Die Des-Informationskampagne der Bundesregierung zu Hartz IV

Ein kleiner Argumentationsleitfaden

"Hartz IV: 'Das was jetzt ist, muss durchgesetzt werden'", wird auf der Website der Bundesregierung getitelt. Weiter heißt es dann: "Die Reform des Arbeitsmarktes ('Hartz IV') wird wie beschlossen umgesetzt. Weitere Änderungen oder Modifizierungen werde es nicht geben, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder klargestellt." Da Politik nach dem Motto "Basta!" diesmal nicht ganz aufgeht und dennoch Menschen zu Hauf auf die Straße strömen, hat die Bundesregierung in einer nur dreist zu nennenden Anzeige (u.a. im "Spiegel" dieser Woche) nachgelegt. Wir geben im Folgenden einen kleinen Leitfaden gegen die dort vertretenen "Argumente".

1. Regierungspropaganda: Fördern und Fordern

"Menschen in Arbeit zu bringen, ist unser oberstes Ziel. Schon die bisherigen Hartz-Gesetze (Hartz I-III) haben neue Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet, darunter Minijobs, Ich-AGs und neue Formen von Zeitarbeit. Mit Hartz IV wird das Hin- und Herschieben von Langzeitarbeitslosen zwischen Arbeitsagentur und Sozialamt beendet".

Die Fakten

Der Masterplan von Hartz zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit vom 16. August 2002 sah vor, durch die Beschleunigung der Arbeitsvermittlung sowie Ausweitung von Leiharbeit, Mini-Jobs und neuer Selbständigkeit (Ich-AG) die Arbeitslosigkeit in drei Jahren zu halbieren.

Die Tatsachen sind:

- In Zeiten anhaltenden Beschäftigungsabbaus in den Betrieben ist an beschleunigte Vermittlung nicht zu denken.

- Die Leiharbeit in Personal-Service-Agenturen - das Herzstück der "Entriegelung des Arbeitsmarktes" - ist ein Flop; Leiharbeit wird prozyklisch nachgefragt, taugt also wenig in Zeiten der Beschäftigungskrise.

- Im Jahr 2003 wurden von den PSA's nur 15.600 Menschen in Dauerarbeitsplätze vermittelt, statt der geplanten 350.000.

- Über die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse / Mini-Jobs liegen ganz unterschiedliche Angaben vor: von 7,6 Millionen bis zu den von der Bundesagentur ausgewiesenen 4,2 Millionen; wie auch immer: Der Zusammenhang von Arbeit und einer Existenzsicherung wird weiter aufgeknüpft.

- Die Ich AG - das Unwort des Jahres - boomt; für viele eine Notlösung, um den Absturz in die Armut hinauszuzögern.

Entwicklung Arbeitsmarkt 2 Jahre nach Verkündigung Hartz-Konzept
 16. August 2002
(Verkündigung Hartz-Konzept)
16. August 2004
(amtliche Arbeitsmarktdaten)
Arbeitslose in Deutschland

4.018.000

4.359.000

Arbeitslose in Ostdeutschland

1.387.000

1.600.000

Sozialversicherungspflichtige Jobs

27.580.000

26.449.000

Erwerbstätige

38.692.000

38.183.000

Offene Stellen

458.004

296.588

Anzahl gemeldete Arbeitslose / offene Stelle

8,8

14,7

Quelle: FAZ vom 17.8.2004

Nach zwei Jahren ist die Arbeitslosigkeit gestiegen, eine Halbierung innerhalb von drei Jahren pure Illusion. Grund: der gesamte Ansatz ist falsch. Die Schaffung neuer, zusätzlicher Arbeitsplätze stand nie auf der Hartz-Agenda. Von zielgerichteter Förderung und intensiver Beratung ist heute keine Rede mehr. Übrig bleibt: Die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld ist gekürzt, die Zumutbarkeitsbedingungen sind weiter verschlechtert, der Kündigungsschutz wurde nochmals durchlöchert und die Arbeitslosenhilfe wird gestrichen.

