Bis zur Überhitzung?

Dossiereditorial iz3w 399 (November/Dezember 2023): Klimakrise

»Die Luft erinnerte ihn an eine Sauna. Es war die kühlste Zeit des Tages«, heißt es zu Beginn von Kim Stanley Robinsons Roman »Das Ministerium für die Zukunft.« Die Klimakatastrophen-Literatur ist längst zu einem eigenen Genre geworden. Begleitend konstatiert Copernicus, der Klimawandeldienst der EU, im Jahr 2023 die globale Wetterlage: »Der wärmste August folgt auf den wärmsten Juli und Juni«. In den indischen Bundesstaaten Uttar Pradesh und Bihar gab es Mitte Juni eine Hitzewelle, die Temperaturen von 45 Grad Celsius erreichte. In Marokko wurde im August die Marke von 50 Grad überschritten. Die Folgen reichen von Ernährungskrisen und Migration bis hin zu Stromausfällen, sinkender Produktivität, Hitzetoten und vielem mehr.

In Robinsons Roman führt eine Hitzewelle in Indien zu einem Massensterben und eine Bandenökonomie beutet die Restbestände der betroffenen Stadt aus. Die Ereignisse beschreibt Robinson aus Sicht eines Entwicklungshelfers, der nur hilflos zusehen kann. Hilflos steht derzeit auch die politische Linke angesichts der Klimakatastrophe da: Sehr wahrscheinlich wird sich die Erde um mehr als das 1,5 Grad-Ziel von Paris erwärmen. Ist die neue Losung nicht mehr, den Klimawandel aufzuhalten, sondern weltweit krisenfest zu werden? Auf jeden Fall geht es um den Kampf um jedes Zehntelgrad.

In diesem Sinne blickt Juliane Schumacher im Einleitungsartikel (Seite D4) auf die Entwicklung des Klimawandels, dessen Folgen und auf Gegenmaßnahmen. Hoffnungsvoll stimmt, dass das Problem erkannt ist und Gegenstrategien immerhin existieren, doch: »Natürlich ist das viel zu wenig.« Kai Kaschinski (Seite D18) ergänzt, dass die Auswirkungen der Erderwärmung auf die Meere viel zu wenig beachtet werden.

Über die Ursachen der Klimakrise lässt sich nicht sprechen, ohne die »imperiale Lebensweise« des Globalen Nordens zu thematisieren, betont Ulrich Brand (Seite D7). Daher fordert er in seinem Artikel Klimareparationen, die an die am härtesten betroffenen Weltregionen zu zahlen wären. Die Frage der Reparationen legt die Ursache der Klimakrise frei: die kapitalistische Lebensweise, die mit einer destruktiven Wachstumspolitik sowie der Schaffung sozialer Ungleichheit verbunden ist.

Die Kosten der Klimaerwärmung für den Globalen Süden werden im Interview mit Oumou Koulibaly für den afrikanischen Kontinent belegt (Seite D16). Die panafrikanische Klimaaktivistin berichtet von Wüstenbildung, Wasserknappheit und dem Niedergang zahlreicher Landwirtschaftsbetriebe. Nicht alle sind gleichermaßen betroffen, kleine Betriebe oder Frauen trifft die Krise härter. Deshalb betont die ecuadorianischen Aktivistin Antonella Calle (Seite D15): »Wir können nicht auf die nächste Klimakonferenz warten«.

Lieber Abwarten und Tee trinken ist dagegen das Motto der klimaskeptischen Rechten (Seite D12). An Beispielen wie der britischen rechtskonservativen Regierung bis hin zur rechtsextremen italienischen Regierung unter Giorgia Meloni zeigt Winfried Rust, wie die Rechten die Klimakrise nutzen. Zumeist werden Gegenmaßnahmen als übertrieben und als Angriff auf die bestehende Lebensweise dargestellt. So betreiben die Rechten ihren Kulturkampf für Auto, Gasheizung und Vaterland. Dabei werden, wie in Großbritannien, sogar schon beschlossene Klimaschutzmaßnahmen revidiert.

Die politische Linke hat die Möglichkeit, den Spieß umzudrehen. Stefanie Hürtgen schlägt vor, die Klimaschutzbewegung quantitativ und qualitativ aufzuwerten, indem die Belange der Produktionssphäre und der Arbeiter*innen mitgedacht werden (Seite D10). Es ist die menschliche Arbeit, die destruktiv gegen Mensch und Natur wirkt. Von der Arbeit und den Arbeitenden haben auch viele Klimaaktivist*innen einen eher vagen Begriff. Das ist schade, denn schon rein bündnispolitisch ist eine Klimabewegung jenseits der oder gegen die Interessen der Arbeitenden zum Scheitern verurteilt. Peter Bierl fügt dem einige Vorschläge hinzu, wie soziale Gleichheit und kritische Klimapolitik in Einklang gebracht werden können (Seite D21).

Doch die drängende Frage bleibt: Was tun? In »Das Ministerium für die Zukunft« wird es zwischendurch ökoterroristisch, denn das Gefühl, von den Herrschaftsträger*innen mit existentiellen Themen nicht gehört zu werden, radikalisiert. Im Buch wertet das die Auseinandersetzung auf und es endet sogar hoffnungsvoll. Für uns führt der Weg zuerst einmal über ein paar Fragen: Was ist die Klimakrise für eine Krise? Wie ändert sich dabei die Natur-Mensch-Beziehung? Welche Länder, Regionen oder Menschengruppen sind wie betroffen? Und gibt es einen Ausweg aus dem Wirtschaftssystem, das diese Krise befeuert?

die redaktion