A.E.I.O.U. – Glückliches Österreich, rede!

in (29.08.2012)

„Die Ungunst der äußeren Verhältnisse beschwört die Frage nach der Gunst des Schicksals herauf, und die Zahl der Automaten, die für ihre Beantwortung sorgen, ist der Heftigkeit der Krise direkt proportional,“ schreibt Siegried Kracauer 1931 unterm Titel Glück und Schicksal über Berliner „Glücksspekulanten“ und ihre Automatensalons.
Das Glück ist ein Vogerl: Mit diesem Wienerlied endet – ebenfalls in Berlin, 79 Jahre später – der ZDF-koproduzierte Zombie-(bzw. „Infizierten“-)Film Rammbock: Ehe das Lied erklingt, findet ein Wiener in einem Berliner Mietshaus sein Glück, „seine“ Gabi wieder, während eine zombifizierende Wut-Pandemie Europa erfasst. Das Glück ist eben ein Vogerl – die Kehrseite krisenhaft explodierender Ungerechtigkeit; für den glücklichen Ösi geht es mit Zombifizierung einher.
Zombies sind heute omnipräsent, fast nicht der Rede wert. Bleiben wir beim Ösi unter Deutschen – und seinen Pendants in der z.B. Wiener Wirklichkeit, den Deutschen unter Ösis. Als Expats, Billigarbeitsmigrant_innen, Studierende sind viele Bundesbürger_innen in Österreich; manche erleben Formen austrochauvinistischer Deutschenfeindlichkeit, die über Piefke-Touri-Ressentiments oder Corboba-Verkultung von einst hinausgehen.
Was hat das mit Glück(spiel) zu tun? Nun, wenn im Wiener Wochenblatt Falter Promis über das Glücksspiel Fußball und die EM reden, lautet die Titelblattschlagzeile  dazu „Kann man die Deutschen lieben?“. Wenn der Wettenanbieter bet-at-home zur Fußball-EM ganzen „Einsatz“ fordert, wirbt er in Ö´reich mit dem Bild einer Hand, die Nadeln in eine Voodoopuppe mit bundesdeutschem Trikot steckt.
Führt der Voodoo hier nun zur Zombifizierung zurück? Eher führt er auf eine Parallelspur der heutigen reaktiv-ressentimentalen Verösterreicherung aller Lebensverhältnisse, die der Phobie gegen Deutsche – als spezifischem Typ von Austroxenophobie – ihre eklige Positivsubstanz gibt; zu einem Glückspekulationskonkurrenten von bet-at-home, zu Novomatic. Dieser Automaten(salon)betreiber wirbt mit „Wir bringen Kultur ins Spiel“ und setzt seine Profite als Sponsor etwa des ORF-Kulturmontag ab und um. Eigentlich sollten du und ich uns bei den Arbeitslosen und Suchtkranken, die ihre Einkünfte in Novomaticautomaten stecken, bedanken – für documenta-Reportagen, Opernnews oder Studiotalks mit Schuh und Liessmann, die sie uns mitfinanzieren.
Wo ist da der Konnex zur Verösterreicherung? Nun, er führt von Hahn zu Haneke, von Politiker_innen im Sold von Novomatic (Hahn, aber auch Sozis) zur Abfeierung alljährlicher Austrofilmerfolgswunder, die am Kulturmontag vorschriftsmäßig stattfindet. Wenn ORF-Kulturchef Martin Traxl uns das 27. Haneke-Feature ans Bett at home liefert, wird er sein Kärntner „ei“ strikt österreichisch intonieren, so wie ZiB2-Moderatorin Lou Lorenz ihr „au“ und wie alle anderen, die im ORF, wohl kraft eines kulturpatriotischen Dekrets, nur noch heimatlichen Dialekt reden (auch über Gellld) – und nicht mehr Hoch- oder Burgtheaterdeutsch. Ein „Ei“ ist kein „ai“ mehr, sondern „äi“, jedes „au“ ein „aou!“, es gilt wieder A.E.I.O.U.: Austria Est Imperium Optime Unita!

Dieser Text erscheint in Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst (Wien), Sommer 2012, „Übers Geld reden“.