Mosambikanische Vertragsarbeiter*innen in der DDR

Interview mit Madgermanes in Maputo

Bittere Solidarität: Hintergründe zum Gruppeninterview

Die Madgermanes[1] sind wohl die letzte vergessene „Opfergruppe“ im Prozess der viel beschworenen deutschen Einheit und ihrer Aufarbeitung. Erst seit kurzem sind die Madgermanes – für die es weitere Bezeichnungen gibt, wie: mosambikanische Werktätige in sozialistischen Betrieben, Staatsgäste an der Werkbank, Vertragsarbeiter*innen, Gastarbeiter*innen des Ostens, Arbeitsemigrant*innen oder unnötige Fremde – in eine etwas größere Öffentlichkeit gerückt. „Opfergruppe“ ist kein attraktives Wort. Es klingt so passiv. Über die Jahrzehnte trifft es immer genauer den Kern des Problems. Vom Vergessen Betroffene kommen in dem Gruppeninterview zu Wort. Die Madgermanes haben mittel- und unmittelbar SED- und DDR-Unrecht erfahren, sind von Fehlern im Einigungsprozess 1990 betroffen und werden bis heute von der ewigen Dauer-Regierungspartei FRELIMO (Frente de Libertação de Moçambique, deutsch: Mosambikanische Befreiungsfront) mit ihrer permanenten Korruption geschädigt. In diesem Beitrag möchte ich auf einige Hintergründe hinweisen, um das Verständnis der Gespräche zu erleichtern.

Einige Eckdaten: Die Madgermanes kamen zwischen 1979 und 1990 in die DDR. Insgesamt waren es 17.100 junge Männer und Frauen. In der Regel waren sie zwischen 18 und 25 Jahre alt. Rund 15 Prozent der Madgermanes waren Frauen. Etliche Madgermanes reisten mit einem Zweit-Vertrag erneut ein. Zum Stichtag 31.12.1989 lebten 15.100 Vertragsarbeiter*innen in der erodierenden DDR. Basis des Aufenthaltes im „zehntgrößten Industriestaat der Welt“ war der Vertrag vom 24. Februar 1979 „über die zeitweilige Beschäftigung mosambikanischer Werktätiger in sozialistischen Betrieben der DDR“. Dieser regelte einiges und verbarg vieles. So regelt er, dass die Vertragsarbeiter*innen gleiche Löhne wie ihre DDR-Kolleg*innen erhalten sollten. Dies wurde weitgehend und über die gesamte Zeit – nach einer Anlernzeit von ca. drei Monaten – realisiert. Festgehalten war auch, dass sie „zu ihren Gunsten“ 25 Prozent des Nettoarbeitslohnes in die Volksrepublik transferieren „können“. Zwischen 1986 und 1988 waren es gar 60 Prozent des Nettolohnes oberhalb eines Selbstbehaltes von 350 Mark der DDR. Dieser „Nettolohnpflichttransfer“ wurde automatisch durch den Betrieb abgezogen. Der Betrag wurde auf der Lohnbescheinigung vermerkt. Es wurden persönliche Konten in Mosambik eingerichtet. Die Akzeptanz erfolgte in der Erwartung, bei Heimkehr in Mosambik eine solide angesparte Summe ausgezahlt zu bekommen. Das böse Erwachen und der schwere Frust kamen nach der Rückkehr nach 1990. Die Konten waren leer und es erfolgten keine oder nicht nachvollziehbar kleine Teilauszahlungen. Weder ein Neustart für eine Existenz in der Heimat war möglich noch die Chance der eigenen Familie – die auf ihre Kinder verzichten hatte müssen – etwas zurückzugeben. Mit der Heimkehr wurden aus stolzen Delegierten und „Neuen Menschen“, die am Weltprogress mitarbeiten sollten, „Deppen“, Verräter*innen und Drückeberger*innen vorm Bürgerkrieg. Es kam zu keinem entwicklungspolitisch wünschenswerten Wissenstransfer. Anhaltende Effekte dieser zentralistischen Form von Arbeitsmigration waren vielfach Ausgrenzung und Isolation, wie im Gespräch beschrieben.

Der Vertrag vom Februar 1979 verschwieg, dass seitens der DDR-Führung von Beginn an kein „Nettolohntransfer“ zu Gunsten der Vertragsarbeiter*innen geplant war. Gemäß Paragraf 12 waren die einbehaltenen Lohnanteile „zur technischen Abwicklung der Verrechnung von gegenseitigen Warenlieferungen und Leistungen“ vorgesehen. Damit kam eine Spezialform der „Ware gegen Ware“-Praxis zum Einsatz. Diese Außenhandels- und Tauschhandelsmethode wurde in den 1970er Jahren von der DDR als eher fair denn ausbeuterisch beschrieben und besonders für devisenschwache Entwicklungsländer modifiziert auf die Arbeitskraft und ihre Gehaltsabrechnung angewandt. Der einbehaltene „Nettolohnpflichtanteil“ wurde von den Betrieben über das Staatsekretariat für Arbeit und Löhne der DDR (dem Arbeitsministerium) monatlich an die Staatbank der DDR überwiesen. Die Listen waren betriebs- und personengenau. Die Beträge wurden in Mark der DDR und in US-Clearing-Dollar ausgewiesen. Die Staatsbank der DDR „verrechnete“ diese Beträge mit den in US-Dollar gehaltenen Krediten der DDR gegenüber der Volksrepublik Mosambik. Die Verrechnungen sahen keine Überweisungen vor. Diese Art von Kompensationsgeschäft ermöglichte Mosambik nicht, die Konten der Vertragsarbeiter*innen zu füllen. Die Tilgung der zumeist im internationalen Rahmen überteuerten und illegitimen Devisenkredite der DDR – für ihre Bonitätsverbesserung und für die zumeist zum Scheitern verurteilten Großprojekte – zielte auf die Stärkung der DDR in einer markanten Verschuldungskrise und nicht auf den Aufbau von Mosambik. „Es geht primär um die Existenz der DDR“, fasste der SED-Devisenbeschaffer der DDR Alexander Schalck-Golodkowski den DDR-Handel mit Mosambik zusammen.

Was hat nun der Leiter des berüchtigten Devisenbeschaffungsbereiches Kommerzielle Koordinierung (KoKo) Schalck-Golodkowski mit dem heutigen Kampf der Madgermanes zu tun? 1977 übertrug die SED-Führung Schalck, der seine Kompetenz im innerdeutschen Provisionshandel und mit Waffen-, Kirchen- und Häftlingsgeschäften erworben hatte, die Hoheit über die Wirtschaftsbeziehungen mit dem „Bruderland“ Mosambik. Denn: Mosambik agierte in der US-Dollar-Sphäre. Jeder der über 80 Verträge der DDR mit Mosambik lief über die Schreibtische von KoKo. KoKo war nicht das Solidaritätskomitee. So errechneten Schalcks Leute für das Zentralkomitee der SED durch den Einsatz von Vertragsarbeiter*innen jährlich „Transfersummen zur Reduzierung der Aktivsalden der DDR“. Für 1986 ergab das 4,6 Millionen und für 1990 26,2 Millionen US-Clearing-Dollar aus den einzubehaltenden Lohnanteilen. Im Ergebnis reisten 1988 zusätzlich 3.500 Mosambikaner*innen in die DDR ein. Die mosambikanische Regierung machte das Spiel mit. Sie setzte ihre Landsleute zum Schuldenabbau ein und täuscht die Madgermanes bis heute über diese Praxis.

