Sicherheit über alles? Die schleichende Versicherheitlichung deutscher Entwicklungspolitik

Einführung: Entwicklungspolitik als Sicherheitspolitik

In entwicklungspolitischer Forschung wie Praxis hält sich die Debatte schon seit einiger Zeit: Wird Entwicklungszusammenarbeit auch in der Bundesrepublik zunehmend vor allem unter sicherheitspolitischen Vorzeichen verstanden (vgl. für eine frühe Kritik: Maihold 2005)? Es bedurfte jedoch einer olivgrünen Gebirgsjägermütze, die der neue Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2009 auf seiner ersten Afrikareise im Amt trug, und dessen markiger Ankündigung, künftig auf eine engere Kooperation zwischen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und der Bundeswehr zu setzen, um diese Diskussion in die Öffentlichkeit zu tragen (Schwab 2010). Ironischer Weise breitet sich damit eine umfassende sicherheitspolitische Deutung von Entwicklungspolitik zu einem Zeitpunkt in deutschen Regierungskreisen aus, als andernorts der Konsens über eine „natürliche Partnerschaft" zwischen den beiden Politikfeldern Risse bekommt. So scheint mittlerweile die Skepsis - und teils offene Ablehnung - einer sicherheitspolitischen Indienstnahme von Entwicklungspolitik auch im US-amerikanischen Sicherheitsestablishment Gehör zu finden (vgl. Young 2010).

Im vorliegenden Beitrag soll dagegen die Beweispflicht umgekehrt werden: Anstatt unhinterfragt von einer solchen, bereits erfolgenden Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik auszugehen, soll am Beispiel der öffentlichen EZ der Bundesrepublik Deutschland diskutiert werden, ob und in welchem Umfang von einer „Versicherheitlichung" überhaupt zu sprechen ist. Zu diesem Zweck wird das gleichnamige Konzept (im Englischen securitization), das in den 1990er Jahren von der Kopenhagener Schule entwickelt wurde, skizziert und auf seine empirische Analysefähigkeit hin geprüft. Die Entscheidung darüber, welche Tiefe einer „Versicherheitlichung" der deutschen Entwicklungspolitik gegebenenfalls attestiert werden kann und welche Konturen diese aufweist, wird anhand von fünf Aspekten getroffen. Dabei wird die in allen Securitization-Studien im Zentrum stehende Dimension der Begriffsprägung (politische Programmatik bzw. politischer Diskurs) um die folgenden Aspekte erweitert: lokale wie sektorale Allokationsmuster von EZ-Ressourcen, institutionelle Reform sowie Dynamiken der Kompetenzverlagerung in der Entwicklungspolitik. Mit Hilfe dieses Rasters soll ein differenzierteres Verständnis des Wandels entwicklungspolitischer Grundorientierungen jenseits der ausschließlichen Befassung mit begrifflich-programmatischer Neuerung möglich sein.

Ein solches Ansinnen ist dabei nur auf Basis der folgenden drei einschränkenden Vorbemerkungen sinnvoll. Erstens wäre es völlig irrig, abzustreiten, dass - zumal öffentliche - Entwicklungspolitik nicht von je her sicherheitspolitische Implikationen besessen habe oder sicherheitspolitischem Kalkül folgte, im Gegenteil. Gefahrenabwehr und die Flankierung geopolitisch-militärischen Engagements ebenso wie außenpolitische Zielverfolgung hat moderne Entwicklungspolitik erst ins Leben gerufen. Man denke in diesem Kontext etwa an die US-amerikanische Eindämmungspolitik zu Zeiten des Kalten Krieges oder die deutschlandpolitischen Ambitionen hinter Entwicklungshilfeleistungen der BRD bzw. der DDR. Insofern ist Entwicklungspolitik als „Mehrzweckinstrument" (Nuscheler 2004: 437) von je her sehr stark auch an sicherheitspolitische Erwägungen der Abwehr von Bedrohungen sowie der Sicherung des eigenen Einflusses geknüpft gewesen. Was den deutschen Fall hier auszeichnet, ist - gerade in Bezug auf die Vorgeschichte bundesrepublikanischer Entwicklungspolitik - die vergleichsweise starke zivile Tradition von Entwicklungsanstrengungen. Diese bestand sowohl in Bezug auf die mittels Entwicklungshilfe vorangetriebene Förderung der eigenen außenwirtschaftlichen Belange als „Handelsstaat" (vgl. Schrade 1997) als auch mit Blick auf den starken zivilgesellschaftlichen Sektor im Entwicklungsbereich. Eine deutliche „Versicherheitlichung" des Politikfeldes bedeutete dementsprechend für den deutschen Fall in der Tat einen grundlegenden Wandel in den maßgeblichen Handlungsorientierungen.

Zweitens muss eine sicherheitspolitische Wendung nicht automatisch in die Militarisierung eines Politikbereiches münden. Wie sich aufzeigen lässt, ist die sicherheitsbezogene Re-Definition im Sachbereich „Entwicklungspolitik" keineswegs ursächlich allein mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 und dem sogenannten „Globalen Kampf gegen den Terror" verbunden. So hat die Debatte um den Zusammenhang von Sicherheitsgefährdungen und (wirtschaftlicher) Entwicklung bereits in den 1970er Jahren begonnen - Stichwort: „Ohne Frieden keine Entwicklung" - und spätestens in den 1990er Jahren mit dem gestiegenen Interesse an Krisen‑ und Konfliktprävention einen Höhepunkt erreicht. Markantes Charakteristikum gerade der deutschen Diskussionen ist dabei wiederum der Fokus auf zivilen Mitteln und Orientierungen der Konfliktprävention gewesen. Diese ließ die Verbindungslinie zu präventiven Wirkungen gerade auch entwicklungspolitischer Maßnahmen zwingend erscheinen. Hier demgegenüber eine neue Qualität der „Versicherheitlichung" festzustellen, hieße aufzeigen zu können, dass und wie der Grad der „Zivilität" der unternommenen Anstrengungen nachließe und sukzessive nicht-zivilen Instrumenten wiche. Dies erscheint aussagekräftiger als die alleinige Fokussierung auf semantische Aspekte, also der aktiv betriebenen Re-Definition von Entwicklungspolitik als „präventiver Sicherheitspolitik", die ja auch einem durchaus strategischen Ansinnen gedient haben mag. So hat die Konjunktur des „Entwicklungsthemas" in den vergangenen 10 Jahren wohl nicht zuletzt damit zu tun, dass Entwicklungskooperation in ihrem sicherheitsstiftenden Mehrwert nach 9-11 überbetont wurde, um sie aus der Irrelevanzfalle (Nuscheler 1996: 33; Hjertholm &White 2002: 85) zu befreien. In diese drohte sie maßgeblich dank des Endes der Ost-West-Konfrontation und der bestenfalls ambivalenten Leistungsbilanz von Entwicklungshilfezahlungen zu versinken (Ziai 2007: 126).

Drittens erhebt der vorliegende Beitrag nicht den Anspruch, der erste zu sein, der sich mit der „Versicherheitlichung" von Entwicklung, Unterentwicklung oder Entwicklungspolitik (vgl. etwa Kirschner 2007: 22; Wagner & Die Linke 2008; Pospisil 2009) oder eben der zunehmenden Verschmelzung von Sicherheits‑ und Entwicklungspolitik[1] beschäftigt. Er intendiert gegenüber den bisherigen Arbeiten allerdings, sich schwerpunktmäßig mit der Frage nach etwaigen Handlungsfolgen rhetorischer Versicherheitlichung auseinanderzusetzen. Damit widmet er sich dezidiert materiellen Konsequenzen eines (diskursiven) Versicherheitlichungsprozesses in ihrer Verzahnung mit der begrifflichen Dimension bzw. der Ebene politischer Rhetorik (s. zu Letzterem u.a. Menzel 2005; Pospisil 2009: 233-276). Auch wenn sich der vorliegende Artikel somit nicht primär als Intervention in die Debatte um Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit einer stärkeren Verschmelzung von Entwicklungs‑ und Sicherheitspolitik[2] versteht, so weist er mit den zu Tage beförderten Befunden doch auf ebenjene Debatte hin. Indem er versucht, ein differenzierendes Bild des unterstellten Wandels mit Blick auf die deutsche (öffentliche) EZ zu zeichnen, versteht er sich auch als Beitrag zur andauernden Diskussion um eine in der Tat entwicklungsförderliche Ausgestaltung von Entwicklungspolitik (vgl. Brand 2007: 49ff). Die einschlägige Frage lautete in dieser Hinsicht: Gerät ein genuines Interesse an der Verbesserung der Lebenssituation im globalen Süden durch die sicherheitspolitische Umdeutung von Entwicklungspolitik (noch stärker) in den Hintergrund?

