arranca!

Die arranca! ist 1993 mit dem Anspruch angetreten, "a) das Entstehen einer revolutionären Organisation mitzuermöglichen (...) und b) ein Forum für diese linke Neubestimmmung zu bieten" (siehe: Nullnummer). Das war 1993.

Seitdem haben sich die gesellschaftlichen - politischen, sozialen - und innerlinken Voraussetzungen, unter denen wir Politik machen, geändert - der Anspruch der Gruppe FelS, durch das Medium der arranca! zu einer Neukonstituierung der Linken beizutragen, bleibt nach wie vor richtig.

Fels ist zu Beginn der Neunziger aus der Kritik an zum einen der radikallinken Tradition der Einpunktbewegungen und dem damit zusammenhängenden Unwillen gegen kontinuierliche Theoriearbeit, zum anderen an dem Rückzug eines Teils der radikalen Linken in ein Feld quasi-subkultureller Selbstbestätigung entstanden. Die Kritik an "den Autonomen" steht heute eben so wenig im Mittelpunkt wie die Einforderung einer kontinuierlichen Theoriearbeit als solcher. Trotzdem halten wir zentrale Punkte des damals formulierten Anspruchs nach wie vor für relevant. So zuerst und vor allem die Frage nach einer Organisationsform linker Akteure, die das Verhältnis der praktischen Mittel und der zugrundegelegten Analyse und Theorie und deren Wechselwirkungen berücksichtigt - so dass sich beide nicht zu eigenständigen (im Sinne von isolierten) Bereichen ausdifferenzieren. Unser Ziel ist es, eine Form theoriegeleiteter politischer Arbeit zu entwickeln. Ein Ansatz für eine verschiedene Gruppen übergreifende Organisation ist zur Zeit nicht in Sicht. Wir bemühen uns allerdings, den Anspruch einer Neubestimmung als Linke innerhalb der Gruppe umzusetzen.

Die arranca! ist nach wie vor eins von mehreren Projekten der Gruppe FelS und soll als solches in erster Linie ein Medium zum Ausdruck dieser Zusammenarbeit sein. FelS ist also kein Zeitschriftenprojekt, das sich allein auf die redaktionelle Erstellung einer linken bzw. linksradikalen Zeitschrift beschränkt, sondern widmet sich in der Hauptsache der konkreten politischen Arbeit in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften - das sind: AG AntiFa/AntiRa, AG InterSol und AG Sozialer Widerstand. Die arranca! versteht sich als Ergebnis und Anlass der Auseinandersetzungen, die in der Gruppe gemeinsam geführt werden und als Reflexion der politischen Praxis. Insofern soll sie Debatten begleiten und strukturierend aufbereiten.

Die Tendenz der Arbeitsgemeinschaften von FelS (inkl. der arranca!!-AG), sich eher voneinander abzusondern und zu je eigenen Politikfeldern zu werden, verhinderte allerdings über längere Zeit hinweg den ernsthaft und systematisch betriebenen Austausch zwischen der arranca! und den anderen AGn (und auch zwischen diesen untereinander).

Um dem in Zukunft entgegenzuwirken haben wir für die arranca! ein Delegiertensystem eingerichtet, um die Einbeziehung der AGn in die inhaltliche Arbeit zu sichern. Konkreter heisst das, dass die Delegierten aus jeder AG am Redaktionstreffen teilnehmen, um in der Redaktion von der Arbeit der einzelnen Agn zu berichten und diese wiederum direkt am Entstehen der Zeitung zu beteiligen - zum einen durch die Anregungen zu Diskussionen, zum anderen in Form eines Artikels für jede Ausgabe. Dass so unsere Anbindung an die Gruppe betont wird, schließt sich an den oben formulierten Anspruch an. Unsere politischen Erfahrungen sollen - ausgehend von unseren konkreten und alltäglichen Lebensbedingungen (in Berlin/Deutschland) - wenn möglich als beispielhafte diskutiert werden (im positiven oder im negativen Sinn). Nur in der alltäglichen Auseinandersetzung erweist sich unserer Meinung nach die Brauchbarkeit einer Analyse oder Handlungsoption. Das ist gleichzeitig der Versuch, einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen thematischen Schwerpunkten der Agn herzustellen, also die Floskel vom gesamtgesellschaftlichen Anspruch der Gruppe in die Tat umzusetzen - und das nicht nur aber eben auch nicht zuletzt im Medium einer Zeitung - durch Verschränkung der Analysen und Potentialbündelung.

