttoverschuldung in Prozent des Bruttoinlandprodukts in ausgewählten Ländern des europäischen Zentrums. Quelle: AMECO Datenbank
Abbildung 7: Entwicklung der Bruttoverschuldung in Prozent des Bruttoinlandsprodukts in ausgewählten Ländern der europäischen Peripherie. Quelle: AMECO Datenbank
3 Rettungsschirme für die Rentiers
3.1 Der Staats-Finanz-Komplex und die Verschiebung der Verschuldung zu den öffentlichen Haushalten
Die Finanzkrise 2008, der Zusammenbruch des Kreditwesens und der schnelle Anstieg der Erwerbslosigkeit seit dem Herbst 2008 haben die Tragweite der Überproduktion of- fenbart. In den Ländern, in denen das Finanzkapital Immobilienblasen angefeuert hat, wie in den USA, in Großbritannien, in Irland und in Spanien, hat die Überproduktion die Form von leeren Häusern, verlassenen Wohnungen, unverkauften Büros und einem Bausektor in der Krise angenommen. In vielen Ländern offenbarten sich rasch auch weit- reichende Überkapazitäten in verschiedenen Industriesektoren.
Die Krise offenbart die Grenzen eines Wachstumsmodells, in dem die Produktion und der Verkauf von Gütern und Dienstleistungen durch eine massive Verschuldung der Un- ternehmen und vor allem der Haushalte unterstützt wurden. Der Finanzsektor hat den Hebel der Verschuldung angewendet, um der Nachfrageschwäche entgegenzuwirken, die durch die Einfrierung der Löhne entstanden ist.
In der stark liberalisierten und globalisierten Wirtschaft muss das Ausmaß der Über- akkumulation und Überproduktion aber auf Weltebene erfasst werden. Viele europäi- sche Industriekonzerne haben seit 2009 ihre internationale Expansion vorangetrieben und einen Großteil ihrer Neuinvestitionen in China und in anderen Schwellenländern getätigt. In der Tat wurde das sehr ungleiche Wachstum seit 2010 durch die Verschuldung im Westen und die Produktion in China angetrieben (Chesnais 2011: 63–65, 73). Wie lange China und andere Schwellenländer die Rolle der Konjunkturlokomotive einneh- men können, bleibt unsicher.
Die Regierungen der USA und Europas haben mit ihrer Krisenpolitik im Sinne der Empfänger von Zins- und Renteneinkommen gehandelt und deren Position gestärkt. Zahlreiche Banken in den USA und in Europa wurden mit noch nie da gewesener Staats- hilfe durch den Sturm der Krise und der Marktbereinigung gezogen. Die Staatshilfen für den Finanzsektor dienten nicht nur der Rettung der Banken, sondern vor allem auch ih- rer Stützung im Kontext der internationalen Rivalität. Dieses Zusammenspiel von Staat und Finanzkapital wurde bislang wenig analysiert: Harvey (2009) argumentiert, dass der Staats-Finanz-Komplex entscheidend sei für die Dynamik des Kapitalismus. Was formal im Kleid der Verstaatlichung erschien, war tatsächlich private Aneignung öffentlicher Guthaben durch Unternehmen des Finanzkapitals in bislang unerreichtem Ausmaß. Die- ser Prozess entsprach einer Verschiebung der Verschuldung von den Unternehmen zum Staat. Der Staat trat gewissermaßen als «ideeller Gesamtbankier» auf (Altvater 2010:
213). Allein die für die direkten Stützungszahlungen der reichen G20-Staaten vorgesehe- nen Mittel beliefen sich durchschnittlich auf etwa 5,7 % des BIP der G20 von 2008. Da- zu kamen angekündigte Kapitalspritzen und der Erwerb von Vermögensbeständen im Umfang von 3,4 % und Stützungskredite im Umfang von 4,1% des BIP. Allerdings wur- den alle diese Programme letztlich meistens zu weniger als 50 % beansprucht (Horton et al. 2009: 11, 28; Horton und Gerson 2009: 11; vgl. IMF 2009: 28).
Die Bedeutung des Staates erwächst jedoch nicht nur aus seiner Rolle als lender of last resort, also als Garant für das Funktionieren der Finanzmärkte und gegen einen zu hohen Wertverlust des akkumulierten (fiktiven) Kapitals, sondern auch in seiner aktiven Rolle als Emittent von Staatsanleihen. Die stark divergierenden Zinssätze für Staatsanlei- hen sind ein Gradmesser für das Vertrauen, das das anlagesuchende Kapital den Staaten entgegen bringt, ihren Schuldendienst mit der Aufnahme neuer Schulden zu begleichen, letztlich also ihren Zahlungsverpflichtungen an die institutionellen Investoren nachzu- kommen.
Die rapide ansteigende Staatsverschuldung entsprang direkt der Sozialisierung der Schulden des Finanzsektors. Das unterstreicht die anhaltende Macht des Finanzkapitals und die Aktualität des Konzepts des fiktiven Kapitals. Die staatlichen Stützungen haben die anstehende Entwertung des fiktiven Kapitals reduziert und zugleich die Profitabilität der wichtigsten Finanzunternehmen garantiert. Dank der enormen Aufblähung der Staatsverschuldung konnte sich das fiktive Kapital 2009–2011 abermals aufbauen und Zinszahlungen durchsetzen. Die mit umfangreichen Emissionen von Staatsanleihen er- folgte Umlenkung der Schulden zu den Staaten versprach dem zinstragenden Kapital weitere relativ sichere und in einem deflationären Umfeld sogar attraktive Anlagemög- lichkeiten. Die durch das fixe Kapital aufgetürmten Schranken für die Kapitalverwertung werden nun abermals durch die Eröffnung eines weiteren finanziellen Kapitalkreislaufs zumindest für eine gewisse Zeit überwunden (Harvey 1982: 269).
