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Kultur und Kritik

Als Ingo Schneiders und Martin Sexls Sammelband Das Unbehagen an der Kultur erschien, ließen sich die Ausmaße deutscher Willkommenskultur allenfalls erahnen. Zu ihr zählt entgegen offiziöser Behauptungen nicht nur die müde Empfangsdame an Bahnhöfen, sondern auch der verbissen besorgte Bürger. Jener Menschenschlag also, der die Fliehenden lieber mit Pöbeleien und Brandsätzen statt mit Wasser und Winterjacken willkommen heißt. In der Mär von der deutschen Willkommenskultur schießt zusammen, was thesenhaft in dem Buch bereits umrissen ist: Kultur, verstanden als moralische Absolution, verhilft jedem noch so niederen Verbrechen zu höheren Weihen – und verstetigt hiernach die ihm innewohnende Gewalt. Der dialektische Doppelcharakter von Kultur, so die Herausgeber Schneider und Sexl, begünstige sowohl die Minderung als auch die Mehrung von Leid.

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