Das Konzept der „Versicherheitlichung"

Wie bereits geschildert, hat das in den 1990er Jahren durch die sog. Kopenhagener Schule entwickelte Konzept der „Versicherheitlichung" (securitization) in den vergangenen Jahren auch Einzug in die entwicklungspolitische Debatte gehalten. Andrea Kirschner etwa versteht unter der Versicherheitlichung von Unterentwicklung die erfolgreiche Repräsentation des Problemzusammenhanges „Unterentwicklung" als nationale bzw. globale Sicherheitsbedrohung (2007: 22). Jürgen Wagner verweist in seiner umfangreichen, im Auftrag der Partei „Die Linke" angefertigten Studie zur Militarisierung der EZ ebenfalls auf den Begriff und seine Urheber und dabei insbesondere auf die konstruktivistische Schlagseite des Konzepts (2008: 7, Fn. 11).

Und in der Tat beschreibt „Versicherheitlichung" in seiner ursprünglichen Konzeption (vgl. Buzan u.a. 1998) zunächst auf einer sehr generellen Ebene verbleibend einen Prozess, durch den ein Problemzusammenhang in zunehmendem Maße als existenzbedrohend angesehen wird. Aufgrund dieses in existentiellem Sinne sicherheitsbedrohenden Charakters setze sich in der Folge die Ansicht durch, dass spezifische Maßnahmen ergriffen werden müssten, um dieser Bedrohung zu begegnen. Im Kern handelt es sich demzufolge primär um einen Prozess sprachlicher Bedeutungsprägung (einen diskursiven Prozess), in dessen Verlauf sich eine bestimmte Sicht der Dinge durchsetzt. In der Anlage des Konzeptes werden die Durchsetzungschancen dabei nicht einseitig vom Willen und der Ressourcenbasis eines exponierten Sprechers abhängig gemacht, sondern sind ebenso an dessen strategisches Geschick und weitere Kontextfaktoren, etwa die Zusammensetzung der übrigen Sprecher und des Auditoriums, gebunden.

Wenn im Folgenden von einer „Versicherheitlichung" gesprochen wird, werde ich den Begriff in diesem Sinne benutzen, aber in zweierlei Hinsicht vom ursprünglichen Konzept abweichen. Zum Einen - und entgegen Barry Buzan, Ole Wæver und Jaap de Wilde - lege ich das Hauptaugenmerk nicht auf die Exzeptionalität der Situation, die angesichts der existentiellen Bedrohung aus Sicht der Autoren zu einer entpolitisierten Situation der „Versicherheitlichung" führt (ebd.: 21). Wo also im Konzept der Kopenhagener Schule Versicherheitlichung in eine Ausnahmesituation à la Carl Schmitt[3] mündet, in der gerade die Maßnahmen jenseits der politischen Tagesroutine, über die „nicht mehr gestritten werden darf" (ebd.: 29), von Interesse sind, steht hier im Folgenden inkrementeller Wandel von politischen Strategien im Rahmen normaler Politik im Blickpunkt. Sowohl in puncto analytischem Interesse am politischen Prozess als auch mit Blick auf das Bezugsobjekt der Versicherheitlichung - eine sich verändernde Politik anstatt eines Gefahrenbündels - liegt den hiesigen Ausführungen zufolge eine eher lose Verwendung des Konzeptes zugrunde.

Zum Zweiten, und in Anlehnung an jüngere Arbeiten zur „Versicherheitlichung" (vgl. Balzacq & Burgess 2010) werde ich mich stärker für eine soziologische Perspektive interessieren, anstatt primär auf (sprach‑)philosophischem Terrain zu argumentieren. Wie Thierry Balzacq dahingehend ausführt, ist es eben von entscheidender Bedeutung, wie sich diskursive Anstrengungen und Dynamiken in bestimmten sozialen Kontexten, auf Akteure, Institutionen und deren Handlungen niederschlagen (Balzacq 2010a: 1f, 15ff; vgl. ähnlich: Pospisil 2009: 31). Dabei ist sinnvoller Weise der Bereich politischer Programmatik nicht auszusparen, denn Versicherheitlichung vollzieht sich in ihrer intersubjektiven Dimension zunächst im Sprachlichen. Begrifflich-programmatischen Veränderungen der Rahmung des Politikfeldes „Entwicklungspolitik" ist also Aufmerksamkeit zu schenken, durchaus im oben nach Kirschner zitierten Sinne als einer nachhaltig erfolgreichen Repräsentation eines Gegenstandes als sicherheitsrelevant.

Mit einer stärker soziologischen Wende der Analyse von Versicherheitlichungsprozessen ist aber eben auch angezeigt, dass diskursive (Re‑)Konstruktionen Handlungsfolgen zeitigen und den Handlungskontext für nachfolgendes Handeln strukturieren. M.a.W.: Versicherheitlichung birgt potenziell auch materielle Folgen - und diese sollten ebenso im Fokus der Untersuchungen stehen. Für Entwicklungspolitik könnte eine solche Folge etwa in der oftmals aus Reden und Grundsatzpapieren voreilig geschlossenen „Militarisierung" liegen. In der hier anschließenden Analyse wird also demzufolge weniger die für die Kopenhagener Schule und deren Rezeption zentrale Frage eine Rolle spielen, welche Erfolgsbedingungen für eine Versicherheitlichung jenseits etwa spürbarer und erfahrbarer Tatsachen identifiziert werden können (Buzan u.a. 1998: 24ff). Vielmehr interessiere ich mich für etwaige materielle Konsequenzen und Handlungsfolgen vorangegangener Redefinitionsprozesse. Zu diesen hatte die Kopenhagener Schule zunächst nicht viel mehr als den generellen Hinweis zu bieten, dass Akteure höchstwahrscheinlich unter den Bedingungen erfolgreicher Versicherheitlichung andere Handlungsspielräume - enger oder weiter - besäßen bzw. anders zu handeln hätten (ebd.: 30; s. auch: Buzan & Hansen 2009: 214, 217).

In Anwendung des Konzepts der Versicherheitlichung werden deshalb solcherart materielle Veränderungen im Folgenden als integrale Bestandteile von Versicherheitlichungsprozessen verstanden. Neben begrifflich-programmatischem Wandel - also einer neuen Rahmung des Sinns und der Form von Entwicklungspolitik ebenso wie des an sie gerichteten Anspruchs - wird der Wandel in der deutschen Entwicklungspolitik im Folgenden in vier weiteren Feldern zu erfassen gesucht:

1.        Lokale Allokationsmuster von Ressourcen öffentlicher EZ der Bundesrepublik Deutschland - mit der Ausgangshypothese, dass eine Versicherheitlichung zu einer deutlich sichtbaren Ressourcenverlagerung (ODA[4]) in Richtung sicherheitsrelevanter Empfängerländer geführt haben sollte;

2.        Sektorale Allokationsmuster: Versicherheitlichung müsste zu einem deutlichen Anwachsen sicherheitsbezogener Ausgabenbudgets - aus dem ODA-Topf - geführt haben;

3.        Institutionelle Re-Organisation und Reform: Versicherheitlichung sollte einen institutionellen Umbau der Architektur öffentlicher EZ nach sich gezogen haben;

4.        Kompetenzverlagerungen in der öffentlichen Entwicklungspolitik: Versicherheitlichung sollte, dem US-amerikanischen Muster folgend, eine deutliche Verschiebung des jeweiligen ODA-Anteils zugunsten traditioneller sicherheitspolitischer Akteure bewirkt haben.

Auf Basis einer empirischen Untersuchung von Entwicklungstendenzen in diesen vier Dimensionen ließe sich dann ableiten, inwieweit tatsächlich von einer „Versicherheitlichung" jenseits allein politischer Rhetorik und Programmatik zu sprechen ist. Je stärker die aufgestellten Hypothesen Entsprechung in tatsächlichen Veränderungen finden bzw. je mehr der angesprochenen Dimensionen solchen Wandel abbilden, desto eindeutiger ließe sich eine Versicherheitlichung der deutschen EZ behaupten.

Programmatischer Wandel in Richtung Versicherheitlichung

Diskursive Versicherheitlichung bereits vor 9/11

Balzacq (2010b: 42) ist zweifelsohne zuzustimmen: Die Erforschung andauernder oder sich gerade entfaltender Prozesse der Versicherheitlichung ist - im wissenschaftlichen Sinne - ein riskantes Unterfangen. Die Datenlage ist oftmals sowohl überbordend („Texte") als auch dünn (nicht-textbezogene Fakten im engeren Sinne), und der Zugang zu den relevanten Daten ist nicht durchweg einfach bzw. die vorliegenden Daten sind nicht ohne Weiteres zu gebrauchen. Gerade im Hinblick auf sicherheitspolitische Themen tritt die Schwierigkeit hinzu, dass eine Vielzahl der relevanten Akteure entweder kaum willens ist, über intentional vorangetriebene Anstrengungen auf eine Versicherheitlichung hin aufzuklären oder aber über bereits eingetretene Versicherheitlichung öffentlich kritisch nachzusinnen.