Die Staaten trugen auf Kosten öffentlicher Guthaben nicht nur zur Sicherstellung der Verwertungsbedingungen des Kapitals, sondern auch maßgeblich zur Stabilisierung der Rentiereinkommen bei. Die Regierungen Nordamerikas und Europas, der IWF und die Europäische Kommission reagieren nun mit den bekannten neoliberalen und neokon- servativen Rezepten auf die Verschuldung. Die Defizite sollen durch eine konsequente Ausgabendisziplin, Effizienzsteigerung der öffentlichen Leistungen, insbesondere bei den Sozialausgaben, und weitere Privatisierungen wieder reduziert werden. Die Glaub- würdigkeit der Schuldnerstaaten muss gewahrt bleiben.
Doch die Reduktion der Defizite führt keineswegs automatisch zu einer Verringerung der Schuldenlast. Ebenso wenig lässt ein öffentliches Defizit die Schuldenlast generell an- wachsen. Wenn die Reduktion der Defizite die wirtschaftlichen Aktivitäten bremst oder gar einbrechen lässt, wird sich der Schuldenberg sogar vergrößern. Auch neoklassische Lehrbücher lehren, dass die Schuldendynamik von der Höhe der Primärdefizite sowie der Differenz zwischen dem Zinssatz und der Wachstumsrate abhängig ist (Blanchard 2009:
562). Die Wachstumsrate ist ihrerseits aber nicht unabhängig von den öffentlichen Aus- gaben. Kurzfristig begrenzen stabile öffentliche Ausgaben die Reichweite von Rezessio- nen. Langfristig stimulieren Investitionen und öffentliche Ausgaben für Bildung, Ge- sundheit, Forschung und Infrastruktur das Wachstum. Doch die unter dem Vorwand der leeren öffentlichen Kassen durchgesetzte Austeritätspolitik und die Einfrierung der Löh- ne in der Eurozone wie auch den anderen Ländern der EU haben die Nachfrageschwäche und Realisierungsschwierigkeiten verschärft (Math 2010).
Nahezu alle Länder in Europa verschuldeten sich in der Krise zusätzlich. In Griechen- land, aber auch in Frankreich und Italien, hatte die Verschuldung schon vor der Krise ein hohes Ausmaß eingenommen. In Spanien und Irland erwuchs die große Schuldenbelas- tung direkt aus dem Platzen der Immobilienblase. Zahlreiche Banken und Immobilienfonds verschuldeten sich in der Folge stark. Die Regierungen griffen diesen zulasten der Staatskasse rettend unter die Arme. Zugleich bietet die akkumulierte öffentliche Verschuldung dem konzentrierten Anlagekapital die Möglichkeit, sich über «ewige» Zinszahlungen einen Teil der Staatseinnahmen anzueignen, die wiederum vor allem durch die direkte und indirekte Besteuerung der Lohnabhängigen gespeist werden. Die Austeritätspolitik bedeutet, dass die vorher vom privaten auf den öffentlichen Sektor verschobene Schuldenlast auf die Lohnabhängigen abgewälzt wird. Sowie die Krise 2008 und 2009 historisches Ausmaß annahm, scheint nun auch die in die Wege geleitete Austeritätspolitik bislang unbekannte Dimensionen anzunehmen.
3.2 Ungleiche Entwicklung in Europa und die Konstruktionsprobleme des Euro
Die größtmögliche Freiheit für das Kapital ist ein wesentlicher Bestandteil des im De-
zember 2007 abgeschlossenen Vertrags von Lissabon (siehe Artikel 1.3, 1.4 und 3.177).
Dieser übernahm die wesentlichen Elemente des in Volksabstimmungen in Frankreich
und den Niederlanden 2005 abgelehnten Verfassungsvertrages. In den Auseinanderset-
zungen von 2005 war vor allem die Dienstleistungsrichtlinie, die einen freien Dienstleis-
tungsverkehr in Europa vorsah, umstritten. Doch mit dem Ausbruch der Schuldenkrise
rückten die Konsequenzen der Geldpolitik, wie sie in den Verträgen festgehalten wird, ins
Blickfeld. Sie haben mehrere Dimensionen, die aus der Natur der europäischen Kon-
struktion selbst erwachsen. Bis 2008 konnten sich die Illusionen über den Euro und sei-
ne Institutionen halten. Aber mit dem Ausbruch der globalen Krise traten die grundle-
genden Konstruktionsschwächen des Euro und der gesamten europäischen Institutionen
deutlich hervor. Zudem zeigen sich die massiven Unterschiede zwischen dem Euro und
dem US-Dollar. Mit dem Bretton-Woods-Abkommen von 1944 und besonders seit der Abkehr von den
festen Wechselkursen 1971 wurde der US-Dollar das standardmäßige Weltgeld. Der
Dollar gilt als Wertmaßstab, zumindest als Mittel des Vergleichs auf Weltebene (alle Sta-
tistiken der internationalen Organisationen lauten auf US-Dollar). Der US-Dollar ist un-
bestreitbar das hauptsächliche Zahlungsmittel auf Weltebene und demnach das wichtigs-
te Zirkulationsmittel für Waren. Aufgrund der Größe der US-amerikanischen Finanz-
märkte ist der US-Dollar auch und vor allem das wichtigste Instrument für Finanzan-
lagen. Der US-Dollar vereinigt also immer noch mehr oder weniger die drei wesentlichen
Attribute des Geldes: Wertmaßstab der Waren, Zirkulations- und Zahlungsmittel sowie
Mittel zur Schatzbildung. Das erlaubt es den USA, einen globalen Geldvorteil durchzu-
setzen. Sie können ihre Budgetdefizite weiterreichen und im Ausland Geld leihen, ohne
Angriffe auf ihr Geld fürchten zu müssen. Die Politik des «quantitative easing» der US-
Notenbank, also die Schöpfung von Geld, um Schuldtitel des amerikanischen Finanzmi-
nisteriums zu kaufen, verdeutlicht dieses Privileg. Zwar verzeichnete der US-Dollar in
den letzten Jahren eine kontinuierliche Abwertung, und seine Rolle als Weltgeld schien
manchmal zu schwanken. Dennoch verfügen die USA weiterhin als einzige über diese
Hegemonie des Geldes (Chesnais 2011: 120). Der Euro entstand nicht aus einer nationalen Währung, sondern wurde von den
