Der Unbeugsame: George Ibrahim Abdallah

in (26.07.2013)

George Ibrahim Abdallah ist neben den US-amerikanischen Bürgerrechtlern Leonard Peltier und Mumia Abu-Jamal sowie dem Palästinenser Karim Younes einer der am längsten inhaftierten politischen Gefangenen. Seit 1984 wird er in Frankreich gefangen gehalten, seit 1999 könnte er ohne Weiteres freigelassen werden. Ihm wird vorgeworfen, als Führer einer revolutionären libanesischen Untergrundgruppe unter anderem für die Ermordung des US-Militärattachés Charles Ray und des israelischen Diplomaten Yacov Barsimantov Anfang der Achtziger Jahre in Paris verantwortlich gewesen zu sein. Dass die Attentate vor dem Hintergrund eines rücksichtslosen Krieges stattfanden, wird ausgeblendet. Abdallah weigert sich, seine militante Haltung zu bereuen, und die USA sind fest entschlossen, ein Exempel im Kampf gegen den Terror zu statuieren. Keinesfalls wollen sie zulassen, dass er als Held in seine Heimat zurückkehrt.

 

An jenem 24. Oktober 1984 war Georges Ibrahim Abdallah aus der Schweiz nach Lyon gefahren, um eine Mietkaution abzuholen. Er sah sich verfolgt. Um sein Leben zu retten, ging er zur Polizei. Er gab an, zum Geheimdienst der PLO zu gehören, Agenten des Mossad seien ihm auf der Spur. Er hatte einen algerischen Pass, an dem nichts auszusetzen war, der aber unter falscher Identität ausgestellt war. Yves Bonnet, der Leiter der Spionageabwehr DST, rief Abu Iyad an, Nummer Zwei der PLO, und die algerischen und israelischen Kollegen. Dann hatte er herausgefunden, wer hier in seine Hand geraten war: der Anführer der "Bewaffneten Revolutionären Libanesischen Gruppen", abgekürzt FARL. So erzählte Bonnet es jedenfalls 2012 in einem Interview, in dem er sich für die Freilassung von Abdallah einsetzte. In Wirklichkeit beobachtete der Geheimdienst Abdallah seit Langem.

 

Krieg hat keine Moral

 

Die FARL, auch wenn sie nur wenige Mitstreiter zählten, waren nicht unbekannt. Anfang 1982 hatten sie die Ermordung des US-Militärattachés Charles R. Ray in Paris für sich reklamiert. Er war auf offener Straße erschossen worden. Drei Monate später hatten die FARL sich zu einem bewaffneten Überfall auf die israelische Handelsmission bekannt, bei dem jedoch niemand verletzt worden war. Wenig später fiel der israelische Diplomat Yacov Bar-Simantov einem Mordanschlag zum Opfer: Eine jugendliche Attentätern hatte ihm vor seiner Wohnung aufgelauert, um ihn vor seiner Familie mit mehreren Schüssen niederzustrecken. In ihrem Bekennerbrief schrieben die FARL:

"Wir wenden uns an alle, die den Terror und den Terrorismus verdammen, und an die, die für ein Ende von Krieg und Ausbeutung kämpfen. (…) Wer sind die wahren Terroristen? Es sind diejenigen, die ein Kind im Westjordanland töten, weil es der israelischen Besatzung Widerstand leistet. Es sind diejenigen, die die Zivilbevölkerung in Südlibanon bombardieren (…). Wir greifen sie an, die den Völkermord an den Palästinensern organisieren. Wir setzen uns ein für den Schutz Unschuldiger, auf Gefahr unseres eigenen Lebens. Seit sieben Jahren erleidet Libanon den Krieg. Seit sieben Jahren zerstört der Imperialismus alles dort, was fortschrittlich ist, unter dem Vorwand, die 'fanatischen Palästinenser' bekämpfen zu müssen. Es ist unser Recht, uns zu verteidigen. Es ist unser Recht, auch den Imperialismus anzugreifen, ganz gleich wo, aber insbesondere da, wo er von der jeweiligen Regierung unterstützt wird."

