Aceh

Steht Ende des Bürgerkieges in der indonesischen Provinz bevor?

Drei Monate nach dem Tsunami, bei dem in Aceh möglicherweise bis zu einer Viertelmillion Menschen ums Leben kamen, drängen die indonesischen Behörden nun auf einen Abzug der ausländischen Helfer. Auch Vertreter der internationalen Medien sollen Ende März die Provinz im Norden der Insel Sumatra verlassen. Damit würde eine Situation weitestgehend wiederhergestellt, wie sie in Aceh von der Ausrufung des Kriegsrechts im Mai 2003 bis zur Katastrophe im letzten Dezember herrschte, in der das indonesische Militär in einem völlig rechtsfreien Raum operieren konnte. In diesem Zeitraum wurden in der Provinz etwa 40000 Militär- und Polizeikräfte stationiert und, nach Auskunft von Armeegeneral Endriartono Sutarto, 3216 Acehnesen getötet.
Im September 2004 veröffentlichte Human Rights Watch einen Bericht zur Lage in Aceh, in dem der indonesischen Armee willkürliche Verhaftungen, Verschleppungen, systematische Anwendung von Folter und Korruption vorgeworfen werden. Hintergrund ist der seit 1976 anhaltende Kampf der Zentralregierung gegen die separatistische "Bewegung Freies Aceh" (GAM), bei dem jedoch vor allem Zivilisten Opfer der militärischen Repression werden. So heißt es im Bericht von Human Rights Watch: "Es gibt ein klares Muster, junge Männer herauszugreifen, von denen das Militär behauptet sie seien Mitglieder oder Unterstützer der GAM. Die indonesischen Sicherheitskräfte haben oftmals nicht zwischen GAM-Kämpfern und Zivilisten unterschieden."
Auch nach dem Tsunami war freilich die Bewegungsfreiheit ausländischer Beobachter in der Provinz außerordentlich beschränkt. So hatten sie keinen Zugang zu den höher gelegenen inneren Regionen Acehs. Gerade dorthin aber hatten sich viele Menschen geflüchtet und waren in Auffanglagern untergebracht worden. Die Versorgung der Flüchtlinge lag hier ganz in der Hand des Militärs, was nach Aussagen von Aktivisten vor Ort zu massiven Unterschlagungen führte.
Hier ist eine Parallele zu den Ereignissen in Osttimor nach dem Unabhängigkeitsreferendum 1999 zu erkennen. So wie damals Gelder der Weltbank über indonesische Regierungsstellen an proindonesische Milizen geflossen waren, die daraufhin ein Massaker unter der osttimoresischen Bevölkerung anrichteten, muss wohl auch diesmal davon ausgegangen werden, dass ein Teil der internationalen Spendengelder direkt in den Taschen des Militärs landet und zur "Aufstandsbekämpfung" verwendet werden wird.
In diesen Kontext gehört auch ein diplomatischer Fauxpas der indonesischen Regierung: Sie hatte zunächst den Militär Adam Damiri als Koordinator für die Verteilung der Hilfsgüter in Aceh ernannt. Damiri gilt aber als einer der Hauptverantwortlichen für die Ereignisse in Osttimor.
Seit Ende Januar finden nun auf Initiative des ehemaligen finnischen Ministerpräsidenten Ahtisaari Verhandlungen zwischen der indonesischen Zentralregierung und den Rebellen der GAM statt. Verlief eine erste Verhandlungsrunde noch fast ergebnislos, so legte die indonesische Regierung der GAM bei einem zweiten Treffen im Februar Pläne für einen Autonomiestatus der Provinz vor. Die GAM lehnte die Vorschläge der Regierung zwar ab, ließ aber erkennen, dass sie unter Umständen bereit wäre, auf die Forderung nach Unabhängigkeit zu verzichten. Dafür sollten die indonesischen Truppen vollständig aus Aceh abziehen, Autonomiestrukturen geschaffen werden und Wahlen stattfinden, an denen die GAM als politische Partei teilnehmen könnte. Über ein eventuelles Abkommen zwischen den Konfliktparteien soll von der Bevölkerung abgestimmt werden.
Der Erfolg der Verhandlungen ist jedoch mehr als zweifelhaft. Nicht nur, weil die Kämpfe auch während der Gespräche unvermindert weitergingen, sondern auch, weil die indonesische Armee offenbar zu keinem Kompromiss bereit ist. So erklärte etwa ein Militärsprecher gegenüber dem britischen Guardian zu den Forderungen der GAM: "Wie können sie verlangen, dass sich das indonesische Militär zurückzieht? Wir haben das Recht, überall in Indonesien hinzugehen, um unsere Souveränität zu verteidigen."