führenden Euro-Staaten geschaffen. Das zentrale Ziel der Geldpolitik der EZB besteht darin, die Inflation unter 2 % zu halten und einen homogenen Markt für Bankenliqui- dität in Europa zu schaffen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt verordnet den Ländern Haushaltsdisziplin. Die Eurozone übt den Druck der wirtschaftlichen Anpassungen vor allem auf den Arbeitsmärkten aus. Die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Binnenmarkt hängt vom Produktivitätswachstum und den Arbeitskosten im jeweiligen Land ab. Der Euro vermittelt dem deutschen Finanz- und Industriekapital starke Wettbewerbsvortei- le auf den europäischen und internationalen Märkten. Dem deutschen Kapital schien vor allem aber die potentielle Rolle des Euro als Reservewährung interessant, um sowohl den Zugang zu Kapital als auch das Kreditgeschäft weltweit zu verstärken (Lapavitsas et al.2011: 13). Der Euro erlangte jedoch nur ansatzweise den Status einer internationalen Reservewährung. Außerhalb der Eurozone spielt er keine Rolle als Wertmaßstab. Der Euro ist zwar Zirkulations- und Zahlungsmittel im Euroraum, im Raum des Weltmarktes, des
Erdöls und vieler anderer Produkte gilt jedoch der US-Dollar als Zahlungsmittel. Der Eu-
ro ist vor allem – und das war zweifellos das Ziel jener, die ihn vorangebracht haben – ein
Instrument für Finanzanlagen. Das zeigt die massive Präsenz von Pensionsfonds und
Hedgefonds auf den Märkten europäischer Staatsanleihen (Chesnais 2011: 120). Einer der Gründe für die Unvollständigkeit des Euros im Vergleich zum US-Dollar ist die Tatsache, dass er nicht von einem Staat getragen wird. Der Grad der Unabhängigkeit
der Europäischen Zentralbank macht dies noch offensichtlicher. Die Europäischen Verträge verbieten es der Europäischen Zentralbank und den nationalen Notenbanken der Mitgliederstaaten, Kredite an Institutionen oder Organe der Gemeinschaft der Nationalstaaten und an regionale Behörden zu verleihen (Art.110 des Maastricht-Vertrags und
Art.123 Abs.1 AEUV des Vertrags von Lissabon). Zwar kauft die Europäische Zentral-
bank Staatsanleihen auf den Sekundärmärkten. Sie kann diese aber nur über Zweckge-
sellschaften der sogenannten Rettungsschirme kaufen. Im Widerspruch zu ihren eigenen
Bestimmungen hat die EZB auch provisorisch akzeptiert, dass die Banken, wenn sie bei
ihr frisches Geld nachfragen, Wertpapiere von minderer Qualität hinterlegen, einschließ-
lich niedrig bewerteter Staatsanleihen (Chesnais 2011: 121). Die Unternehmen mit der höchsten Produktivität können die Vorteile eines einheitlichen Währungsraums am ehesten nutzen und den anderen Wettbewerbern ihre Bedingungen auferlegen. In der Tat konnten die deutschen Unternehmen den durch den gemeinsamen Währungsraum verschärften Wettbewerbskampf für sich entscheiden.
Deutschland hielt die Lohnstückkosten niedirg (Abbildung 8). Die geschwächten Ge-
werkschaften waren nicht in der Lage, dem Exportmodell eine Alternative entgegenzu-
setzen. Der niedrige Preis des Euro reduziert zudem die Preise der deutschen Waren
außerhalb des Euroraums (Lapavitsas et al. 2011: 16f.). In den peripheren Ländern führte die verringerte Wettbewerbsfähigkeit zu andauernden Leistungsbilanzdefiziten. Doch die Überschüsse Deutschlands stammen nur zu ei-
nem geringen Teil aus diesen Ländern. In dieser Konstellation baute sich eine zunehmend
tiefere Kluft auf zwischen den exportstarken Ländern Deutschland, Österreich, der
Schweiz, den Niederlanden sowie den skandinavischen Ländern einerseits und Defizit-
ländern wie Spanien, Portugal, Italien und Griechenland andererseits (Abbildung 9). Die
Kapitalimporte der peripheren Länder eröffneten dem Finanzkapital ein interessantes Feld von Anlagemöglichkeiten in Staatsanleihen und Schuldtitel. Die Zinserträge, zu de- nen sie berechtigen, beruhen letztlich auf einer Umverteilung des von den jeweiligen Ge- sellschaften erarbeiteten Reichtums.
Trotz des gemeinsamen Währungsraums und des durch den Euro hervorgerufenen Wettbewerbsdrucks gibt es keine gemeinsame Fiskalpolitik der Euroländer. Allerdings ähneln sich die Formen der Budget- und Lohnpolitik in den verschiedenen Ländern: Senkungen der Sozialausgaben und der Löhne für Staatsangestellte, Reduktion des Per- sonalbestandes und Kürzungen bei den Altersversicherungen, seien sie per Kapitalde- ckungsverfahren oder Umlageverfahren organisiert. Auch die am stärksten von der Kri- se betroffenen Länder wie Griechenland und Portugal haben diese Politik angewendet und sind nunmehr in einer infernalischen Spirale gefangen, die die armen Schichten der Bevölkerung und die Jungen am meisten trifft. Der Anteil der öffentlichen Schulden am Bruttoinlandsprodukt stieg in diesen Ländern stark an, und die Wirtschaftsleistung nimmt weiter ab. Der Rückgang der Produktion und die Zunahme der Arbeitslosigkeit haben auch zu einem Rückgang der Steuereinnahmen geführt. Die Höhe der Zinssätze, die von den Banken, den Anlagefonds und den Hedgefonds gefordert werden, steigt bei jeder Neuausgabe von Staatsanleihen. Die am stärksten verschuldeten Staaten stecken so- mit in einem Schraubstock, der immer fester angezogen wird. Alle zwei bis drei Monate verlangen die Ratingagenturen, die Finanzinvestoren und die europäischen Institutio- nen, die Ausgabenkürzungen und die Lohnkürzungen noch eine Umdrehung weiter zu schrauben. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter, die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer, die in vielen Ländern Europas eine der wichtigen Steuereinnahmen ist, sinken, wodurch das Defizit trotz einer Senkung der Ausgaben weiter ansteigt. Die nachfolgende Ausgabe von Staatsanleihen wird nochmals etwas teurer als die vorangegangene und die laufende Zinsbelastung nochmals etwas schwerer. Die Hedgefonds haben von der Schwäche der verletzlichsten Länder stark profitiert und konnten die Zinssätze weiter in die Höhe trei- ben. Die Fortsetzung dieser Politik wird die Entwertung von Kapital, die gesellschaftli- chen Kosten und das Leid der Bevölkerung unweigerlich weiter vorantreiben.