Der Bereich KoKo forderte Schlagkraft, Deviseneffekte in den Betrieben und Geheimhaltung. Dies erschwerte eine gute Vorbereitung und Information der Bevölkerung in den Einsatzorten der Vertragsarbeiter*innen und kann u.a. als eine der Ursachen für fremdenfeindliche und mitunter rassistische Anfeindungen betrachtet werden. Das Unrecht gegenüber den Madgermanes hat tiefe Wurzeln.

Hinzu kommt, dass die BRD die DDR-Verträge mit Mosambik 1990 nicht übernahm. Die Belange der Vertragsarbeiter*innen wurden im Vereinigungsprozess nicht berücksichtigt und es bestanden deshalb erhebliche Regelungslücken für die Situation der Madgermanes. Nach 1990 engagierte sich die Bundesregierung durchaus für Mosambik. Zeitweise war der afrikanische Küstenstaat ein entwicklungspolitisches Schwerpunkt- oder Ankerland des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). So wurden u.a. 75 Millionen D-Mark aus BMZ-Mitteln als Heilungszahlungen für die Madgermanes überwiesen. Diese Mittel kamen bei den Vertragsarbeiter*innen jedoch nicht an. Der Verbleib wurde durch Stellen der deutschen Regierung nicht evaluiert, was die ehemaligen Vertragsarbeiter*innen als neuen Betrug und Frust empfanden. Hingewiesen werden muss auch auf die hochproblematischen Bedingungen der Rückkehr der Vertragsarbeiter*innen nach 1990 in ihrem Heimatland. Ähnlich wie die ca. 900 Schüler*innen der Freundschaft aus Staßfurt, die bereits 1988 zurückgeführt und in Mosambik nicht wie zukünftige Expert*innen, sondern wie Verdächtige empfangen wurden, wurden auch die Madgermanes als Gruppe in ihrem Herkunftsland missachtet. In diesem Zusammenhang kann von gruppenbezogenen Menschenrechtsverletzungen gesprochen werden. Die deutsche Bundesregierung sprach lange Zeit bei den Forderungen der Madgermanes nach Respekt, Anerkennung und Entschädigung von „innermosambikanischen Angelegenheiten“ und meinte nicht zuständig zu sein. Inzwischen zeichnet sich ein Perspektivwechsel ab. Auf einer Strategiebesprechung von Wissenschaftler*innen, Politiker*innen, Betroffenen und Behörden zu den offenen Fragen der Madgermanes im September 2021 in Berlin erklärte die Vertreterin der Bundesregierung, die Bundesregierung erkenne inzwischen auch, dass die Madgermanes DDR-Unrecht erfahren haben, sie im Einigungsvertrag vergessen wurden und unter korrupten Strukturen in Regierung in Mosambik litten. Daraus folgerte sie, dass Deutschland seine spezifische Verantwortung für die Madgermanes zukünftig annehmen solle. Die Solidarität mit den ehemaligen Vertragsarbeiter*innen und die Unterstützung ihrer Kämpfe sind mehr denn je notwendig und aussichtsreich.

Seit 2017 hat sich der Fortsetzungsausschuss „Respekt und Anerkennung“ gebildet. Er ist paritätisch besetzt. Seine Aktivitäten und vertiefende Informationen zu dieser hoch komplexen Thematik sind auf der Plattform https://vertragsarbeit-mosambik-ddr.de/ ausführlich erläutert.

Hans-Joachim Döring

Interview mit drei Vertretern der Madgermanes in Maputo

Das Interview haben Maria Backhouse, Theo Mutter und Miriam Friz Trzeciak für die Peripherie im Mai 2021 online auf Portugiesisch geführt und anschließend ins Deutsche übersetzt. Für die Vermittlung der Kontakte nach Mosambik sowie weitere hilfreiche Unterstützung danken wir Julia Oelkers.

Peripherie: Wir freuen uns, dass wir mit Ihnen heute sprechen können, um Ihre Erfahrungen kennen zu lernen und mehr über Ihre aktuellen Kämpfe und über die Situation zu erfahren, die Sie in der DDR vorgefunden haben. Können Sie sich bitte kurz vorstellen?

Albino: Danke, ich heiße Albino Forquilha. Ich lebe seit 1993 in Maputo, aber ich bin in der Provinz Manica, in der Stadt Chimoio geboren, an der Grenze zu Simbabwe. Ich vertrete die AAMA (Associação de Amizade Moçambique-Alemanha, deutsch: Freundschaftsgesellschaft Mosambik-Deutschland), ich bin ihr Präsident. Außerdem bin ich Präsident der Gemischten Kommission der Arbeiter*innen und Student*innen der Schule der Freundschaft.

David: Mein Name ist David Mavinguane Macou und ich lebe seit meiner Rückkehr aus Deutschland 1992 in Maputo. 1979 kam ich in den Bezirk Cottbus ins Braunkohlekombinat (BKK) Senftenberg; es war ein Bergbaukombinat. Dort bekamen wir von 1979 bis 1989 Unterricht. Dann bekamen wir Probleme durch die Wiedervereinigung, und der Unterricht wurde abgebrochen und ich kehrte in die Heimat zurück, nach Maputo. Und seither bin ich arbeitslos und beschäftige mich damit, zu verstehen, was ich in Deutschland gearbeitet habe und woran es liegt, dass ich mein Leben nicht in meiner Hand habe. So ist meine tägliche Aufgabe herauszufinden, was in Wahrheit das Ergebnis von zwölf langen Jahren schwerer Arbeit ist. Um es klar zu sagen, meine momentane Arbeit als Arbeitsloser besteht darin, aufzuwachen und mich mit meinen Brüdern und Schwestern, den anderen Deutschland-Rückkehrer*innen, zu versammeln und unsere Rechte einzufordern. Das ist meine Aufgabe.

Constantino: Ich heiße Constantino Manoel, ich bin Vertreter von ATMA (Associação que luta pelos direitos dos trabalhadores, deutsch: Vereinigung, die für Rechte der Arbeiter*innen kämpft) und Vizepräsident der Gemischten Kommission. Ich verließ Mosambik 1976 und lebte in Berlin-Pankow. Später arbeitete ich in Halle und kam im Laufe des Jahres 1990 zurück nach Berlin.

Peripherie: Wir möchten gerne mehr über Ihre Lebens- und Arbeitsverhältnisse in der DDR erfahren. Wie sah Ihr Leben in der DDR aus, wo und wie haben Sie gewohnt, gelebt und gearbeitet?