Dennoch lässt sich mit Blick auf die etwaige Versicherheitlichung der deutschen Entwicklungspolitik zunächst behaupten, dass diese in ihrer diskursiven Dimension, also auf der begrifflich-programmatischen Ebene, bereits gut aufgearbeitet vorliegt. Diese Aufarbeitung verengt sich nicht auf medial berichtete und öffentlich kontrovers diskutierte Vorschläge des derzeitigen politischen Personals, sondern blickt auf eine vergleichsweise lange Vorgeschichte der sicherheitspolitischen Umdeutung zurück. Wie verschiedene, diskursanalytisch orientierte Arbeiten verdeutlichen (Ziai 2007; Pospisil 2009), reicht die Annäherung des entwicklungspolitischen Engagements an sicherheitspolitische Agenden im deutschen Fall wenigstens bis in die 1980er Jahre zurück. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang der sogenannte Brandt-Report der Nord-Süd-Kommission aus dem Jahre 1980, der Friedenssicherung als eine der entwicklungspolitischen Kernaufgaben definierte und einen nachhaltigen Effekt gerade auf die Debatte in der Bundesrepublik besaß (Pospisil 2009: 238).

Auch wenn angesichts häufigen Ämterwechsels im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in den nachfolgenden Jahren durchaus unterschiedliche Akzentuierungen vorherrschten, so hat sich die Vorstellung von entwicklungspolitischen Maßnahmen (struktureller wie situativer Natur) als konfliktpräventiver Politik seitdem in der entwicklungspolitischen Community erhalten. Im Allgemeinen außenpolitischen Portfolio der alten Bundesrepublik spielte dieser Gedanke auch deswegen eine Rolle, weil er es ermöglichte, unter Vermeidung einer offensiv militärischen Komponente internationale Einflussmöglichkeiten zu sichern (ebd.: 243-244).

Seit Mitte der 1990er Jahren war darauf aufbauend eine regelrechte Konjunktur des Begriffes „Konfliktprävention" in entwicklungspolitischen Zirkeln zu verzeichnen (vgl. Fahrenhorst & Musto 2002; Bohnet 2004; Schulte 2004). Diese ging mit der Erweiterung einher, Krisen‑ und Konfliktprävention nun durchaus als Querschnittsaufgabe von Außen‑, Sicherheits‑ und Entwicklungspolitik zu verstehen. „Konfliktprävention" bezeichnete dabei ursprünglich zwei Dinge: (1) die Bekämpfung struktureller Ursachen für gewalthaltigen Konfliktaustrag vermittels einer Besserung sozio-ökonomischer und politischer Lebensbedingungen und (2) die Etablierung von Mechanismen nicht gewalthaltigen Konfliktaustrags in den betreffenden Gesellschaften (vgl. Fahrenhorst & Musto 2002: 179). Nicht zuletzt die Aufnahme des BMZ in den Bundessicherheitsrat 1999 symbolisierte die erfolgreiche Etablierung dieses thematischen Zusammenhanges (s. dazu auch Kap. Sektorale Allokationsmuster..., S. 221ff). Auch wenn der einschneidendste sicherheitsrelevante Wandel des deutschen Entwicklungsdiskurses während der vergangenen Dekade darin liegen mag, dass gerade im Nachgang zu den Terroranschlägen des 11. September 2001 Konfliktprävention als ein prinzipieller Fokus von EZ festgeschrieben wurde (vgl. Schulte 2004: 118ff), so ist diese Entwicklung nicht ohne die geschilderte Vorgeschichte zu erklären. Die Prominenz des Konzeptes „Krisenprävention" ihrerseits war dabei nicht zuletzt dem Versuch geschuldet, substantielle EZ-Budgets aufrechtzuerhalten und in der Situation interministeriellen Konflikts ebenso wie generell in einem schwierigen innenpolitischen Umfeld Akzeptanz für Entwicklungspolitik zu schaffen (vgl. Ziai 2007: 126). Insofern setzt die programmatische Versicherheitlichung der deutschen Entwicklungspolitik deutlich vor dem US-amerikanischen „Globalen Kampf gegen Terror" und der in dessen Dunstkreis popularisierten Debatte um Staatszerfall und Stabilitätsexport an (vgl. u.a. Patrick & Brown 2007).

Der weiteren Versicherheitlichung der deutschen EZ infolge der Anschläge des 11. September 2001 war somit in gewisser Weise der Boden durch die Orientierung auf Konfliktprävention bereits bereitet.[5] Ebenjene Vorstellung von Entwicklungspolitik maßgeblich als krisenpräventiver Maßnahme hat sich überdies als enorm anschlussfähig an den sogenannten „erweiterten" bzw. umfassenden Sicherheitsbegriff erwiesen, der in der Bundespolitik in der vergangenen Dekade zu einer Konsensvorstellung geworden ist. Auch wenn die entsprechenden Grundsatzdokumente - etwa der Aktionsplan der Bundesregierung „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" (2004), das vom Verteidigungsministerium herausgegebene Weißbuch zur Sicherheitspolitik (BMVg 2006) oder auch das Weißbuch zur Entwicklungspolitik (BMZ 2008) - abgeschottet voneinander entwickelt wurden (Stengel & Weller 2010: 99), so sprechen aus ihnen dennoch ganz ähnliche Überlegungen zu Grundfragen der Sicherheit. Dies betrifft vor allem die Ausweitung der Vorstellung von „Sicherheit" und „sicherheitsrelevanten Tätigkeitsfeldern".

Afghanistan als Testfall: Versicherheitlichung plus

Die offizielle deutsche Entwicklungspolitik der vergangenen Dekade - zunächst bis zum Regierungswechsel 2009 - zeichnete sich, gerade was ihre sicherheitspolitische Ausdeutung anbetraf, durch die folgenden diskursiven Rahmungen aus. Zwar betonte die ehemalige Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul mehrfach, u.a. später an prominenter Stelle in ihrer Regierungserklärung im Mai 2003, dass Entwicklungspolitik die „kostengünstigste Sicherheitspolitik" sei. Sie schränkte aber im Angesicht des aufziehenden Irak-Krieges der USA zugleich ein, dass politische Lösungen und Armutsbekämpfung die probaten Mittel seien, nicht militärisches Vorgehen (Wieczorek-Zeul 2002). Ein solches Plädoyer für die zivile Ausgestaltung auch einer sicherheitsorientierten Entwicklungspolitik, unter teilweise dezidierter Militärkritik, kennzeichnete dabei zunächst den von ihr verfochtenen Ansatz. Ironischer Weise beförderte dieser aber letztlich keineswegs eine strikte Trennung von ziviler EZ und militärischer Sicherheitspolitik. Im Gegenteil, eine schleichende Verwischung der Grenzen beider Politikfelder und eine fortschreitende Priorisierung sicherheitspolitisch-militärischer „Notwendigkeiten" bilden die markanten Charakteristika der Einbindung der EZ in Afghanistan.

Gerade angesichts der Bildung zivil-militärischer Wiederaufbauteams unter deutscher Führung und unter Beteiligung des BMZ in Afghanistan (2003/4)[6] belegen, dass es zu einem schleichenden Auseinanderklaffen von nachdrücklich betonter Präferenz für zivile Mittel der Konfliktprävention und der faktischen operativen Wirklichkeit von EZ im Kontext gewalthaltigen, militarisierten Konfliktaustrags kam. Dies bedeutete keineswegs eine Abkehr von der zivilen Orientierung der offiziellen deutschen Entwicklungspolitik: Das BMZ-Weißbuch 2008 weist zivilen Instrumenten nachdrücklich den Primat gegenüber militärischen zu und kritisiert diese u.a. wiederum aufgrund deren Kostenintensität (BMZ 2008: 117, 119). Ebenso bemühte sich das BMZ seit 2004 wiederholt und umfassend, den zivilen Charakter seiner Aufbauanstrengungen in Afghanistan zu verdeutlichen (Online-Newsletter des BMZ 1/2004; 10/2006; 6/2007, 6/2009). Gerade aber die eher leisen Verschiebungen in den offiziellen Verlautbarungen verdeutlichen, dass die ursprüngliche Distanz des BMZ zu militärisch verstandener Sicherheitspolitik mehr und mehr aufweichte. 2003 sprach die damalige Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul angesichts globaler Rüstungsausgaben noch von „obszöner Verschwendung" (Online-Newsletter des BMZ 3/2003), sechs Jahre später betonte das Ministerium angesichts der Vorstellung des Friedensgutachtens 2009, dieses bestätige den Ansatz des BMZ, es sei in Afghanistan nicht nur (!) militärisch für Sicherheit zu sorgen (Online-Newsletter des BMZ 6/2009).

