„Our World is not for Sale!“

Was hat die globale Protestbewegung der 1990er Jahre erreicht – und was nicht? Rückblick auf ein virtuelles Kamingespräch im September 2020

Im Rahmen der abschließenden Webinar-Reihe der durch die Hans-Böckler-Stiftung geförderten Nachwuchsforschergruppe Protest und Reform in der globalen politischen Ökonomie aus der Perspektive einer postkolonialen Politikforschung an der Universität Kassel wurde im September 2020 eine Podiumsdiskussion mit Aktivist:innen der globalisierungskritischen Bewegung organisiert. Sie diskutierten, wo sie erfolgreich war und wo nicht. Welche Auswüchse des Neoliberalismus hat sie verhindert, welche Reformen hat sie angestoßen, welche Reflexionsprozesse in Gang gesetzt? Aber auch: Wo waren ihre blinden Flecken, und welche strategischen Fehler hat sie gemacht? Schließlich: Was ist aus ihr geworden und wo steht sie heute? Der Einladung auf das Podium gefolgt sind Friederike Habermann, langjährige Aktivistin bei Peoples‘ Global Action (PGA) und Autorin von Geschichte wird gemacht. Etappen des globalen Widerstands; Jai Sen, Direktor des Critical Action Centre in Movement Instituts in Neu-Delhi und Herausgeber von Challenging Empires und The Movement of Movements; Peter Wahl, Mitbegründer von World Economy, Ecology & Development (WEED) und Gründungsmitglied sowie Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac Deutschland; und Frauke Banse, die u.a. in der Bewegungsstiftung, bei medico international, in der Clean Clothes Campaign und der Stopp-EPA-Kampagne gearbeitet hat. Das Gespräch moderiert und die Fragen gestellt hat Aram Ziai, der ebenfalls in der Bewegung aktiv war. Transkribiert, bearbeitet und übersetzt wurde es von Manyakhalé Diawara, Anne Reiff, Dustin Schäfer, Eric Otieno und Sabrina Keller.

Chiapas, Mexiko 1996…

Friederike Habermann: Da ich das Glück hatte, Teil der Bewegung zu sein, werde ich den Hintergrund beschreiben, vor dem die globalisierungskritische Bewegung begann. Aus unserer heutigen postkolonialen Perspektive zeigt sich, dass es eine Graswurzelbewegung war, die vom Globalen Süden ausging. Ein wichtiger Ausgangspunkt dabei waren die Zapatistas in Mexiko, die 1996 zu einem internationalen Treffen im Urwald von Chiapas aufriefen, zu dem etwa 3.000 Menschen kamen. Während des nächsten Treffens des internationalen zapatistischen Netzwerks ein Jahr später, das eine Woche lang in Spanien stattfand, gründeten Bewegungen aus der ganzen Welt das Netzwerk Peoples‘ Global Action (PGA). Im Wesentlichen geht die Gründung von PGA, dem ersten internationalen Netzwerk zur Koordination der Globalisierungsbewegung, also auf diese beiden Treffen zurück. Die offizielle Gründungskonferenz fand dann im Februar 1998 in Genf mit 400 Menschen aus Bewegungen und Organisationen aus über siebzig Ländern statt.

Nicht alle, die in Genf zusammenkamen, beeinflussten die weitere Dynamik gleichermaßen. Teil des Netzwerks waren Maori aus Aotearoa (Neuseeland), Adivasi aus Indien sowie Organisationen und Bewegungen Indigener aus mehreren Ländern Lateinamerikas; ebenso wie Bauern und Bäuerinnen, die vor allem in Indien sehr stark sind, die Landlosenbewegung aus Brasilien, Lehrer:innen aus Argentinien, die kanadische Postgewerkschaft, eine Organisation von Obdachlosen aus Ontario, Textilarbeiter:innen aus Bangladesch, Fischer:innen aus den Philippinen und Sri Lanka sowie einige afrikanische Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Aus Osteuropa nahmen hauptsächlich Umweltbewegungen teil. Diese vielfältigen Basisinitiativen machten das Netzwerk zu etwas ganz Besonderem.

Die Gipfelproteste und der „weiße“ Blick

Diese erste PGA-Konferenz fand in Genf statt, weil dort drei Monate später die zweite Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) tagen sollte. Die Proteste waren so stark, dass der Polizeipräsident von einem „Neuen 68“ sprach. Weltweit gab es erstmals koordinierte Aktionstage und abgestimmte Aktivitäten. Ein wichtiges Thema in dieser Zeit war das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI). 1998 gab es starke Proteste dagegen, zum Beispiel in Indien mit einer Demonstration von 200.000 Menschen, über die in den westlichen Medien nicht berichtet wurde. Deshalb haben sich die Aktivist:innen entschlossen, ihre Proteste auch in den Städten des Globalen Nordens sichtbar zu machen.

Es gab dann 1999 eine Karawane von etwa 500 Menschen, 50 aus Ländern rund um die Welt und mehr als 400 aus Indien. Die indischen Bauern und Bäuerinnen wollten nach Europa, um gesehen zu werden. Sie tourten fünf Wochen lang durch Europa, das letzte große Ereignis war in Köln, wo der Doppelgipfel von EU und G8 stattfand. Für mich ist die Kernfrage der postkolonialen Theorie Gayatri Spivaks „Können die Subalternen sprechen?“. Köln 1999 hat bewiesen, dass sie nicht gehört wurden, denn als sie eine Pressekonferenz abhielten, kam nur eine Praktikantin der lokalen Tageszeitung. Es war so frustrierend, dass ich hinterher geweint habe. Sie waren von so weit hergekommen: Vorsitzende von Bauernbewegungen aus Indien und andere großartige Menschen. Später wurde das Desinteresse Europas an den Beiträgen der Teilnehmer:innen noch deutlicher: Besagte Tageszeitung titelte „300 Autonome besetzten Straßenbahn“. Tatsächlich waren es Inder:innen, die weiße Gewänder und Schals trugen, sie waren sehr offensichtlich kein Schwarzer Block, der da von der Polizei gekesselt worden war.

Dezentralität und (Un‑)Sichtbarkeit

PGA wurde dezentral von Bewegungen aus allen Teilen der Welt organisiert. Aber wir hatten kein Personal und keine feste Finanzierung. Alles lief über crowdfunding. Die Menschen ließen sich von dem inspirieren, wofür PGA stand, nämlich erstens für die Ablehnung des Kapitalismus. Später, bei der zweiten Konferenz in Indien 1999, wurde die Ablehnung aller Arten von Herrschaftsverhältnissen hinzugefügt, einschließlich Sexismus, Rassismus und so weiter. Ein dritter Grundsatz von PGA sprach sich gegen Lobbypolitik aus, weil sie letztlich Machtstrukturen reproduziert. Stattdessen riefen wir zu direkten Aktionen auf – so wie die Zapatistas andere dazu inspirierten, sich für Demokratie und Gerechtigkeit einzusetzen, anstatt auf die Mächtigen zu hoffen. Fünfter und letzter der Grundsätze (hallmarks) von PGA war dezentrale Organisation. Zudem haben wir versucht, ein Manifest zu schreiben, sind jedoch gescheitert, weil wir die verschiedenen Realitäten nicht vereinen konnten.