David: Im BKK Senftenberg waren wir die ersten, die 1979 im Rahmen dieses Vertrages ankamen; die erste Gruppe waren 400 Arbeiter*innen. Dort wurden wir auf die Betriebe verteilt: Lauchhammer, Leipzig, Cottbus. Laut Vertrag waren wir zur Ausbildung gekommen, und das Kombinat BKK Senftenberg bemühte sich in den Jahren 1979, 80, 83 und 84, uns auszubilden, denn die Arbeit im Bergwerk war ohne Ausbildung sehr riskant und hart, und die Arbeiter*innen benötigten technische Kenntnisse für ihre Tätigkeit. Es bestand also ein Interesse der deutschen Kolleg*innen, uns auszubilden, deshalb gingen die Kurse bis 1989 weiter. Die Ausbildung fand in Etappen statt, von 1979 bis 83 hatten wir eine Teilausbildung. Danach hatten wir eine Ruhepause, und manche blieben in Deutschland, andere machten Ferien zu Hause. Dann, 1984, ging die Ausbildung weiter, die wir 1985 abschlossen, und wir erhielten ein Diplom als „Facharbeiter“. Mit diesem Diplom entdeckten wir, dass zu den deutschen Kolleg*innen eine Unterscheidung gemacht wurde. Als ich mein Diplom hatte, legte ich meine Personalakte vor und begann mit der Arbeit. Als Facharbeiter verlangte ich den gleichen Lohn wie die deutschen Kolleg*innen. Hier wurden wir auf die Ungleichheit aufmerksam, und wir erkannten ab 1985, dass da etwas schiefläuft und wir nicht gleich waren wie unsere deutschen Brüder. Und auch mit der Bevölkerung, wo wir wohnten, begannen die Probleme; denn die Regierung hatte die Leute nicht darüber informiert, wer wir waren und warum wir hier waren. Sie wussten, dass wir im Bergbau arbeiteten, aber es hätte erklärt werden müssen, dass diese Männer für eine bestimmte Zeit hier waren, als Auszubildende und als Arbeiter, aber das passierte nicht. Als uns das klar wurde, beantragten wir, dass die lokale Verwaltung und andere Stellen dies tun sollten. Wir erkannten, dass man die Erwachsenen über die Kinder erreichen kann und beantragten deshalb, in die Schulen zu gehen um zu informieren. Die Kinder schauten uns verwundert oder erschreckt an und meinten, wir seien Affen, aber natürlich geben wir den Kindern nicht die Schuld. Wir gingen also in die Schulen, um zu erklären, dass wir keine Affen, sondern Menschen sind. Das war wichtig für eine Kultur des Verständnisses. Dies trug zur Akzeptanz bei, und wir vermittelten dies auch unserer Partei FRELIMO und der Gewerkschaft mit dem Ziel, diese Informationspolitik für die Bevölkerung in der Region anzuwenden. Aber es war nicht einfach, und wir erreichten nicht alle. Unser Leben war wirklich ein Kampf für Verbesserungen, der nicht leicht war, denn die vier Jahre waren für uns ein Opfer. Wir mussten damals alle möglichen Sachen organisieren, wie auch Hochzeiten, um rauszukommen an den Wochenenden. Es gab Stress mit der Jugend draußen; wenn wir alleine ausgingen, wurden wir angegriffen. Wir fühlten uns eingesperrt zum Lernen und Arbeiten, aber wir wollten auch nach Belieben am Wochenende ausgehen. Was machten wir da? Wir gingen in Gruppen zu viert oder sechst in der Freizeit in die Stadt. So hatten unsere deutschen Brüder Respekt, und sie provozierten uns nicht, da es viel Aufsehen erregt hätte, eine so große Gruppe anzugreifen. Aber manchmal kam es doch zu Provokationen. Meine zwölf Jahre [in der DDR] waren nicht wunderbar, sie waren ein übler Krieg. Ja, und fast hätte ich es vergessen, weil ich mich schon daran gewöhnt hatte, sie gaben uns Namen wie „Kohle“ und andere und lachten dabei. Wir lachten auch, wie bei einem schlechten Witz.

Zurück zum Vertrag: Ich kann sagen, in meinem Fall wurde im Kombinat Senftenberg das Ziel des Vertrages erreicht, aber wir wurden über nichts informiert. Um es klar zu sagen, wir wurden als Sklav*innen benutzt. Letztendlich machten sie alles mit uns und nahmen uns auch den Lohn weg und sagten nichts. Sie trösteten uns, wir sollten uns keine Sorgen machen, den Lohn würden wir zu Hause erhalten. Stellt euch vor, wie es mir ging, als ich 1992 [in Mosambik] den Lohn seit 1979 abholen wollte und man mir sagte, es kam nichts an, das Geld blieb in Deutschland. Hier hatte ich nichts; mein Vater hatte mein Zimmer schon verkauft und die Geschwister waren verheiratet. Im Arbeitsministerium gab es kein Geld. Sie sagten, das blieb in Deutschland. Ich war total enttäuscht. Ich begann zu verstehen, dass ich betrogen worden war.

Peripherie: Klar, jetzt verstehen wir die Situation noch besser, denn die Zahlungen sind ja ein zentraler Konfliktpunkt.

David: Der Betrieb sagte: „Dein Geld ist für dein Wohlergehen in deinem Land, wenn du zurückgehst.“ Aber zu Hause war nichts. Deutschland hatte nichts geschickt. Ich war verwirrt, wer sagt hier die Wahrheit? Es kann nicht sein, dass Deutschland bis heute meine Sozialbeiträge und die 60 Prozent des Lohns seit 1979 einbehält. Das war nicht möglich, so wie ich dieses ehrliche Volk kenne. Sie konnten ja nicht unangekündigt in meine Tasche greifen und das Geld nehmen, ohne von jemandem autorisiert zu sein. Also, der politische Fehler war es, diesen Vertrag abzuschließen, ohne uns zu informieren, dass wir arbeiten müssen, um die Staatsschulden abzubezahlen, dieser Vertrag, an dem sich jemand im mosambikanischen Staat bereichert. Unsere Frage ist, wann machen wir unsere mosambikanische Regierung verantwortlich, um bestimmte Fragen dieses Vorgangs zu klären. Ich erinnere mich an den 14. Januar 1992, als wir uns mit dem damaligen Arbeitsminister treffen sollten, jedoch von bewaffneter Polizei empfangen wurden, und deshalb kam das Treffen nicht zustande. Seitdem treffen wir uns im Jardim dos Madgermanes [offizieller Name: Jardím 28 de Maio]. Wir wussten zunächst nicht, dass die Polizei wegen uns gerufen worden war, aber sie verfolgten uns bis zu unserem Jardím, und es wurde nichts geklärt. Sie kamen und schossen auf uns und wir rannten auseinander, um uns zu retten. Waffen töten und Mosambik wollte uns letztendlich auslöschen, anstatt die Wahrheit zu sagen.

Albino: Ich kam als Schüler nach Deutschland in die Schule der Freundschaft. Der Kampf, den wir jetzt mit Deutschland führen, hat zwei Komponenten: einmal die Arbeiter*innen und zum anderen die Schüler*innen der Schule der Freundschaft. Ich kam nach Deutschland auf der Grundlage des Vertrages vom 29. Oktober 1981 zwischen den beiden Regierungen. In Staßfurt bei Magdeburg waren wir 900 Schüler*innen, die nach der Schule eine allgemeine Ausbildung erhalten sollten. Ich kam in der sechsten Klasse nach Deutschland, ich war 13 Jahre alt.

Peripherie: So jung!

Albino: Wir wurden also in diese Schule gebracht. Wir erhielten eine allgemeine Schulbildung, nachdem wir ungefähr zwölf Monate lang einen intensiven Sprachkurs hatten. Und danach kam die Berufsausbildung. Es gab ungefähr 30 verschiedene Berufsrichtungen. Ich wurde im Maschinen- und Anlagenbau ausgebildet beim Chemieanlagenbau in Staßfurt. Wir haben die Ausbildungen abgeschlossen und kehrten gegen Ende 1988 zurück nach Mosambik. Es waren ungefähr sieben Jahre, die ich in Staßfurt verbrachte. Und als wir nach Mosambik zurückkamen, wurden wir direkt zum Militärdienst eingezogen. Es bestand Wehrpflicht. Das Ganze, ohne unsere Familien besuchen zu können. Manche kehrten erst fünf Jahre später vom Militär zurück, wenn sie überlebten. Ja, einige starben, andere überlebten, so wie ich.

Und als wir vom Erziehungsministerium Kompensation und Anerkennung verlangten, wurden wir auf die unterste Ebene eingestuft. Damit wurde der Vertrag vom Oktober 1981 verletzt, denn in unserer Lebensplanung hatten wir die Erwartung, dass unsere Zeugnisse und Zertifikate nach dem Militärdienst anerkannt würden.