Abbildung 8: Entwicklung der nominalen Lohnstückkosten: ausgewählte Länder im Ver- gleich. Quelle Lapavitsas (2011: 15) auf der Basis der AMECO-Datenbank
Abbildung 9: Leistungsbilanzdefizit ausgewählter Länder in % des BIP. Quelle Lapavitsas
(2011: 17) auf der Basis des BoPs Yearbook (BPM5)
3.3 Rettungsschirme für die Banken
Die ungezügelte Expansion verschiedener Kreditformen, namentlich im Immobilienbe-
reich in verschiedenen Ländern sowie in den mit starken Risiken behafteten Anlagefor-
men, mündete schließlich in eine Bankenkrise. Die Staaten griffen jedoch wiederholt massiv ein, um die Banken und das Finanzsys-
tem zu retten. Bereits im Herbst 2008 erhielten sie umfassende Hilfen, als Lehman Brothers in Bankrott ging. Seither säuberten die europäischen Banken ihre Aktiva nicht von toxischen Papieren und tätigten weiterhin hochriskante Anlagegeschäfte. Sie überzeug-
ten im Frühjahr 2010 die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und einiger anderer
Staaten, ebenso die EU und die Europäische Zentralbank davon, dass das Risiko eines
Zahlungsausfalls Griechenlands ihre eigenen Bilanzen in Gefahr bringen würde. Sie ver-
langten, unter einen Schutzschirm gestellt zu werden, der sie vor den Konsequenzen ih-
rer eigenen Anlagestrategien schützen soll. Am 9. Mai 2010, nach langen und angespannten Verhandlungen, beschlossen die Fi-
nanzminister der 27 EU Länder (ECOFIN Council) die Etablierung einer Europäischen
Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) als provisorischen Stabilisierungsmechanismus mit
einer Laufzeit bis 2013. Diese Aktiengesellschaft gleicht einer speziellen Zweckgesell-
schaft (Special Purpose Vehicle) von der Art, wie sie den Banken bereits während der Im-
mobilienblase erlaubt hat, ihre risikobehafteten Wertpapiere aus den Bilanzen zu entfer-
nen. Der Kreditrahmen wurde auf 440 Milliarden Euro angesetzt. Die EU garantiert di-
rekt 60 Milliarden Euro, und der IWF steuert weitere Kredite bis zu 250 Milliarden Euro
bei. Die Garantiesumme beläuft sich auf insgesamt 780 Milliarden Euro.
Die EFSF finanziert sich über Anleihen bei den Banken, die durch die Eurostaaten ent-
sprechend ihren Einlagen in der Europäischen Zentralbank garantiert werden. Seit sei-
ner Schaffung haben die Banken ein Spiel getrieben, das darin besteht, dem Fonds Mit-
tel zu leihen und sich gleichzeitig bei der Europäischen Zentralbank zu einem Zinssatz
von rund 1% zu refinanzieren und anschließend das Geld Griechenland und anderen
Ländern zu wesentlich höheren Zinssätzen auszuleihen. Griechenland wurde sogar ge-
zwungen, sein vom Fonds geliehenes Geld mit einem Zinssatz zwischen 5 % und 6 % zu
bezahlen. Was die Medien als Ausdruck der Solidarität zwischen den Euroländern be-
zeichnen, sind Mechanismen zur Bereicherung der Rentiers und Aufblähung des fiktiven
Kapitals. Deutschland und Österreich leihen Griechenland oder Portugal keine Mittel di-
rekt. Es gibt weiterhin keinen Transfer von Reichtum innerhalb der Eurozone. Die Schaf-
fung des Stabilisierungsfonds hat die Schuldenlast Griechenlands und Portugals nicht re-
duziert und hat somit auch die spekulativen Attacken gegen die verletzlichsten Länder
auch nicht gestoppt (Chesnais 2011: 121; EFSF 2011; Lapavitsas et al. 2011: 30ff.; Millet
und Toussaint 2012: 53–60).
Da das Volumen des EFSF nicht ausreichte, um die Krise an den Finanzmärkten ein-
zudämmen, beschloss der Europäische Rat im Dezember 2010, den EFSF durch einen
noch weitergehenden Stabilitätsmechanismus, den Europäischen Stabilitätsmechanis-
mus (ESM) zu ersetzen, der ab Juli 2012 in Kraft treten und eine dauerhafte Einrichtung
sein soll. Das maximale Kreditvolumen beläuft sich auf 500 Milliarden Euro. Die ESM-Mitgliedstaaten sollen 80 Milliarden Euro während eines Zeitraums von fünf Jahren als Grundkapital einzahlen. Der ESM-Fonds kann, wie die EFSF, eigene Anleihen bis zur Höhe von 420 Milliarden Euro ausgeben, für die die Mitgliedstaaten bürgen. Der IWF stellt gegebenenfalls weitere 250 Milliarden Euro als Kredite zur Verfügung. Das Haf- tungskapital beläuft sich zunächst auf 700 Milliarden Euro, kann aber unbeschränkt er- höht werden. Der ESM kann auch direkt Staatsanleihen der Mitgliedsstaaten aufkaufen. Der ESM kann Notkredite und Bürgschaften vergeben. Überschuldete Mitgliedstaaten erhalten Kredite aber nur bei Einhaltung harter Bedingungen und der Durchführung ei- nes Strukturanpassungsprogramms, die zudem auch vom IWF gutgeheißen werden müssen (European Commission 2011; Lapavitsas et al. 2011:32).