Zwar muss betont werden, dass Afghanistan und die dortige zivil-militärische Kooperation im Rahmen von zwei PRTs (Provincial Reconstruction Teams) bzw. einem PAT (Provincial Advisory Team) insgesamt gesehen noch einen Ausnahmefall für die deutsche EZ bedeuten. Und es stimmt zweifelsohne, dass seitens des Ministeriums über Jahre hinweg mantraartig betont wurde, die Unabhängigkeit der entwicklungspolitischen Akteure müsse gewahrt bleiben (Online-Newsletter des BMZ 6/2004; 10/2005). Dennoch wurde eine zunehmende Ko-Optation der deutschen Entwicklungspolitik durch traditionelle sicherheitspolitische Akteure nicht zuletzt angesichts der sich dramatisch verschlechternden Sicherheitslage ab 2006 auch auf semantischer Ebene deutlich. Nun wurde seitens des Ministeriums des Öfteren die Notwendigkeit der „flankierenden Unterstützung durch die Truppen" betont (Online-Newsletter des BMZ 12/2006). Analytisch lässt sich daraus schlussfolgern: Die dezidierte, sachlogische wie institutionelle Verknüpfung von sicherheits‑ und entwicklungspolitischen Belangen im Rahmen der deutschen Beteiligung an Anti-Terror-Maßnahmen hat die Distanznahme der öffentlichen Entwicklungspolitik gegenüber militärischen Akteuren nachgewiesenermaßen zunehmend erschwert.

Auf dem Feld der Bedeutungsprägung lässt sich somit angesichts des Eintretens für „vernetzte Sicherheit", das der 2009 ins Amt berufene Entwicklungsminister der schwarz-gelben Bundesregierung Niebel im Sinne einer Verfolgung „gemeinsamer Ziele" ebenso wie einen unverkrampfteren Umgang mit der Bundeswehr nachdrücklich bewarb (BMZ 2010a; SZ 2009), kein substanzieller, eher ein gradueller Bruch konstatieren. Dass dem so ist, kann im Endeffekt auch als Ergebnis der eingangs beschriebenen Prozesse inkrementeller Versicherheitlichung betrachtet werden. Sowohl die Ausrichtung der EZ auf krisenpräventive Ziele seit den 1990ern wie auch die Beteiligung der deutschen Entwicklungspolitik im Rahmen des Afghanistan-Einsatzes haben hier sozialisierend gewirkt.

Dies bedeutet im Umkehrschluss keineswegs, dass sich seit dem Regierungswechsel 2009 nichts in Bezug auf das Engagement der deutschen EZ in Afghanistan verändert hätte. So weist die jüngst im Entwicklungsministerium getroffene Einschätzung, man wolle den zivilen Aufbau in Afghanistan stärken, damit die Bundeswehr möglichst bald nach Hause kommen könne (FocusOnline 2010), auf einen nochmals veränderten Anspruch an den Beitrag deutscher EZ hin. Dennoch muss konstatiert werden: Dass der deutsche Entwicklungsminister sich derzeit solche Gedanken - als Entwicklungsminister - machen kann, ist ohne den programmatischen Wandel der Entwicklungspolitik hin zu „präventiver Sicherheitspolitik" seit mehr als zwei Jahrzehnten kaum zu erklären. Lassen sich aber nun, wie oben beschrieben, Handlungsfolgen der Versicherheitlichung deutscher Entwicklungspolitik jenseits der semantischen Ebene aufzeigen?

Handlungsfolgen des programmatischen Wandels

Lokale Allokationsmuster der öffentlichen deutschen EZ

Die Entscheidung, welchen Ländern auf bilateralem Wege öffentliche Entwicklungsgelder zufließen, ist nicht trivial - sie stellt im Gegenteil einen plausiblen Indikator für die Schwerpunktsetzung nationaler Politikformulierung und versuchte Einflussnahme andernorts dar (vgl. Schrade 1997). Auch wenn eine Versicherheitlichung von Entwicklungspolitik entlang der oben geschilderten Linien sich nicht zwangsläufig oder ausschließlich in bilateralen Ressourcenflüssen niederschlagen muss, so erscheint doch erwartbar, dass sich gewandelte Geberorientierungen und ‑kalküle dort ablesen lassen sollten. Dies kann im Übrigen mit Verweis auf die unter OECD-Kriterien als „offizielle Entwicklungshilfe" (ODA) abrechenbaren Aufwendungen seitens der Vereinigten Staaten in Afghanistan und im Irak maßgeblich seit 2003 gezeigt werden (vgl. Brand 2010: 66). Für den deutschen Fall wäre dementsprechend - in Folge der zunehmenden rhetorischen Versicherheitlichung - ebenso ein Wandel des lokalen Allokationsmusters in Form eines stärkeren Mittelflusses hin zu sicherheitsrelevanten Empfängerregionen zu erwarten. Die „Sicherheitsrelevanz" kann dabei sowohl auf dem Umstand beruhen, dass die Bundeswehr vor Ort militärisch im Rahmen von Friedensmissionen engagiert ist (Bsp. Afghanistan bzw. - mit der Einschränkung, dass der Einsatz vor der Küste erfolgt - Djibouti) oder aber darauf, dass ein Empfängerland aufgrund seiner Instabilität als zunehmend sicherheitsgefährdend eingestuft wird (Bsp. Jemen[7]). Demgegenüber könnte sich hypothetisch - drastische Mittelsteigerungen ausgeschlossen - der Mittelzufluss zu den klassischen Empfängerländern der mittleren Einkommensgruppe (Bsp. China) bzw. der ärmsten Länder (Bsp. Burkina Faso, wo weder nennenswerte sicherheitspolitische noch außenwirtschaftliche Interessen bestehen) verringert haben. Ein Blick auf die offiziellen Statistiken der OECD für genannte Länder weist hingegen nur in Teilen die erwarteten Tendenzen aus (Tab. 1, S. 220).

Tab. 1: Deutsche ODA-Leistungen, nach Empfängerland, für den Zeitraum 2000-2009, in Mio. US$ (heutiger Gegenwert)

Jahr

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

Afghanistan

10,6

44,1

92,6

82,1

75,1

99,2

118

217,2

294

337,3

Djibouti

0,3

0,1

0,03

0,6

0,3

0,4

0,1

0,3

0,2

1,1

Jemen

31,8

27,3

28,4

33

35,8

41,8

41,4

60,8

67,2

82,9

China

212,8

163,8

149,9

152,2

260,5

255,1

244,9

289,3

411,9

340,9

Burkina Faso

22,2

23,6

19,4

28,8

38,5

29,7

29,5

29,9

44,92

47,5

nach OECD Aid Statistics [http://www.oecd.org/document/16/0,3746,en_2649_34447_42396496_1_1_1_1,00.html], bilaterale Mittelflüsse (Auszahlungen - disimbursements), ohne sonstige „öffentliche Mittelflüsse" (OOF), Stand: Januar 2011

Signifikant sind demnach die Mittelaufwendungen für die deutsche EZ in Afghanistan gestiegen[8], wobei sich 2009 das Niveau immer noch geringfügig unter dem des Mittelflusses nach China bewegte (für das 2010 allerdings das Ende der klassischen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit annonciert wurde). Ebenso sind die ODA-Aufwendungen für Jemen gestiegen, wobei hier aufgrund der langen Tradition deutscher EZ im Wasser‑ und Bildungsbereich nicht umstandslos auf Sicherheitsimplikationen im klassischen Sinne geschlossen werden kann. Jenseits aller primär sicherheitspolitischen Erwägungen wurde andererseits - auf geringerem Niveau freilich - auch der Mittelzufluss zu klassischen Empfängerländern wie Burkina Faso erhöht. Im Umkehrschluss scheint regionale Präsenz der Bundeswehr zumindest bis 2009 kein verlässlicher Indikator für ODA-Mittelsteigerungen zu sein, wie der Fall Djibouti zeigt.