Daraufhin gründeten wir eine Kommission, die ich leitete, um von der mosambikanischen Regierung den Grund für die abrupte Vertragsverletzung zu erfahren. Wir machten mehrere Anläufe, aber von dieser arroganten Regierung erhielten wir keine Antwort. Wir bauten dann über die Pädagogische Hochschule von Mosambik eine Verbindung nach Deutschland auf, zu Herrn Kurt, der hier als Berater gearbeitet hatte. Ihm trug ich unser Anliegen vor. Er sagte, die einzige Sache, die er machen könne, sei die Gründung einer Untersuchungskommission zur Verifizierung unserer Berufsabschlüsse, die klärt, welchem Grad sie zuzurechnen sind (básico oder médio). Er führte die Untersuchung in Deutschland durch und kam zum Ergebnis, dass die Abschlüsse alle Anforderungen des mosambikanischen Niveaus médio erfüllen. Mit dieser Studie gingen wir zum Premierminister, der die Anerkennung unserer Zertifikate ablehnte mit der Begründung des Mauerfalls in Berlin und der damit verbundenen Entwertung der Ausbildungsergebnisse. Selbst wenn ihr die entsprechende Ausbildung durchlaufen habt, könnt ihr in Mosambik keine Anstellung finden, weil alle Firmen in Mosambik inzwischen alle Bildungsabschlüsse aus Deutschland ablehnen. Das war die Antwort, die wir bekamen, und da begannen wir mit den Protestmärschen.

Die Verträge wurden zwischen zwei Regierungen geschlossen und es ist Geschichte, dass die Berliner Mauer fiel, aber das verändert nicht den Inhalt und das Niveau unserer Ausbildung. Uns war klar, dass die Anerkennung für unsere Lebensplanung wichtig war und dass davon der Zugang zu Universitäten und weiterführenden Ausbildungsstätten abhing, und dies, obwohl Mosambik doch qualifizierte Fachkräfte brauchte. Ich spreche von 1989. Aufgrund dieser Situation konnten einige meiner Kolleg*innen ihr Studium und ihre Ausbildung nicht fortsetzen und wurden degradiert. Einige sind schon gestorben, andere starben beim Militär, wieder andere aufgrund gesundheitlicher Probleme. Warum bekamen sie keine Unterstützung und keine Anstellung? In der Tat, wir wurden ungerecht behandelt und deshalb begannen wir den Kontakt zu Deutschland zu suchen, mit dem Ergebnis einer Gemischten Kommission nach der Konferenz von Magdeburg vor zwei Jahren.[2]

Unser Leben in Deutschland war schwierig. Wir hatten eine Jugend, aber wir waren sehr eingeschlossen in unserer Schule. Weil wir Kinder waren, durften wir nicht alleine rausgehen. Als wir 17, 18 Jahre alt wurden, waren wir berechtigt auszugehen, in Diskotheken. Da begannen wir den Rassismus zu spüren. Es gab viel Streit unter den Jugendlichen. Ich erinnere mich, wie ein Kollege von mir von deutschen Jugendlichen in Staßfurt von der Brücke gestoßen wurde. Es gab viele Probleme mit dieser Skinhead-Gruppe. Sie hatten einen kahlgeschorenen Kopf. Mit denen gab es immer, wenn wir sie trafen, Probleme und Streit. Und noch eine Sache, den deutschen Mädchen gefielen wir sehr (Lachen). Und wegen der Freundschaften, die wir schlossen, wurden die deutschen Jungs wütend auf uns. Diese Probleme hatten wir oft. In meiner Schule z.B. arbeiteten wir jeden Tag auf dem Feld. Und 1989/90 kamen einige von uns noch einmal als Vertragsarbeiter*innen in die DDR, um Geld zu verdienen, von dem ein Teil für die Schulden, die Mosambik gegenüber der DDR hatte, abgezweigt wurde, was nicht Bestandteil unserer Verträge war. Wir fordern, dass Gerechtigkeit wieder hergestellt wird für all die Schäden und die nicht ausgehändigten Zertifikate. Es war ja alles nicht unsere Schuld: Die Verträge mit der DDR, der Fall der Mauer und die Entwertung der DDR. Und wir erhielten nie eine Antwort von unserer Regierung hier. Da dieser Vertrag mit Deutschland geschlossen wurde, deshalb stellen wir diese Forderung, nach Rückzahlung und Gerechtigkeit. Das habe ich zu sagen.

Peripherie: Vielen Dank

Constantino: Ich kam am 3. Januar 1986 nach Deutschland und arbeitete bei Bergmann Borsig, einem Betrieb, der Flugzeugturbinen und Rasierapparate herstellte. Nach zwei Jahren wurde ich nach Halle versetzt, genauer, nach Bernburg im Bezirk Halle. Es war eine Eisengießerei, ich arbeitete als Schlosser. Wir produzierten Turbinen bis zur ersten Ausbaustufe und dem Test. Danach wurden die Turbinen mit der Eisenbahn von Westberlin aus abgeholt. Wir als Ausländer*innen wurden nicht so streng kontrolliert, und wir konnten ganz nah an den Zug herangehen und sogar reingehen. Wir haben uns auch problemlos mit den Maschinisten unterhalten. Aber die Deutschen wurden sofort zurückgewiesen, und so bekamen wir auch Probleme.

Wenn wir ausgingen, hatte ich Glück, dass ich mit niemandem Probleme hatte. Da ich religiös bin, war für mich die Diskothek nicht so wichtig, aber ich hörte, dass Kolleg*innen dort angegriffen und bestohlen wurden. Aber das ist wohl typisch für junge Leute. Wo sie zusammenkommen, gibt es immer derartige Probleme, auch Rassismus und Konflikte unter Jugendlichen. Aber die andere Frage ist die Rückkehr nach Mosambik, wo wir Probleme bekamen, die bis heute anhalten, wenn wir mit der Regierung sprechen wollen. Es war ja unsere Regierung, die 1979 diesen Vertrag mit Honecker abgeschlossen hat. Dieses Problem müssen wir nach 31 Jahren endlich lösen. Niemand, auch nicht die mosambikanische Regierung, will uns empfangen. Wir haben mehrere Eingaben gemacht, um dieses Problem intern zu lösen, wie mein Kollege schon sagte. Aber seit unserer Ankunft 1990 schließt uns die Regierung hartnäckig aus. Wer sich bei der Arbeitssuche bei einer Firma vorstellt und ein Zertifikat aus Ost-Deutschland präsentiert, wird sofort abgewiesen. Hier ein Beispiel: Bei der Aluminiumhütte Mozal gibt es die gleichen Arbeitsgänge, die ich in Deutschland gemacht habe, aber als ich meine Zeugnisse vorgelegt habe, wurde ich abgelehnt. Man bezeichnete uns als „Unruhestifter“, die nicht gehorchen. Aber wir Madgermanes, wie sie uns nennen, verstehen, warum dies geschieht. Weil wir die mosambikanische Bevölkerung aufgeweckt haben und zeigen, dass diese Regierung korrupt ist. Eine Regierung, die ausschließt und die Probleme der Bevölkerung nicht ernst nimmt. Deshalb machen wir dies seit 1990 bis heute. Und wir machen weiter und noch mehr, bis es eine Lösung gibt. Wir wollen die Demonstrationen immer mehr ausweiten. Das ist es, was uns antreibt. Wir ruinieren den Ruf der Regierung, die seit 1975 über dieselben Probleme debattiert. Seit 1975, 1980, 1990, 2000 bis heute herrscht Exklusion, und der Hunger, die Armut, der Krieg etc. etc. bestehen weiterhin. Heute unterzeichnen sie einen Vertrag mit dem, morgen mit jenem und übermorgen mit wieder anderen. Diese Politik der Manipulation hinterfragen wir, um zu erfahren, was da läuft, und Wege zur Lösung der Probleme zu erkunden. Wenn daran gearbeitet würde, wären wir nicht auf der Straße und würden dort unsere Forderungen stellen, aber es handelt sich um eine Regierung, die beleidigt und keinen Dialog will. Mal sehen, wohin das führt, denn mit der Zeit werden es immer mehr, die sich beschweren. Als wir anfingen, waren wir zwei Prozent, heute sind wir bei 90 Prozent der Bevölkerung, was in Wirklichkeit 99 Prozent der mosambikanischen Bevölkerung bedeutet. Es braucht eine Regierung, die näher an der Bevölkerung ist, die zuhört, wo die Probleme liegen. Dann würde sie morgen nicht von Demonstrationen überrascht werden.