Die Europäische Zentralbank flankierte die Vorkehrungen gegen Schuldenkrisen durch Geldmarktoperationen und den Aufkauf von Staatsanleihen auf den Sekundar- märkten. Die Notenbanken kauften ebenfalls Anleihen auf den Sekundärmärkten. Mit dieser beispiellosen Krisenabwehr wollten die Regierungen den Kollaps Griechenlands sowie die Spekulationen auf die Zahlungsunfähigkeit weiterer verschuldeter EU Staaten, darunter auch das Schwergewicht Spanien, verhindern. Der Erfolg trat nicht ein. Im Ge- genteil, die Krise schreitet voran und breitet sich aus. Eine substantielle Entwertung des fiktiven Kapitals fand nicht statt. Im Gegenteil, die Rentiers erhalten weitere Garantien zur Bereicherung.
4 Die Verschuldungsspirale in den südeuropäischen Ländern und die europäischen Rettungsschirme
Die kurze Skizze des Krisenverlaufs in einigen südeuropäischen Ländern ist keine um- fassende Analyse. Sie verfolgt bloß das Ziel, die Verantwortung der Banken und des fi- nanziellen Anlagekapitals für die rasch wachsende Schuldenlast in diesen Ländern auf- zuzeigen.
Griechenland ist von der Krise in der Eurozone am stärksten betroffen. Die Akteure auf den Finanzmärkten sind nur unter der Bedingung exorbitanter Zinszahlungen bereit, von Griechenland ausgegebene Staatsanleihen zu kaufen. Der Zinssatz für zehnjährige Staatsanleihen wird von den Finanzmärkten täglich genau verfolgt und gilt als Indikator für die finanzielle Gesundheit der Staaten (Millet und Toussaint 2012: 53). Dieser betrug am 26. Juni 2012 rund 26 %, nachdem er Anfang März sogar auf 38 % gestiegen war (www. bloomberg. com). Griechenland wie auch Irland und Portugal sind vom Markt langfristiger Anleihen abgeschnitten und Mitte Juni 2012 scheint diese Situation auf für Spanien eingetreten zu sein.
Nach Beginn der Krise reichten die westeuropäischen Geschäftsbanken das Geld, das sie sehr günstig von der EZB, der Bank of England und der Federal Reserve der USA so- wie den Geldmarktfonds in den USA erhalten hatten, an Länder wie Griechenland, Por- tugal, Spanien und Italien weiter. Noch bis Ende 2009 liehen die Banken und institutio- nelle Anleger Griechenland ohne zu zögern große Summen. Am 20. Oktober 2009 emit- tierte Griechenland Staatsanleihen für drei Monate zu einem Zinssatz von nur 0,35 %. Die Banken motivierten die griechische Regierung sogar wesentlich mehr als die ur- sprünglich vorgesehenen 1,5 Milliarden Euro zu leihen. Am selben Tag emittierte die Re- gierung eine sechsmonatige Anleihe zu einem Zinssatz von 0,59 %. Die Ratinggesell- schaften sprachen Griechenland und den Banken, die das Geld liehen, gute Bewertungsnoten aus. Nur zehn Monate später musste die Regierung für sechsmonatige Anleihen den Anlegern eine Rendite von 4,65 % einräumen. Am 11. März 2010 nahm Griechen- land die seither letzte zehnjährige Staatsanleihe auf und zwar zu einem Zinssatz von be- reits 6,25 %. Anschließend folgten die spekulativen Attacken und die Intervention der Troika (Millet und Toussaint 2012: 54f.).
Seit dem Ausbruch der Verschuldungskrise im Frühjahr 2010 hat Griechenland nur noch jeweils für drei, sechs oder maximal zwölf Monate Geld auf den Anleihemärkten geliehen und dabei Zinssätze zwischen 4 % und 5 % bezahlt. Für den Rest des Finanzbe- darfs hat sich das Land im Rahmen seines im Mai 2010 mit der Troika (Europäische Uni- on, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) abgeschlossenen Me- morandums an die Regierungen der Eurozone und den IWF gewendet. Die Regierungen der Eurozone haben Griechenland eine Anleihe von sieben Jahren zu 5,5 % aufgezwun- gen. Diesen Zinssatz haben sie im Juli 2011 reduziert, als offensichtlich wurde, wie skan- dalös diese Höhe war. Griechenland kann sich nicht direkt bei der Europäischen Zen- tralbank finanzieren. Diese kauft griechische Schuldtitel nur von den privaten Banken auf den Sekundärmärkten (Millet und Toussaint 2012: 56).
Die Geschäftsbanken tragen also eine erhebliche Verantwortung für die exzessive Ver- schuldung Griechenlands. Zunächst haben sie aktiv dazu beigetragen, Griechenland in die Falle untragbarer Schulden zu stürzen. Anschließend verlangten sie so hohe Zinsen, dass das Land keine Anleihen von länger als einem Jahr mehr aufnehmen konnte. Die französischen und deutschen Banken haben im Zuge der Zuspitzung der Krise ihre Ex- position gegenüber griechischen Schuldtiteln massiv reduziert. Doch die Krise hat sich längst ausgebreitet. Irland und Portugal mussten ebenfalls unter den europäischen Ret- tungsschirm. Bereits im Sommer 2011 bedrohten die hohen Zinssätze auch zunehmend die Refinanzierung von Spanien und Italien. Im Sommer 2012 ist der Schwerpunkt der Bankenkrise in Spanien angekommen. Faule Hypothekenkredite in der Höhe von ver- mutlich mehreren hundert Milliarden Euro lagern in den Büchern der Banken. Auch hier ist der Staat im Begriff, das fiktive Kapital abermals aufzublähen, die Rentiers zu schüt- zen und anschließend die leidvolle Rechnung den Lohnabhängigen aufzuzwingen.
