Subventionswettlauf im Technologiekrieg

Die hohen Subventionen und staatlichen Aktivitäten, mit denen der Westen den technologischen Wettlauf mit dem – je nach Standpunkt – „staatskapitalistischen“ oder „kommunistischen“ China gewinnen will, und mit denen Klimakrise und Inflation bekämpft werden sollen, sind für manche Kommentatoren ein Zeichen des Abwendens vom Neoliberalismus. Aber auch die neoklassischen oder neoliberalen Wirtschaftstheorien, die Privateigentum, Marktmechanismus und Konkurrenz prinzipiell verteidigen, erachten staatliche Produktion und Subventionen in bestimmten Fällen als durchaus für notwendig.

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„Zwischen Welten“ von Juli Zeh und Simon Urban

Um es gleich vorweg zu sagen, ich habe die 444 Seiten des aktuellen Buchs von Juli Zeh und ihres Co-Autors an einem Wochenende mehr oder weniger in einem Zug gelesen. Der Text war für mich fesselnd, und dies nicht wegen irgendwelcher stilistischen oder sprachlichen Raffinessen traditioneller Erzählliteratur, sondern weil in ihm die kulturellen und sozialen Konflikte unserer Gesellschaft auf hohem Niveau zu einer modernen künstlerischen Verdichtung finden. Letzteres wird von der Form her über die Strukturen eines klassischen Briefromans erreicht.

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Keine Opposition von der Opposition – Russlands Kommunisten bleiben Zuhaus

Freudig schritten Russlands Kommunisten heuer in den März: „Für uns sind unsere Frauen der Inbegriff von Schönheit, ein Beispiel für unermüdliche Arbeit und liebevolle Herzen. Wir erinnern uns immer an ihre besondere Aufgabe auf Erden – Leben zu schenken, häuslichen Komfort zu schaffen, Kinder zu erziehen, zu schaffen und zu verzaubern.“ So gab zum Internationalen Frauentag Gennadi Sjuganow, 78 Jahre alt und Vorsitzender der KPRF seit 30 Jahren, den Ton an. Der geriet allzu altväterlich.

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Die Aktualität der Frontier als Analysekonzept

Eine Einordnung der aktuellen Landkonflikte in Amazonien
Nach dem beeindruckenden Rückgang der Abholzung in der brasilianischen Amazonasregion zwischen 2004 und 2014 um 82 %, nimmt sie seit 2016 wieder kontinuierlich zu. Insbesondere die Regierung des rechtsradikalen Präsidenten Jair M. Bolsonaro ab dem Jahr 2018 hat diese zerstörerischen sozial-ökologischen Dynamiken beschleunigt (Canuto u.a. 2020: 102). Bereits im Wahlkampf hatte Bolsonaro angekündigt, die Amazonasregion ökonomisch über die Agrarindustrie und den Bergbau zu erschließen. Zudem versprach er, dass während seiner Amtszeit kein Indigenes Land mehr demarkiert werden würde (vgl. Gortázar 2021); ein Wahlversprechen, das er bis Oktober 2022 gehalten hat. Knapp 500 Jahre nach der Kolonisierung Amazoniens durch Portugal und 50 Jahre nach dem Versuch der Militärs Amazonien über großformatige Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte ökonomisch und politisch einzuverleiben, stellt sich die Frage, wie diese Entwicklungen einzuordnen sind: Wie können diese Dynamiken erklärt werden? Was ist neu an den aktuellen Zerstörungsdynamiken und inwiefern zeigen sich historische Kontinuitäten? Welche Ansatzpunkte der Veränderung gibt es – v.a. vor dem Hintergrund des knappen Wahlsieges von Luiz Inácio „Lula“ da Silva im Oktober 2022?
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Einschüch­terungs­versuch gegen Freies Radio im Breisgau

Hefteditorial iz3w 395 (März/April 2023)

Am Morgen des 17. Januars staunten wir nicht schlecht, als bei unseren Freiburger Kolleg*innen von Radio Dreyeckland (RDL) plötzlich die Polizei vor der Tür stand. Durchsucht wurden die Privatwohnungen von zwei Redakteuren und die Redaktionsräume des Senders selbst. Noch mehr staunten wir, als klar wurde, weshalb durchsucht wurde: Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, also deren Staatsschutzabteilung, wirft RDL vor, Werbung für eine verbotene Vereinigung gemacht zu haben.