Dies spricht auf den ersten Blick zumindest nicht für einen umfassenden Verdrängungswettbewerb, der weniger sicherheitsrelevante Regionen in Folge der beschriebenen diskursiven Versicherheitlichung hat bedeutungslos werden lassen. Dennoch sind die Zahlen insofern mit Vorsicht zu betrachten, als zum Einen zeitliche Verzögerungseffekte vorliegen können, und akzentuierter Wandel sich erst ab 2010 bzw. 2011 - nach dem projektierten Auslaufen der ODA-Mittel für China etwa - in den Allokationsmustern abbilden mag. Zum Anderen taugt die oben beschriebene semantische Versicherheitlichung der Entwicklungsproblematik ja gerade dazu, vor dem Hintergrund eines erweiterten Sicherheitsbegriffes eine Vielzahl von Entwicklungsproblematiken als potentiell sicherheitsrelevant auszuweisen. Insofern etwa mögen Mittelflüsse stabil bleiben oder anwachsen, wiewohl das Kalkül sich geändert haben mag (nunmehr: „sicherheitsrelevante" Ausgaben, Stabilitätsexport usw.).

Sektorale Allokationsmuster - Mehr EZ-Mittel für Sicherheitspolitik?

An dieser Stelle mag ein Blick auf gegebenenfalls veränderte sektorale Allokationsmuster weiterhelfen. Auch wenn sich, wiederum hinsichtlich der seitens der OECD geführten Statistiken eine Vielzahl möglicher Probleme diskutieren lässt (s. dazu unten): Die Deklaration der inhaltlichen Bestimmung einzelner Anteile des EZ-Budgets ist ein Zeichen für politische Prioritätensetzung. Sie ist es überdies nicht nur im Hinblick auf die verschiedenen Einsatzgebiete von ODA, sondern auch generell mit Blick auf den Ressourcenaufwand für EZ, den sich die OECD-Staaten heutzutage leisten. Angesichts knapper Kassen und teils horrender Verschuldung trifft nicht nur die Höhe des Entwicklungsbudgets, sondern auch dessen Begründung eine Aussage, wie der Fall des zuletzt beschlossenen Sparhaushalts in Großbritannien zeigt. Trotz geplanter Einsparungen von ca. 83 Mrd. £ und Steuererhöhungen im Umfang von etwa 29 Mrd. £ sowie der Streichung von durchschnittlich 19 Prozent des Etats der übrigen Ministerien wird der Haushalt des dortigen Entwicklungsministeriums (DfID) bis 2014/5 um ca. 35% steigen! Wie lässt sich diese außerordentliche, entgegen gängigen Trends verlaufende Entwicklung erklären? Wohl nur mit dem Verweis auf die notwendige Sicherung britischer Sicherheitsinteressen vermittels entwicklungspolitischer Maßnahmen, für die der britische Entwicklungsminister wirbt (Mitchell 2010) und die bereits im Vorfeld des Haushaltsentwurfes als auch nach dessen Vorliegen seitens der Zivilgesellschaft scharf angegriffen wurde (Independent 2010, Guardian 2010).

Mit Blick auf die deutsche EZ und die in der vergangenen Dekade dafür aufgewandten Mittel wäre dementsprechend zu erwarten, dass sicherheitsnahe Kategorien wie etwa der OECD-Titel 152 („Konfliktprävention") einen deutlichen Zuwachs erfahren haben, während sicherheitsferne Kategorien wie etwa „Landwirtschaft" deutlich eingebüßt haben könnten. Wiederum belegen die Zahlen einen solchen Trend nicht eindeutig, sie widersprechen ihm zum Teil deutlicher als noch die Zahlen zu lokalen Verteilungsmustern (Tab. 2, S. 222).

Tab. 2: Deutsche ODA-Leistungen, nach einzelnen Kategorien geordnet, für den Zeitraum 2000-2009, in Mio. US$ (heutiger Gegenwert)

Jahr

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

ODA, gesamt

5.030,1

4.989,5

5.339,2

6.784,2

7.534,2

10.082,1

10.434,8

12.290,6

13.980,9

12.079,3

ODA bilateral, gesamt

2.686,7

2.853,4

3.327,8

4.059,9

3.822,6

7.446,8

7.034

7.949,8

9.062,7

7.096,7

ODA

Government & Civil Society (Oberkategorie für Konfliktprävention)

163,4

195,3

243,7

365,1

420,5

499,4

676,9

983,9

1.216,4

1.391,8

ODA

Konfliktprävention*

./.

./.

./.

./.

./.

116,8

107,2

160,6

282,9

399,8

ODA

Landwirtschaft

75,8

106,3

119,9

98,1

147,4

167,6

326,4

186,3

187

276,3

ODA

Schuldenerleichterungen

85,8

189

1.229

1.372,2

819,3

3.946,8

3.033,8

2.994,4

3.289,7

151,3

nach OECD Aid Statistics; angekündigte bilaterale Mittelflüsse (commitments), ohne sonstige „öffentliche Mittelflüsse" (OOF), Stand: Januar 2011 (* erst ab 2005 gesondert erhoben)

Was sich bei aller gebotenen Vorsicht erkennen lässt, sind in der Tat substantielle Mittelaufwüchse für Konfliktprävention im engeren Sinne sowie für politische und zivilgesellschaftliche Stabilisierungsmaßnahmen im Allgemeinen.

Dennoch kann auf Basis der vorliegenden Zahlen auch hier anscheinend nicht von einer umfassenden Verdrängungsdynamik gesprochen werden. Aus diesem Grunde erweist sich auch der Blick auf Vergleichskategorien wie die Ausgaben für „Landwirtschaft" - ebenso ließen sich die Zahlen für den Gesundheitsbereich oder humanitäre Hilfe anführen - als aufschlussreich. Für im engeren Sinne sicherheitsfernere Bereiche geht die Versicherheitlichung der deutschen Entwicklungspolitik bisher nicht mit drastischen Mitteleinbußen einher. Zwar ließe sich einwenden, dass durch den Einsatz der Mittel in sicherheitsnahen Bereichen weniger Ressourcen in andere Sektoren fließen. Es ist wohl aber vielmehr so, dass punktuelle Mittelsteigerungen nur unter Verweis auf Sicherheitsgefährdungen möglich sind oder aber sicherheitsnahe Maßnahmen nunmehr unter DAC-Kriterien abrechenbar sind und daher gern mit als Mittel der EZ verrechnet werden.[9]

Solcherart Kalkulationen werden auch dort offenbar, wo im Rahmen zivil-militärischer Kooperation nicht-zivile Maßnahmen aus Mitteln finanziert werden, die ursprünglich dem BMZ-Etat entstammten. Zentraler Referenzpunkt der Debatte ist hier sicherlich die vieldiskutierte Entnahme von Mitteln aus dem Europäischen Entwicklungsfonds für die sog. Peace Facility for Africa (vgl. Ziai 2007: 214). Diese Grauzonen, ebenso wie die im Rahmen der Sicherheitssektorreform nunmehr als ODA abrechenbare sicherheitspolitische Beratung im Vorfeld der Erstellung nationaler Sicherheitskonzepte (Wagner & Die Linke 2008: 31) verdeutlichen, dass ein Blick in die OECD-Datenbank unter Verwendung der dortigen Kategorien seine Grenzen für hier verfolgte Zwecke aufweist.[10] Dennoch lässt sich mit dem dortigen Zahlenwerk aufzeigen, dass die „Versicherheitlichung" der deutschen Entwicklungspolitik zumindest wesentlich subtilere Wege geht als in den Vereinigten Staaten, und dass der bisweilen befürchtete Verdrängungswettbewerb zwischen einzelnen Sektoren der EZ bisher nicht auf breiter Front eingesetzt hat.

Institutioneller Umbau als Folge von Versicherheitlichung?