Es gab auch ein Ungleichgewicht in unseren Möglichkeiten zwischen Aktivist:innen aus dem Norden und Graswurzelbewegungen aus dem Globalen Süden. So waren beispielsweise die Adivasi aus Kerala bei einigen internationalen Gelegenheiten durch ihre Führungspersönlichkeit C.K. Janu vertreten – die fünf Sprachen sprach, zwei indigene, dann die ihres Bundesstaates (Malayalam), dann die Nationalsprache (Hindi) sowie das von den lokalen Muslimen gesprochene Urdu. Aber keine der imperialen Sprachen. Geschweige denn, dass sie Internetzugang im Urwald gehabt hätten. Wir haben versucht, mit dem daraus entstehenden Bias umzugehen.

Rückblickend schätze ich unseren dezentralen Ansatz, wenngleich es bedeutete, weniger gesehen zu werden, verglichen mit einer Organisation, die Mitarbeiter:innen, eine feste Finanzierung und Repräsentant:innen hatte. Zusätzlich zu den Subalternen, die nicht sprechen können und nicht gesehen werden, kamen also diese beiden Elemente hinzu und machten die Anfänge der Globalisierungsbewegung unsichtbar. Dieses Problem ist bis heute nicht gelöst worden. Es besteht auch in der Klimabewegung fort, wo die Aktivist:innen aus dem Globalen Süden nicht wirklich gesehen werden. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die Klimabewegung im Globalen Norden begonnen hat, was nicht stimmt.

Occupy wurde oft vorgeworfen, keine Forderungen zu haben. Doch was sie taten, war, auf den Plätzen eine andere Art des Lebens zu erschaffen. Statt Forderungen an den Staat zu stellen und dabei die Machtstrukturen zu reproduzieren. Ich sehe das im Zusammenhang mit der aufkommenden Bedeutung des Konzepts der commons. Ich habe das Konzept der commons innerhalb von PGA kennengelernt. Es gab viele Debatten darüber, da wir anfänglich zwar wussten, wogegen wir sind, aber nicht, wofür wir stehen. Jedenfalls wir aus dem Norden. Commons kamen wegen der Realitäten der Graswurzelbewegungen aus dem Süden ins Spiel, die oft ihre natürlichen Ressourcen oder Lebensweisen, die teilweise auf commons basieren, verteidigen mussten. Auch die zapatistische Bewegung wurde von der Verteidigung der commons inspiriert. Ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist, dass viele Aktivist:innen aus dieser Zeit Solidarische Landwirtschaft und andere Projekte einer commons-Logik begonnen haben.

Die Proteste als Wellenbewegung

Jai Sen: Zunächst möchte ich Aram Ziai und seinen Kolleg:innen dafür danken, dass sie mich aus den Trümmern der Geschichte herausgegraben haben, denn ich habe mich seitdem zwar weiter bewegt, aber es ist ein Vergnügen, zurückzugehen und mich mit dem zu beschäftigen, was passiert ist. Ein Großteil meiner Arbeit seit 1999/2000 war in gewisser Weise der Versuch, das zu begreifen. Ich bringe multiple Perspektiven mit, möchte aber einige Punkte besonders hervorheben.

Zunächst war es damals der Aufstieg einer neuen Welle globaler Bewegungen, in der die Subalternen, oder welchen Begriff man auch immer verwenden möchte, tatsächlich sprechen und gehört werden. Das ist auf globaler Ebene historisch und strukturell neu gewesen und hallt durch den Aufstieg der Black-Lives-Matter-Bewegung im Herzen und im Bauch des empire noch heute in einem Großteil der Welt nach.

Zudem begrüße ich, dass das Thema hier in den größeren Rahmen der postkolonialen Perspektiven auf Protest und Reform eingeordnet wird. Ich finde das interessant, weil die Sprache anders ist als vor 20 Jahren, die Formulierung der gestellten Fragen ist anders. Ich denke, das ist extrem wichtig, weil wir neben der Black-Lives-Matter-Bewegung gegen die White Supremacy auch die Krise des Kapitalismus, ausgelöst durch die Coronavirus-Pandemie, und die Klimakrise wieder auf uns zukommen sehen. Also, ja wir müssen theoretisieren, aber mit Blick auf das Handeln und mit Blick auf die reale Welt da draußen – wie können wir das vorantreiben?

Was hier auch noch wichtig zu benennen ist, sind meine Kaste und meine Klasse und die Rolle, die sie dafür gespielt haben, wer ich bin, was ich gelernt und was ich nicht gelernt habe. Ich bin offensichtlich männlich und fühle mich damit auch angesprochen, aber ich gehöre auch zur Oberschicht und zur oberen Kaste im indischen Kontext (aber ich denke, das gilt auch auf weltweiter Ebene), was von entscheidender Bedeutung für meine Arbeit in den letzten 30,40 Jahren ist. Das hat mir enorme Privilegien und Zugang verschafft, besonders zu den Korridoren der Macht, aber es hat mich auch blind für viele Realitäten gemacht.

Ich denke, dass die Bewegung wichtig war als eine Art Wellenschlag, die zu dieser Zeit aufkam. Es gab noch andere Manifestationen davon in verschiedenen Teilen der Welt, es war nur ein Kristallisationspunkt unter vielen. Aber sie machte das empire auf sich aufmerksam, sie konfrontierte es mit einer anderen Art von Aktion, als es das gewohnt war. Es waren Aktionen vorausgegangen, zum Beispiel in Deutschland unter anderem gegen die Weltbank, aber diese Art von Straßenmilitanz war neu für den Norden. In diesem Sinne war es ein extrem wichtiger Beitrag.

Seattle hat die Diversität der Welt nicht widergespiegelt

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Bewegung die Frage der Beziehung zum Globalen Süden eröffnete. Das war eine große Chance, mein Eindruck war aber, dass das nicht so stark stattgefunden hat. Seattle zum Beispiel hat die Diversität der Welt nicht widergespiegelt. Es gab zwar eine gewisse Präsenz von Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt, aber es waren nicht nur Weiße, sondern überwiegend Menschen aus den mittleren Schichten der Zivilgesellschaft, die diesen Prozess anführten. Ich denke, wir müssen die Errungenschaften der globalen Protestbewegungen der 1990er Jahre kritischer hinterfragen. Wir schenken auch zwei weiteren Dingen nicht genug Aufmerksamkeit: das eine ist – es steht ja sogar hier im Titel –, dass es als ein globaler Protest verstanden wird. Ich denke, das ist eine falsche Bezeichnung.

Man muss dafür die Geschichte nachzeichnen. Mit anderen Worten, es gab frühere Wellen, die durch die siebziger, achtziger und neunziger Jahre hindurch verliefen, die meiner Meinung nach nicht ausreichend anerkannt werden. PGA spielte sicherlich eine sehr wichtige Rolle bei der Mobilisierung der direkten Aktion in den Vereinigten Staaten, aber das ist nicht die ganze Geschichte. Ich denke, es ist viel mehr passiert, das eingebracht werden muss. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Wahrnehmung nicht wirklich global ist, und auch die Orte, die erwähnt wurden – Seattle, Prag, Genua, Washington DC, Quebec City usw. –, alle in Nordamerika oder Europa liegen. Und ich denke, wir müssen unsere Perspektive erweitern, um zu verstehen, was auf globaler Ebene passiert ist – wenn wir den Anspruch auf eine globale Bewegung erheben wollen. Also: es war nicht nur eine Bewegung und sie war nicht wirklich global! Wenn wir über eine globale Bewegung sprechen wollen, müssen wir auch anerkennen, welche Vorläufer es auf den verschiedenen Kontinenten gab.

