Zur Organisationsfrage

Warum Verbindlichkeit ein Gewinn für feministische Kämpfe ist

Auf der Suche nach einem zeitgemässen Feminismus hat prager frühling verschiedenen Frauen die Organisationsfrage gestellt. Gabi Ohler, Katja Kipping und Steffi Lohaus vom Missy Magazine haben geantwortet.

Die Frage, wie frau sich organisieren soll, zieht sich durch die Geschichte des Feminismus. Die Auffassung, es brauche keine Sonderorganisationen, denn die Frauenfragen würde in der allgemeinen linken Arbeit aufgehen, erwies sich als Illusion. Nicht wenige machten die Erfahrung, dass Frauenfragen „unter der Elle gemessen immer nicht so dringend waren, auch morgen erledigt werden konnten.“1 Frigga Haug zieht 1981 daraus die Konsequenz, für die Zeitschrift Argument eine Frauenredaktion zu initiieren. Ein Schritt, der fruchtbare Diskussionen auslöste. Andere linke Frauen engagierten sich in der autonomen Frauenbewegung und gründeten unabhängig vom Staat Frauenhäuser.

Auch heute stehen linke Feministinnen immer wieder vor der Organisationsfrage. Sie zu ignorieren, wäre eine Unterlassungssünde. Denn die Verbreitung von Argumentationsmustern und die Durchsetzung von Interessen erfordert immer auch die Bündelung von Akteur_innen und Bezugspunkte. Doch die konkrete Ausgestaltung solcher Organisierungsansätze kann für Zwist sorgen. Exemplarisch dafür stehen die Auseinandersetzungen um ein verbindliches Frauengremium in der Linkspartei (siehe dazu das Interview auf Seite 38 ). Die Gegnerinnen bedienten dabei eine klassische Argumentationslinie. Sie führten eine moralisch aufgeladene Variante der Basisdemokratie als die edlere Form gegenüber dem Delegations- und Wahlprinzip an. Als ob, wer selbst versucht eigene Machtansprüche  zu verfolgen, keine wahre Feministin sein könne. (Paradoxerweise bestärkt diese Haltung gegenüber den Chefsesseln ein patriarchales Wertemuster, wonach Bescheidenheit unterschwellig vor allem von Frauen erwartet wird. Ansonsten wartet der Karrierefrau-Vorwurf.)

So berechtigt sicherlich Kontroversen um die konkrete Ausgestaltung eines Frauenrates sind, so ist – gerade aus feministischer Sicht – die Ablehnung von Verbindlichkeit höchst problematisch. Die Haltung „Ich bin Basis, also herrscht Basisdemokratie, wenn mein Wille geschehe.“ wird spätestens dann zum Problem, wenn Basisaktivist_innen unterschiedliche Positionen beziehen. Wenn unklar ist, wer worüber entscheidet, dann stärkt das häufig die Zeithaber_innen oder informelle Herrschaft. Wenn Frauenstrukturen auf Wirkungsmächtigkeit verzichten, verschiebt sich automatisch die Entscheidungskompetenz zu Gremien, in denen Männernetzwerke Einfluss haben. Insofern gilt auch für die feministische Arbeit die radikaldemokratische Erkenntnis: Es bedarf sowohl einer lebendigen Einmischung aller in die Politik und breite Beteiligungsmöglichkeiten für alle als auch demokratisch legitimierter Zuständigkeit. Gewählte Repräsentant_innen kann man auch abwählen oder ihnen Auflagen erteilen statt im Informellen auf den „Good Will“ der Zeithaber_innen angewiesen zu sein.

Im Aufsatz zur Gründung der Frauenredaktion, schreibt Frigga Haug 1981: „Es gibt keine absolute Lösung. Alle Kämpfe sind mehrfach bestimmt. Statt der Universallösung gibt es viele Lösungsformen, die zusammenzubinden sind.“ In diesem Sinne stellen wir auf den folgenden Seiten verschiedene Formen von feministischer Organisierung vor – von der radikalen Linken über eine Frauenstruktur in der Linkspartei bis hin zum popkulturell orientierten feministischen Magazin.

 

Anmerkungen

1 Frigga Haug: Männergeschichte, Frauenbefreiung, Sozialismus – Zum Verhältnis von Frauenbewegung und Arbeiterbewegung. in: das Argument 129/ 1981. S. 652.