Finger weg von meiner DNA!

Veranstaltungsbericht

Im November hat in Berlin die Veranstaltung „Finger weg von meiner DNA!“stattgefunden. Herzlich dazu eingeladen hatte das Gen-ethische Netzwerk.
GID 191, Dezember 2008, S. 48-49


Am Dienstag, den 18. November, fanden sich über 50 Interessierte zur Informations- und Diskussionsveranstaltung „Finger weg von meiner DNA!“ im Kreuzberg Museum in Berlin ein.
Marei Pelzer (Pro Asyl), Llanquiray Painemal (Migrantinnenorganisation respect), Susanne Schultz (Gen-ethisches Netzwerk) und Bernard Schmid (Journalist und Jurist der antirassistischen Organisation MRAP aus Paris) diskutierten anlässlich des geplanten Gendiagnostik-Gesetzes, das derzeit im Bundestag beraten wird. Sie konzentrierten sich dabei auf die Diskussion um Gentests als Mittel der Migrationskontrolle, wie sie in einem Unterabsatz des Paragraphen 17 des Gesetzes reguliert und damit auch gesetzlich festgeschrieben werden sollen.


Ein heikles Thema

Die Veranstaltung lieferte einen guten Einblick über diesen Aspekt des Gendiagnostik-Gesetzentwurfes, und es wurde deutlich, dass es hier um ein sehr heikles und dringendes Thema geht. Marei Pelzer beleuchtete zunächst, wie DNA-Tests derzeit bereits bei Visa-Anträgen zur Familienzusammenführung eingesetzt werden – weitgehend ohne Proteste von Seiten der deutschen Öffentlichkeit. Bernard Schmid zeigte demgegenüber, dass sich im letzten Jahr in Frankreich verschiedene gesellschaftliche Kräfte massiv dagegen verwehrten, als entsprechende DNA-Tests Eingang in die neue Ausländergesetzgebung unter Präsident Sarkozys finden sollten.
Um was geht es eigentlich? Kurz gesagt: Es geht um stärkere Kontrollen für Migrantinnen und Migranten. Wenn sie Familienangehörige, meistens ihre Kinder, nachziehen lassen wollen, müssen sie unter Umständen durch einen DNA-Test beweisen, dass diese wirklich ihre Kinder sind. Denn deutsche Botschaften und Ausländerbehörden erkennen standesamtliche Dokumente wie Geburtsurkunden, Familienfotos und ähnliches oftmals als Beweise nicht an, sondern fordern einen DNA-Test. Die anfallenden Kosten für den DNA-Test zwischen 300 und 600 Euro müssen vom Antragsteller selbst getragen werden.

 

Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Marei Pelzer kritisierte, dass der Gesetzentwurf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletze. Es bestehe für die Betroffenen in vielen Fällen keine andere Möglichkeit außer dem DNA-Test, um Verwandte nachzuholen. Somit sei es ein „erzwungen freiwilliger“ Test. Sie wies zudem auf Schutzregelungen im Gendiagnostik-Gesetz hin, die im Falle der Gentests bei Visa- und Passanträgen außer Kraft gesetzt werden. So sieht das Gesetz nicht vor, dass die Test-Ergebnisse auf Wunsch der Getesteten vernichtet werden müssen. Vielmehr wird gar vorgesehen, dass das Testergebnis, sollte es ein Verwandtschaftsverhältnis nicht bestätigen, an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden kann. Unterstellt wird damit, dass es die Absicht gab, einen Aufenthaltsstatus zu „erschleichen“. Höchstsensible Daten werden also nicht vor dem behördlichen Zugriff geschützt.
Als weiteres Problem sprach Pelzer an, dass im Gesetzentwurf keine Aufklärung über gesundheitliche Risiken eines solchen DNA-Tests vorgesehen sind. Es handele sich ja „nur“ um eine Speichelprobe. Pelzer gab zu bedenken, dass zur Gesundheit auch die psychische Gesundheit zähle und dass etwa die Feststellung, nicht Vater eines Kindes zu sein, durchaus traumatisch sein könne. Die Vertreterin der Berliner Migrantinnenorganisation, Llanquiray Painemal, brachte den Unmut der in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten auf den Punkt, indem sie verlauten ließ, dass „irgendwann Schluss sein müsse mit den Tests“. Der DNA-Test sei schließlich nicht der erste Test, mit dem sie sich auseinandersetzen müssten. In der letzten Zeit seien auch Sprachtest und Einbürgerungstest eingeführt worden. Es gebe einen Trend zur absoluten Kontrolle. Zudem sei es ein Gesetz mit zweierlei Maß, wenn Migrantinnen und Migranten vor dem Gesetz nur als Familie gelten, wenn sie blutsverwandt seien. Das sei bei Deutschen schließlich auch nicht der Fall. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es einfach nur wieder darum gehe, Migrantinnen und Migranten prinzipiell als verdächtig zu erklären.


Protestaktion des Gen-ethischen Netzwerks

Susanne Schultz vom Gen-ethischen Netzwerk erläuterte anschließend die Protestaktion des Gen-ethischen Netzwerkes gegen diesen Absatz des Gendiagnostik-Gesetzes und wies auf weitere Informationsmaterialen zum Gendiagnostik-Gesetzentwurf hin.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion blieb für die Gäste Zeit, um Fragen an die Experten zu stellen. Alle auf dem Podium hatten einen interessanten Beitrag zum Thema geliefert. Das Publikum war gefesselt und verfolgte die Gespräche interessiert. Besonders spannend wurde es, als es darum ging, ob eine größere Kampagne in Deutschland Erfolg haben könnte. Die Podiumsteilnehmer waren sich zwar einig, dass Protestaktionen nötig seien. Und auch die Gäste zeigten daran reges Interesse. Eine Möglichkeit, mit einer großen Kampagne auf so viel Interesse wie in Frankreich zu stoßen, wurde aber nicht gesehen.
Die große Kampagne „Touche pas à mon ADN” in Frankreich mit über 300.000 Unterschriften in kurzer Zeit hat es im letzten Jahr, wie Bernard Schmid berichtete, immerhin erreicht, dass die Möglichkeiten für DNA-Tests im neuen Ausländergesetz stärker beschränkt wurden. Allerdings galten dort auch andere Ausgangsbedingungen als hierzulande. In Frankreich handelte es sich um eine grundsätzliche Änderung der Ausländergesetzgebung. In Deutschland wurden die DNA-Tests zur Migrationskontrolle in einem Unterparagraphen eines vor allem gesundheitspolitschen Gesetzes gut versteckt. Außerdem wird die Migrationsproblematik in Deutschland auch sonst meistens, so gut wie es nur geht, in der politischen Debatte an den Rand gedrängt.
Das GeN hofft aber nun, mit der Veranstaltung und der Kampagne „Finger weg von meiner DNA“ mehr Aufmerksamkeit auf den Gesetzentwurf gelenkt zu haben – denn bisher war dieser Aspekt des Gendiagnostik-Gesetzes weitgehend unbekannt. Im Januar, wenn es Anhörungen zum Gesetzentwurf im Bundestag geben wird, sind weitere öffentliche Aktionen geplant: Informationen dazu gibt es auf www.fingerwegvonmeinerDNA.de.



Wir danken den ReferentInnen, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Stiftung Umverteilen für ihre Unterstützung.