Wichtig ist zudem, diese Aktionen in den breiteren Rahmen der Geschichte einzuordnen. Denn diese Art von Widerstand gegen die imperialistische Struktur der Welt und das Nord-Süd-Verhältnis beginnt bereits in den 1950er Jahren auf staatlicher Ebene, denn natürlich gibt es die Befreiungsbewegungen, die zu dieser Zeit stattfinden.

Wenn wir all diese Strömungen in unser Verständnis einbeziehen, dann ergibt sich ein etwas anderes Bild. Von der blockfreien Bewegung ab 1956, die organisierte Solidarität mit den Völkern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas 1966 in Havanna, bis zum Aufkommen des unabhängigen, blockfreien Denkens, das u.a. zur Verkündung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung führte, der Bildung von Kartellen wie der OPEC (Organisation erdölexportierender Länder), die Befreiungskämpfe. All dies spielte eine sehr wichtige Rolle. Das Postkoloniale beginnt also mit den Befreiungskämpfen der 1940er und 1950er Jahre.

Ich kann nicht für andere Länder sprechen, aber in Indien kam es zu einem Aufstieg von populären Bewegungen in sehr vielen Bereichen: Bewegungen gegen Großprojekte, Bewegungen der Solidarität mit Feminismen indigener Völker (Adivasi und anderer), Bewegungen von Bauern und Bäuer:innen und ihren Organisationen sowie von Fischer:innen und Waldbewohner:innen. Ich weise darauf hin, weil diese organische Intersektionalität schon in den achtziger Jahren aufkam und sehr weit verbreitet war. Sie manifestierte sich in einem übergreifenden Verständnis von Bewegung und Intersektionalität und von Identität, auch wenn diese Begriffe nicht verwendet wurden. Und ich denke, dass wir wieder auf dieses Verständnis und diese Literatur zurückgreifen müssen, soweit sie noch verfügbar ist, und sie in ein zeitgemäßes Verständnis von Intersektionalität und Postkolonialität einbringen müssen.

Zudem kamen neue Institutionen auf. Bewegungsüberspannende Netzwerke entwickeln sich zwischen unabhängigen Bewegungen, in Indien seit den 1980er Jahren. Als Indien in den 1990er Jahren mit den Strukturanpassungsprogrammen konfrontiert war, gab es dann auch Koalitionen mit politischen Parteien. Auch die Diskurse entwickelten sich in den 1990er Jahren weiter. 1993 beispielsweise erkannten Menschenrechtsorganisationen zum ersten Mal an, dass wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte auch Menschenrechte sind. Bis dahin hatten sich alle führenden internationalen Menschenrechtsorganisatoren nur auf die bürgerlichen und politischen Rechte konzentriert. Und ich denke, das war auch ein Wendepunkt in Bezug auf das Denken.

Der Globale Süden spricht

Ich nenne also nur ein paar verstreute Dinge, um zu zeigen, dass es Strömungen der Bewegung und des Denkens gab, die extrem wichtig waren. Sie trugen zu dem bei, was in den späten Neunzigern zu einer krachenden Welle wurde. An diesem Punkt sehen wir auch, wie die Subalternen anfangen zu sprechen, bei allem Respekt vor Gayatri Spivak. Sie sprachen auch vorher schon, aber in ihrem eigenen Kontext. Wenn man sich den Aufstieg der Black Panthers anschaut, dann sprachen sie schon damals. Wenn man sich den Aufstieg der Dalit Panthers ansieht, dann sprachen sie in Indien und in Südasien, aber nicht notwendigerweise zum gleichen Publikum und nicht zu uns. Ich denke also, dass Diskurse des Widerstands und Aufruhrs schon viel früher entstanden. Ich rede hier von Befreiungsbewegungen und ihren Äußerungen. Wir müssen zurückgehen, um herauszufinden, was uns das sagt. Wir müssen kritisch hinterfragen und uns das größere Bild ansehen. Und heute sind wir an einem Punkt in der Geschichte, an dem der strukturelle Globale Süden, das heißt: sowohl der „Süden im Süden“ als auch der „Süden im Norden“, spricht, insbesondere durch die Black-Lives-Matter-Bewegung. Und sie ist extrem wortgewandt, ihre Äußerungen sind kraftvoll. Und sie erschüttert die Fundamente des empire, und zwar nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in vielen Ländern des imperialen Nordens. Ihr schließen sich Teile der Immigrant:innen an, weil die Botschaft in der Diaspora der Immigrant:innen auf der ganzen Welt und auch in Europa Widerhall findet. Die Festung Europa ist nun ebenso unter Beschuss wie die Festung USA.

Globaler Kapitalismus, globale Protestbewegung?

Peter Wahl: Bevor ich auf die Frage zurückkomme „Was sind die Misserfolge? Was sind die Errungenschaften und wo stehen wir heute?“, möchte ich kurz einige einleitende Bemerkungen zum Charakter der Bewegung machen. Meiner Meinung nach war es eine Bewegung, die den neoliberalen Kapitalismus verändern oder reformieren wollte und einige Strömungen innerhalb der Bewegung versuchten auch, den Kapitalismus als solchen zu überwinden. Das ist also ihr erstes Charakteristikum.

Aber warum war das der Fall? Es ist offensichtlich, dass die Bewegung in einem Moment entstand, in dem sich auch die Art des Kapitalismus änderte. Die neoliberale Globalisierung mit dem Finanzkapitalismus als Spitzenreiter der Kapitalakkumulation tauchte zu dieser Zeit überall auf der Welt auf. Das hing natürlich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zusammen. So wurde der Kapitalismus im letzten Jahrhundert mit dem Washington Consensus zum ersten Mal global. Das führte zur Entstehung einer solchen Bewegung an verschiedenen Orten.

Als der Kapitalismus global wurde, produzierte er natürlich seine eigenen Antagonismen und seine Gegen-Bewegungen. Diese breiteten sich überall aus. In diesem Sinne, Jai, würde ich schon sagen, dass es global war, obwohl ich dir völlig zustimme, dass es eine klare Dominanz gab, nicht nur des nördlichen Kapitalismus, sondern auch der nördlichen Antagonisten zum Kapitalismus: Die Bewegungen aus dem globalen Norden.

Diese Lücke war ein großes Problem weltweit und ermöglichte den Triumph des neoliberalen Denkens. Hier sehe ich den ersten Erfolg und Verdienst der Bewegung, insofern sie einen neuen emanzipatorischen Impuls gab. Einige Elemente der damit einhergehenden neuen Bewegungskultur sind schon von Friederike genannt worden. Es gab auch noch traditionelle Elemente, aber die Art und Weise sich zu organisieren war anders. Es gab diese sehr starke Basisorientierung, Dezentralisierung und natürlich als Grundmerkmal eine enorme Heterogenität der politischen Ansätze und der politischen Kultur. Und diese Vielfalt wurde damals begrüßt! Es gab den berühmten Slogan „Diversität ist unsere Stärke“. Ich werde auf diesen Punkt zurückkommen, wenn wir über die Misserfolge und die Probleme und die blinden Flecken der Bewegung sprechen.