In Griechenland sind die Konsequenzen der zugunsten der Finanzanleger durchge- setzten Politik am sichtbarsten. Die von der Eurogruppe und der Europäischen Zentral- bank Griechenland aufgezwungene Austeritätspolitik hat besonders schwerwiegende Auswirkungen. Das Land befindet sich seit 2007 in der Krise und verzeichnet einen mas- siven Wirtschaftsrückgang. Die Schulden belaufen sich trotz Schuldenschnitt von über
100 Milliarden Euro im März 2012 mittlerweile auf rund 160 % des BIP. Das Risiko der Insolvenz besteht weiterhin. Die finanziellen Anleger wollen neue Garantien der griechi- schen Regierung, der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank.
Die Krise der öffentlichen Verschuldung hat Ende 2009 in einem der kleinsten Länder Europas begonnen, als ob die Finanzinvestoren die Fähigkeit der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank testen wollten, ihnen Widerstand zu leisten. In Grie- chenland, wie anderswo, hat die Krise zu einem Rückgang der Staatseinnahmen geführt. Damit wurde es unmöglich, noch länger den Zustand der öffentlichen Finanzen – die Zahlen wurden von der Regierung Kostas Karamanlis mit Unterstützung von Goldman Sachs 2001 gefälscht – zu verbergen. Die Mechanismen der steigenden öffentlichen Verschuldung sind allerdings dieselben wie in anderen Ländern auch. Die Steuersenkungen auf Einkommen, auf Vermögen und der Unternehmenssteuer haben die Staatseinnah- men reduziert und das Defizit vergrößert, das wiederum durch eine Zunahme der Ver- schuldung finanziert wurde. Die Geschenke für die Reichen waren hier vielleicht sogar noch wichtiger als anderswo.
Die Schulden im Privatsektor wurden durch Bankkredite alimentiert und stiegen in den 2000er Jahren ebenfalls stark an. Die Haushalte, denen die Banken und der Einzel- handel verlockende Darlehen versprachen, verschuldeten sich, ebenso die Unternehmen und die Immobilienentwickler. Die Banken refinanzierten sich, indem sie Kredite bei an- deren Banken in Europa aufnahmen. Die Abbildungen 10 und 11 zeigen, dass die Kapi- talflüsse nach Griechenland und Spanien zum größten Teil die Form von Anlagekapital, nicht von Direktinvestitionen, annahmen (Lapavitsas et al. 2010: 14). Das war ein wich- tiger Aspekt des Wachstums in beiden Ländern. Dank dem starken Euro und der Refi- nanzierung auf den Anleihemärkten in der Eurozone konnten die griechischen und spa- nischen Banken ihre internationalen Aktivitäten ausdehnen und zu niedrigen Kosten ih- re nationalen Aktivitäten finanzieren (Chesnais 2011: 107f.).
Abbildung 10: Zusammensetzung der Kapitalflüsse nach Griechenland in Millionen USD. Quelle Lapavitsas et al. (2010: 14), gestützt auf IMF IFS
Abbildung 11: Zusammensetzung der Kapitalflüsse nach Spanien in Millionen USD. Quel- le Lapavitsas et al. (2010: 14), gestützt auf IMF IFS
Das Wachstum der Kredite verlief in zwei Phasen. Von Dezember 2005 bis März 2007 stieg das Volumen der Kredite um 50 % von 80 Milliarden auf 120 Milliarden USD. Die zweite Phase setzte mit der Krise ein. Von 2007 bis 2008 platzierten die europäischen Ban- ken, vor allem deutsche, französische, aber auch belgische, niederländische, britische, lu- xemburgische und sogar irische Banken, dank den ihnen von den Notenbanken (der FED, EZB und Bank of England) im Rahmen der Rettungspläne günstig zur Verfügung gestellten Liquidität, weiterhin Kreditgeld in Südeuropa, sowohl bei den Staaten als auch bei den privaten Haushalten. Als die Hypothekenkrise in den USA sich dem Höhepunkt näherte, stiegen die Kredite zwischen Juni 2007 und Sommer 2008 abermals stark an (+33 %) – von 120 auf 160 Milliarden USD – und verblieben auf diesem Niveau bis zum Ausbruch der Krise der Staatsschulden. Die großen Banken in Europa nutzten die ihnen von den Notenbanken zur Verfügung gestellte Liquidität, um das Kreditvolumen weiter aufzublähen (Toussaint 2011). Sie haben das Boot beladen, bis es Schlagseite bekam, als die Tragweite der Defizite bekannt wurde und die offene Spekulation auf die Refinanzie- rungsraten einsetzte, die Griechenland, Portugal, Irland und danach auch Spanien und Italien abverlangt wurden (Chesnais 2011: 108).
5 Die Krise und die Debatte über die illegitimen Schulden
5.1 Die illegitimen Schulden in Griechenland
Die Zinszahlungen der Staaten bewirken einen beständigen Fluss von erarbeitetem
Reichtum an die Finanzanleger. Das bedeutet, dass keine wirklich signifikante Verände-
rung der Reichtumsverteilung zugunsten der Lohnabhängigen stattfinden kann, solange
man nicht den Schuldendienst und letztlich die öffentliche Verschuldung selbst in Frage
stellt. Die verstärkte Besteuerung der Gewinne und der hohen Einkommen, zweifellos ei-
ne wichtige Maßnahme jeder Neuordnung des Steuerwesens, wird nicht wirklich wirk-
sam, wenn man nicht zugleich die Schuldenfrage anpackt (Chesnais 2011: 16). Die strukturellen Ungleichgewichte in Europa und die Tragweite der Finanz- und Währungskrise lassen innerhalb der kapitalistischen Ordnung in der kommenden Zeit zwei Entwicklungen plausibel erscheinen, die zudem auch teilweise miteinander kombi- niert werden können. Möglicherweise werden die schwächsten und am stärksten ver- schuldeten Länder aus dem Euro hinausgedrängt und zwar zu unhaltbaren Bedingungen für einen Großteil der Bevölkerung in diesen Ländern. Gleichzeitig ist nicht auszuschlie- ßen, dass die herrschenden Kreise der Zentrumsländer sich für eine gemeinsame Fiskal- politik und eine Transferunion mit der Dynamik eines autoritären europäischen Qua- sistaats entscheiden. Beide Perspektiven sind aus einer emanzipatorischen Perspektive abzulehnen.