Peripherie: Sie haben ja die Rückkehr nach Mosambik schon erwähnt und beschrieben, wie die aktuelle Situation ist. Wir möchten nachher auf diese Punkte noch einmal genauer eingehen. Zunächst aber die Frage, ob noch Kontakt nach Deutschland besteht, zu den früheren Kolleg*innen und warum eine so große Gruppe in Deutschland geblieben ist.

Albino: Ja, von den Schüler*innen und Arbeiter*innen sind einige in Deutschland geblieben. Mit einigen der Arbeiter*innen, die in Deutschland geblieben sind, haben wir intensiven Kontakt und sie sind Teil dieses Kampfes, den wir jetzt ausfechten. Ein Teil der Schüler*innen nimmt an der Gemischten Kommission teil, die es dort wie hier gibt. Sie heißt Comissão de Continuidade[3]. Diese Kommission hat die Aufgabe, die Arbeit umzusetzen und weiterzuführen, die auf der Konferenz von Magdeburg 2019 vereinbart wurde. Das war ein Anfang. Nach so langer Zeit des Kampfes in Mosambik, als es kein Ergebnis gab, haben wir den Kontakt nach Deutschland aufgebaut. Dort gab es eine Zusammenarbeit mit der Kirche, die Gelder für eine Konferenz zur Verfügung stellte, auf der wir unter dem Titel Respekt und Anerkennung die Thematik mit den mosambikanischen Arbeiter*innen in Deutschland und den ehemaligen Schüler*innen der Schule der Freundschaft diskutierten. Auf dieser Konferenz wurde ein Memorandum erarbeitet und verabschiedet. Also, ich will sagen, sei es in Mosambik, sei es in Deutschland: ehemalige Arbeiter*innen und Schüler*innen stehen mit uns in Kontakt für diese Aufgabe.

Peripherie: Gibt es neben diesen Kontakten bei der Zusammenarbeit für die Konferenz und die Publikation des Buches noch weitere Formen der Zusammenarbeit mit Deutschland und in Mosambik auch außerhalb von Maputo?

Albino: Ja, gleich nach der Rückkehr aus Deutschland wurden in Mosambik mehrere Vereinigungen gegründet, die mit Deutschland zu tun hatten. Insgesamt sind es 13 Organisationen, die von den Schüler*innen und Arbeiter*innen in Mosambik gegründet wurden und die alle das gleiche Ziel haben, mit den Institutionen in Deutschland zusammenzuarbeiten. Die Dachorganisation AAMA (Associação dos Moçambicanos na Alemanha) bündelt die zentralen Interessen der Vereinigungen von Rückkehrer*innen aus Deutschland.[4] In letzter Zeit hatten wir einige Schwierigkeiten bei der Arbeit, aber es geht weiter. Es gibt auch Mosambikaner*innen, die die Möglichkeit haben, regelmäßig nach Deutschland zu reisen, einmal im Jahr oder alle zwei Jahre. Einige von uns haben auch ihre Familien zurückgelassen. Wir hatten geheiratet, die Ehefrauen und Kinder zurückgelassen. Viele unserer Kinder, die dort geboren sind, suchen ihre Väter in Mosambik. Einige haben aus unterschiedlichen Gründen leider keinen Kontakt mehr mit dem Vater. D.h. neben der Beziehung auf Regierungsebene gibt es die Kontakte auf persönlicher Ebene. Es existieren die Beziehungen von Gemeinschaft zu Gemeinschaft. Und wir denken, ohne Sprachbarrieren sind die Bedingungen für gute Beziehungen zwischen den Nationen und der Bevölkerung gegeben. Schließlich sind wir eine große Gruppe. Wir in Mosambik können mit den Deutschen auf Deutsch kommunizieren, was eine gute Basis ist. Aber es gibt auch neben den starken privaten Interessen Freundschaften und Verwandtschaftsbeziehungen sowie die Interessen des Staates und der Wirtschaft. Das sind sehr stabile gesellschaftliche Bedingungen für eine enge Beziehung.

Peripherie: Wir möchten noch einmal auf eine Frage zurückkommen, die schon angesprochen wurde, die wir aber für sehr wichtig halten. Wie war damals bei der Arbeit der Kontakt untereinander und zu den Deutschen? Gab es Freundschaften, auch mit Deutschen, und haben Sie heute noch Kontakt zu diesen Deutschen?

Albino: Von meiner Seite als Schüler der Schule der Freundschaft und später als Arbeiter in Neubrandenburg hatte ich exzellente Beziehungen, vor allem in der Schule und an meinem Ausbildungsplatz. Ein besonders gutes Verhältnis hatten wir mit unseren Lehrer*innen und Ausbilder*innen. An der Schule hatten wir einige mosambikanische Lehrer*innen, die mosambikanische Geschichte und Geografie unterrichteten, und es gab auch ein Fach Politische Erziehung. Aber die Mehrzahl der Lehrer*innen waren Deutsche, vor allem bei der Berufsausbildung, auch mit denen war die Beziehung sehr gut. Es war ja eine Institution, die sich von Beginn an auf die Werte der Kooperation zwischen Mosambik und Deutschland bezog. Und wir waren sozusagen Vertreter*innen unseres Staates oder der Regierung und waren deshalb auf gute Beziehungen verpflichtet. In der Schule hatte jeder, wir waren ja noch Kinder, eine deutsche Patenfamilie, mit der wir das Wochenende oder einen Teil der Ferien verbringen durften. Wir konnten abgeholt werden, um mit ihnen das Wochenende zu verbringen oder sogar in den Ferien mit ihnen zu verreisen, je nach Verfügbarkeit. Dies erzeugte eine sehr gute Beziehung und sollte uns das Gefühl geben, aufgehoben zu sein, wie in unserer Familie, fast so, als wäre es in Mosambik. Und wir sollten so die deutsche Kultur lernen. Diese Strategie war sehr gut gemacht. Wir hatten auch einen sehr guten Kontakt zur Jugendorganisation FDJ (Freie Deutsche Jugend). Mit ihnen gab es eine sehr intensive Zusammenarbeit. An der Schule gab es ja auch die mosambikanische Schüler*innenorganisation. Auch während der Ausbildung waren die Beziehungen und Kontakte immer sehr gut. Alle Ausbildungsbetriebe und Institutionen hatten ein entsprechendes Abkommen mit der Schule. Ich denke, in diesem Abkommen wurde festgeschrieben, dass wir gut behandelt werden sollen. Und auch wir hatten die Verpflichtung, uns gut zu benehmen. Die Wirklichkeit begann danach mit der Gesellschaft allgemein. Und da begannen die Probleme.

Peripherie: Ja, dies sind die Fragen, die für uns besonders interessant und wichtig sind, wie die Beziehungen außerhalb dieser organisierten Welt, mit der deutschen Gesellschaft im Allgemeinen waren.

