Konterspionage

Die DDR-Aufklärung in den Geheimzentren

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Konterspionage. Die DDR-Aufklärung in den Geheimzentren
by
Klaus Eichner
und
Gotthold Schramm
Publisher:
edition ost
Published 2010 in
Berlin
288
pages
ISBN-13:
978-3-360-01821-2
Price:
14.95 €
Jeder Staat verfügt über Institutionen zur Wahrung seiner Sicherheit und Souveränität. Besonders still und im Dunkel wirkt die Spionageabwehr. Man kennt sie, vereinfacht und trivialisiert, aus Filmen und Romanen. Ihre Ziele sind die nachrichtendienstliche Unterwanderung der Zentren der gegnerischen Geheimdienste, ihrer operativen Außenstellen und ihres Agentennetzes.

Die Spezialisten der DDR-Gegenspionage beherrschten das Spiel mit Agenten, Doppelagenten und auch mehrfach überworbenen Agenten meisterhaft und brachten so der westlichen Spionage und Spionageabwehr Niederlagen bei, erlitten aber auch selbst schmerzhafte Verluste. Von diesen Erfolgen und Misserfolgen berichtet informativ und ausführlich das vorliegende Buch.

Da geht es beispielsweise um Gabriele Gast, eine beim Auswärtigen Amt abgelehnte Bewerberin ("Abgelehnte Bewerber waren für den BND stets interessant"), oder um den stockkonservativen Publizisten Gerhard Baumann, der "unter falscher Flagge" geworben wurde, ein angeblicher "Patriot", der sich von einem erfundenen "Büro des französischen Präsidenten" anheuern ließ, was amüsant zu lesen ist, wenn die Autoren dazu den SPIEGEL zitieren: "Im Juni 1985 schlug die Stasi Baumann im Züricher Grand Hotel Dolder sogar zum 'Ritter der Ehrenlegion'..."!

Auch erfand Ost-Berlin zwecks Desinformation angeblich konservative Materialien, so eine BND-interne Postille "Neue Nachhut".

Interessant auch nachzulesen, was die "Gesprächsaufklärer" der CIA von ihrer Verbindung mit dem DDR-Oppositionellen Pfarrer Rainer Eppelmann hatten, der in Wendezeiten zum letzten Verteidigungsminister der DDR avancierte.

Von solcher "Ehemaligen"-Literatur darf man keine ausgewogenen historischen Darstellungen erwarten, allzu oft dominiert das Bedürfnis nach Selbstrechtfertigung, nach Legitimation früheren Tuns. So wird zwar minutiös geschildert, was amerikanischen und türkischen Quellen nach Entdeckung in ihren Heimatländern blühte, aber es wird keineswegs gefragt, was dem in denselben Fall verwickelten Professor Manfred Severin, einem Sprachwissenschaftler der Ost-Berliner Huumboldt-Universität, in der DDR widerfuhr.

Eichner und Schramm, langjährig in der Konterspionage tätig, berichten mit anderen Insidern dennoch viel Interessantes über diesen Teil der Geheimdiensttätigkeit der DDR. Zu diesen Insidern gehören auch nicht für das MfS tätig gewordene, der Stasi gegenüber kritisch eingestellte Personen, die aber die "Szene" kennenlernten. So steuerte etwa Rezensent ein Kapitel (Seite 241ff.) über die sogenannte "(Internationale) Gesellschaft für Menschenrechte" bei, die, als "GfM" gegründet von geheimdienst-verbandelten exilrussischen NTS-Aktivisten am Anfang der Ära neuer Ostpolitik, vom MfS als Feindorganisation beobachtet und bearbeitet wurde. Sie schreiben über die Arbeit der Abteilung IX der HVA, über die Sicherung der Auslandsvertretungen der DDR und die Abwehr von Abwerbungsversuchen der eigenen Leute. Entstanden ist damit ein Standardwerk zu einem im Rahmen der Beschäftigung mit der Arbeit des MfS nur wenig behandelten Thema, über brillante Erfolge und das sang- und klanglose Ende.