Alternativ stehen ein progressiver Ausstieg Griechenlands und möglicherweise ande- rer Länder aus der Eurozone zur Diskussion. Eine Forschergruppe in London um Costas Lapavitsas hat hierzu wichtige Überlegungen angestellt (Lapavitsas et al. 2011) (Lapavit- sas 2011; Kaltenbrunner 2012). Autoren wie Onaran (2012) und Husson (2011) argu- mentieren demgegenüber für eine linke gesamteuropäische Strategie, die nicht auf den Ausstieg aus der Eurozone setzt. Diese wichtige Diskussion kann hier nicht erörtert wer- den. Die jüngste Entwicklung deutet jedoch darauf hin, dass die ökonomischen Un- gleichgewichte und geografische Ungleichheiten in Europa so groß sind, dass ein Aus- stieg peripherer Ländern aus der Eurozone durchaus auch aus einer internationalisti- schen und emanzipatorischen Perspektive eine erwägenswerte Option sein kann (Becker
2012). Hier geht es nicht darum, sich für oder gegen den Ausstieg eines Landes aus dem Eu-
ro auszusprechen, sondern zu überlegen, wie die gesellschaftlichen Auseinandersetzun-
gen in Europa so zusammengeführt werden können, dass eine demokratische und ge-
sellschaftliche Kontrolle der Banken und somit auch des Euro möglich wird. In einer sol-
chen Perspektive ist die Schuldenfrage entscheidend. Es ist nach Möglichkeiten zu su-
chen, wie die Schuldenlast demokratisch überprüft werden kann. Schulden, die sich als
nicht legitim erweisen, sind radikal in Frage zu stellen. Damit einher muss auch eine Dis-
kussion über die Rolle der EZB und der Geschäftsbanken gehen, und zwar in einer Per-
spektive, die ihre gesellschaftliche Kontrolle ins Auge fasst. Wenn man für die Nichtbe-
zahlung der illegitimen Schulden in Griechenland oder Portugal eintritt, bedeutet das
konsequenterweise allerdings auch, dass man die europäischen Verträge und die EU ins-
gesamt in Frage stellt (Chesnais 2011). Die Höhe der öffentlichen Schulden, die durch die Wirkung verschiedener finanz-
technischer Hebel noch weiter gesteigert wurde, ist nicht nur wegen der systemischen Ri-
siken für das gesamte Finanzsystem wichtig. Sie wirft auch die Frage nach der Natur die-
ser Schulden auf, zumal Zinsen bedient und zurückbezahlt werden müssen. Aus der Per-
spektive der Mehrwertverteilung ist es relevant zu prüfen, wie groß der Anteil der For-
derungen ist, die auf Sparguthaben beruhen, und wie groß der Anteil der Schulden, die
aus Kreditbeziehungen zwischen den Banken entstanden sind, deren Ziel nur darin be-
steht, ihre Profite zu steigern. Dem Prinzip, die Schulden zu bezahlen, liegt implizit die
Vorstellung zugrunde, dass die ausgeliehenen Summen Ergebnisse eines langen Spar-
prozesses der Lohnabhängigen sind. Das kann bei Pensionsfonds der Fall sein, trifft aber
bei Banken und Hedgefonds nicht zu. Wenn Finanzunternehmen den Staaten Geld leihen und Obligationen kaufen, handelt es sich um fiktive Summen, zu denen heute die Operationen des Shadowbanking (der Kreditschöpfung durch Fonds, die kaum einer Kontrolle unterliegen) zählen. Der Transfer von Reichtum, der durch Arbeit entsteht, verläuft tatsächlich in die umgekehrte Richtung. Die öffentlichen Schulden und der Schuldendienst funktionieren als Finanzpumpe zu den Rentiers und sind Bestandteil ei- ner umfassenden gesellschaftlichen Umverteilung. Allein schon diese ökonomischen Merkmale der geliehenen Summen stellen die Legitimität der öffentlichen Schulden in Frage. Die konkrete Überprüfung des Schuldenmechanismus ist ein zentrales Anliegen bei der Forderung nach einem öffentlichen Schuldenaudit (Chesnais 2011: 103).
Die Forderung nach einem Schuldenaudit wird in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und Frankreich von zahlreichen politischen Organisationen und sozialen Bewe- gungen vertreten. Das internationale Netzwerk CADTM (Comité pour l’Annulation de la Dette du Tiers Monde) führt auf der Grundlage der Erfahrungen von Bewegungen für einen Schuldenerlass für die Länder der Dritten Welt eine europaweite Kampagne für ein Schuldenaudit. Ein von heterodoxen Ökonominnen und Ökonomen in Frankreich lan- ciertes und mittlerweile von rund 6600 Personen unterzeichnetes Manifest stellt in den vorgeschlagenen Maßnahmen 9 und 14 die Bezahlung eines Teils der Schulden in Frage (Askenazy et al. 2010).
