Die Linke: Alternative für Deutschland?

Ein Kommentar

Als Oskar Lafontaine Ende April 2013 für einen schrittweisen Abschied vom Euro plädierte, hatte er als Medienprofi die sich daran anschließende öffentliche Aufgeregtheit hierüber mit Sicherheit einkalkuliert. Die vielbeachtete Gründung der eurokritischen „Alternative für Deutschland“ hat nicht nur die etablierten Parteien aufgeschreckt, sondern beunruhigt auch die Linkspartei. „Neues Deutschland“ meldete irritiert Umfragen, nach denen ausgerechnet WählerInnen von so gegensätzlichen Parteien wie FDP und der Linken mit der neuen rechtspopulistischen Partei liebäugeln (1).

 

Offensichtlich kann nicht bei allen Linkspartei­wählerInnen ein Mindestmaß an kritischem  und antinationalem Bewusstsein vorausgesetzt werden. Anstatt sich Gedanken zu machen, wie dieser Missstand behoben werden könnte, unterstützt Lafontaine populistische, nationalstaat­liche Krisenbewältigungsstrategien.

Diese rechtspopopulistischen Positionen sind allerdings bei ihm nichts Neues. Er warnte bereits in der Vergangenheit vor „Fremdarbeitern“, beteiligte sich noch als SPD-Politiker an der Abschaffung des Asylrechts und kooperierte mit der Bild-Zeitung.

 

„Linke“ Steilvorlage für die Rechte

Mit seinen Euro-Ausstiegsphantasien und seiner Forderung nach der schrittweisen Wiedereinführung von nationalstaatlichen Währungen demonstriert er ungeniert seine Anschlussfähig­keit an die rechte EU-Kritik der „Alternative für Deutschland“. Flankiert wird dieser Vorstoß durch ein von der Linkspartei in Auftrag gegebenes hochwissenschaftliches Gutachten auf Englisch von Heiner Flassbeck (2), in dem die Bedingungen eines Euro-Ausstiegs diskutiert und durchgerechnet werden.

Der ehemalige sozialdemokratische Professor Wilhelm Hankel, der neuerdings in extrem rechten Medien wie der National-Zeitung, der ver­schwörungstheoretischen Neuen Solidarität (BÜSO) und der Jungen Freiheit publiziert, greift Lafontaines Steilvorlage begierig auf und diskutiert teils zustimmend die eurokritische Wendung Lafontaines: „Die ausufernde Staatsschuldenkrise (...) zwinge sie zu permanenten Regelver­stößen gegen Statut, Aufgabe und Auftrag. Mit dem Verlust ihrer Glaubwürdigkeit gefährde sie jedoch die des Euro. Wie wahr“ (3).

Im Infokästchen zum Artikel befindet sich ein Link auf die Seite der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Wann hat es so viel positive Zuwendung in der rechten Jungen Freiheit für Die Linke schon mal gegeben?

Festzuhalten ist, dass eine komplizierte und differenzierte Fachdebatte über Währungsfragen und schrittweisen Euro-Ausstieg für viele Menschen nur schlecht nachvollziehbar ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass rechte PopulistInnen dieses Thema mit ihrer simplen Euro-abschaffen-Rhetorik dauerhaft für ihre nationalistischen Ziele besetzen, ist groß.

Zu allem Überfluss empfahl vor wenigen Monaten Sahra Wagenknecht ihrer Partei, sich am Vorbild des früheren CDU-Wirtschaftsministers Lud­wig Erhard und den „wahren“ Werten der sozialen Marktwirtschaft zu orientieren (4)! Wie tief wird diese Partei denn noch sinken, wenn sie sogar die verstaubten kapitalistischen Utensilien von vorgestern aus der ideologischen Mottenkiste heraus kramt?

 

Die große Ratlosigkeit

Sieht man sich die Wahlergebnisse und Prognosen an, zeigt sich ein für die Linkspartei deprimierendes Bild: 2002 (4 %), 2005 (8,7 %), 2009 (11,9%), im September 2013 sind vielleicht 7 % zu erwarten. Zehn Jahre nach der Einführung der Agenda 2010 mit ihren drastischen negativen Konsequenzen für abhängig Beschäftigte und Arbeitslose stagniert diese Partei nach einem kurzen Höhenflug auf niedrigem Niveau.