Das war der Hintergrund der Attentate der FARL: der libanesische Bürgerkrieg, der 1975 begonnen hatte und in dem sich zunächst palästinensische, linke und muslimische Kräfte auf der einen und die rechten Milizen der Christen und Falangisten auf der anderen Seite gegenüberstanden. Die israelische Invasion in Südlibanon von 1978, die Tausende Todesopfer erforderte, Hunderttausende wurden vertrieben, Dutzende Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Es war das Regime der "Südlibanesischen Armee" (SLA), die Israel als Hilfstruppe und Statthalter ins Feld schickte; die Unterstützung Israels durch Europa und die USA, die im Sommer 1982 eine Verurteilung der nächsten, noch rücksichtsloseren Invasion Israels verhinderten; und es war nicht zuletzt ein seit Langem tobender Kampf der Geheimdienste und Untergrundgruppen, der vor Landesgrenzen keinen Halt machte, auf der einen wie auf der anderen Seite.

 

Ein linker, militanter Christ

 

Geboren 1951 in Qoubaiyat/Akkar im Norden Libanons und aufgewachsen in einer konservativen christlich-maronitischen Familie, hatte Abdallah in Beirut studiert und dann als Lehrer gearbeitet, zu einer Zeit, als in aller Welt die Studenten rebellierten und von Marx, Lukàcs und Fanon beflügelt waren – und in Libanon mehr als andernorts vom palästinensischen Befreiungskampf, der dort keine Theorie war: Seit 1948 lebten Hunderttausende Flüchtlinge im Libanon in Lagern. Sie waren nicht die einzigen, die auf der Verliererseite der libanesischen Gesellschaft standen. Der Glanz der "Goldenen Jahre", wie mitunter die Zeit vor dem Bürgerkrieg genannt wird, konnte die Armut der Vorstädte nicht ausblenden. Hinzu kamen 1970 die Kampfverbände der PLO, einer der Hauptverlierer des späteren Bürgerkriegs. Die soziale Frage, die Frage der Befreiung Palästinas, es war die Linke, die diese Fragen stellte.

Abdallah schloss sich der "Syrischen Sozialen Nationalen Partei" (SSNP) an, wechselte zur von George Habasch gegründeten "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP), in deren Reihen er 1978 im Kampf gegen die Interventionstruppen der israelischen "Operation Litani" verwundet wurde. Nachdem im gleichen Jahr Wadie Haddad, Chef der "Ausländischen Spezialoperationen" der PFLP, wahrscheinlich vom israelischen Geheimdienst vergiftet worden war, soll Abdallah gemeinsam mit einem kleinen Kreis von Mitstreitern aus seiner Heimat Qoubaiyat dann die FARL gegründet haben.

Um den Gegner auch im Ausland zu bekämpfen, was dieser nicht anders tat, ging Abdallah in den Untergrund - immer unter falscher Identität und in Bewegung, Jäger und Gejagter zugleich. Wie Wadie Haddad, der Kontakte pflegte zu Linksradikalen, aber auch Regierungen in aller Welt, und für Kommandoaktionen wie die Entführung der OPEC-Ölminister gefürchtet war, sollen die FARL Verbindungen geknüpft haben zur französischen "Action directe" und den italienischen "Roten Brigaden". Was auch immer Abdallahs Rolle war, er beging einen Fehler, wie sich allerdings erst nach seiner Verurteilung herausstellte: Er vertraute sich dem Falschen an, Anwalt Jean-Paul Mazurier, der ihn bis zu seinem ersten Prozess vertrat, und das schon 1982. Mazurier war aber ein Informant des Geheimdienstes. Er selbst rechtfertigte dies mit seiner Feindschaft gegenüber dem Terrorismus. Andere bezweifeln Mazuriers Glaubwürdigkeit.

 

Nicht der Schatten eines Verdachts

 

Das muss man wissen, wenn sich Geheimdienstchef Bonnet 2012 im Rückblick erinnert, dass er damals wenig in der Hand hatte, Abdallah auf Dauer gefangen zu halten. Das einzige war ein Pass, der echt, aber auch falsch war. Kurz, man hatte zu diesem Zeitpunkt nichts. Schon lange für ein einfaches Passvergehen war Abdallah in Haft, da nahmen die FARL am 23. März 1985 in Tripoli im Norden des Libanon eine Geisel, um seine Freilassung zu erzwingen: Gilles Sidney Peyrolles, Mitarbeiter am dortigen "Institut Français" und Sohn des Autors Gilles Perrault, seit Langem ein Unterstützer von Abdallah.