Die arranca! enthält ebenso Artikel zu Diskussionen um konkrete Möglichkeiten von sozialer, solidarischer Organisation wie Darstellungen von Formen emanzipatorischer Interessenartikulation. Die Zeitung soll möglichst Vielen einen Zugang bieten, ohne dabei beliebig zu werden. Sie richtet sich dabei sowohl an die in ihren Aktionsformen traditionelle nicht primär staats-, parteien-, gewerkschaftsgebundene oder allgemeiner institutionenorientierte Linke als auch an ihre "Verbündeten im Geiste", die sogenannten Kultur- oder Feuilletonlinken. Konkreter heisst das, dass wir über eine Wiederaneignung (z.B. durch Dokumentation) der Geschichte Linker in der BRD und über Vorstellung und Auswertung der Erfahrungen von Linken in anderen Ländern Anregungen für die politische Praxis gewinnen wollen und an euch, liebe LeserInnen, weitergeben. Jede Ausgabe der arranca! beschäftigt sich mit einem Thema, das den inhaltlichen Schwerpunkt etwa eines Drittels des Hefts ausmacht und den roten Faden bildet - hinzu kommen Reportagen, Interviews. Die redaktionelle Bearbeitung soll möglichst im Kontext der Gruppe diskutiert werden. Insofern versteht sich die arranca! nicht mehr als ein allgemeines Diskussionsforum, wie noch 1993 formuliert - auch wenn wir für Anregungen von aussen offen sind. Das Kriterium, nach dem wir die inhaltlichen Schwerpunkte setzen, ist, ob die Texte theoretische oder historische Lücken füllen oder Sichtweisen ermöglichen, die zur Anregung von Diskussionen und Auseinandersetzungen in unserem LeserInnenkreis/Umfeld beitragen könnten. Allgemeiner: ob sie Möglichkeiten von Veränderung einseitiger oder etablierter Macht- und Herrschaftsverhältnisse thematisieren, indem z.B. kulturelle und ökonomische Prozesse auf ihr emanzipatorisches Potential untersucht werden. Dabei beziehen wir auch Aspekte ein, die nicht unmittelbar politisch sind. Unserer Ansicht nach ist eine grundlegende Transformation der bestehenden Verhältnisses nur möglich durch eine grundsätzliche Veränderung auch der kulturellen Praxen, die in einer Gesellschaft dominieren. Die Kritik an der Abtrennung einer Sphäre politischer Äußerungen und Kritik vom soziokulturellen Geschehen, die am Anfang der arranca! (das war 1993) noch stärker ein Abgrenzungskriterium war (was sich auch im Layout niederschlug), ist heute allerdings sehr viel breiter akzeptiert: Die Forderung nach der "Kultur" als Feld linker Interventionen hat sich im Gegenteil eher verselbständigt (siehe auch der Diskurs zur Poplinken), so dass sich auf der einen Seite eine radikale Kulturkritik als einziges Moment und Medium der Thematisierung von progressiver Veränderung der Verhältnisse bzw. auf der anderen Seite der Rückzug auf reine Ideologie- und Wertkritik verstanden als konsequente Antipolitik entwickelt haben. In beiden Fällen lässt sich eine Loslösung von politischen und sozialen Prozessen beobachten, wenn auch auf verschiedenen Ebenen. In diesem Sinne halten wir die Frage, ob diese neue/alte Unterscheidung überhaupt möglich bzw. wie sinnvoll sie ist, für sehr aktuell - gerade in der Suche nach weiteren Handlungsmöglichkeiten.

arranca! (span.): losmachen oder starten, anfangen, d.h. eigentlich im Imperativ: "leg los".

arranca!-Redaktion, Juni 2001
arranca! c/o Schwarze Risse, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin.