Kinderkriegen: zuschlagspflichtig – wie unser Sozialsystem die Familien benachteiligt

Aufzeichnung einer öffentlichen Veranstaltung in Frankfurt am Main mit Dr. Jürgen Borchert, ehem. Sozialrichter und Buchautor

Man nennt ihn „Das soziale Gewissen Deutschlands“, auch „Robin Hood der Familien“. Dr. Jürgen Borchert kämpft auf vielen Ebenen gegen die gravierenden Ungerechtigkeiten der Verteilungspolitik in Deutschland. Die Hartz IV-Sätze brachte er vor das Verfassungsgericht – sie wurden gekippt. Als Karlsruhe im „Trümmerfrauenurteil“ entschied, dass Familien nicht weiter durch das Rentensystem gravierend benachteiligt werden dürften, war Borchert Sachverständiger. Ebenso beim „Pflegeversicherungsurteil“, mit dem die Verfassungshüter entschieden, dass Kinderlose einen höheren Beitrag zu zahlen haben als Eltern.
Doch trotz dieser Urteile ist Deutschland für Borchert noch immer „Weltmeister der sozialen Ungerechtigkeit“. Noch immer seien Familien mit Kindern gravierend benachteiligt, jedes fünfte Kind lebe bereits von Sozialhilfe. Eine vierköpfige Familie gerate bereits mit einem durchschnittlichen Einkommen unter die Grenze des Existenzminimums. Das „Armutsrisiko Kind“ sei zudem Grund für die viel zu niedrige Geburtenrate und führe geradewegs in eine „sozialpolitische Katastrophe“. Die Hartz-Gesetze hält Borchert weiterhin für verfassungswidrig, es sei geradezu zynisch, angesichts der unverändert andauernden Massenarbeitslosigkeit den Arbeitslosen Eigenverantwortung abzuverlangen. Der Staat bekämpfe eher die Arbeitslosen statt die Arbeitslosigkeit. Die Agenda 2010 sei alles andere als ein Erfolgsmodell, sie habe zum Nachteil der arbeitenden Menschen zur Ausbreitung der Leiharbeit, zu immer mehr Niedriglöhnen und zu einem festen Sockel von Dauerarbeitslosigkeit geführt. Die zunehmende Umverteilung von unten nach oben könne nur noch durch das Verfassungsgericht aufgehalten werden.
Jürgen Borchert war Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Hessen. Nun ist er Rechtsanwalt in Berlin. Zusammen mit dem Leipziger Pfarrer Christian Führer erhielt er 2011 den „Regine-Hildebrandt-Preis für Solidarität“. Sein letztes Buch heißt: "Sozialstaatsdämmerung".

Jürgen Borchert, war engagierter Sozialrichter

Dr. Jürgen Borchert war am 06.12.2015 zu Gast in der Frankfurter Matinee von Business Crime Control e.V. und KunstGesellschaft e.V.

Es moderiert der Journalist Herbert Stelz.

Die Veranstaltung wurde von uns aufgezeichnet und kann hier als Audio-Datei (ca. 2 Stunden, ca. 42,5 MB) herunter geladen und nachgehört werden. Eine begleitende Präsentation (ca. 3 MB) gibt es hier.

Text: Herbert Stelz (Fernsehjournalist und Moderator der Veranstaltung). Dr. Jürgen Borchert
Tonaufzeichnung: Reiner Diederich,
Martin Betzwieser
Bildquelle: Elternklagen.de