Arbeitsrechte - ein permanenter Kampf

Editorial zum Themenschwerpunkt in iz3w 366

Im Kapitalismus prägt die Lohnarbeit das Leben. Damit ist sie ein wesentliches Terrain für die Verbesserung der menschlichen Existenz. Solange die Lohnarbeit die Welt regiert, müssen Arbeitsrechte jeder und jedem zugänglich sein, so wie andere Menschenrechte auch. Jeder Mensch sollte von seiner Arbeit wenigstens leben können. Es braucht also Lohnuntergrenzen und soziale Absicherung – auch wenn diese de facto nur das Recht auf geregelte Ausbeutung und Entfremdung darstellen.

Arbeitsrechte resultieren nicht automatisch aus guten Gewinnen der UnternehmerInnen. Vielmehr müssen sie dem Kapital und dem Staat in mühsamen Auseinandersetzungen abgetrotzt werden. Ein Beispiel dazu aus dem Iran, bei dem es um ein ganz elementares Arbeitsrecht geht, die Bezahlung des Lohns: ZuckerarbeiterInnen des Unternehmens Haft Tappeh kämpfen seit August 2017 für die Ausbezahlung ihrer Löhne. Seit der Privatisierung des Unternehmens im Frühjahr 2016 kam es immer wieder zu Lohnausfällen. Dem daraus folgenden Widerstand der 2008 gegründeten unabhängigen Betriebsgewerkschaft begegnete die Unternehmensleitung mit Repressionsmaßnahmen. Die Forderungen der Arbeitenden erstreckten sich außerdem auf die Rücknahme der Privatisierung und die Anerkennung der selbstorganisierten Gewerkschaft. Ende Februar 2018 kam eine rückwirkende Entlohnung.

Die Meldung aus dem Iran stammt von Labournet.de, einer unabhängigen, internetbasierten Plattform für Arbeitsrechte. Verstreut in diesem Themenschwerpunkt stehen weitere Nachrichten dieser Webseite über internationale Arbeitskämpfe, und wir verdanken der Initiative auch den Einleitungsartikel. Bei Labournet.de erfährt man, wie hoch riskant es im Iran und in vielen anderen Ländern ist, für Arbeitsrechte einzutreten. So sitzt etwa der gewerkschaftlich aktive Busfahrer Reza Shahabi im Iran eine sechsjährige Haftstrafe unter katastrophalen Bedingungen ab.

Die Kosten, die ArbeiterInnen weltweit für ihren Einsatz zugunsten von mehr Gerechtigkeit bezahlen, sind hoch. Rechte wie ArbeitnehmerInnenschutz, Arbeitsrechtgesetze sowie das Recht, einen Betriebsrat zu wählen und Gewerkschaften zu bilden, fallen nicht vom Himmel. Im Artikel über die Situation in Argentinien sagt ein Aktivist: »Alles, was wir haben, haben wir uns erkämpfen müssen.«

Es sind vor allem die reichen Länder dieser Welt, bei denen der Internationale Gewerkschaftsbund die Anerkennung wenigstens der basalen Arbeitsrechte konstatiert. Letztere weltweit durchzusetzen, bedarf noch allergrößter Anstrengungen. Unglaublich schwierig umzusetzen sind Arbeitsrechte insbesondere im übergroßen informellen Sektor der Länder des Globalen Südens. Im Beitrag über Algerien steht dazu der lakonische Satz: »In ihm ist gewerkschaftliche Organisierung undenkbar.«

Die Abgehängten der allerärmsten Länder haben derweil noch nicht einmal das Recht, ausgebeutet zu werden, von Arbeitsrechten ganz zu schweigen. Die Existenz der Hungernden ist eine Mahnung an die ArbeiterInnenschaft im informellen Sektor, aus ihrem Hamsterrad bloß nicht abzuspringen.

Arbeitsrechte sind überall umkämpft, wenn auch in unterschiedlicher Weise. Es gibt aber einen länderübergreifenden Trend: Die Auseinandersetzungen im Zuge des gegenwärtigen ‚Klassenkampfes von oben‘ werden immer härter. Der Globale Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbundes warnte zuletzt, dass sich die Zahl der Länder, in denen die ArbeiterInnen körperlicher Gewalt und Drohungen ausgesetzt sind, im letzten Jahr um zehn Prozent erhöhte. In 59 Ländern wurden Angriffe auf Gewerkschaftsmitglieder dokumentiert. In 84 untersuchten Ländern sind Beschäftigte vom Arbeitsrecht ausgeschlossen. In mehr als drei Viertel der Länder wird einigen oder allen Beschäftigten das Streikrecht verweigert. In ebenso vielen Ländern werden einigen oder allen Beschäftigten Tarifverhandlungen verweigert. Und in mindestens elf Ländern wurden GewerkschafterInnen ermordet: in Bangladesch, Brasilien, Kolumbien, Guatemala, Honduras, Italien, Mauretanien, Mexiko, Peru, den Philippinen und Venezuela.

Arbeitsrechte sind ‚harte’, da existenzielle Rechte: Wenn sie fehlen, geht es an die Substanz. Deshalb ist erstaunlich, welch geringen Stellenwert Arbeitsrechte beispielsweise bei der Entwicklungszusammenarbeit haben. Menschenrechte werden von ihr nur gefordert, wenn sie der Unternehmerseite nichts kosten.

Die 1968er sagten: »Die Demokratie hört am Werktor auf.« Damit kritisierten sie letztlich die autoritäre Trutzburg der Lohnarbeit, die Arbeitsstätten als Hort der Willkür des Kapitals. Reicht es, da einfach einige Rechte hinein zu montieren? So notwendig dies ist, so unzureichend ist es im Hinblick auf eine umfassende Befreiung der Gesellschaften.

 

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