Hauptressource der Proteste: diskursive Macht

Ein weiteres grundlegendes Merkmal der Bewegung, und hier stimme ich mit Jai völlig überein, ist, dass ihre wichtigste soziale Basis in Europa und in Nordamerika die akademische Mittelschicht und die Jugend war, die stark dominierten. Es gab manchmal Allianzen mit den Gewerkschaften, aber der Typus der „alten Arbeiterbewegung“, der der Vergangenheit angehörte, bildete nur einen kleinen Teil in dieser neuen Bewegung. Aufgrund dieser Klassenbasis und der Heterogenität der Bewegung war ihre wichtigste Machtressource der Einfluss auf das diskursive Kräfteverhältnis. Die traditionelle Arbeiterbewegung nutzte diese Ressource ebenfalls, aber sie hatte noch eine andere: den Streik. So konnte sie das Funktionieren des Kapitalismus unmittelbar angreifen. Und das ist etwas, was in dieser Bewegung fehlte. Sie war also sehr darauf beschränkt, das diskursive Gleichgewicht von Macht und – wenn man so will, die öffentliche Meinung – zu beeinflussen, und dadurch politischen Druck auszuüben und die Entscheidungsfindung der Regierungen und ganz allgemein den Lauf der Gesellschaft zu beeinflussen.

Nun will ich einen Blick auf die Erfolge werfen. Das große Verdienst der Protestbewegung war, dass sie nach diesem dramatischen Zusammenbruch [1989] der traditionellen, alten Bewegungen wirklich das historische Erbe der Emanzipation aufgegriffen hat. Hier beziehe ich mich unter anderem auf die alte Arbeiterbewegung sowie die Solidaritätsnetzwerke, Anti-Apartheid oder auch Chile. Ein weiterer Erfolg der Bewegung war ihr Einfluss auf die öffentliche Meinung und Entscheidungsträger, der auch Auswirkungen auf bestimmte politische Projekte hatte, die die herrschenden Kräfte umsetzen wollten. Friederike hat zu Recht das multilaterale Investitionsabkommen erwähnt. Ich würde noch den HIPC-Schuldenerlass (HIPC – Heavily Indepted Poor Countries) hinzufügen, ein Schuldenprogramm für hoch verschuldete, arme Länder, der 1999 auf dem G8‑Gipfel in Köln beschlossen wurde und dem eine große Kampagne vorausging, an der sich damals sogar der Vatikan und der Papst beteiligten. Natürlich gab es dann noch Seattle, mit dem gescheiterten Versuch, den Welthandel weiter zu liberalisieren. Es gab also bestimmte Elemente und Projekte der herrschenden Kräfte, die durch diese Bewegung gestoppt wurden. Bis zu einem gewissen Grad würde ich sogar einen weiteren Erfolg dazu zählen: Rio 1992 war insofern interessant, als dass Umwelt und Nachhaltigkeit nicht mehr in engen umweltpolitischen oder ökologischen Begriffen definiert wurden, sondern die Frage von Armut und Entwicklung und damit die soziale Frage aufgeworfen wurde.

Und dann gab es natürlich auch viele, lokale oder regionale Erfolge, die im großen Medientheater nicht so viel Aufmerksamkeit bekamen. In Frankfurt verhinderten Attac und andere die Privatisierung der U‑Bahn. Es gab mehrere Erfolge im Kampf gegen die Privatisierung von Wasser in Italien, in Frankreich und in Deutschland. Auch die Blockade der Transatlantischen Handels‑ und Investitionspartnerschaft (TTIP) bis heute – trotz der Versuche, sie wiederzubeleben – ist der Bewegung zu verdanken. Wenngleich die sozialen Bewegungen ihren Teil zu den Erfolgen beitrugen, gab es sicherlich auch andere Einflussfaktoren, etwa Regierungen aus dem Süden, etwa Indien oder Mandelas Südafrika. Manchmal spielten sogar die Herrschenden eine Rolle, etwa Clinton in Seattle.

Scheitern und blinde Flecken

Nun, was lief nicht so gut? Wo gab es Misserfolge, blinde Flecken oder Probleme? Ich sehe hier zwei zentrale Punkte. Das Erste ist die Heterogenität. Der erwähnte Slogan „Diversität ist unsere Stärke“ war ein schöner Slogan gegen Zentralismus, den demokratischen Zentralismus der Kommunisten, der traditionellen Arbeiterbewegung. Aber es gab auch Widersprüche und viele Unterschiede, die die Konstituierung als Akteur verhinderten, obwohl es viele Treffen und eine globale Verflechtung gab, etwa auf den Weltsozialforen in Porto Alegre und Nairobi. Die Unterschiede, die sich aus den vielen kulturellen, nationalen und sozialen Grundlagen all dieser heterogenen Bewegungen ergaben, blieben dennoch bestehen, es war eine Herausforderung, mit den Widersprüchen umzugehen; zwischen der Notwendigkeit, einerseits ein kollektiver Akteur zu werden und andererseits die Heterogenität zu erhalten, was nicht bedeutet, zum demokratischen Zentralismus zurückzukehren.

Mein zweiter Punkt ist die Unterschätzung der Machtfrage. Viele innerhalb der Bewegung hatten Illusionen darüber, wie der Kapitalismus organisiert ist, seine Machtressourcen und seine Fähigkeit Krisen zu überwinden. Diese Dinge wurden unterschätzt und es gab in vielen Fällen, natürlich nicht in allen, eine gewisse Naivität zu glauben, dass das Zeigen einer Demonstration im Fernsehen die Dinge ändern wird. Sicherlich können neben diesen beiden Grundproblemen auch noch andere genannt werden, etwa der von Friederike aufgeworfene Aspekt der materiellen Ressourcen.

Als Schlussbemerkung dazu, wo wir heute stehen, würde ich sagen, dass diese Bewegung ein Zyklus in der Gesamtgeschichte der emanzipatorischen sozialen Bewegungen war. Dieser Zyklus ist jetzt vorbei und ein Neuer ist im Entstehen. Die alten Formen dieser Bewegung, wie die Sozialforen, sind ein Schatten ihrer Vergangenheit und mit einigen Ausnahmen nicht wirklich stark. Ein auffälliges Beispiel war die Abwesenheit der Bewegung in der Finanzkrise: Es gab Occupy Wall Street für einige Wochen, aber dies hatte keinen wirklichen Einfluss auf die Lösung der Krise, obwohl Occupy Wall Street mehr oder weniger vorausgesagt hatte, was 2008 passierte. Die einzige Bewegung, die ich im Moment sehe, die das Potenzial hat, die ökonomische und auch die soziale Frage des Kapitalismus und seiner Zukunft aufzugreifen, ist die Umweltbewegung. Teile dieser Bewegung verstehen, dass die Lösung für die Krise systemisch ist, dass sie nicht durch die Reparatur des Kapitalismus oder von Aspekten desselben erfolgen kann, sondern dass wir in einer außergewöhnlichen Zivilisationskrise stecken und dass diese Zivilisationskrise Instrumente, Strategien und Alternativen braucht, die über den Kapitalismus hinausgehen. In Deutschland gibt es zum Beispiel Fridays for Future, wo einige in diese Richtung gehen, und es gibt Ende Gelände, die radikale Klimabewegung, die die Frage des Wirtschaftssystems stellt. Aber dennoch, wir befinden uns in einer Übergangsphase, der alte Zyklus ist vorbei und wie es weitergehen wird, ist noch unentschieden und ein bisschen unklar. Das ist die gegenwärtige Konjunktur und ich denke, dass die nächsten Monate und Jahre für diese neuen sozialen Bewegungen entscheidend sein werden.