Im letzten Jahrzehnt hat die Linke sich damit begnügt, als mechanistische Durchreiche von Forderungen der Basis ins Parlament zu funktionieren, anstatt für ihre Ziele mit unkonventionellen Initiativen und Aktionen zu kämpfen. Mit der voraussehbaren Ablehnung ihrer Forderungen durch die vorhandenen Mehrheiten nimmt sie Erfolglosigkeit und Frustration ihrer AnhängerIn­nen und WählerInnen in Kauf. Übrig bleibt ein sich abstrampelnder Parteipolitiker im Hamsterrad mit der wenig motivierenden klagenden Botschaft „auf uns hört ja keiner!“. Der wahlstimmenschluckende Kummerkasten Linkspartei hat bei vielen Menschen ausgedient.

Lafontaine und Co. sind mit ihrem Latein am Ende. Jahrelang tingelten sie mit der Botschaft „Empört euch und wählt uns!“ durch die Lande. Doch bei der nächsten Bundestagswahl im September läuft das Wahlvolk möglicherweise anderen Populisten und Parteien nach. Resignation und Verzweiflung machen sich breit. Warum es jetzt nicht mal mit einigen zweideutigen Botschaften versuchen, um so zusätzlich bei einigen rechten EU-Überdrüssigen zu punkten und dem Erfolg ein wenig auf die Sprünge zu helfen?

 

Wie geht Widerstand?

Vor lauter Aufregung über Oskars EU-Thesen gerät innerhalb dieser Partei in den Hintergrund, dass Widerstand gegen neoliberale Politik nicht einfach auf einem Wahlzettel angekreuzt oder durch populistische RednerInnen ausgerufen werden kann, sondern europaweit ganz unten in Basisinitiativen eingeübt, gelebt und gebündelt wird. Und erst dann den notwendigen Druck für Veränderungen entfaltet.

Ob punktuelle Zugeständnisse von einer rechten oder linken Sozialdemokratie oder gar wie beim unvollkommenen „Atomausstieg“ von einer Merkel-Regierung umgesetzt werden, ist erst einmal zweitrangig. Die Geschichte hat gezeigt, dass die schwankenden und innerlich zerrissenen Sozialdemokratien hierbei nicht zwangsläufig konsequenter sind als die klassischen konservativen Parteien.

Am 15. Mai 2013 wurde ein von vielen linken, grünen und sozialdemokratischen PolitikerInnen aus Österreich, BRD, Frankreich und Italien unterschriebener Aufruf „Europa geht anders“ (5) veröffentlicht, in dem u.a. „eine europäische Um­verteilung des Reichtums durch faire Einkommen und höhere Gewinn- und Vermögensbesteue­rung“ gefordert wird. „Uns ist eine einmalige Aktion gelungen“ (6), nehmen die linken Politi­kerInnen den Mund richtig voll und rufen uns zu: „Es ist Zeit aufzustehen, um Druck auf die Regierungen auszuüben“!

Gut, dass wir unsere linken PolitikerInnen haben, damit sie uns sagen können, was wir tun müssen (7). Von alleine wären wir nicht darauf gekommen.

 

Horst Blume

 

Anmerkungen:

1) Neues Deutschland, 30. 4. 2013 „Wagenknecht sticht ins Wespennest“

2) Siehe: www.rosalux.de/publication/39473/der-euro-vor-der-entscheidung.html

3) Junge Freiheit“, 24.5.2013, S. 10

4) „Spiegel-Online“ vom 30.12.2012: „Wagenknecht reklamiert Ludwig Erhard für die Linkspartei“9.

5) www.europa-geht-anders.eu/home

6) taz vom 15.5.2013

7) Siehe: www.machtvonunten.de/linkspartei-spd.html

 

Kommentar aus Graswurzelrevolution Nr. 380, Sommer 2013, www.graswurzel.net