Ein Umweg über die Anstalt...

Öffentlich-rechtlicher Aufruf an LeiharbeiterInnen, gemeinsam Equal Pay einzuklagen

Die ZDF-Kabarettsendung »Die Anstalt« beschäftigt sich einmal im Monat jeweils mit einem gesellschaftlichen Problem, das sie in einer Mischung aus Kabarett, Aufklärungsfernsehen und Agitprop aufarbeitet – mal mehr, mal weniger witzig, mal mehr, mal weniger kritisch. Die Sendung vom 17. Mai widmete sich der Leiharbeit. Alle bekamen ihr Fett weg: die SPD, die linken Eribon-Fans und die Gewerkschaften, ganz besonders die IG Metall, die für ihren jüngst abgeschlossenen Tarifvertrag zur Leiharbeit sehr deutlich kritisiert wurde, weil er die Überlassungshöchstdauer in der Metall­industrie auf bis zu 48 Monate verlängert.

Der Clou der Sendung bestand aber darin, LeiharbeiterInnen auf indirekte Weise aufzurufen, eine Sammelklage gegen Ungleichbehandlung anzustreben. »Schade nur, dass die Emailadresse von Prof. Wolfgang Däubler nicht bekannt ist«, klagt der als arbeiterbewegter Aktivist (mit Blaumann) verkleidete Claus von Wagner und hält demonstrativ eine Mappe hoch, auf deren Rück­seite folgende Adresse steht: prof.daeubler@labournet.de. Da lacht das Herz des express-Lesers und Freunds des labournet.

Wolfgang Däubler berichtet gegenüber dem Neuen Deutschland, dass in den ersten 24 Stunden nach der Sendung um die 30 Anfragen von LeiharbeiterInnen bei ihm eingetroffen seien. Zu weiteren fordern wir hier explizit auf.

Der Klagevorschlag von Prof. Wolfgang Däubler entstammt einem Interview im express, das bereits in Ausgabe 2/2012 erschienen war. Er stellt einen Versuch dar, auf gerichtlichem Wege auf das Problem der Unterschreitung von Equal Pay-Vorgaben per Tarifvertrag zu reagieren. Grundsätzlich ist die gleiche Bezahlung von Leih- und StammarbeiterInnen gesetzlich vorgeschrieben; das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz lässt aber Ausnahmen für den Fall zu, dass ein entsprechender Tarifvertrag geschlossen wurde. Dafür hatte sich nicht nur der »Christliche Gewerkschaftsbund Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP)« hergegeben (der inzwischen vom Bundesarbeitsgericht für nicht tariffähig erklärt wurde), sondern auch die DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit. Letztere hat Ende 2016 zum zweiten Mal einen Tarifvertrag für die Menschenverleiherei unterschrieben, der eine Schlechterstellung gegenüber den Stammbelegschaften mit dem Gesetz in Einklang bringt. Er hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2019. Wolfgang Däublers Strategievorschlag zielt darauf ab, diese DGB-Tarife für ungültig erklären zu lassen:

Ein Leiharbeitnehmer, der nach einem DGB-Leiharbeit-Tarif vergütet wurde, macht bei seinem früheren Leiharbeitgeber »gleiche Bezahlung wie eine vergleichbare Stammkraft« (also Equal Pay) geltend und klagt die Differenz zu seinem bisherigen niedrigeren Lohn ein. Begründung: Weil die Tarife wegen Überschreitung der Ermächtigungsgrundlage unwirksam sind, steht ihm »Equal Pay« zu. Das Arbeitsgericht überprüft dann, ob dies zutrifft und die Tarife wirklich unwirksam sind. Das einzige Problem liegt darin, Leiharbeitnehmer zu finden, die Klage erheben; bisher scheint die Angst zu dominieren, in dieser Branche nie mehr einen Arbeitsplatz zu bekommen, wenn man sich zu einem solchen Schritt entschließt.

Die EU-Richtlinie sieht eine Abweichung durch Tarifvertrag vor, was auch den Fall einschließt, dass der Arbeitnehmer kein Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ist. In diesem Fall genügt eine Bezugnahme auf einen entsprechenden Tarif im Arbeitsvertrag. Nun unterscheidet sich aber das EU-Recht in einem wichtigen Punkt vom deutschen: Der sogenannte »Gesamtschutz« des Leiharbeitnehmers darf durch die Leiharbeits-Tarifver­träge nicht verschlechtert werden. Was das im Einzelnen bedeutet, ist schwer zu sagen, aber vom selben »Gesamtschutz« kann jedenfalls dann nicht mehr die Rede sein, wenn der Leiharbeitstarif 40 Prozent unter dem Stammarbeitstarif liegt.

Man kann nur gerichtliche Verfahren anstrengen, die sich im Wesentlichen auf die oben genannten Argumente stützen: Die Leiharbeitstarife gehen über die Ermächtigung im Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz (AÜG) hinaus, und sie verstoßen außerdem gegen die EU-rechtliche Vorgabe, den »Gesamtschutz« nicht anzutasten. (S.: http://www.labournet.de/?p=116170)

Übrigens: Die oben erwähnte, von der IG Metall tarifierte, umstrittene Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten ist nicht Gegenstand dieser Klagestrategie. Die IGM schließt branchenspezifische Leiharbeitstarife ab, die auf Basis des allgemeinen Leiharbeitstarifs nach Entleihdauer gestaffelte Zuschläge regeln, und die eine schrittweise Angleichung an die Entlohnung der Stammbelegschaft bringen sollen. In diesem Rahmen wurde im neuen Tarifvertrag zu Leiharbeit in der Metall- und Elek­troindustrie festgeschrieben, dass Betriebsräte eine Entleihdauer von bis zu 48 Monaten vereinbaren können. Aus Sicht der IG Metall kann so verhindert werden, dass LeiharbeiterInnen nach der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten in einem anderen Betrieb bei Null anfangen müssen. Aus Sicht der KritikerInnen widerspricht die Gewerkschaft damit dem erklärten Ziel, Leiharbeit wirksam zurückzudrängen.

Wie immer gibt es auch bei dieser Sendung der »Anstalt« einen Faktencheck zum Thema Leiharbeit mit zahlreichen hilfreichen Quel­lenangaben und Links. Die Infos ebenso wie der Link zu dem Video der kompletten Sendung findet sich auf der Homepage des labournet unter: http://www.labournet.de/?p=116170.

Die Aktion läuft noch. Meldet Euch bei Wolfgang Däubler, wenn Ihr Euch beteiligen wollt.

Die E-mail­Adresse lautet: prof.daeubler@labournet.de