Die Mobilisierungen als wichtige Erfahrung der Solidarität

Frauke Banse: Zunächst einmal vielen Dank für die Einladung und auch für die anderen sehr spannenden Beiträge. Ich spreche aus zwei Perspektiven. Mit meiner Erfahrung bei der Organisation von Aktionen des zivilen Ungehorsams in Heiligendamm 2007 werde ich auf die Erfolge und vielleicht auch Misserfolge hinweisen. Aber ich werde auch meine Perspektive als Forscherin zu Handels‑ und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und Afrika einbringen und auch aus der Perspektive der „Stopp EPA“‑Kampagne (EPA – Economic Partnership Agreement) sprechen. Es geht also um eine Form des Protestes und um eine spezifische Form der Handels‑ und Investitionsbeziehungen.

Ich stimme mit dem meisten überein, besonders mit dem, was Peter gesagt hat. Was die Errungenschaften angeht, hat er jedoch eine sehr deutsche Bewegungsperspektive. Aber vielleicht lässt sich das auch auf andere Erfahrungen in anderen Teilen der Welt übertragen, denn was wir hier erreicht haben, hat sehr lange gedauert und war eine Kooperation zwischen formal sehr gegensätzlichen Gruppen. Den gewaltfreien Gruppen aus der Anti-Atomkraft-Bewegung und der sogenannten postautonomen Bewegung, der ehemalige Schwarze Block. Diese beiden Gruppen haben sich zusammengeschlossen, um diese sehr großen Aktionen des zivilen Ungehorsams zu organisieren. Wir blockierten die Straßen für drei Tage mit 13.000 Leuten oder so!

Es war also ziemlich erfolgreich und es gab eine konfliktreiche, aber sehr fruchtbare Arbeitsbeziehung. Wir hatten dieses sehr starke Set an Symbolen, wie Peter sagte, eine sehr diskursive Art der Intervention. Aber die Kultur der Zusammenarbeit entwickelte sich in einem langen konfliktreichen Prozess, der sich auf andere Bewegungen ausbreitete, wie antifaschistische Bewegungen und Ende Gelände. Die radikale Klimabewegung hat also eine neue Bewegungskultur entwickelt und ich glaube, das ist immer noch der Fall. Wenn die Leute über ihre Erfahrungen in diesen und anderen Bewegungen sprechen, erinnern sie sich an die Erfahrung von damals, wo wir wirklich eine sehr gute und grundlegende Zusammenarbeit und eine Überwindung von früheren Konflikten geschafft haben. Wir haben gegensätzliche Kulturen zusammengeführt. Dieser Mobilisierungsprozess war für alle Teilnehmer:innen, aber auch für viele Beobachter:innen, eine wichtige Erfahrung der Solidarität. Wir formulierten ein entschiedenes „Nein“ zur kapitalistischen Globalisierung. Das war eine wichtige Erfahrung. Obwohl es sehr symbolisch und auf einer diskursiven Ebene war, wurden wichtige Elemente für weitere Interventionen auf anderen Ebenen gelernt und geschaffen. Wir überwanden das „Es gibt keine Alternative“‑Syndrom, die Passivität der frühen neunziger Jahre und die Krise der Linken. Das waren meiner Meinung nach die Lehren aus dem „Block G8“ und auch aus der globalisierungskritischen Bewegung im weiteren Sinne.

„Der Kapitalismus findet seinen Weg“

Nun zu den Versäumnissen: Ich stimme Peter voll und ganz zu, was die Unterschätzung der Macht und des Handelns des Kapitalismus und kapitalistischer Staaten angeht. Um das Beispiel der WTO zu nennen, die aus verschiedenen Gründen immer noch blockiert ist: die Reaktion auf die Blockade sind die bilateralen Handelsabkommen, die in gewisser Weise ebenfalls blockiert wurden, etwa die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen Europa und Afrika (EPAs). Aber was wir jetzt sehen, ist, dass die Europäische Union die afrikanischen Länder unter Druck setzt, noch radikalere Liberalisierungselemente auf der Ebene der einzelnen Länder umzusetzen.

Wir können hier also eine ständiges forum-shifting beobachten, mit dem die gleichen oder sogar noch schlimmere Dinge implementiert werden als das, was wir bei den EPAs gesehen haben. Ich denke also, dass die Winkelzüge der Macht unterschätzt werden und auch, dass zu sehr auf multilaterale Organisationen fokussiert wird, die aus verschiedenen Gründen ihre ganz eigenen Probleme haben. Aber wir sehen hier, der Kapitalismus findet seinen Weg, oder die kapitalistischen, imperialistischen Staaten finden einen. Ich denke, wie Peter, dass jede Bewegung ihre Zeit hat. Und das ist ok, sie hat ihrem Zweck gedient.

Aber ich denke auch, dass wenn man die Winkelzüge der Macht unterschätzt, die Art und Weise wie der Kapitalismus oder die kapitalistischen Staaten funktionieren, so unterschätzt man auch die Relevanz der ortsgebundenen Organisierung. Dabei haben lokal angebundene Organisationen andere Machtressourcen zur Verfügung, um politische Dynamiken zu beeinflussen. Und während Peter zufolge nur die Klimabewegung ökonomische Fragen anspricht, glaube ich nicht, dass das stimmt. Im Jahr 2019 beispielsweise war es, glaube ich, der Economist, der gesagt hat, dass wir schon lange nicht mehr so viele globale Proteste auf verschiedenen Ebenen und über so lange Zeit gesehen haben. Und viele davon richteten sich gegen wirtschaftliche Missstände, wie zum Beispiel in Chile, da war der Auslöser der Proteste gegen die Ungleichheit die Erhöhung von U‑Bahn-Tarifen, in anderen Ländern waren es ungerechte Steuern. Wir haben also diese wirtschaftlichen Themen, die aufkommen und Protestbewegungen anheizen. Wir sehen viele Proteste auch während der COVID‑19-Pandemie, die Black-Lives-Matter-Bewegung wurde erwähnt und auch da spielen wirtschaftliche Themen eine Rolle. Wir müssen anschauen, was hier passiert.

Gegen Nord-Süd-Asymmetrien arbeiten

Aram Ziai: Friederike, in Bezug auf die Frage der postkolonialen Perspektiven hast du die Dominanz des Nordens erwähnt, die auch in den Bewegungen reproduziert wird, wegen der ungleichen Ressourcen. Du hast gesagt, ihr habt versucht, damit in PGA umzugehen. Wie genau?