Albino: Ja, die großen Probleme gab es außerhalb dieser, sagen wir, persönlichen Beziehungen und außerhalb der Schule und der formalen Institutionen. Da zeigte sich die hässliche Seite unserer Beziehungen, denn es gab viele Konflikte. Wir wurden bei jeder Gelegenheit nicht mit dem Namen, sondern „schwarz“ genannt. An öffentlichen Orten wie Diskotheken gab es immer Streit und einige Kolleg*innen verloren dabei sogar das Leben. Angesichts dieser Erfahrung im Umgang mit deutschen Jugendlichen war unsere Schule wie eine sichere Insel. Aber wenn wir ausgehen wollten, spürten wir, dass wir effektiv nicht frei und nicht gut gelitten waren und dass wir wohl keine normalen Bürger dieser Welt waren, so ein Rassismus herrschte vor. Es schien, als ob wir die großen Bittsteller für ein Leben in Deutschland seien. Es hatte den Anschein, dass wir zu ihnen [den DDR-Bürger*innen] immer sagen sollten: bitte lasst uns leben, als ob wir kein Land hätten. Dieses Gefühl herrschte bei uns mehr oder weniger vor. Das war sehr schlecht, aber es war faktisch so in der deutschen Bevölkerung. Das war einfach nicht korrekt. Es gab auf der anderen Seite auch keine gründliche staatsbürgerliche Erziehung und Aufklärung, um die Akzeptanz für andere raças und andere Menschen zu fördern. Dies verhinderte auch jede Form sozialistischer Zusammenarbeit, von der so stolz gesprochen wurde. Als die Kooperant*innen in Mosambik waren, gab es das von unserer Seite nicht. Bei unserem Zusammenleben mit den Deutschen gab es immer das Gefühl der weißen Überlegenheit und die N****, die pretos [im Portugiesischen eine diskriminierende, abschätzige Bezeichnung für Schwarze Menschen], sind hier, um zu fordern. Dieses Gefühl bestand, und es verdarb für mich die positiven und guten Dinge in der Schule und mit den Institutionen. Aber die anderen sollen auch zu Wort kommen.

Peripherie: Ja bitte, David, diese Fragen sind für uns sehr wichtig. Wie haben Sie das wahrgenommen?

David: Ja, sprechen wir von 1979, dem Jahr, in dem alles begann. Wir hatten nach dem Sprachunterricht theoretischen Unterricht in Verständigung und danach wurden wir nach Arbeitsbereichen eingeteilt, und jede Gruppe hatte einen Meister. Es waren, ich weiß nicht wie viele Bereiche, Schlosserei, Mechanik etc. Die deutschen Kolleg*innen arbeiteten natürlich gemeinsam mit uns. Aber zunächst haperte es noch etwas mit der Sprache, und wir verstanden noch nicht alles so gut. Aber wir strengten uns an, Freundschaften zu pflegen in dem Land, in dem wir vier Jahre lebten. Es ging ja nicht nur darum, Freund*innen zu haben für die Freizeit und Familien zu gründen. Wir hatten auch Heimweh nach unseren Brüdern und Schwestern, die wir in Mosambik zurückgelassen hatten. Aber es war alles nicht so einfach, da unseren deutschen Freund*innen, den Jugendlichen, den Nachbar*innen nicht richtig erklärt wurde, weshalb wir in Deutschland waren. Es ging vor allem darum, wie lange wir bleiben würden und wieviel wir verdienten. Sie waren besonders interessiert, wieviel wir am Ende des Monats bekamen und in welcher Währung, in DM oder US$, das wurde ihnen ja nicht erklärt, und uns auch nicht. Hier begannen die Konflikte mit den Jugendlichen und die Spaltung, denn sie glaubten, wir bekämen Devisen, wir führen Freitag bis Sonntag nach Westberlin, um das Wochenende zu verbringen, aber all das stimmte nicht. Wir versuchten ihnen zu erklären, wie es wirklich war. Zunächst einmal waren wir gar nicht im Besitz unserer Pässe, denn die behielten die Betriebe, als wären wir Gefangene. Dies irritierte mich als erstes, und das zweite war die Politik, die wir so nicht kannten, dass sich Sozialist*innen nicht mit Kapitalist*innen unterhalten sollten. All dies war uns zunächst nicht aufgefallen, weil wir uns voll auf die Ausbildung konzentrierten, wie es vertraglich vereinbart war.

Aber mit der Zeit wurden die Freundschaften und unser Verhältnis zu den deutschen Jugendlichen immer schlechter und sie entwickelten Methoden, uns zu unterdrücken. Wie üblich, die Frauen waren unsere besten Waffen in diesen Konflikten. Die Freundschaften gingen von den Frauen aus. Als 18-Jährige wollte man einen Freund oder eine Freundin haben, aber wenn sie uns mit einer deutschen Freundin sahen, explodierte die Angelegenheit. Es gab Kolleg*innen, die gegen den Zug gestoßen, in der Disco verprügelt oder bei der Arbeit gewalttätig belästigt wurden. Ich weiß nicht, in wie vielen Fällen. Damals wurde diese Politik geheim gehalten, sodass die Bevölkerung nicht wahrnahm, was wirklich geschah. Es wurde versucht und es gelang weitgehend, diese Probleme unterm Tisch zu regeln und so zu tun, als ob nichts vorgefallen wäre. Wir sollten nicht um Hilfe rufen, aber wir spürten den Rassismus in Halle am eigenen Leib.

Peripherie: War dies auch der Fall am Arbeitsplatz?

David: Am Arbeitsplatz gab es Meister, die die Namen der Leute nicht kannten, meiner wusste nicht, dass ich David heiße, er rief mich nur „Hey N**** komm her, das mache!“ [spricht an dieser Stelle im Interview auf Deutsch] Und da mich der Meister in Anwesenheit aller „N****“ rief, nannten mich die Arbeitskolleg*innen dann auch „N****“ Diese Dinge machten mir das Leben in den zwölf Jahren sehr schwer, aber ich wollte ausgebildet werden und natürlich freute ich mich über die Ausbildung und die Meisterprüfung. Ich bin Schweißer und ein guter Schlosser. Deshalb war ich am Ende der zwölf Jahre so erstaunt, dass dieses Deutschland nicht auf meine Ausbildung schaute, sondern nur auf meine Nationalität und mich ins Flugzeug setzte. Und darüber stelle ich mir bis heute Fragen. Warum wurden von einem Tag auf den anderen 17.000 Menschen ins Flugzeug nach Mosambik gesetzt? Was war da geschehen, was für eine Politik ist das? Für was haben wir diese Ausbildung erhalten? Warum hat der deutsche Staat alle auf einmal heimgeschickt mit der Begründung, nachdem viele Betriebe geschlossen wurden, seien wir arbeitslos? Diese Politik war nicht gut, und ich weiß nicht, inwieweit das mit der Vereinigung Deutschlands und dem Fall der Berliner Mauer zu tun hat, dass es wohl keine Zeit gab, die Sache mit den Ausländer*innen zu analysieren, vor allem mit uns aus der Dritten Welt. Die mosambikanische Sichtweise wurde bei den Verhandlungen vernachlässigt.