Fünf Tage später reiste Bonnet im Regierungsauftrag nach Algier, um mit Geheimdienstchef Smain Lamari den Gefangenenaustausch zu regeln. Es geschah wie verabredet - allerdings nur von Seiten der FARL: Am 2. April schenkten sie Peyrolles die Freiheit. Frankreich jedoch präsentierte im Gegenzug das Ergebnis einer Wohnungsdurchsuchung in Paris: 23 kg Sprengstoff, drei Zünder, Waffen, Munition - und die tschechische Pistole, mit der Ray und Barsimentov ermordet worden sein sollen. Obwohl ein Untersuchungsrichter die Durchsuchung schon im Oktober angeordnet hatte, weil sich die Anschrift unter seinen Unterlagen befunden haben soll, behauptete man, dass sie soeben erst durchgeführt worden sei. Auch distanzierte sich die Regierung von Bonnet: Fortan hieß es, dass er die Freilassung Abdallahs auf eigene Faust ausgehandelt habe.

Die Entscheidung schien gefallen, Abdallah so einfach nicht gehen zu lassen. Plötzlich hatte man etwas, weswegen man ihn anklagen konnte. Doch das war anscheinend nicht genug. Der Prozess stand bevor, da begann im Dezember 1985 eine Reihe von Bombenanschlägen, die anders als die Attentate der FARL nichtsahnende Unbeteiligte trafen: Besucher eines Marktes, Passanten. Sie dauerten bis September 1986 fort und erforderten 13 Tote und mehrere Hundert Verletzte. Verantwortlich zeichnete ein "Komitee für die Solidarität mit den arabischen politischen Gefangenen" (CSPPA), das ausgerechnet die Freilassung von Abdallah, aber auch von Anis Naccache forderte, der 1980 einen Attentsversuch auf den früheren iranischen Premierminister Shapur Bakhtiar unternommen hatte, bei dem ein Polizist und ein Unbeteiligter getötet wurden – und der längst entlassen wurde. Die Sicherheitsbehörden wussten, wer die Bomben gelegt hatte, und sollen hinter den Kulissen mit den Drahtziehern in Verbindung gestanden haben: Es war der in Frankreich aufgewachsene, aus Tunesien stammende Fouad Ali Saleh, der unter dem Einfluss des Ayatollah Khomeini zur Schia übergetreten sein soll, um nun Frankreich für seine Unterstützung Iraks im Krieg gegen Iran zu bestrafen – und das, wenn man manchen Darstellungen glaubt, im Auftrag der libanesischen Hizbullah.

Obwohl alle Verantwortlichen wussten, dass sie nicht mit den Anschlägen zu tun hatten, wurden jedoch - nach zwei Brüdern von Georges Ibrahim Abdallah gefahndet, Robert und Maurice, über die landesweit in Anzeigen und auf Steckbriefen gegen Belohnung Hinweise erbeten wurden. Auf diese Weise gelangten die Brüder Abdallah, die die Anschuldigen umgehend auf Pressekonferenzen im Libanon dementierten, als "Bande von Terroristen" zu trauriger Berühmtheit. Sie sind ein Beispiel dafür, wie bereitwillig das Phänomen Terrorismus von Geheimdiensten aufgegriffen und für andere Zwecke eingespannt wird, unter Vorspiegelung "falscher Tatsachen".

 

Sogar ein Sondertribunal

 

Der Weg war bereitet, George Ibrahim Abdallah den Prozess zu machen. Treibende Kraft in diesem bösen Spiel, gewissermaßen einen Widerstandskämpfer in einen gefährlichen Terroristen zu verwandeln, waren anscheinend die USA. Sie legten so großen Wert auf eine Verurteilung Abdallahs, dass Präsidenten-Berater Jacques Attali in seinen Erinnerungen erwähnt, Mitterand habe mit Kohl über ein Telegramm vom US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsberater John Pointdexter gesprochen, der im Fall Abdallah die einmalige Gelegenheit gesehen habe, der ganzen Welt "die Fähigkeit und den Willen der demokratischen Gesellschaften zu beweisen, allen jenen vollkommene Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, denen Terrorismus vorgeworfen wird".

