A Portrait of the Artist as a Worker

in (23.01.2019)

Du bist eine Künstlerin und das bedeutet: Es geht dir nicht ums Geld. Das ist das, was manche Leute glauben. Eine gute Ausrede, dich nicht für all das zu bezahlen, was du tust. Was also passiert, ist, dass du als Künstlerin Geld in Projekte steckst, die andere in ihrem Museum zeigen, in ihrer Kunsthalle, in ihrem Ausstellungsraum, in ihrer Galerie. Du bist also eine Investorin. Du zahlst Darlehen, die dir niemand zurückzahlen wird. Du gehst finanzielle Risiken ein. Du spekulierst mit dir selbst wie mit einem künstlerischen Anlagewert. Du bist eine Händlerin. Du kannst nicht dein ganzes Geld in eine einzige Form der künstlerischen Aktie stecken. Also diversifizierst du deine Aktivitäten. Du betreibst Risikomanagement. Ich weiß. Du würdest es anders nennen. Du sagst, du leidest an einer leichten Schizophrenie. Du bestehst aus multiplen Persönlichkeiten. Du bist Fotografin, aber du bist auch ein DJ. Du hast eine Zeitschrift, du bist eine Herausgeberin, aber du organisierst auch Partys. Du machst Fotos von den Leuten auf der Party. Du schmeißt eine Party, wenn du eine Zeitschrift präsentierst, du machst eine Zeitschrift mit den Fotos von den Party-Leuten, du schmeißt eine Party und du bist der DJ. Du hast ein DJ Kollektiv und deswegen kannst du auf deiner eigenen Party umherschlendern, mit Leuten reden und fragen, ob sie in deiner Zeitschrift publizieren wollen, du machst CDs, du präsentierst sie im Rahmen einer Party, du machst CD-ROMs mit Fotografien von den Party-Leute, du legst CD-ROMs in deiner Zeitschrift bei, du willst, dass deine Leserinnen deine Musik hören, du willst dass deine Party-Leute deine Texte lesen, du lädst diejenigen zu deinen Partys ein, die in deiner Zeitschrift schreiben, du machst aus Fotografien Installationen. Du machst Interviews mit den Leuten, die du triffst, du machst Interviews mit den Leuten, die du gerne treffen möchtest, du erzählst den Leuten über deine Zeitschrift. Du verteilst Flyer, die deine Partys ankündigen, in der Bar, in der du Leute zum Interview triffst. Du kaufst Platten auf Flohmärkten, du verteilst Flyers, die die Partys ankündigen, in der Bar, wo du nach dem Flohmarkt einen Kaffee trinkst, du machst Videos, bei denen du aufnimmst wie du die Platten zerstörst, die du auf dem Flohmarkt gekauft hast, du befreist dein Land von seiner schlechten Musik, du zeigt das Video in einer Galerie und du bist DJ auf der Vernissage zu der du Leute einlädst, die für deine Zeitschrift geschrieben haben und die Party genießen und das Fotografiert-Werden. Du lädst andere DJs ein mit dir aufzulegen, du bist ein MC und irgendwer anderer ist der DJ, du begrüßt die Leute, die zu der Party gekommen sind, du stellst die Leute einander vor. Du bist eine Künstlerin und du bist eine Mediatorin, du mixt Platten, du mixt sogar Fotografien, du mixt Fotografien von Leuten, die du mixen willst. Du redest mit Leuten, die du fotografierst, sie laden dich zu ihren Partys ein, wo du mit anderen Leuten über Fotografie sprichst. Du machst T-Shirts mit deinem Namen, du lässt Leute diese T-Shirts tragen, du lässt dir versprechen, dass sie dein T-Shirt tragen wenn sie zu den Partys gehen, wo du selbst nicht bist. Du bist überall und die Leute fragen sich wo du bist. Du bist zu Hause, arbeitest an deinem Laptop, du nimmst alle Email-Konversationen wieder auf wo sie stehengeblieben sind, du schickst Leuten ein Update deiner Projekte, du machst die ganze Zeit Projekte. Du bestellst Tickets, du bestellst ein Taxi, du trägst 400 Kilo Material vom Taxi zum Zug. Du arbeitest an verschiedenen Orten. Du ziehst herum. Du ziehst von einer Stadt zur anderen, von einem Land zum anderen. Du nimmst ein weiteres Taxis und es braucht Stunden, um dein Quartier in Istanbul zu finden. Du machst Fotografien und fragst andere Leute Fotografien so zu machen, wie du es willst. Du verteilst Flyer, die die Präsentation der Zeitschrift in den Clubs ankündigen, wo du eine Party hast, du verteilst Flyer, die eine Party ankündigen, die du für die Präsentation der Zeitschrift in einer Buchhandlung organisierst, du kündigst noch eine Präsentation desselben Magazins in einer anderen Buchhandlung an, du bedankst dich bei Leuten, dass sie da sind, du stellst die Leute einander vor, die du interviewt hast, du lädst sie ein, zu der Party zu kommen. (…) Du bist eine Künstlerin und das bedeutet, dass es nett wäre, Geld zu bekommen für all die Dinge die du machst. Du beantragst Fördermittel, du versuchst Zuschüsse zu bekommen, du hast einen Agenten, um dir zu helfen Geld von Leuten zu bekommen, die weniger nett sind. Du veranstaltest Abendessen für Leute, die du einander vorstellst, du diskutierst Publikationspläne während des Abendessens. Du fragst die Leute, ob sie über deine Arbeit schreiben, du erzählst ihnen wie du arbeitest, du zeigst es ihnen allen. Du erklärst ihnen die Grundlagen des jungen Künstlerinnendaseins. Du bist eine Künstlerin und das bedeutet: Es geht dir nicht ums Geld. Das glauben zumindest manche Leute. Eine gute Ausrede, dich für all das nicht zu bezahlen, was du tust. (...)


Dieter Lesage ist Philosoph, Kritiker und Kurator. Er ist Direktor der Medienhochschule RITS (Erasmus University College Brussels), wo er auch als Forscher tätig ist.

Dieser Text ist eine gekürzte Übersetzung eines Essays über die Arbeit der Künstlerin Ina Wudtke, der als solcher Teil ihres Videos A Portrait of the Artist as a Worker (rmx)ist. Stills daraus sind in unserer Bildstrecke zu sehen. Aus dem Englischen übersetzt von Paula Pfoser.

Dieser Text erscheint in Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst (Wien), Nr. 48, Winter 2018/19, „pay the artist now!“