Ich verstehe immer noch nicht recht, warum der Chef mir als Schweißermeister plötzlich sagte, ich solle die Koffer packen und nach Hause gehen. Bis heute bereitet es mir schlaflose Nächte. Und ich will es nicht verstehen, wie es möglich ist, dass ein Betrieb das Recht hat zu sagen, er benötige mich nicht mehr, wo ich doch meinen Beruf hatte und einen Vertrag bis 1999. Ich hatte eben erst den neuen Vertrag für zehn Jahre unterschrieben. Aber ich hatte viele Probleme im Haus, viele Streitereien, zunächst im Mai 1990 und erneut im September 1991 und ich glaube, der Betrieb hatte Angst, dass es zum dritten Mal zum Streit kommt. Aber ich würde gerne verstehen, was letztendlich genau mit mir passiert ist. Warum hat der Betrieb mir nicht gesagt: „Wir brauchen dich nicht mehr, suche dir eine andere Stelle?“ Sie sagten einfach: „Geht nach Hause!“ Meine Frage war, ob das bedeutete, ich solle nach Mosambik zurückgehen oder hieß es, irgendwo in Deutschland eine andere Stelle zu suchen?

Peripherie: Hatten Sie Kontakt zu Arbeiter*innen aus anderen sozialistischen Ländern, wie Vietnam oder Kuba? Haben Sie Kenntnis, ob es diesen ähnlich ging, wie Sie es eben geschildert haben, oder gibt es Informationen, dass diese anders behandelt wurden? Gab es Freundschaften mit Kolleg*innen aus anderen Ländern?

Albino: Ja, ich hatte zum Beispiel Freund*innen und Verwandte in Kuba. Einige Mosambikaner*innen gingen von hier nach Kuba, mit ihnen hatten wir Kontakt. Auch heute in Mosambik sprechen wir viel darüber, so wie wir Freund*innen in Namibia hatten. Es gab auch Namibier*innen, sie hatten auch eine Schule und sie haben in Namibia eine Vereinigung gegründet. Ich habe Namibia besucht und sie getroffen.

Peripherie: Haben Sie diese Kontakte damals gemacht, als Sie in der DDR gearbeitet haben, oder später? Gab es auch Kontakte während der Vertragszeit mit der DDR, oder haben Sie diese danach aufgebaut?

Albino: Mit Kubaner*innen gab es schon Kontakte, als wir in Deutschland waren. Mit Namibia[5] begann dies von hier aus, wir bauten diese Kontakte auf. Es gab auch einige Simbabwer*innen und Tansanier*innen, die auch dort waren und die gleichen Kämpfe auszustehen hatten. Wir haben Bündnisse aufgebaut mit denen, die auch in Deutschland waren und die gleichen Gefühle mit uns teilen.

Peripherie: Kam es vor, dass im gleichen Betrieb Kolleg*innen aus verschiedenen Ländern arbeiteten, also aus Vietnam, Kuba etc.? Wie waren die Beziehungen zu diesen Kolleg*innen?

David: In meinem Fall, z.B. im BKK in Cottbus, hatten wir Kolleg*innen aus Vietnam, aus Polen, Ungar*innen und bisweilen kamen Arbeiter*innen aus der Sowjetunion. Diese blieben meist nur ein paar Monate. Hingegen waren die Pol*innen und Ungar*innen Arbeitskolleg*innen, mit denen sich auch Freundschaften entwickelten und mit denen wir auch in den gleichen Häusern wohnten. Es waren Brüder/Schwestern und Arbeitskolleg*innen, auch in der Freizeit. Mit Pol*innen, Vietnames*innen und Kubaner*innen hatten wir nie Probleme, aber sie waren nicht viele. Die Angolaner*innen haben wir nicht als Arbeitskolleg*innen betrachtet. Sie waren lediglich Nachbar*innen, denn sie lernten ganz nah bei unseren Wohnungen. Sie waren nur kurze Zeit da, aber wir konnten gute Freundschaften schließen. Unter den Ausländer*innen gab es enge Freundschaften. So waren wir mit polnischen Kolleg*innen, ebenso wie mit Kolleg*innen aus Vietnam, Kuba und Angola befreundet. Wir fühlten uns wie eine Familie. Ja, warum halten diese Freundschaften bis heute? Jedoch müsste man auch heute, 31 Jahre später, in diese Freundschaften investieren. Aber seit ich 1990 zurückkam, habe ich keine Arbeit. Deshalb kann ich nicht in diese Freundschaften investieren, und mit meinen Freund*innen korrespondieren. Ich verlor den Kontakt zum polnischen Freund, weil ich seine Adresse nicht habe, so wie mit dem Freund aus Angola, mit der Zeit verloren wir alle Kontakte. Im Moment ist es still, aber deshalb sind die Freundschaften nicht beendet, wir haben einfach nicht die Mittel, um die Korrespondenz aufrechtzuerhalten.

Peripherie: Eine andere Frage: Haben die Chefs der Betriebe die Pol*innen und Ungar*innen, d.h. die Arbeiter*innen aus Europa, anders behandelt als Sie als Mosambikaner*innen? Gab es Unterschiede in der Behandlung der Arbeiter*innen aus verschiedenen Ländern?

Albino: Da, wo ich zuerst wohnte, gab es auch Konflikte mit Kubaner*innen und auch einige mit Namibier*innen, aber die Hauptprobleme gab es mit uns, denn als Schwarze waren wir von weitem sichtbar. Ich hatte das Gefühl, dass es in der DDR eine allgemeine Fremdenfeindlichkeit gegen Ausländer*innen gab, aber manche konnten dem durch die Hautfarbe leichter ausweichen. Wir hatten in der Hautfarbe ein klares Zeichen als Fremde oder als Mosambikaner*innen, und da begannen sie uns anzugreifen. Wenn es uns gelang, die Haut zu bedecken, gab es keine Probleme. Der Fremdenhass war nicht speziell gegen Mosambikaner*innen gerichtet. Aber die Mosambikaner*innen, Simbabwer*innen und Angolaner*innen hatten das Problem der Hautfarbe und waren von Weitem als Ausländer*innen und N**** erkennbar, und damit war das Signal für die Attacke gegeben.

Peripherie: Danke, jetzt haben wir einen guten Überblick über die Situation und die Erfahrungen in der DDR erhalten. Unsere anschließende Frage richtet sich auf die aktuelle Situation. Welches sind Ihre aktuellen und zentralen Forderungen an Deutschland und an Mosambik? Sind es Forderungen an die Regierungen?

Albino: Ja, in der Tat, unsere Forderungen richten sich an die beiden Regierungen, die ja die Verträge unterschrieben haben. Die konkreten Forderungen der Arbeiter*innen kann mein Kollege genauer erläutern. Es geht um eine Reihe von Punkten, wie zum Beispiel die Überweisung von 60 Prozent des Lohns nach Mosambik. Als wir in Mosambik ankamen, erhielten wir nichts, kein Geld, auch keine Sozialversicherung oder Entschädigung. Und wir denken die mosambikanischen Arbeiter*innen verdienen es, dass diese Bedingungen erfüllt werden. Die Arbeiter*innen kamen hierher und fanden keine Arbeit. Sie werden älter, haben keine Gesundheitsvorsorge und erleiden einen sozialen Abstieg, weil niemand für sie sorgt. Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt, für den wir schon seit 30 Jahren kämpfen. Wobei einige Kolleg*innen schon starben, oder von der Polizei getötet wurden, weil sie für ihre Rechte kämpften. Im Vertrag zwischen den Staaten gab es wohl einige Klauseln, die wir nicht kannten, so wie wir den Vertrag, den wir zu erfüllen hatten, nicht kannten. Die Abmachung über die 60 Prozent wurde nicht mit denen vereinbart, die dafür schwitzten. Es gibt rechtliche Normen für Arbeitsverträge, die hier nicht erfüllt wurden. Da Mosambik die Forderungen der Arbeiter*innen nicht respektiert, müssen wir sagen, dass es sich um einen autoritären Staat handelt, in dem die Institutionen nicht korrekt funktionieren. Das Gesetz gilt im Grunde für alle, aber hier bestimmen die Stärkeren, die mit sozialistischen Prinzipen das Land befreit haben und eben diese haben die Verträge mit der DDR unterzeichnet. Während der ganzen Zeit wurden aber die Rechte der Arbeiter*innen nie respektiert.