Abdallah wurde zweimal verurteilt: Einmal am 10. Juli 1986, während die Bombenanschläge des CSPPA immer grausamer wurden, dann ein zweites Mal am 1. März 1987. Der erste Prozess fand noch vor einem ordentlichen Gericht statt, mit der Besonderheit allerdings, dass die USA, vertreten durch ihre Botschaft, wegen des Mordes an Charles Ray als Nebenkläger auftraten, worin allein schon Abdallah in einem Plädoyer den politischen Charakter des Prozesses erwiesen sah. Abdallahs Anwalt Mazurier hatte im Vorfeld des Prozesses die Verteidigung an Jacques Vergès abgegeben, bekannt als "Advokat des Teufels", da er neben Abdallah und der Algerierin Jamila Bouhired Mandanten wie "Carlos", Klaus Barbie oder Khieu Samphan vor Gericht vertrat.

Das Urteil, das zugleich zeigt, wie schwach die Anklage immer noch gewesen sein muss, war den USA nicht genug: vier Jahre Haft wegen illegalen Waffen- und Sprengstoffbesitzes. Das Verfahren wurde neu aufgerollt, wozu ein besonderes Tribunal eingerichtet wurde, ein Premiere in Frankreich: ohne Geschworene, ohne Möglichkeit, die Angaben der Geheimdienste, die anscheinend einzig als Beweismittel dienten, anzufechten, darunter nicht zuletzt die Auskunft, eine der in Paris Anfang April 1985 gefundenen Waffen sei bei der Ermordung von Ray und Barsimentov verwendet worden. Als mutmaßlicher Anführer der FARL wurde Abdallah für die Planung dieser Attentate verantwortlich gemacht, zudem für einen gescheiterten Mordanschlag auf Robert O. Home, US-Konsul in Straßburg. Abdallah bestritt die Vorwürfe und boykottierte beide Prozesse. Ohnehin stand fest, dass das Urteil so hoch wie möglich ausfallen würde: lebenslänglich, bei einer Mindesthaft von 15 Jahren. Mazuriers Bekenntnis, Abdallah jahrelang bespitzelt zu haben, erschien wenig später. Jeder konnte wissen, dass es bei dem Prozess nicht mit rechten Dingen zugegangen war.

 

Der Krieg ist nicht vorbei

 

Aber das ist bei Terrorismus nicht anders zu erwarten. 2002 sollte der damalige mit Antiterror befasste Staatsanwalt Alain Marsaud in seinem Buch "Bevor wir alles vergessen" einmal mehr bestätigen, wie sehr die dazugehörigen Gerichtsprozesse manipuliert waren. Yves Bonnet sagte 2012: "Ich finde es nicht normal, ja skandalös, dass Abdallah immer noch im Gefängnis ist. Meiner Meinung nach kann er sich mit Recht darauf berufen, dass die FARL nur legitimen Widerstand geleistet haben. Man muss damit nicht einverstanden sein, das ist eine andere Sache. Aber man darf doch den Kontext nicht vergessen: die Massaker von Sabra und Schatila, für die niemand bestraft wurde. Abdallah wird festgehalten, während man Leuten wie Papon die Freiheit schenkt. (…) Mit George Ibrahim Abdallah wird schlechter umgegangen als mit einem Serienmörder, obwohl seine Taten rein politisch motiviert waren."

Aber wird er nicht gerade aufgrund seiner Motivation gefangen gehalten? Auch im Gefängnis setzte Abdallah seine politische Arbeit fort. Damals in Lannemezan in den Pyrenäen inhaftiert, war er Mitglied der "Plattform des 19. Juni 1999", mit der politische Gefangene sich weltweit koordinierten. Sie lehnte "Freilassung gegen Reue" ab und unterstützte politische Gefangene in der Türkei in ihrem Hungerstreik. Im August 2002 wurde Abdallah für seinen Hungerstreik aus Solidarität mit palästinensischen Häftlingen in Neve Tirza, Israel, mit Isolationshaft bestraft. Im Dezember 2010 musste Abdallah erneut vor Gericht, da er einen DNA-Test verweigert haben soll. Dafür erhielt er, als Lebenslänglicher, drei Monate Haft.