Friederike Habermann: Schon bei der allerersten Konferenz von PGA hatten wir eine, ich würde sagen, gequeerte Redner:innenliste. Also war sie nicht nur genderspezifisch ausgewogen, sondern es war auch ausgewogen, von woher die Leute kommen, ob jemand weiß oder als Person of Color positioniert ist. Und dann, als wir anfingen zu organisieren, hatten wir bspw. die Regel, dass Vertreter:innen aus dem Globalen Norden gebeten wurden, bei Diskussionen und Abstimmungen zu rotieren, sodass nicht dieselben Vertreter:innen ausschlaggebend sind. Also, um einen Ausgleich zu schaffen, zwischen Leuten, die die Bewegungen aus dem Globalen Süden repräsentieren und anderen Leuten aus dem Norden, die vielleicht feministische, autonome oder andere Bewegungen repräsentieren.

Zum anderen haben Leute, die in der Lage waren, eine Unterstützungsgruppe zu bilden, meistens Menschen aus dem Norden, Bewegungen aus dem Süden aktiv unterstützt. Und zum Beispiel, als ich ausgewählt wurde, um die Pressearbeit zu machen, habe ich das immer so verstanden, dass ich die Pressearbeit koordiniere, aber möglichst andere Leute aus den Bewegungen aus anderen Regionen der Welt zu Wort kommen lasse.

Aber ich möchte die Gelegenheit auch nutzen, um ein bisschen zu widersprechen. Manchmal guckt man auf ein Ereignis in der Vergangenheit zurück, sagen wir mal Seattle, und es wird gesagt, dass es überwiegend weiß war. Das ist zwar wahr, aber ich halte es für diverser als bei anderen Gelegenheiten, zumindest in den Vereinigten Staaten. Zum Beispiel besuchten wir mit unserer interkontinentalen Karawane Streikposten von Stahlarbeiter:innen, die eine dezidiert protektionistische Position hatten. Und nun kamen wir zusammen mit Leuten aus genau jenen Ländern, wohin ihre Arbeitsplätze möglicherweise abwandern könnten. Da begannen die Menschen zu verstehen, dass es ein gemeinsamer Kampf ist.

Nationalstaaten des Südens als widerständige Akteure

Aram Ziai: Mit dem Tod von David Graeber im September haben wir einen „brother‑in-struggle“ verloren. In seinem Aufsatz „The shock of victory“ hebt er die konkreten Erfolge der globalisierungskritischen Bewegung hervor, z.B. das Multilaterale Investitionsabkommen zu verhindern; die WTO nicht nur in Seattle lahmzulegen, sondern sie längerfristig zu paralysieren – zum Teil, wie WTO-Delegierte sagen, indem sie die Regierungen des Südens aufgestachelt haben, sich nicht mehr der Freihandelsagenda des Nordens zu fügen. Jai, wenn wir sagen, dass die Bewegung wahnsinnig erfolgreich war. Was wäre deine Replik?

Jai Sen: Ich denke, das ist in gewisser Weise genau der Punkt. Ich danke dir für die Anerkennung von Davids Beitrag und was er bedeutet. Was ich sagen wollte, war, dass der Widerstand von Staaten des Südens innerhalb der WTO-Verhandlungen 1999 nicht dadurch entstanden ist, dass sie von den Bewegungen dazu angestachelt wurden, diese Positionen einzunehmen. Diese Strömungen des Widerstands gab es schon seit langem, nicht nur in der WTO, sondern auch in anderen multilateralen Institutionen. Das ist politische Geschichte und ich denke wir müssen auch an diesen Teil des Widerstands, der sich auf einer ganz anderen Ebene mit ganz anderen Interessen bewegt, als Teil der Bewegung anerkennen. Wenn man es historisch betrachtet, gibt es noch viel mehr davon, dass wir verstehen und verdauen müssen und dass wir in Bezug auf das, was wir jetzt tun, weiterführen müssen. Ich denke, dass sich die Situation ändert, weil die Anforderungen heute ganz anders sind. Wir müssen uns fragen, wie die Nationalstaaten des Globalen Südens auf die Allianzen von Kasten und Klassen blicken, die sich heute im Globalen Norden bilden.

Mit Widersprüchen umgehen

Aram Ziai: Peter, kurze Frage an dich: Du hast einerseits „Diversität als Stärke“ als Charakteristikum der Bewegung erwähnt, andererseits aber auch, dass dadurch die Konstituierung als Akteur faktisch verhindert wurde. Und hier höre ich ein Echo dessen, was Leute aus der Sozialen Bewegungsforschung und auch im BUKO (Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen/Bundeskoordination Internationalismus) gesagt haben: Damit eine Bewegung erfolgreich ist, braucht man klare Forderungen, man braucht einen klaren Akteur und eine klare, einheitliche Agenda. Es kann nicht dieses unscharfe „Verändern der Welt, ohne die Macht zu übernehmen“ sein, was ja einer der zentralen Slogans war, und der Titel eines Buchs von John Holloway. Man braucht tatsächlich bis zu einem gewissen Grad auch eine Homogenisierung der Forderungen und der Akteure, um politisch wirksam zu sein und sich der Macht zu stellen. Würdest du dem zustimmen?

Peter Wahl: Es ist wie mit einer Medizin, es kommt auf die richtige Menge an. Wenn man zu viel davon nimmt, wird es zu einem Gift, das war in vielen Fällen des demokratischen Zentralismus das Problem. Aber auch wenn man sich zeitgenössische Bewegungen ansieht, gab es einige, zum Beispiel den Arabischen Frühling, der in Tunesien oder in Ägypten zumindest in der ersten Periode auch einen gewissen Erfolg hatte. Wenn man sich also die Mechanismen, die Gründe und die Bedingungen und das Umfeld ansieht, warum diese Bewegungen erfolgreich waren, wird man feststellen, dass es Elemente der Einheit gab, bei denen die Heterogenität keine so große Rolle spielte, dass sie die Bewegung zerstört oder zumindest sehr behindert hätte.

Aber nehmen wir den Tahrir-Platz und die ägyptische Bewegung, wo es ein hohes Maß an Heterogenität gab: Es gab die Fraktion von jungen Leuten, akademisch, gebildet, westlich geprägt. Und auf der anderen Seite gab es die Muslimbrüder als eine sehr starke Bewegung. Es gibt also eine so große Heterogenität, wie wir sie im Westen längst nicht hatten. Sobald die Bewegung erfolgreich war und Hosni Mubarak rausgeworfen wurde, kam die Heterogenität wieder ins Spiel. Mit anderen Worten: Der Widerspruch ist da. In einer sehr differenzierten und komplexen Welt werden Widersprüche immer da sein, und die Bewegungen spiegeln diese Komplexität und Vielfalt wider, das werden wir nie loswerden. Was wir tun müssen, ist, das bis zu einem gewissen Grad zu akzeptieren und Wege zu finden, wie die Gegensätze, die Widersprüche nicht eine so große Rolle spielen, dass sie die Bewegung zerstören oder ganz behindern können. Also, mit Widersprüchen umgehen wäre mein Motto oder um auf mein Beispiel der Medizin zurückzukommen: man muss beides in der richtigen Dosis haben.