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Gräueltaten in der Ukraine

Ist es Völkermord?

Viele Politiker*innen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Wissenschaftler*innen beschuldigen Russland, in der Ukraine einen Völkermord zu begehen. Der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin bestätigte auch, dass er ein Verfahren gegen Russland wegen Völkermordes vorbereitet. Dies ist jedoch eine umstrittene Behauptung – und viele Genozidforscher*innen (den Autor eingeschlossen) und spezialisierte NGOs, die sich mit Völkermord befassen, haben sich mit dieser Formulierung zurückgehalten. Was spricht für welche Sichtweise? Ein Debattenbeitrag.

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Konkurrierende Bedrohungsdebatten in Krisenzeiten

Eine sozialpsychologische Perspektive

Hinter uns liegt ein Jahr, in dem der Krisenmodus zum Dauerzustand erklärt wurde. Krieg in der Ukraine, Energieknappheit, Digitalisierung, Pandemiefolgen und nicht zuletzt der galoppierende Klimawandel. Krisen und Transformationsprozesse gehen mit mehr oder weniger konkreten Bedrohungslagen einher. Diese werden in Nachrichtensendungen, Talkshows und sozialen Medien debattiert – singulär, wechselseitig überlagernd und vergleichend. Aber was genau macht das mit uns als Gesellschaft, wenn multiple Bedrohungen und deren Bedeutung dauerhaft zum Gegenstand öffentlicher Debatten werden?

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Wie wollen wir wohnen?

Themeneditorial iz3w 395 (März/April 2023) zu "Wohnen weltweit"
Weltweit führen Menschen Kämpfe um das Menschenrecht auf Wohnen. Im Themenschwerpunkt gehen wir Fragen nach, die sich dabei stellen: In welche ‚Eigentumsform‘ kann Wohnraum transformiert werden? Welche Architektur prägt und ermöglicht welches soziale Miteinander? Wie lassen sich Aspekte der Care-Arbeit, etwa die Realität von Müttern und Sorgenden, mitdenken? Wie ist das Wohnen der Zukunft vereinbar mit Klimawandel, Naturkatastrophen, Sturm, Überschwemmung oder Hitze? Wie geht man damit in den existentiell betroffenen Ländern vor allem des Globalen Südens um?
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Im Osten nichts Neues?

Editorial: Graswurzelrevolution Nr. 477, März 2023

Liebe Leser*innen,

vor über einem Jahr begann das russische Militär auf Befehl von Putin einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Seitdem sind nach seriösen Schätzungen bereits mehr als 250.000 Menschen getötet worden (1). Ein Ende des Massenmordes ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, ein jahrelanger Stellungskrieg wird immer wahrscheinlicher, mit unzähligen Opfern auf beiden Seiten. Die Gefahr, dass es in einem der zum Teil jetzt schon durch die Kämpfe beschädigten Atomkraftwerke in der Ukraine zu einem Super-GAU kommt, wächst mit jedem Kriegstag.

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Gefährlicher Überbietungswettbewerb

Die neue Dimension der Waffenlieferungen an die Ukraine

Der seit einem Jahr tobende imperialistische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat nach Angaben von US-General Mark Milley bereits Anfang November 2022 etwa 40.000 ukrainischen Zivilist*innen, 100.000 russischen und ebenso vielen ukrainischen Soldat*innen das Leben gekostet. (1) Ein jahrelanger Stellungskrieg mit unzähligen Opfern, wie während des Ersten Weltkriegs, ist wahrscheinlich. Auch die Gefahr eines Super-GAUs in ukrainischen AKWs infolge der Kriegshandlungen ist nicht gebannt.

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