Seit 1999 hat Abdallah sein Mindeststrafmaß verbüßt und könnte per Anordnung entlassen werden. Ein ums andere Mal beschwerten sich im Hintergrund die USA. 2003 wurde ein Antrag auf Freilassung, den ein Gericht in Pau schon bestätigt hatte, auf Initiative des Justizministers angefochten und niedergeschlagen. 2005 folgte die nächste Ablehnung.

Während nach außen getan wurde, als ginge die Justiz ihren gewohnten Gang, wurden zusätzliche Hürden errichtet, Abdallahs Freilassung zu verhindern. Normalerweise sollten entsprechende Eingaben in Frankreich binnen Halbjahresfrist bearbeitet werden. Nicht so Anfang 2007, wenige Monate nachdem Israel erneut Krieg gegen Libanon geführt hatte – mit dem Ziel, die dortige Hizbullah zu besiegen, die den Widerstand der Linken beerbt hat. Als Abdallahs Anwalt Vergès den Antrag am 6. Februar einreichte, ließ man sich Zeit. Erst am 26. Juni sollte die Haftprüfung per Videokonferenz stattfinden - vor der Sommerpause. Das verhinderte zufällig eine technische Panne – also musste die Sitzung bis nach den langen Sommerferien vertagt werden. Gegen die Ablehnung im Oktober legte Vergès Widerspruch ein. Die Anhörung war für Ende Januar 2008 angesetzt, wurde aber auf Mitte April, dann den 4. September, den 8. Januar und schließlich den 26. März 2009 verschoben, nur um abschlägig zu enden.

Bemerkenswert ist, dass zwischen den beiden letzten Terminen ein Gutachten über Abdallah angefertigt wurde, als sei er ein Rückfalltäter, für den man nach einem im Vorjahr verabschiedeten Gesetz ein psychologisches Gutachten anfordern müsse. In diesem heißt es: "Er steht immer noch hinter seinen Taten (und stellt sich dar als) Widerstandkämpfer, der damals mit Gewalt gegen die israelische Besatzung Libanons kämpfte, die von den USA gedeckt wurde. (…) Die Kommission stellt daher fest, dass (Abdallah) dem bewaffneten Kampf und dem Terrorismus keinesfalls abgeschworen hat, nicht einmal was Frankreich angeht. Seine Gefährlichkeit wird noch durch seine Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern unterstrichen und dadurch, dass sich an seinen Überzeugungen nichts geändert hat, wodurch er jederzeit wieder (…) zu einem entschlossenen und unerbittlichen Aktivisten werden kann. Daher rät die Kommission, George Ibrahim Abdallah vorläufig nicht freizulassen."

Man hat Angst, dass Abdallah seinen Aktivismus wieder aufnimmt? Kaum hatten Anfang 2011 die Tunesier Ben Ali und die Ägypter Mubarak gestürzt, da entdeckten gleichsam über Nacht auch die beiden Länder, die für die fortdauernde Inhaftierung Abdallahs verantwortlich sind, ihre Liebe zu den arabischen politischen Aktivisten und stürzten sich in Libyen und Syrien sogar selbst ins Revolutionsgetümmel – an der Seite von Al Qaida. Offensichtlich sind dem Aktivismus, den man plötzlich zu verehren vorgibt, buchstäblich rote Linien gesetzt. Im Januar 2013 wurden sie erneut überschritten, als das nächste Gericht Abdallahs Freilassung anordnete. Seine Verwandten und Unterstützer im Libanon erwarteten ihn bereits. Zuvor hatte sich mit Premierminister Najib Mikati zum ersten Mal ein libanesischer Regierungschef für Abdallah eingesetzt. Vergès erklärte, sein Mandant wolle als Lehrer arbeiten. Doch auch diesmal traf er nicht in seiner Heimat ein, da Justizminister Manuel Valls sich weigerte, die erforderliche Verfügung auszustellen, wiederum, wie es scheint, auf Druck der USA. Der Krieg ist also immer noch nicht vorbei, in dem Abdallah ein Gefangener ist, über den sich die Gegner zum Richter aufsschwingen, nur um jeglichen Widerstand gegen sie als Terrorismus zu verleumden.