2. Regierungspropaganda: Arbeitslosenhilfe

Die Befürchtung, künftig weniger Leistungen zu bekommen, sei nicht berechtigt, sagt Bundeskanzler Schröder. Die meisten Betroffenen würden künftig mehr bekommen - diejenigen, die früher Sozialhilfe bezogen haben und mindestens ein Drittel der bisherigen Bezieher/innen von Arbeitslosenhilfe.

Die Fakten

Für Bezieher/innen von Arbeitslosenhilfe gilt ab dem 1. Januar 2005:

  27% behalten überhaupt keine Zahlungen mehr wegen Anrechnungen von Partnereinkommen etc.

  47% bekommen weniger

  9% erhalten nahezu identische Leistungen.

3. Regierungspropaganda: Sozialhilfe

"Für bisherige Sozialhilfeempfänger gibt es erstmals eine wirkungsvolle Arbeitsförderung sowie den Versicherungsschutz der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung."

Die Fakten

Richtig ist, dass die Einbeziehung auf das Mindestniveau der Altersicherung, sowie die Beteiligung an Kranken- und Pflegeversicherung ein Fortschritt sind.

Der Regelsatz der Sozialhilfeempfänger betrug bislang 296 Euro (Haushaltsvorstand). Ab 1.1.2005 liegt der Regelsatz für ALG II bei 345,- Euro West / 331 Euro Ost; hinzu kommen Miete und Heizung.

Der Aufschlag von 49,- Euro monatlich muss aber im Zusammenhang mit dem Wegfall der Bekleidungspauschale, der Weihnachtsbeihilfe, allen einmaligen Leistungen bei Reparaturen und Anschaffung von langfristigen Gebrauchsgütern gesehen werden. Es gibt keine ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt mehr, wenn die Regelleistung im Einzelfall nicht ausreicht. Die Regelleistung ist für die meisten Menschen niedriger als der bisherige Regelsatz nach dem Bundssozialhilfegesetz. Die meisten Experten, beispielsweise vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, können hier keine Verbesserungen erkennen.

Ob Verschlechterungen durch bessere Betreuung und Förderung aufgewogen werden, ist sehr zu bezweifeln.

4. Regierungspropaganda:

Bezieher von ALG II können dazu verdienen


... falls sie denn einen Arbeitsplatz finden.

Die Fakten

Die Regierung hat etwas anderes im Sinn: Die Kommunen erhalten im kommenden Jahr vom Finanzminister eine Zuweisung in Höhe von 6,35 Mrd. Euro, um 600.000-850.000 so genannte 1-Euro-Jobs zu schaffen.

Mit diesen Billiglohn-Angeboten werden Menschen unter Androhung von Sanktionen in Tätigkeiten gepresst. Der Druck auf bestehende Erwerbs- und Lohnarbeitsplätze wird massiv erhöht. Viele Handwerker und kleinere Unternehmen sehen in diesem "Instrument" zu Recht einen Ansatz zur Zerstörung von bestehenden Geschäftsfeldern und Arbeitsplätzen.

Fazit

Die Hartz-Gesetze wurden durchgepaukt von einer großen Koalition aus SPD, Grünen, CDU und CSU.

Nun reagieren sie wie ertappte Diebe.

Von den Versprechungen ist nichts geblieben: weder mehr Arbeit noch verbesserte Förderung und Beratung.

Der Druck auf die Arbeitslosen wird verstärkt, hinter jeder auch noch so prekären, unqualifizierten, nicht-existenzsichernden Arbeit zwischen Flensburg und Freiburg hinterher zu jagen.

Die Deregulierung des Arbeitsmarktes und die Entrechtlichung der Lohnarbeit schreitet voran.

Hierfür steht Hartz I-IV.

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Hartz IV: Sozialer Abstieg für Millionen
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