Erwartbar, so die dritte oben beschriebene Hypothese, könnte mit Blick auf die zunehmende Versicherheitlichung der Entwicklungspolitik weiterhin ein sichtbarer Umbau ihres institutionellen Kontextes sein. Und in der Tat lässt sich, oberflächlich betrachtet, die externe Einbindung des BMZ in den Bundessicherheitsrat als ein ebensolcher, sicherheitspolitisch motivierter Wandel in der Organisation verstehen. Zum Zeitpunkt des Geschehens - 1998, unter der rot-grünen Bundesregierung und im Fahrwasser der thematischen Konjunktur von „Konfliktprävention" - wurde er dementsprechend auch als ein „starkes Signal" der politischen Aufwertung des Ministeriums gefeiert (Eid 1999). Eine Dekade nach dieser Organisationsentscheidung ist die Euphorie allerdings nüchternen Einschätzungen gewichen, zumal im Hinblick auf die Einflusschancen und Abstrahleffekte des BMZ auf die übrigen sicherheitspolitischen Akteure (vgl. Maihold 2010). Auch wenn die strenger Geheimhaltungspflicht unterliegenden Treffen des Bundessicherheitsrats schlecht in den dort ablaufenden Gesprächsdynamiken zu erforschen sind, so sind die Beweise für die Durchsetzungsfähigkeit des BMZ eher dünn gesät. Dies gilt u.a. hinsichtlich einer etwaigen „Zivilisierung" der Rüstungsexportkontrolle, für die sich allenfalls spärliche Indizien finden lassen (vgl. Ziai 2007: 227ff). Anekdotische Evidenz belegt zudem, dass auch in naheliegenden Entscheidungen auf Arbeitsebene solcherart interministerielle Koordination kaum bedeutende, vom BMZ ausgehende Abstrahleffekte zeitigte. So bemerken Frank A. Stengel und Christoph Weller (2010: 98) mit Blick auf den Ressortkreis Zivile Krisenprävention, dessen Einrichtung nicht zuletzt auf Empfehlungen des Bundessicherheitsrats fußte, dass sich das BMZ mit seinem bereits bewährten Krisenfrühwarnmechanismus nicht gegenüber anderen Ministerien, die keinesfalls leistungsfähigere Systeme zur Hand hatten, durchzusetzen vermochte. Es ist dabei angesichts der zugänglichen Fakten müßig darüber zu streiten, ob das BMZ durch seine Aufnahme in den Bundessicherheitsrat stärker in den Bann traditioneller sicherheitspolitischer Überlegungen gezogen wurde oder in der Tat gesteigerte Einflusschancen gegenüber anderen Ministerien und Behörden besaß. Der wahrscheinlich wichtigste Abstrahleffekt bleibt damit der generell intensivierte Kontakt der einzelnen Ministerien auf der Arbeitsebene, nicht zuletzt etwa die wechselseitige Entsendung von Kontaktbeamten zwischen Entwicklungs‑ und Verteidigungsministerium.

In puncto interner Organisationsreform - wahrlich ein Dauerbrenner in der Geschichte deutscher Entwicklungspolitik[11] - lassen sich die sicherheitsrelevanten Neuerungen der letzten Dekade allerdings an einer Hand abzählen.[12] Zwei dieser Organisationsentscheidungen im sicherheitsnahen Bereich datieren bereits aus den Jahren 1999 bzw. 2001, als mit dem Zivilen Friedensdienst (ZFD) bzw. der Arbeitsgemeinschaft Friedensentwicklung (FriEnt) im Umfeld des BMZ neue Strukturen im Bereich ziviler Konflikt‑ und Krisenprävention geschaffen wurden. Mit der Gründung des ZFD wurde dabei ein Instrumentarium etabliert, mit dessen Hilfe ausgebildete Fachkräfte speziell in sicherheitsnahen Bereichen - u.a. Demilitarisierung/Rehabilitierung, Konfliktnachbereitung und Mediation - der deutschen EZ eingesetzt werden konnten; dies bedeutete im Umkehrschluss eine Stärkung der sicherheitspolitischen Perspektive in der Arbeit des BMZ. Seit Programmbeginn wurden so bis Ende des Jahres 2009 insgesamt 583 Fachkräfte in 50 Länder entsandt, der diesbezügliche Mittelaufwand wird mit knapp unter 150 Mio. € beziffert (Bundesregierung 2010: 66). FriEnt stellt hingegen eine Informationsplattform dar, auf der das BMZ, Akteure aus den Durchführungsorganisationen sowie zivilgesellschaftliche Akteure unter Einschluss der Wissenschaft ihre Wissensbestände und Erfahrungen zu Fragen der Konfliktprävention und ‑bearbeitung austauschen und sich untereinander vernetzen. In diesem Sinne dient FriEnt als herausgehobenes Beispiel der Einbeziehung auch nicht-staatlicher Akteure seitens der öffentlichen Entwicklungspolitik (Stengel & Weller 2010: 101). Im zehnten Jahr ihres Bestehens ist es hingegen etwas ruhiger um die nach wie vor bestehende Arbeitsgemeinschaft geworden, was als Indiz für eine Schwerpunktverlagerung weg von der ehemals dezidiert zivil (anti-militärisch) orientierten politischen Linie des BMZ gedeutet werden könnte.

Die sichtbarste organisatorische Veränderung der Organisation deutscher Entwicklungspolitik in der jüngeren Zeit ist die Bildung der Abteilung 4 im BMZ - u.a. zuständig für Südosteuropa, den Nahen Osten sowie Afghanistan/Pakistan -, die nach dem Regierungswechsel 2009 erfolgte. Dabei ist anzumerken, dass die Schaffung der vierzügigen Struktur in erster Linie einer Neugruppierung bereits vorhandener Referate entspricht. Das Referat 400 für „Frieden und Sicherheit" beispielsweise existierte vorher in ähnlicher Form als Referat 210. Es war allerdings vor allem der regionale Zuschnitt der neuen Abteilung 4, der entweder die Lesart der Bildung eines „Krisen‑ und Konfliktschwerpunktes" - Afghanistan/Pakistan, Naher Osten - oder eines „Bundeswehr-nahen" regionalen Schwerpunktes - unter Einbeziehung von Südosteuropa - ermöglichte. Letztgenannte Interpretation dürfte dabei im linken politischen Spektrum vor allem deswegen aufgegriffen worden sein, als der Posten des Abteilungsleiters mit Oberst a.D. Eggelmeyer besetzt wurde (IMI 2010; Schradi 2010; Weltsichten 2010). Dabei sollte allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die Re-Strukturierung der Referate die unter Rot-Grün eingeführte stärkere Verzahnung von Länder‑ und Sektorreferaten in den Abteilungen im Prinzip wieder ein Stück weit zu Gunsten einer stärker sichtbaren regionalen Orientierung aufhob. M.a.W.: Sie erfolgte nicht nach dem Prinzip einer umfassenden sektoral orientierten Reorganisation - wie sie etwa der Bildung eines „Sicherheitsreferats" entsprochen hätte. Dennoch scheint sich der Zuschnitt der neugeschaffenen Struktur und die Besetzung des Leitungspostens der Abt. 4 zumindest problemlos in den Kontext der geschilderten zunehmenden Versicherheitlichung einzufügen.[13]

Konkurrenz für das BMZ?

Schließlich bleibt danach zu fragen, ob sich angesichts der attestierten Verschmelzung entwicklungs‑ und sicherheitspolitischer Belange etwas an den Mustern der Kompetenzverteilung im Bereich öffentlicher Entwicklungspolitik geändert hat. Wiederum ist der Blick in die Vereinigten Staaten instruktiv. Zwar lässt sich dort belegen, dass Auslandshilfe inklusive der Entwicklungshilfeleistungen historisch schon immer eine Angelegenheit vieler Ministerien und Behörden gewesen ist (Patrick 2007: 14).[14] Das Wachstum gerade Entwicklungshilfe-bezogener Programme des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums in den 2000er Jahren ist allerdings selbst in diesem Kontext beispiellos. So vervierfachte sich der Anteil US-amerikanischer ODA-Mittel (nach OECD-Kriterien, also ohne direkte Militärhilfe!), die über das Pentagon verwaltet wurden, zwischen 2002 und 2005 von 5,6 auf 21,7% (ebd.). Dies, ebenso wie die Schaffung zusätzlicher entwicklungspolitischer Programme, hat dazu geführt, dass die eigentliche US-Entwicklungsbehörde USAID Mitte der 2000er Jahre nur noch lediglich 55% zum Gesamtaufkommen an ODA beitrug. Zum Vergleich: trotz der vorhin beschriebenen deutlichen sicherheitspolitischen Aufwertung der britischen Entwicklungspolitik wird das dortige Ministerium DfID nach wie vor etwa 90% der ODA-Mittel administrieren. Dies zeigt an, dass Versicherheitlichung nicht notwendiger Weise zu einem Bedeutungsverlust des für Entwicklungsfragen zuständigen Ministeriums, gemessen im Anteil am Gesamt-ODA-Aufkommen, führen muss. Im Umkehrschluss heißt es aber: Die Verlagerung entwicklungspolitischer Kompetenz in Form der Verwaltung einschlägiger Programme und Mittel hin zu traditionell sicherheitsnahen Ministerien wäre ein deutlicher Indikator für die Tiefe einer vonstattengehenden Versicherheitlichung.

