#rouhaninotwelcome

Editorial zum Themenschwerpunkt der iz3w 357 (November/Dezember 2016)

Der Besuch eines iranischen Staatsoberhauptes in Berlin ist immer ein Politikum. Als am 2. Juni 1967 Schah Pahlevi seine »Jubelperser« DemonstrantInnen niederknüppeln ließ, war dies ein wichtiges Moment bei der Formierung der Außerparlamentarischen Opposition in der BRD. Eine neue APO ist zwar kaum zu erwarten, wenn der Präsident der Islamischen Republik, Hassan Rouhani, demnächst in Berlin für gute Beziehungen zwischen Deutschland und Iran wirbt. Aber Proteste gegen den noch nicht genau terminierten Besuch sind bereits angekündigt: Iran-kritische Initiativen wie Stop the Bomb rufen für den Tag X zu einer Kundgebung auf. »Kein Roter Teppich für Rouhani« fordern sie, denn er sei »das grinsende Gesicht des Terrors«.

Rouhani gilt einigen westlichen, insbesondere den an guten Geschäften mit dem Iran interessierten Regierungen als »moderat«. Zu Unrecht: 2015 wurden laut UNO fast tausend Menschen im Iran hingerichtet, so viele wie noch nie seit 1989. Die meisten wurden wegen Drogendelikten erhängt, doch die Todesstrafe wird auch wegen Ehebruchs, homosexuellen Handlungen oder Korruption vollstreckt. Das Regime schreckte letztes Jahr nicht einmal davor zurück, 16 Jugendliche zu erhängen. Weder die verheerende Menschenrechtslage, die jüngst erst vom religiösen Führer Ali Khamenei wiederholte Holocaustleugnung noch die waffenbewehrte Nichtanerkennung der Existenz Israels hindern europäische PolitikerInnen daran, gute Beziehungen zum Regime zu suchen.

Das stößt jedoch auf Widerstände. Als Rouhani im März 2016 nach Wien eingeladen war, wurde seine Reise von iranischer Seite abgesagt. Rouhani werde erst dann kommen, wenn es »bessere Rahmenbedingungen für den Ablauf« gebe. Mehrere Gruppierungen hatten Protestaktionen gegen den Rouhani-Besuch angekündigt, darunter KurdInnen, die Israelitische Kultusgemeinde und Stop the Bomb. Das Ansinnen des iranischen Regimes, die Proteste zu verbieten, hatte die österreichische Regierung mit Verweis auf die Demonstrationsfreiheit zurückgewiesen. Immerhin. Aber an der »umfassenden Zusammenarbeit auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem und wissenschaftlichen Gebiet« hält sie fest.

Eine weitere Geschichte aus Österreich illustriert die verbreitete Haltung wirtschaftlicher und politischer AkteurInnen gegenüber dem Mullah-Regime besonders gut: Als der Chef des Baukran-Konzerns Palfinger, Herbert Ortner, im Sommer 2016 die Halbjahresbilanz vorstellte, ließ er einfließen, dass es im Iran »großen Bedarf an Kränen« gebe. Wenn die Handelssanktionen lockerer wären, hätte der Iran als Markt ein »großes Potential«. Was Ortner nicht erwähnte: Im Iran werden zum Tode Verurteilte zumeist an Baukränen erhängt. Vor wenigen Jahren kursierte ein Foto von einem Palfinger-Kran, an dem Hingerichtete baumeln.

Erst nachdem Stop the Bomb Ortner damit konfrontierte, ruderte dieser zurück. Palfinger mache keine Geschäfte mehr mit dem Iran. Der Baukran auf dem Foto sei 25 Jahre alt und mit einer Lizenz im Iran gebaut worden, die man längst zurückgezogen habe. Dass der Iran im Ausland gebrauchte Palfinger-Kräne kauft, dagegen könne man nichts machen. Und für neue Geschäfte müsse man erst mal abwarten, wie es mit den Handelssanktionen weiter gehe.

So also lässt sich die Haltung europäischer Firmenchefs zusammenfassen: Null Unrechtsbewusstsein gegenüber früheren Geschäften mit dem damals schon mörderischen Regime; Trauer über die Einschränkungen durch Sanktionen; Augen zu, wenn Sanktionen von Dritten unterlaufen werden; und eine klare Botschaft an die Politik: Weg mit allen Handelsbeschränkungen, wir wollen endlich wieder mehr Geld verdienen im Iran!

Aufschlussreich für das immer wärmere Verhältnis Europas zum Iran waren auch Details des Italien-Besuches von Rouhani im Januar 2016. Als Ministerpräsident Matteo Renzi und Rouhani in den Kapitolinischen Museen eine Pressekonferenz abhielten, wurden antike Marmorstatuen unbekleideter Frauen verhüllt. Nicht geklärt ist, ob dies auf Betreiben der iranischen Delegation geschah oder ob das italienische Protokoll vorauseilenden Gehorsam übte. Gerechnet hat sich die Rücksichtnahme auf die Empfindsamkeit Rouhanis: Am Rande des Staatsbesuches wurden Wirtschaftsverträge in Höhe von 17 Milliarden Euro unterzeichnet.

Auch Papst Franziskus leistete sich einen moralischen Offenbarungseid, als er Rouhani in Rom empfing. Warum, geht aus der Pressemitteilung des Vatikans hervor: »Während der herzlichen Gespräche wurden die gemeinsamen geistlichen Werte hervorgehoben und dann nahm man Bezug auf die guten Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Islamischen Republik Iran.« Der Papst und Rouhani diskutierten auch über die »wichtige Rolle«, die der Iran bei der Lösung von »Problematiken« im Mittleren Osten wie »Terrorismus und Waffenhandel« übernehmen solle.

Zu gerne würde man erfahren, worin genau die gemeinsamen geistlichen Werte bestehen und wie die Rolle aussieht, die die Islamische Republik im Mittleren Osten spielen soll. Als ob nicht ein ganz erheblicher Teil der dortigen Probleme überhaupt erst durch Irans Politik entsteht: Unterstützung dschihadistischer Milizen, Stellvertreterkriege, Schüren von Hass auf Israel, Drangsalieren von KurdInnen und anderen Minderheiten sowie die Missachtung von Menschenrechten.

Solange das iranische Regime seine Vorstellungen von der »Islamischen Revolution« weiter mit aller Gewalt durchzusetzen versucht, sind außerparlamentarische – und auch parlamentarische – Proteste dagegen ein Muss, findet

 

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