I’ve come to take you home

Ein Gedicht, das in die Gesetzgebung eingegangen ist

I have come to take you home
where the ancient mountains shout your name.
I have made your bed at the foot of the hill.
Your blankets are covered in buchu and mint.
The proteas stand in yellow and white—

I have come to take you home
where I will sing for you,
for you have brought me peace,
for you have brought us peace.


Auszug aus I’ve come to take you home (Tribute to Sarah Bartmann written in Holland, June 1998) von Diana Ferrus

Am 29. Januar 2002 stellte Senator Nicholas About dem französischen Senat ein Gesetz vor, das die Rückführung der sterblichen Überreste von Sarah Bartmann nach Südafrika erlauben sollte. Die Forderung, Bartmann in Südafrika zu bestatten, war in der Zeit nach den ersten demokratischen Wahlen 1994 von der Griqua National Conference, einer Interessensvertretung für die Durchsetzung indigener Rechte, bis in höchste Regierungskreise reklamiert worden. Zwischen 1996 und 1998 fanden Verhandlungen zwischen Frankreich und Südafrika statt, um dem Verbleib der sterblichen Überreste Bartmanns im Musée de l’Homme in Paris ein Ende zu bereiten. Doch sie blieben zunächst ergebnislos. Bartmann wurde aufgrund ihrer fast 200 Jahre andauernden Musealisierung als Teil des französischen Kulturerbes angesehen, und galt somit als unveräußerlich. Wie die südafrikanische Dichterin Diana Ferrus erzählt, erfuhr sie von der Situation, als sie 1998 an der Universität von Utrecht studierte. Zutiefst betroffen schrieb sie ein Gedicht für Sarah Bartmanns Rückkehr, das viel Zuspruch erfuhr. Als Senator About I’ve come to take you home im Internet fand, kontaktierte er Ferrus und bat, es in seinen Gesetzentwurf aufnehmen zu dürfen. In französischer Übersetzung wurde es dem Vorschlag vorangestellt, per Sondergesetz die Rückführung Bartmanns zuzulassen. Einstimmig wurde an diesem Tag dieses bahnbrechende Gesetz verabschiedet, auf das sich spätere Rückgabeforderungen berufen konnten. Ferrus rezitierte das Gedicht auch bei der Übergabezeremonie am 29. April 2002.[1]

Bis heute sind die Worte I’ve come to take you home stark mit Bartmann und ihrer Rückkehr verbunden. Das Gedicht und seine außergewöhnliche Wirkung sind Teil einer vielschichtigen Bezugnahme auf Sarah Bartmann als Symbol für die Unterdrückung, Ausbeutung und den Widerstand Schwarzer Frauen. Weltweit hat ihre Geschichte etliche literarische, künstlerische und akademische Auseinandersetzungen inspiriert. Oft wird jedoch bloß auf den spektakelhaften Teil von Bartmanns Leben eingegangen – dass sie 1810 von Kapstadt nach England gebracht und dort und in Frankreich ausgestellt, ihr Körper als monströs begafft wurde. Dass Wissenschaftler sie vermaßen und weiter objektifizierten. Sie weigerte sich, sich nackt untersuchen zu lassen. George Cuvier sezierte sie schließlich nach ihrem frühen Tod 1815, ohne die Todesursache festzustellen, sondern um sie als nächstes Bindeglied der Menschen zum Affen darzustellen. Ihr Skelett und eine Körperabformung wurde bis in die 1970er Jahre ausgestellt und danach wie ihre Organe im Musée de l’Homme gelagert. Bis heute zirkulieren Karikaturen ihrer Figur auch in Produktionen von sich als emanzipatorisch und widerständig verstehenden Personen. Ein erheblicher Anteil der Rezeptionsgeschichte reproduziert ihre Reduktion auf ein rassistisch und sexistisch misshandeltes Subjekt, das zum Objekt erklärt wurde.

Viele Schwarze feministische Autor:innen haben diese Entwicklungen kritisiert und sich bemüht, andere Formen der Repräsentation und Auseinandersetzung zu finden – jenseits des kolonialen Archivs. Es entstanden Bezugnahmen und Spekulationen, die Baartman tief in der indigenen Geschichte Südafrikas verankern. So etwa in den Arbeiten Yvette Abrahams[2] oder in einem von Natasha Gordon-Chipembere herausgegeben Sammelband.[3] Gabeba Baderoon schließt sich in eben jenem Band den Stimmen an, die einen Wiedereinzug des Privaten in Baartmans Leben fordern, eine zärtliche, intime Anerkennung dessen, wie wenig wir über Sarah erfahren können, eine Intervention gegen ihre wiederholte Bloßstellung.

Andere haben sich auf Spurensuche im kolonialen Archiv begeben, so Pamela Scully und Clifton Crais in ihrer Biographie Baartmans.[4] Sie zeichnen anhand unterschiedlicher Quellen ein Bild des ländlichen Lebens, in dem Baartman im heutigen Ostkap aufwuchs, und von der kolonialen Gewalt dieser Zeit. In Kapstadt arbeitete Baartman als Hausangestellte für den deutschen Siedler Jan Michiel Elzer und nach dessen Tod im Jahr 1799 für Pieter Cesar. Cesar hatte als Händler für Elzer gearbeitet und Baartman im Ostkap von dem Farmer gekauft, für den sie dort gearbeitet hatte, obwohl sie offiziell eine Bedienstete, nicht eine Versklavte war. Wenig später zog sie zu Cesars Bruder in Woodstock, in ein Haus mit dem Namen Welgelegen, das heute eine private Kunstschule ist. Als Waschfrau stieg sie regelmäßig den Tafelberg hinauf, um Kleider zu waschen, und um auf der anderen Seite des Berges, in Hout Bay, Zeit mit ihrem Partner zu verbringen.

Das Gedicht von Diana Ferrus evoziert diesen frühen Teil von Sarahs Leben. Es situiert sie am Kap, wo Buchu wächst, eine Heilpflanze, mit der Sarah ganz sicher aufgewachsen ist. Es nimmt sich ihrer an, als Person, als Frau. Das Gedicht von Ferrus steht für eine generationenübergreifende Solidarität, Empathie und Fürsorge und für die transformierende Kraft, die aus diesen Verbindungen entstehen kann.


Dieser erschien in Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst, Nr. 67, Winter 2023/24, „Laute(r) Worte“.


Sophie Schasiepen ist Redakteurin beim Bildpunkt und Postdoc am Department of Historical Studies an der University of the Western Cape in Kapstadt.

 


 

[1] https://www.sahistory.org.za/people/diana-ferrus (abgerufen 7.11.23).

[2] So etwa in Yvette Abrahams, Colonialism, Dysjuncture and Dysfunction: The Historiography of Sarah Bartmann (Unveröffentlichte Dissertation, University of Cape Town, 2000).

[3] Natasha Gordon-Chipembere, Hrsg., Representation and black womanhood: the legacy of Sarah Baartman (New York: Palgrave Macmillan, 2011).

[4] Clifton Crais und Pamela Scully, Sara Baartman and the Hottentot Venus: A ghost story and a biography (Princeton University Press, 2008).