Pieter Siemsen gestorben: Aus argentinischem Exil in das bessere Deutschland der DDR, die ihn schließlich enttäuschte – Autobiographie erschien 2000
Am 1. Mai 2004 ist Pieter Siemsen in Berlin verstorben. Am 17. Juni wäre er 90 Jahre geworden - an diesem Tag wurde in Berlin die Urne des am 1. Mai Verstorbenen beigesetzt.
Er gehörte zur berühmten Siemsen-Familie: August, sein Vater, und Anna, dessen Schwester, waren beide SPD-Reichstagsabgeordnete und am Ende der Weimarer Republik - zusammen mit Willy Brandt - Mitglieder der SPD-Abspaltung Sozialistische Arbeiter-Partei Deutschlands. Anna Siemsen, die Reformpädagogin, lehrte als Professorin an der Jenaer Universität bis zum Berufsverbot durch Thüringens Naziminister 1932; für Tucholsky war sie „eine der drei klügsten Frauen Europas". Sein Onkel Hans war Mitarbeiter an Ossietzkys „Weltbühne".
Die Stationen seines Lebens in der Weimarer Republik, in Nazi-Deutschland, die Emigration nach Argentinien und die hoffnungsvolle Rückkehr nach Deutschland, ins antifaschistische und mithin „bessere“ der DDR, hat er in seiner Autobiographie nachgezeichnet. In der DDR wirkte er als Journalist und Übersetzer, so daß es mit Handelsdelegationen oder der Olympiamannschaft 1968 wieder Lateinamerika besuchte. Als demokratischer Sozialist wurde er durch das undemokratische Strukturen und Praktiken des DDR-Sozialismus desillusioniert; einer Amerikanerin, die ihm versicherte, „in Texas gibt es mehr Sozialisten als in der ganzen DDR“, mochte er nicht widersprechen: So „elend vertan“ erschien ihm am Lebensende dieser Versuch einer deutschen, demokratischen Republik, daß für ihn die Jahre der Flucht vor den Nazis, „die fünfzehn Jahre in Argentinien die beste Zeit in meinem Leben waren“. Mit Siemsen starb der letzte Mitarbeiter von „Das Andere Deutschland“, einem sozialistischen Exilbündnis in Lateinamerika.
Pieter Siemsen: „Der Lebensanfänger. Erinnerungen eines anderen Deutschen“. Berlin 2000, Trafo-Verlag, 248 Seiten/17,80 Euro, ISBN 3-89626-286-8. Verfaßt für ND/TLZ