Peripherie: Was sind aktuell die konkreten Forderungen im Detail, die sich aus diesen eben dargestellten Sachverhalten ergeben?

Albino: Wichtig wäre, auch in Mosambik die Regierung wie in Deutschland zu wechseln. Aber da hier diese Arroganz des Autoritarismus herrscht, haben wir den Kontakt nach Deutschland aufgebaut, zu Freund*innen, die für unsere Anliegen empfänglicher sind. Wir richten uns aber weiterhin an beide Regierungen, die diese Verträge unterzeichnet haben, mit dem Ziel zu Dritt eine ausgewogene und angemessene Lösung zu finden, wir, die Arbeiter*innen und Schüler*innen und die beiden Regierungen. Von Seiten der Arbeiter*innen geht es um viel Geld, das ihnen geschuldet wird, aber die Schüler*innen haben auch ihre Forderungen. Um die genaue Summe zu kennen, müssen wir uns zusammensetzen und ausrechnen wieviel jedem rechtlich zusteht. In diesen Verträgen, die ohne die direkt Betroffenen ausgehandelt wurden, gibt es einiges, das wir nicht kennen. Wir Arbeiter*innen haben dort die Schulden für Mosambik bezahlt. Aber wir wissen nicht, ob diese Summen zum Wohle der Bevölkerung korrekt verwendet wurden oder in der Korruption landeten. Wir ziehen es vor, uns an Deutschland zu richten, weil die deutschen Institutionen funktionieren, die Menschenrechte respektiert werden und es Gerechtigkeit gibt, sowie freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit. Also glauben wir, dass es Institutionen gibt, die sich für Gerechtigkeit einsetzen, deshalb vertrauen wir auf Deutschland. Wenn die Angelegenheit in Deutschland ernst genommen wird, vertrauen wir auch darauf, dass die mosambikanische Regierung, ob sie will oder nicht, aufgerufen wird, an den Verhandlungstisch zu kommen. Das war die Grundidee, warum wir uns an Deutschland gewandt haben, um von dort aus den Verhandlungsprozess zu initiieren. Es ist einfach ungerecht, dass Mosambikaner*innen zur Ausbildung nach Deutschland geschickt werden, aber die Zertifikate hier nicht anerkannt werden. Viele von uns wurden nach der Rückkehr zum Militär geschickt und viele verloren dort ihr Leben. Ich versuche gerade, eine Entschädigung vom Staat zu erhalten für die Brüche, die ich mir im Krieg zugezogen habe. Ich kenne viele, die ihre Ausbildung nicht fortsetzen konnten und heute zu den Ärmsten zählen. Und viele starben an Krankheiten, die man hätte heilen können, wenn sie die Mittel gehabt hätten.

Die Regierung beruft sich auf den Fall der Mauer in Berlin und die Ungültigkeit der DDR-Dokumente. Das war eine internationale Kampagne. Dies betraf auch die Absolvent*innen der Schule der Freundschaft. Ich habe einige Anstrengungen unternommen, um meine Ausbildung fortzusetzen, die Sekundarschule zu besuchen und mein Fernstudium der Soziologie in den USA zu absolvieren. Es war ein enormer Aufwand, Soziologie zu studieren, aber 99 Prozent meiner Kolleg*innen ist das nicht gelungen. Wir wollen uns nicht wegnehmen lassen, was wir in Deutschland erworben haben. Dafür muss die Politik die Verantwortung übernehmen. Punkt für Punkt wollen wir diese Fragen klären, das ist unsere grundlegende Forderung. Wir haben viele Einzelfragen aufgelistet, die wir im Detail im Dialog klären wollen. Den etwa 18.000 Mosambikaner*innen wollen wir dann den Kompromiss erläutern, den wir erreicht haben werden. Erst dann können wir mit dem Gefühl zurückfahren, dass Gerechtigkeit erfolgte. Das ist unser größtes Anliegen.

Peripherie: Wir verstehen Ihr zentrales Anliegen und die enorme Bedeutung des Treffens der drei Parteien, um dieses Problem zu lösen. Wir sehen unsere Rolle als Zeitschrift in diesem Zusammenhang darin, Ihre Forderungen zu publizieren und dadurch ihren Kampf zu unterstützen. Als wissenschaftliche Zeitschrift haben wir natürlich keinen direkten politischen Einfluss, aber wir hoffen, mit der Veröffentlichung dieses Interviews einen Beitrag zu leisten. Gibt es noch einen wichtigen Aspekt, den wir im Laufe unseres Gesprächs vergessen haben?

Albino: Wir bedanken uns für Ihr Interesse als Journalist*innen. Dies ist genau unsere Strategie, Allianzen zu bilden, dass unser Anliegen Beachtung findet. Mit ihrer Publikation erreichen wir mehr Ohren für unsere Sache in Deutschland. Wir wünschen uns gute Beziehungen zu Deutschland und ich muss sagen, Deutschland ist meine zweite Heimat. Ich habe dort Freund*innen und Familie. Auch Deutschland kann viel von guten Beziehungen profitieren und von der Geschichte der DDR. In diesem Sinne danken wir für die gute Zusammenarbeit in diesem Interview.

Peripherie: Auch wir danken für Ihre Bereitschaft zu diesem ausführlichen Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg für ihren Kampf.

Transkript: Camila Peters Ferrão

Autorisierte Übersetzung aus dem Portugiesischen: Theo Mutter

https://doi.org/10.3224/peripherie.v42i1.02

 

[1]       In Shangaan, der lokalen Sprache im Süden Mosambiks, bedeutet „Ma-Jermanes“ „die Deutschen“. Die Rückkehrer*innen wurden so genannt, und es hat sich die Schreibweise „Madgermanes“ eingebürgert.

[2]       S. hierzu die Webseite https://vertragsarbeit-mosambik-ddr.de/ sowie die Publikation des Tagungsbandes, herausgegeben von Neumann-Becker/Döring (2020).

[3]       Es handelt sich um eine Kommission, die zwei Gruppen zusammenbringt: Ex-Arbeiter*innen und Studierende der Schule der Freundschaft. Dieser „Fortsetzungsausschuss“ wurde im Anschluss an die Magdeburger Konferenz gebildet; der mosambikanische Teil nennt sich „Gemischte Kommission“ (https://vertragsarbeit-mosambik-ddr.de/impressum/). Die Kontinuitätskommission ist integraler Bestandteil der in Mosambik bestehenden Gemischten Kommission. Sie setzt sich aus ehemaligen Mitarbeiter*innen und Studierenden mit Wohnsitz in Deutschland zusammen; sie ist so etwas wie die Botschaft der Gemischten Kommission für diesen Prozess in Deutschland.

[4]       Alle 13 Organisationen in Mosambik, der aus Deutschland zurückkehrenden Mosambikaner*innen (Student*innen und Arbeiter*innen) haben eine Mutterorganisation (Umbrella) namens AAMA (Association of Friendship and Cooperation Mozambique Germany). In Deutschland ist sie als Mosambikanischer Verein in Deutschland e.V. eingetragen.

[5]       Die Staßfurter Schule wurde nach der Abreise der mosambikanischen Kinder ab 1989 bis zu deren Rückführung nach Windhoek im Jahr 1990 für Kinder aus Namibia genutzt.