Was lässt sich über den deutschen Fall sagen? Auch wenn die ODA-Aufwendungen in der letzten Dekade nahezu konsequent gestiegen sind, so bedeutet dies noch nicht automatisch, dass die Bedeutung des Entwicklungsressorts zugenommen hat (vgl. Schorlemmer 2009: 8-10). Neben 13 anderen, bei der Abrechnung deutscher EZ-Mittel relevanten Ministerien spielen auch die Bundesländer (Ausbildung/Studienplatzkapazitäten), die EU-Ebene und das Bundesvermögen (Schuldenerleichterungen) eine Rolle. Dennoch ergibt sich für den Zeitraum 1995-2007 in einer einschlägigen Studie (ebd.) der eindeutige Befund, dass das BMZ den weitaus größten Anteil an den ODA-Aufwendungen der Bundesrepublik besaß. Lediglich von 2004 bis 2007 wurde ein ebenfalls substanzieller Teil der Mittel über Schuldenerleichterungen realisiert, während in der Rangliste der nachfolgenden Ministerien mit deutlichem Abstand neben dem Auswärtigen Amt der Kulturstaatsminister und das Bundesforschungsministerium an der Spitze rangieren. Das Bundesverteidigungsministerium taucht im Untersuchungszeitraum der genannten Studie ab 2003 auf und verwaltete etwa 2006 knapp 30 Mio. € an ODA, was oberflächlich betrachtet einer Kompetenzverlagerung nach US-amerikanischem Muster im Anfangsstadium zu entsprechen scheint. Andererseits erübrigt sich das Nachdenken über solcherart vermeintliche Usurpierung der Entwicklungspolitik angesichts der Tatsache, dass der Anteil am Gesamt-ODA-Aufkommen damit zu keinem Zeitpunkt die Marke von 0,03% überstieg, jedenfalls im Untersuchungszeitraum bis 2007.

So ist denn das markanteste Untersuchungsfeld für eine schleichende Kompetenzverlagerung für EZ in Richtung traditioneller sicherheitspolitischer Akteure die bereits beschriebene zivil-militärische Zusammenarbeit in Afghanistan. In diesem Zusammenhang ist in der Literatur zwar auf die markanten Unterschiede zwischen dem deutschen und dem US-amerikanischen PRT-Modell, vor allem in puncto der vergleichsweisen Stärke der zivilen Komponente, hingewiesen worden (Klingebiel & Roehder 2004; Hoffmann 2007: 62; Runge 2009). Ebenso bemüht sich die Bundeswehr, darauf zu verweisen, dass sie im Gegensatz zu den Einsätzen auf dem Balkan für Afghanistan kein eindeutiges Mandat zum zivilen Aufbau bzw. zur Übernahme ziviler Aufgaben erhalten habe, sondern zusätzlich zu ihren Sicherungsaufgaben lediglich punktuell eine Art infrastrukturelle Nothilfe in Abstimmung mit dem BMZ anbiete (Cholet 2009; IMS 2009). Dennoch scheinen sich im Laufe der Zeit, angesichts der veränderten Sicherheitslage und wohl auch im Fahrwasser des Regierungswechsels in Deutschland 2009 die ursprünglichen Abgrenzungsbemühungen der deutschen EZ tendenziell aufzulösen. Manifest waren sie historisch in der nach außen auch so kommunizierten räumlichen Trennung vom Bundeswehrkontingent - statt vom Truppenlager aus zu arbeiten wurde etwa ein „Deutsches Haus für Entwicklungspolitik" in Kunduz bezogen. Spätestens die veränderte Sicherheitslage ab Mitte der 2000er Jahre und die veränderte politische Linie im BMZ seit 2009 haben aber zu einer deutlichen Intensivierung der, auch räumlichen, Kontakte zwischen zivilen und militärischen Akteuren geführt. So unterhalten die Mitarbeiter des BMZ bereits seit mehreren Jahren sowohl ein Büro in der Stadt Kunduz als auch im Militärcamp, wobei sich mit zunehmender Verschärfung der Sicherheitslage vor Ort der Schwerpunkt der Tätigkeit allein aus Schutzgründen aus der Stadt weg verlagert hat.

Was Stephan Klingebiel einstmals im Abstrakten beschrieben hat - die logische Ausweitung der Schnittstellen zwischen entwicklungspolitischen und militärischen Akteuren, damit auch tendenziell das Verwischen der Grenze zwischen zivilem und militärischem Agieren sowie der einstmals separaten Finanzierungswege (Klingebiel 2006) - kann somit anhand der zivil-militärischen Kooperation in Afghanistan praktisch illustriert werden. Darüber hinaus gilt: In dem Maße, wie die Ankündigung des Entwicklungsministers Niebel, die Vergabe eines Teils[15] der aufgestockten Mittel aus dem Afghanistanetat seines Ministeriums an Kooperation mit der Bundeswehr zu koppeln[16], umgesetzt wird, wird der Beitrag der deutschen EZ in Afghanistan deutlicher der der Logik des Militärs untergeordnet. Dabei ist jedoch andererseits auch zu beachten, dass die hitzige Diskussion sich bisher nur um ca. 4% der Etataufstockung - 10 Mio. € für Nichtregierungsorganisationen - drehte, die restlichen angekündigten 240 Mio. € und deren Verwendung aber kaum besprochen wurden.

Eine solche engere Verzahnung von ziviler und militärischer Komponente würde wahrscheinlich die punktuell beschriebene interministerielle Konkurrenz in den deutschen PRTs (Hoffmann 2007; Stengel & Weller 2010: 100) ein Stück weit abmildern und das „frostige und friktionsreiche" Verhältnis der Akteure untereinander (Pospisil 2009: 255) verbessern.[17] Die Ironie läge allerdings darin, dass dies letztlich doch zu Ungunsten einer zivil orientierten Entwicklungspolitik, allerdings auf Geheiß des derzeitigen Entwicklungsministers geschähe. Der Lenkungseffekt bestünde in der Tat darin, entwicklungspolitische Aktivitäten potenziell weg von Regionen, in denen solche Maßnahmen prinzipiell Sinn machten, hin zu Orten der Truppenpräsenz zu konzentrieren. Dennoch bleibt zunächst abzuwarten, inwieweit die Ankündigungen aus dem BMZ, ebenso wie die dort um Differenzierung bemühten Einschätzungen, Umsetzung finden. So hatte Entwicklungsminister Niebel nach seinem Amtsantritt ja durchaus betont, keine Militarisierung der Entwicklungspolitik zu befürworten, sondern lediglich eine „echte Verzahnung" zwischen Soldaten und entwicklungspolitischen Akteuren herbeiführen zu wollen, im Gegensatz zu der unter seiner Vorgängerin betriebenen Distanzierung (SZ 2009). Die in der Folge seinerseits getroffenen Einschätzungen, den zivilen Aufbau zu stärken, maßgeblich mit dem Hintergedanken, die Bundeswehr baldmöglichst aus Afghanistan zurückziehen zu können (FocusOnline 2010), bzw. seine dezidiert verteidigungspolitischen Einlassungen zur Ausrüstung der Bundeswehr in Afghanistan (Niebel 2010a) lassen hingegen eine weitere Veränderung nicht nur der Tonalität vermuten.

Versicherheitlichung der Entwicklungspolitik = Versicherheitlichung vs. Entwicklung?

Folgendes lässt sich zusammenfassend dem Gesagten also entnehmen. Eine Versicherheitlichung der deutschen Entwicklungspolitik ist mit Blick auf begrifflich-programmatischen Wandel (die erfolgreiche Artikulation der Sicherheitsrelevanz von EZ) schon seit geraumer Zeit auszumachen. Ihre Wurzeln hat diese Dynamik in der sich seit den 1980er Jahren durchsetzenden Sicht auf Entwicklungspolitik als einem primären Instrument zur Friedensschaffung sowie in der Debatte um konflikt‑ und krisenpräventive Wirkungen von EZ. Dass Entwicklungspolitik dabei zunehmend als „präventive Sicherheitspolitik" gedeutet wurde, hatte auch mit dem Interesse an einer Bewahrung ihres Ansehens angesichts des geschilderten, drohenden Bedeutungsverlustes in den 1990ern zu tun.

Im deutschen Fall schloss diese Dynamik der zumindest teilweisen sicherheitspolitischen Re-Definition von Entwicklungspolitik im Nachgang zu den Terroranschlägen des 11. September 2001 auch Elemente der Militarisierung mit ein. Versicherheitlichung war und ist aber keineswegs immer deckungsgleich mit Militarisierung. Am deutlichsten sichtbar wird letztere in Form der zivil-militärischen Kooperation in Afghanistan, und zwar in Form einer Verschiebung von zunächst dezidiert zivil orientierter Konfliktprävention durch EZ (unter Abgrenzung zu militärischen Maßnahmen) hin zu stärker „kooperativen" Formen zivil-militärischen Engagements. Die zunächst vorherrschende Konkurrenz zwischen den verschiedenen Akteursklassen scheint sich dabei angesichts der veränderten Sicherheitslage und der neuen Lagebewertung seitens der BMZ-Führung zunehmend abzuschwächen.