„Give up activism“?

Aram Ziai: Nun die letzte Frage an Frauke Banse. Es gab in den späten Neunzigern oder frühen Zweitausendern einen Text, der in der Bewegung verteilt wurde, der hatte den Titel „Give up activism“ und das Argument war: Eigentlich lenken uns all diese Gipfelproteste – Genf, Seattle, Prag, Genua... – von unseren wirklichen Kämpfen ab, und zwar den alltäglichen Kämpfen an unserem Arbeitsplatz. Nun, du hast einerseits als Gewerkschafterin und andererseits als jemand, die aktiv an der Organisation der G8‑Blockade im Jahr 2007 beteiligt war, auf beiden Seiten mitgespielt. Was würdest du also dem Autor von „Give up activism“ antworten?

Frauke Banse: Spielt es nicht gegeneinander aus! Es ist eine Frage der Zeit, man kann nicht immer alles machen. Es gibt verschiedene Zeiten im Leben für verschiedene Dinge. Und wir haben auch Bewegungszyklen, verschiedene Zeiten für bestimmte Arten von Bewegungen, die auch auf der Geschichte aufbauen. Zum Beispiel hatten wir bei „Block G8“ auch die gewerkschaftlichen Jugendorganisationen mit dabei. Ich würde sagen, sie wurden durch unsere Erfahrungen auch am Arbeitsplatz mutiger. Und sie wurden offener für andere Formen des Aktivismus. Genauso wurde der ehemalige Schwarze Block offener für gewerkschaftliche Aktionen oder gewaltfreien Aktivismus. Es gab ein gemeinsames Lernen voneinander und eine Art Rückbesinnung auf das, was man selbst gemacht hat oder was andere gemacht haben und das Lernen aus dieser Erfahrung.

Ich selbst bin in der Anti-Atomkraft-Bewegung aufgewachsen und was ich dort gelernt habe, ist, dass es in den Bewegungen beim Zusammenbringen vieler Menschen um viel mehr geht als ihre bloße Anzahl, weil wir eine Solidarität und eine gemeinsame Kraft schaffen, die vorher nicht sichtbar war. Und diese Erfahrung ist fruchtbar auch für alle anderen Strategien in verschiedenen Bewegungen. Darum beziehe ich mich auf den Lernprozess bei „Block G8“: Solidarität lernen, über etwas hinausgehen, Regeln überschreiten, etwas wagen, sein Recht nehmen und dies kann auf andere Kämpfe übertragen werden.

Graswurzelbewegungen und das Weltsozialforum

Frage aus dem Publikum: Wenn wir commons als Bewegung gegen die Unzulänglichkeiten der wirtschaftlichen und sozialen Aspekte des Kapitalismus betrachten, können wir sagen es ist eine Bewegung, oder ist es nur eine Theorie oder ein Diskurs?

Friederike Habermann: Ich sehe commons weniger als eine Bewegung denn als Idee, die Menschen zu verstehen gibt, dass es eine Alternative gibt, nicht nur zum Neoliberalismus, auch zum Kapitalismus. Margaret Thatcher hat gesagt, TINA (there is no alternative) und die Aktivist:innen haben mit TAMARA (there are many and real alternatives) geantwortet. Das bedeutet nicht mehr, als das Person A etwas anderes denkt als Person B und die beiden nicht an die Lösungen der jeweils anderen glauben. Und wir im Netzwerk Ökonomischer Wandel sagen, selbst wenn wir von einem Markt ausgehen, müssen wir diesen demokratisieren und die Konkurrenz loswerden. Wir müssen den Staat demokratisieren und sicherstellen, dass er nicht ausschließend ist. Und dann heißt es, commons schaffen und uns wieder zu organisieren in direkter Aktion, um das zu tun, wofür wir stehen! Auch wenn es Konzepte zur Transformation gibt, wie die Gemeinwohlökonomie, ist die Lösung am Ende eine Wirtschaft, die an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist, um zu konsumieren, aber auch, um unsere Lebenszeit mit dem verbringen zu können, was wir für wichtig halten. Wir müssen die Lösung sehen und die Lösung ist so einfach, denn wenn wir uns in unseren Bewegungen organisieren, wie wir es mit PGA getan haben, wie es die Klimabewegung und andere Bewegungen heute tun, dann tun wir einfach, was getan werden muss, und organisieren uns demokratisch von der Basis aus. Das ist der Weg, den wir gehen müssen.

Peter Wahl: Commons sind ein Weg, die Unzulänglichkeiten des Kapitalismus gewissermaßen abzufedern, und viele Bewegungen tun dies unter dem Banner „Schützt unsere öffentlichen Dienstleistungen“. Mit der Pandemie haben wir eine intensive Debatte darüber gegen die Kommodifizierung der Gesundheit, und wir beobachten ähnliches in Bewegungen gegen die Kommodifizierung von Wasser, öffentlichem Verkehr, Bildung und weiteren Bereichen. In diesem Sinne geht der Kampf um öffentliche Güter in dieselbe Richtung.

Frage aus dem Publikum: Bezüglich des Weltsozialforums (WSF), das aufgebaut wurde, als die globalisierungskritischen Proteste in Seattle und Genua stattfanden und daraufhin Kritik aufkam, dass das WSF nicht immer die Militanz der globalisierungskritischen Proteste übernommen habe und das es von Stiftungen unterstützt wurde und auch Staaten eine Rolle spielten und die Weltbank, es gibt eine ganze Verschwörungstheorie dazu, gleichzeitig würde ich sagen, dass wir danach einen wirklichen Rückgang der Bewegung gesehen haben. Man kann sagen, dass das WSF viel Neues gebracht hat, aber auch diese Lesart kann nicht ausgeschlossen werden. Mich interessieren Ihre Einschätzungen.

Friederike Habermann: Ich kann verstehen, dass es so aussah. Nicht direkt nach Seattle, aber nach Prag wurden Treffen abgesagt, in Göteborg wurde auf Leute geschossen. Nachdem in Genua Carlo Giuliani erschossen worden war, kam dieser Zyklus zu einem Ende, weil die Repression so stark wurde. So viele Menschen waren auch nach der sogenannten „Chilenischen Nacht“ und den anschließenden Folterungen in den Gefängnissen traumatisiert, wir konnten so nicht weitermachen. Und auch aus anderen Gründen beschloss PGA beispielsweise fortan mehr auf Kampagnen zu setzen als das Gipfelhüpfen, das als nicht nachhaltig kritisiert wurde und als den Blick auf den Globalen Norden richtend. Und das dritte PGA Treffen in Cochabamba, wo commons eine große Rolle spielten, fand direkt nach dem 11. September 2001 statt. Das war natürlich eine weitere Zäsur. Wegen all dem brach die Radikalität der Bewegung ein. Wir sahen das WSF aber auch als Chance, um herauszufinden, was wir eigentlich erreichen wollten.