Der Begriff der odious debt respektive der verwerflichen Schuld geht auf die Zwi- schenkriegszeit zurück. Die erste Definition stammt von Alexander Sack, einem russi- schen Juristen und Professor für internationales Rechs in Paris, der bereits 1927 ein Kon- zept formulierte (Sack 1927). Odious debt bezeichnet eine Schuld, die eine Diktatur oder ein autoritäres Regime für Ziele eingegangen ist, die nicht im Interesse der Nation und der Bürger liegen. Breiter und aktueller gefasst sind verwerfliche Schulden solche, die ge- gen die Interessen der Bevölkerung eines Staates eingegangen wurden, und zwar ohne ihr Einverständnis, aber in voller Kenntnis der Folgen auf seiten der Gläubiger. Die griechi- sche Militärdiktatur verschuldete das Land und vervierfachte die Schulden zwischen
1967 und 1974 (Toussaint 2011). Sie sind dann unter den nachfolgenden zivilen Regie- rungen ständig gestiegen, die ausgeliehenen Summen haben die verbreitete Korruption weiter verstärkt. In der Verfassung von 1975 ist die Steuerbefreiung von griechischen Reedern, ihren Familien und ihren Gesellschaftern verankert. Ein derartiges Privileg kann alleine schon als konstitutives Element für eine verwerfliche Schuld betrachtet wer- den (Chesnais 2010). Man weiß seit Herbst 2009, dass die Regierung der Nea Demokra- tia des ehemaligen Premierministers Karamanlis die Zahlen gefälscht hat, um die Trag- weite der Korruption zu verschleiern und gegenüber der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank und den Investoren ein sauberes Image zu bewahren. Die nachfolgende Regierung Papandreou hat Karamanlis juristisch nicht belangt. Die wich- tigsten Ausgaben wurden für die Durchführung der Olympischen Spiele 2004 und vor al- lem für Waffenkäufe getätigt, ohne dass man die Höhe der zahlreich geflossenen Kom- missionszahlungen kennt (Chesnais 2011: 106). Diese Sachverhalte entsprechen alle die- sem aktuellen Verständnis von illegitimen Schulden. Griechenland zählte zu den fünf größten Waffenimporteuren in Europa in den Jahren
2005 bis 2009. Der Kauf von Kampfflugzeugen (26 F16 aus den USA und 25 Mirage 2000
aus Frankreich) umfasste bereits 38 % der Importe dieser Zeit. Allein der Kauf der Mirage kostete 1,6 Milliarden Euro. Hinzu kommen Käufe von Panzern, Helikoptern und Ra- ketensystemen. Diese Waffenkäufe sind eine wesentliche Komponente der illegitimen Schulden. Die Verschuldung gegenüber den Anlagefonds und Banken aus denselben Ländern wie die Waffenverkäufer weist zudem auf Formen der Unterordnung hin, wie sie für den Imperialismus charakteristisch ist (Chesnais 2011: 107).
5.2 Grundsätzliche Erwägungen
Die Lohnabhängigen sind nicht verantwortlich für die Schuldenkrise der Staaten, die
durch die systematische Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte und die Soziali-
sierung der Verluste im Finanzsektor hervorgerufen wurde. Dazu kommt die Vergeudung
öffentlicher Ressourcen durch Militärkäufe und Korruption. Ein Großteil der Schulden
ist demnach nicht legitim. Ein Teil der Schulden ist unter schändlichen Bedingungen zu-
sammen gekommen. Daher ist es nicht legitim, diese Schulden über Steuern und Lohn-
abzüge zu finanzieren. Der erste Schritt zur Infragestellung der illegitimen Schulden ist ein einseitiges Mora-
torium der Bezahlung der Zinsen und die Durchsetzung einer Überprüfung der Schul-
den durch die demokratisch legitimierten Strukturen eines Landes und durch Vertreter
verschiedener sozialer Bewegungen, die international koordiniert agieren. Es ist zu überlegen, wie sich Bürgerinnen und Bürger das Recht erkämpfen können, Zutritt zu allen relevanten Informationen und Buchführungen zu erhalten, die Auf-
schluss über die Entstehung und die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung geben.
Ein öffentliches Auditverfahren prüft die Entstehung der verschiedenen Schuldenposi-
tionen. Im Rahmen einer öffentlichen Debatte kann überprüft werden, welche Schul-
denpositionen für sinnvolle Projekte eingegangen wurden und legitim sind. Schulden,
die aus riesigen Rüstungsgeschäften stammen und Schulden, die von unverantwortlich
hohen Zinssätzen der Kreditgeber, seien dies Geschäftsbanken, der IWF oder europäische
Institutionen, herrühren, sind nicht legitim und sollten nicht bezahlt werden. Das erin-
nert uns an die erfolgreiche Restrukturierung der Schulden durch Ecuador im Jahr 2007. In einem solchen Prozess ist eine weitreichende und breite öffentliche Debatte über die
Rolle der Banken und der Finanzinstitutionen nötig. Wie können die Banken zu wirkli-
chen Mittlern transformiert werden, damit sie gesellschaftlich nützliche Projekte finan-
zieren? Es geht hierbei um die Entwicklung von Vorschlägen und Übergangsforderungen
zur gesellschaftlichen Aneignung der Kreditfunktion durch die Lohnabhängigen und die
organisierten Bürgerinnen und Bürger. Es geht also darum, die Perspektive einer gesell-
schaftlichen Aneignung der Banken in den Vordergrund zu schieben. Diese Perspektive
beinhaltet ihre radikalen Verkleinerung und Umformung zu öffentlichen Betrieben, die
wirklich demokratisch kontrolliert werden. Die Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und kritischen Forscher sollten der Ver-
schuldung auf allen Ebenen, einschließlich der Gemeinden, Städte, Regionen, Länder
und der internationalen Ebene, eine größere Aufmerksamkeit beimessen und sich inten-
siv und radikal mit dem Kreditsystem auseinandersetzen. Das gesamte europäische Projekt ist in einer existenziellen Krise. Die politischen Eliten im Dienste des miteinander verwobenen Industrie- und Finanzkapitals, unabhängig
davon, ob sie konservative, liberale oder sozialdemokratische Parteien für ihre Karriere durchlaufen haben, sind nicht in der Lage, dieses Projekt zu retten. Sie sind nicht in der Lage, ein gemeinsames Europa voranzubringen. Die europäische Perspektive muss neu erfunden und aufgebaut werden, um nationalistischen Verlockungen entgegenzutreten. Die gegenwärtigen Institutionen haben keine oder eine höchst beschränkte demokrati- sche Legitimität. Die Perspektive der gesellschaftlichen Aneignung des Finanzsektors auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene ist durch die Forderung nach der euro- paweiten Wahl einer Konstituierenden Versammlung zu ergänzen; sie soll den Auftrag er- halten, eine gemeinsame Verfassung auszuarbeiten (vgl. Zeller 2006).
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