Afghanistan stellt allerdings dahingehend derzeit (noch) einen Ausnahmefall dar, dem andererseits dennoch die größte öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wird. Ob aus der dort erfolgten Einbindung der deutschen EZ im Rahmen zivil-militärischer Zusammenarbeit ein Testfall wird, dürfte weniger von den lobenden Eigenevaluationen des Ministeriums (BMZ 2010b) als von der konkreten Leistungsbilanz abhängen.[18]

Jenseits der Afghanistan-Thematik lässt sich aus den offiziellen Daten zur deutschen Entwicklungspolitik jedoch derzeit keine eindeutige Tendenz zu einer Versicherheitlichung im Sinne einer Usurpierung der traditionellen Ausrichtung der deutschen EZ ableiten. Es ist zwar richtig, dass der Verweis auf „Sicherheitsrelevanz" ein wohlfeiles argumentatives Mittel zur Legitimierung von EZ geworden ist; dies setzt sich andererseits nicht in dem umfassenden Wegbrechen traditioneller Kooperation mit im engeren Sinne sicherheitsfernen Ländern oder sicherheitsfernen Sektoren um. Anders formuliert: Als „Stabilitätsexport" oder im Sinne eines breiten Sicherheitsbegriffes kann sehr vieles an EZ geleistet werden. Was sich demgegenüber seit dem Regierungswechsel 2009 beobachten lässt, ist eine selektive Fokussierung auf bestimmte Sicherheitsaspekte, durchaus zu Gunsten eines traditionellen Sicherheitsverständnisses - aber auch etwa hinsichtlich „Rohstoffsicherheit". Hier bleibt abzuwarten, inwieweit es zu einem Verdrängungswettbewerb gegenüber klassischer Armutsorientierung o.ä. kommt. In diesem Kontext dürften sich weiterführende Analysen lokaler wie sektoraler Allokationsmuster als zielführend erweisen, um gegebenenfalls fortschreitenden inkrementalen Wandel fassbar zu machen. Dies umfasst auch die Feinjustierung der Analyse in Richtung einer stärkeren Beachtung für Anrechnungs‑ und Deklarationspraktiken sowie die stärkere Einbeziehung multilateraler ODA und deren Verwendung.

Interne Restrukturierungsmaßnahmen in der deutschen EZ werden derzeit zwar wieder hitzig debattiert - eine Organisationsreform in Richtung einer durchgreifenden Versicherheitlichung hat allerdings bisher nicht stattgefunden. Anpassungen im Bereich „Krisenprävention" bezogen sich zunächst maßgeblich auf deren zivile Komponente. Die Umstrukturierung des BMZ nach dem Regierungswechsel 2009 war maßgeblich mit einer Personalentscheidung verbunden, wobei offen bleibt muss, ob das Amt (Leiter der Abt. 4) einen Amtsträger oder umgekehrt suchte. Wiederum ironischer Weise steht dabei zu erwarten, dass eine bewusst forcierte, stärkere Unterordnung der öffentlichen deutschen EZ unter militärisch-sicherheitspolitische Kalküle seitens des BMZ dort an ihre Grenzen stoßen wird, wo Kompetenzbeschneidungen oder Ressourcenverlagerungen größeren Ausmaßes drohen. Die Frage wird dann allerdings sein, wer innerhalb der Regierung die Oberhand behalten wird angesichts der erfolgreich etablierten Sicht, es gehe allen Beteiligten letztendlich primär um „Fragen der Sicherheit".

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Anschrift des Autors
Alexander Brand
brandal@uni-mainz.de



[1]       Vgl. etwa von der Goltz 2004; Maihold 2005; Menzel 2005; Seitz 2005.

[2]       OECD-DAC 1997; OECD 2003; Messner & Faust 2004; Müller 2005; Seitz 2005; Weinstein & Vaishnav 2006; Patrick 2007.

[3]       Vgl. dazu Huysmans (1998). Eine weiterführende Schilderung der Securitization-Debatte bleibt hier bewusst ausgespart.

[4]       ODA (Official Development Assistance), also Entwicklungshilfeleistungen nach den gängigen Kriterien des Entwicklungshilfeausschusses DAC (Development Assistance Committee) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD - Organisation for Economic Co-operation and Development).

[5]       Vgl. auch von der Goltz (2004: 93f), der aufzeigt, dass "Konfliktprävention" eine prominente Rolle in der offiziellen deutschen Regierungsrhetorik zu Maßnahmen im Rahmen des Kampfes gegen den "globalen Terror" spielte.

[6]       Vgl. dazu den Beitrag von Zdunnek & Zitelmann in diesem Heft:178ff.

[7]       Vgl. auch die Presseerklärung des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Christian Ruck unter dem Titel "Entwicklungspolitik hilft, Terrorismus den Nährboden zu entziehen" (Ruck 2010).

[8]       Dieser Trend wird angesichts der 2010 zugesagten zusätzlichen Mittel der Bundesregierung für Afghanistan anhalten; 250 Mio. € davon sollen als ODA über das BMZ ausgezahlt werden.

[9]       Der strikte Ausschluss der Anrechenbarkeit militärischer Ressourcentransfers wurde Mitte der 2000er Jahre aufgeweicht. Zwar sind nach wie vor Rüstungsgüterexporte sowie Schuldenerleichterungen für die Anschaffung von Rüstungsgütern ebenso nicht als ODA deklarierbar wie Maßnahmen, die der Friedenserzwingung dienen. Kosten, die beim Einsatz militärischen Personals und Infrastruktur im Wege humanitärer Hilfseinsätze oder bei der Sicherheitssektorreform entstehen, sind es hingegen schon. S.a. die Diskussion in: KAS (2008: 15) und bei: Brzoska (2006).

[10]      Andere Datensammlungen erweisen sich allerdings als noch weniger zielführend, u.a. weil sie auf Basis völlig anders lautender Prämissen zu diametral entgegengesetzten Einschätzungen kommen. Im sog. Commitment to Development-Index, der seitens des US-amerikanischer Forschungsinstituts Center for Global Development alljährlich erstellt wird, ist die Bundesrepublik 2010 etwa noch hinter den USA auf Platz 14 gelistet worden, und zwar maßgeblich aufgrund ihres schlechten Abschneidens im Bereich "Sicherheit". Neben den Rüstungsexporten wurde dabei v.a. die mangelnde (!) Präsenz in Friedensmissionen gerügt. Vgl. CGD 2010.

[11]      Vgl. Böll 2003; Nuscheler 2006; Ashoff 2009; Brombacher 2009.

[12]      Die schlussendlich im Dezember 2010 beschlossene Zusammenlegung der Entwicklungsorganisationen GTZ, DED und InWEnt kann dabei zum momentanen Zeitpunkt noch nicht auf eventuelle sicherheitspolitische Nebeneffekte hin beurteilt werden.

[13]      Dies impliziert mehr als die übliche Kritik an der "Personalversorgung" durch Schaffung neuer Posten - so etwa die Grünen-Sprecherin Koczy im Interview mit der taz (2010). Von einer "personellen Untermauerung" der "Militarisierung der Entwicklungspolitik" zu sprechen, so die Parteivorsitzende der Grünen Roth (vgl. SpiegelOnline 2010), erscheint angesichts der derzeitigen Faktenlage andererseits überzogen.

[14]      Der Unterschied zum deutschen Fall besteht dabei nicht im Ausmaß institutioneller Zersplitterung, sondern in der Tatsache, dass viele Ministerien z.T. substanzielle Ressourcen in Eigenregie administrieren.

[15]      Die Ankündigung bezog sich dabei auf die sogenannte NRO-Fazilität, die einem Umfang von 10 Mio. € (von insgesamt 250 Mio. € zusätzlich bis 2013) entspricht. Die Konditionalisierung erfolgt dabei entlang der Kriterien, dass Nichtregierungsorganisationen, die Gelder aus diesem Topf abrufen, ihre Aktivitäten räumlich in der Nähe des deutschen Bundeswehrengagements zu konzentrieren und dabei dem Ansatz der "vernetzten Sicherheit" Folge zu leisten haben. Die Schilderung des Kalküls der BMZ-Führung findet sich in: Niebel (2010b).

[16]      Online-Newsletter des BMZ 12/2009; D-Radio 2010; vgl. die Kritik von Lieser, dem Vorsitzenden des Verbandes entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen in: n-tv 2010.

[17]      Gegensätzliche Stimmen - die sich für eine notwendige vollständige Entkopplung vom Militäreinsatz aussprechen - entstammen dem Lager der entwicklungspolitischen Aktivisten vor Ort bzw. derer, die über sie berichten, vgl. VENRO 2009; Grävingholt 2010.

[18]      S. dazu den Beitrag von Zdunnek & Zitelmann in diesem Heft: 178ff.