Jai Sen: Ich denke, es stimmt, dass du zwei unterschiedliche Wege siehst, die Dinge anzugehen. Ich glaube, es war ein anderer Teil der Gesellschaft, wo die Rolle der sogenannten Zivilgesellschaft eine dominante Rolle beim Aufbau des WSF spielte. Ich habe schon früher argumentiert, dass das WSF in vielerlei Hinsicht als eine Art Allianz einer transnationalen sozialen Aktivist:innenklasse gesehen werden kann, die zusammenkam und auch den Diskurs kontrollierte. Wie Friederike beschrieben hat, gab es einen Moment der zunehmenden Gewalt gegen die Bewegung, was zum Nachdenken führte. Gleichzeitig kam diese andere Art die Dinge zu tun auf, die eine sehr wichtige Gelegenheit für die Menschen war, in diesem Moment der Gewalt zusammenzukommen, besonders nach 9/11, als der Krieg gegen den Terror begann, der auch Aktivist:innen ins Visier nahm. Das WSF spielte auch eine wichtige Rolle, indem es private Räume für die Fortsetzung der Beziehungen und der Kämpfe zur Verfügung stellte. Es muss nicht als etwas verstanden werden, das selbst eine große Bewegung war, obwohl es das in einem diskursiven Sinne war, aber es war auch ein Ort, an dem sich viele Bewegungen zu ihren eigenen Bedingungen trafen, um ihre Kämpfe weiterzuführen, die über die Bewegung und über das Forum hinausgingen. Daher hat es eine wichtige Rolle in der Entstehung zeitgenössischer Bewegung gespielt.

Peter Wahl: Ich denke, die Probleme des Weltsozialforums spiegeln die Probleme der gesamten Bewegung wider und nicht umgekehrt. Seine Schwächen sind also der Ausdruck der Schwächen der Bewegung selbst. Und ich würde nicht sagen, dass Geld und der Einfluss von Stiftungen das Weltsozialforum kaputtgemacht haben. Wenn es eine vitale und lebendige Bewegung gäbe, hätten diese Fragen keinen Einfluss gehabt.

Institutionelle Reformen, Einbindung und Wissensindustrie

Frage aus dem Publikum: Wir als Forschungsgruppe untersuchen institutionelle Reformen als eine Art der Reaktion von IWF, Weltbank oder WTO auf die Proteste. Daher würde mich interessieren, wie Sie die Perspektive der Bewegungen auf diese Reformen wahrgenommen haben. Wurden sie als Erfolge wahrgenommen oder als unzulänglich kritisiert oder waren sie nicht wichtig, da sie nicht das Ziel der Bewegungen waren?

Frauke Banse: Ich kann mit Blick auf die Europäischen Partnerschaftsabkommen (EPAs) antworten. Letztlich konnte die EU nicht erreichen, was sie erreichen wollte, aber die Bewegungen unterschätzten diese Dinge. Was ich immer höre, wenn ich über dieses Thema rede, ist, dass die Aktivist:innen schockiert sind, dass die gleichen Regeln, die die EU bilateral in Verhandlungen mit afrikanischen Regionen umsetzen wollte, nun noch radikaler auf nationaler Ebene umgesetzt werden sollen, ohne mühsame regionale Verhandlungen. Es gab keine wirkliche Abschwächung der EPAs. Der Schauplatz, die Ebene wurde geändert und es ging nicht mehr nur um die Institution, wie die Welthandelsorganisation, sondern nun um die nationale Ebene. Wir sollten uns nicht nur auf Institutionen fokussieren und nach ihren Reformen fragen, sondern den Blick ausweiten und gucken, was drum herum passiert.

Peter Wahl: Die Frage der Reformen von Institutionen wie IWF, Weltbank und so weiter ist sehr zwiespältig. Sie müssen bis zu einem gewissen Grad auf Druck von außen und der öffentlichen Meinung reagieren. Das heißt aber, dass sie erst ab einem bestimmten Niveau und einer bestimmten Qualität reagieren. Es geht nicht nur um Demonstrationen, sondern wenn der Papst – um dieses Beispiel der Jubilee-Initiative zu nehmen – und andere Akteure den Schuldenerlass für die armen Länder unterstützen, dann wird es natürlich ein Thema für sie. Auf der anderen Seite versuchen die Institutionen auch den Protest zu integrieren und damit die Bewegung zu spalten. Ich war mehrmals mit Kolleg:innen bei der Weltbank eingeladen und wir saßen tagelang bei gutem Essen in teuren Hotels und haben Papiere vorbereitet. Am Ende kam der „Reality Check“, alles, was wir gedacht und hinzugefügt hatten, war nichts für sie. Sie hatten mehrere NGOs eingeladen, mit ihnen zusammengesessen, diskutiert, sie integriert, aber in Realität ist es eine Strategie, um gewisse Elemente zu integrieren und gewissermaßen zu kooptieren und die Bewegung zu spalten und zu schwächen. Dennoch, wenn es ein gewisses Maß an Druck gibt, müssen sie reagieren.

Jai Sen: Ich denke, wir, d.h. die intellektuelle Klasse, tragen auch selbst dazu bei, indem wir ganze Forschungsfelder erschaffen, zum Beispiel zur Rechenschaft internationaler Finanzinstitutionen entsteht eine ganze Industrie, die drüber nachdenkt und uns glauben lässt, dass wir sie in der Tat zur Rechenschaft ziehen. Es schafft ein ganzes Feld von Arbeit, Konferenzen überall, es werden Bücher darüber veröffentlicht, als ob es tatsächlich passieren würde! Und die, die ich mir angeschaut habe, scheinen nicht kritisch zu reflektieren, was da eigentlich vor sich geht. Ich denke, wir müssen uns darüber im Klaren sein, wenn wir Studien dieser Art machen, dass wir anfangen zu glauben, was wir da tun und uns gegenseitig bestätigen. Ich denke, dass diese Gefahr besteht. Wir werden Teil einer Wissensindustrie, die ihre eigene Ideologie hat. Da müssen wir kritisch-reflexiv sein. Aber ich stimme Peter zu, ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht, als ich zu diesen Beratungen [bei den Institutionen] eingeladen wurde. Und manchmal sieht man den Beginn der Spaltung der Gruppen, die da zusammenkommen.

Eine der Studien, die ich über die globalisierungskritische Bewegung gemacht habe, war über die Versuche der Bewegungen, die Weltbank als Arena für Reformen zu nutzen. Und in meinen Interviews mit der Bank waren sie diesbezüglich sehr klar: Sie hatten identifiziert, welche Bewegungen radikaler und welche gemäßigter sind und innerhalb der Bewegungen, wer die Radikalen und wer die Gemäßigten sind. Und sie nutzen das eine, um Raum für das andere zu schaffen, um voranzukommen. Und sie waren sehr taktisch darin, wie sie die Dinge organisierten. Sie luden die Radikalen ein, aber nur, um Raum für die Moderaten zu schaffen, damit sie weiterkommen konnten, aber ungesehen. Sie wussten sehr genau, was sie taten. Innerhalb der Weltbank wussten sie auch, wie sie die Exekutivdirektoren in den siebziger und achtziger Jahren in Unkenntnis halten konnten, sie hatten sogar ein Sprichwort dafür: „Die Exekutivdirektoren der Bank sind wie Pilze, lass sie im Dunkeln und füttere sie mit Müll“. Das war eine verbreitete Praxis innerhalb der Weltbank und sie versorgten auch jede Menge anderer Leute mit belanglosen Informationen.