Heuchelei und Bundeswehr

Kommentar

Am 25. Oktober 2006 ging ein Aufschrei durch die Medien.

Aber nicht, weil an diesem Tag eine große Parlamentsmehrheit die Verlängerung des "Enduring Freedom"-Kriegseinsatzes von BundeswehrsoldatInnen in Afghanistan um ein weiteres Jahr beschlossen hatte. Nein, die Bildzeitung hatte soeben drei Jahre alte Fotos veröffentlicht, auf denen u.a. zu sehen ist, wie Bundeswehrsoldaten in Afghanistan feixend mit den Schädeln toter Menschen posieren.
Der öffentliche Aufschrei von PolitikerInnen und MedienmacherInnen, der angesichts der jetzt veröffentlichten "Leichenschänder"-Fotos zu vernehmen ist, kann nur als heuchlerisch bezeichnet werden. Was denken diese Leute eigentlich? Glauben sie ihre eigene Lügen von der "friedenstiftenden" Bundeswehr, vom friedliebenden "Staatsbürger in Uniform"?
Ganz offensichtlich.
Die Vergewaltigungen und Scheinhinrichtungen von Schneeberg, die Folter-"Übungen" in einer Coesfelder Bundeswehrkaserne und anderswo, all das hat die Öffentlichkeit längst wieder vergessen. Dabei waren auch diese "Vorfälle" nur die Spitze des Eisbergs. Aber sie lassen erahnen, was passiert, wenn Menschen andere Menschen kommandieren, wenn sie "schleifen" und geschliffen werden, wenn sie Kadavergehorsam lernen und lehren.
Stellen wir klar: Die Aufgabe von Soldatinnen und Soldaten war und ist es, die "kapitalen Interessen" ihrer Führerinnen und Führer durchzusetzen. Und zwar mit Gewalt! In jedem Krieg werden Menschen durch Angehörige der kämpfenden Truppe gefoltert, erniedrigt, vergewaltigt und ermordet. Jeder Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit!
Es ist nicht verwunderlich, dass wir nun Bilder zu sehen bekommen, die deutsche Bundeswehrsoldaten bei der Ausübung ihrer "Arbeit" zeigen. Erstaunlich ist, dass bisher so wenig Fotos ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sind. Und wir können fast sicher sein, dass die geheimen Aktionen, die das Kommando Spezialkräfte (KSK) gemeinsam mit US-Eliteeinheiten in Afghanistan durchführt, um einiges brutaler und menschenverachtender sind, als das, was uns nun durch die Massenmedien präsentiert wird. Darauf deuten nicht zuletzt die Aussagen des nach eigenen Angaben von deutschen KSK-Soldaten misshandelten Murat Kurnaz hin.
Was macht die Bundeswehr in Afghanistan und in vielen anderen Ländern der Welt?
Sie dient deutschen Großmachtansprüchen, in Partnerschaft mit und Konkurrenz zur einzigen militärischen Supermacht USA.

Was ist zu tun?
Die heute dank einer beträchtlichen Propagandaarbeit von großen Teilen der Bevölkerung akzeptierte Nachfolgearmee der Wehrmacht konnte in den fünfziger Jahren nur gegen den Willen einer Bevölkerungsmehrheit durchgesetzt werden.
Heute muss es darum gehen, diesen historischen Fehler wieder rückgängig zu machen und eine Mehrheit für die Abschaffung aller Armeen zu gewinnen.
Die Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen sofort beendet werden. Die Bundeswehr muss aufgelöst werden. Schluss mit der Militarisierung der Innen- und Außenpolitik!
Für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft.

Bernd Drücke, 26.10.2006

aus: Graswurzelrevolution Nr. 313, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, 35. Jahrgang, November 2006, www.graswurzel.net