Reichtum ist Macht, Armut Ohnmacht

Während sich die Reichen und Mächtigen dieser Welt in der winterlichen Idylle von Davos auf dem World Economic Forum zum Small Talk mit Politikern und Ökonomen trafen, veröffentlichte die gemeinnützige Organisation Oxfam ihren Bericht über die Zunahme der Ungleichheit und die globale Armut als zwei Kernprobleme unserer Zeit. In diesem Bericht kritisiert die Organisation, dass der Reichtum der Milliardäre seit 2020 um gut ein Drittel angewachsen ist, während gleichzeitig 60 Prozent der Menschheit ärmer geworden sind. Diese nicht zuletzt der Inflation geschuldete Entwicklung habe, laut Oxfam, dazu geführt, dass inzwischen das weltweit reichste eine Prozent der Menschen fast die Hälfte allen Vermögens besitze, die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung aber mit weniger als einem Prozent „so gut wie nichts“ habe.

Im Zeitraum März 2020 bis Dezember 2023 hat sich das Vermögen der fünf reichsten Personen der Welt mehr als verdoppelt, von 405 auf 860 Milliarden US-Dollar. Wer sind diese fünf Superreichen? Auf Platz 1 steht laut dem Magazin Forbes Elon Musk (USA) mit einem Vermögen von 241,6 Milliarden US-Dollar, auf Platz 2 Bernard Arnault (Frankreich) mit 185,9 Milliarden US-Dollar, gefolgt von Jeff Bezos (USA) mit 173,6 Milliarden US-Dollar auf Platz 3 und Larry Ellison (USA) mit 132,3 Milliarden US-Dollar auf Platz 4. Auf Platz 5 steht Mark Zuckerberg (USA). Sein Privatvermögen umfasst 126,5 Milliarden US-Dollar.

Hält der Trend extremer Vermögenszunahme und -zentralisation an, so wird das Vermögen der fünf reichsten Personen im Jahresverlauf 2024 die Billionengrenze übersteigen und das der zehn Superreichsten am Ende des Jahres mehr als zwei Billionen US-Dollar betragen. Die hierin zum Ausdruck kommende extreme Ungleichheit stellt die Gesellschaften vor eine immer größere Zerreißprobe. Sie untergräbt die Demokratie, verwandelt Staaten (wie die USA) in Plutokratien und verstärkt die Krisen in der Welt, statt Lösungen herbeizuführen.

Das Hauptproblem ist jedoch, dass die zu beobachtende enorme Vermögenskonzentration in den Händen einiger weniger immer unberechenbarer und unkontrollierbar werdender Multimilliardäre eine echte Gefahr für den „Rest“ der Menschheit darstellt, denn Reichtum bedeutet Macht und extremer Reichtum folglich extreme Macht. Oxfam fordert deshalb, dieser Gefahr energisch zu begegnen, indem der Trend gestoppt und finanzpolitisch konsequent umgesteuert wird.

Aber wer soll das tun? Wer ist im Besitz von so viel Macht, dass er den Superreichen und Mächtigen dieser Welt Paroli bieten könnte? Einzelpersonen ganz sicher nicht, politische Parteien und Nichtregierungsorganisationen auch nicht. Ebenso wenig kleine bis mittelgroße Staaten, deren Budget deutlich geringer ist als das Vermögen der Superreichen. Es kommen dafür mithin nur große und mächtige Staaten infrage: die USA, China, Indien, Japan, Russland, Brasilien, Deutschland und die Europäische Union.

Die aber tun nichts, um den Trend zu stoppen. Eher ist das Gegenteil zu konstatieren, wie sich am Beispiel Deutschlands zeigen lässt.

Folgt man der Argumentation von Oxfam, so wäre die Steuerpolitik das am besten geeignete Mittel, um die ungebremste Reichtumskonzentration zu stoppen und die dadurch erzeugte soziale Ungleichheit wieder zu verringern. „Noch vor 50 Jahren“, so Oxfam, „war eine hohe Besteuerung von reichen Bevölkerungsteilen die Regel und hat maßgeblich dazu beigetragen, Vermögen gerechter zu verteilen und extreme soziale Ungleichheit zu verhindern.“ Ja, vielleicht! Aber inzwischen hat sich die Gesellschaft gewandelt, hat eine Transformation zum neoliberalen Finanzmarktkapitalismus stattgefunden und wurden Reichtum und Macht neu verteilt.

In Deutschland wurde die Vermögensteuer auf der Grundlage eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1995, worin die Ungleichbehandlung von Geld- und Immobilienvermögen moniert wurde, 1997 „ausgesetzt“. Seitdem (seit 27 Jahren) hat es die Politik, trotz eines klaren Auftrags dafür, nicht vermocht, eine verfassungskonforme Besteuerung der Vermögen herbeizuführen. Die Erhebung einer Vermögensteuer ist in Artikel 106 des Grundgesetzes ausdrücklich vorgesehen. Warum passiert trotzdem nichts? Offenbar, weil die Regierung nicht im Besitz der Macht ist, über die Superreiche verfügen und die wiederum ihre Macht nicht einzusetzen scheuen, wenn es darum geht, verpflichtende Steuergesetze zu verhindern.

Zudem gibt es in Deutschland eine Partei, die seit Jahrzehnten unter dem Deckmantel des Liberalismus erfolgreich Klientelpolitik und Lobbyarbeit für die Reichen und Superreichen betreibt. Dagegen ist mit Petitionen und Appellen schwer anzukommen, weshalb wohl auch der neue Vorstoß von Oxfam ohne Ergebnis bleiben wird. Dabei gäbe es gerade in der Gegenwart mehr als genug Gründe, die eine gerechte Besteuerung der Vermögenden legitimieren würden.

Im Bericht von Oxfam wird zum Beispiel darauf verwiesen, dass das reichste Prozent der Weltbevölkerung für genauso viele CO2-Emissionen verantwortlich ist wie die ärmeren zwei Drittel, also rund fünf Milliarden Menschen. Wäre das nicht ein hinreichender Grund für die Einführung einer Vermögensteuer oder einer gezielten Abgabe für Umweltsünder? Oxfam ruft zur Unterstützung entsprechender Initiativen auf. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der Bevölkerung die Initiative für eine gerechtere Besteuerung unterstützen wird. Was aber politisch daraus wird, steht auf einem anderen Blatt.