Postkoloniale Perspektiven auf „Entwicklung“

in (06.12.2010)

 „Entwicklungsforschung tendiert dazu, Subalternen nicht zuzuhören und postkoloniale Studien tendieren dazu, sich nicht darum zu kümmern, ob die Subalterne zu Essen hat.“ (Sylvester 1999: 703)

Etwas salopp und überspitzt, aber nicht unzutreffend formuliert Christine Sylvester hier das Verhältnis von Entwicklungsforschung und postkolonialen Studien.

„Entwicklungsforschung tendiert dazu, Subalternen nicht zuzuhören und postkoloniale Studien tendieren dazu, sich nicht darum zu kümmern, ob die Subalterne zu Essen hat.“ (Sylvester 1999: 703)[1]

Etwas salopp und überspitzt, aber nicht unzutreffend formuliert Christine Sylvester hier das Verhältnis von Entwicklungsforschung und postkolonialen Studien. In diesem Kontext hat der vorliegende Artikel zweierlei Zielsetzungen: Erstens will er einen wenn auch unvollständigen Überblick geben über Arbeiten aus dem Bereich der postkolonialen Studien, die sich mit „Entwicklung“ befassen. Zweitens will er den gegenüber den postkolonialen Studien erhobenen Vorwurf der Vernachlässigung materieller Praktiken anhand dieser Arbeiten näher untersuchen.

Zunächst ist zu erläutern, was unter postkolonialen Studien zu verstehen und was mit „Entwicklung“ gemeint ist – und warum der Begriff in Anführungszeichen steht. Auf eine kurze Auseinandersetzung mit dem Entwicklungsbegriff folgt daher ein ebenso kursorischer Blick auf die postkolonialen Studien. Hierbei werden die spezifisch postkolonialen Fragestellungen und Analysestrategien herausgearbeitet, um bei der Vielzahl der Ansätze und Arbeiten in diesem Bereich eine bessere Orientierung zu haben. Anschließend soll das Verhältnis von Entwicklungsforschung und postkolonialen Studien wieder in den Mittelpunkt gerückt werden. Im Hinblick auf den erwähnten Vorwurf der Vernachlässigung materieller Praktiken und die erarbeiteten Analysestrategien soll untersucht werden, wie eine Reihe von postkolonialen Arbeiten im Bereich der Entwicklungspolitik materielle Praktiken behandelt.

„Entwicklung“

Ohne eine eingehende historische und analytische Auseinandersetzung mit dem Entwicklungsbegriff (siehe v.a. Cowen & Shenton 1996, Rist 1997, Kößler 1998, Ziai 2004) hier leisten zu können, muss doch eine Definition des Begriffs angeführt werden; hier beginnen bereits die Schwierigkeiten, denn die Zahl der Begriffsdefinitionen ist Legion. So konnte sich die Entwicklungstheorie im Laufe ihrer Geschichte nicht auf eine präzise Definition ihres Gegenstands einigen: Teils wurden mit „Entwicklung“ evolutionäre Prozesse sozialen Wandels bezeichnet; teils ging es um gezielte politische Interventionen in diesen Wandel; gängigerweise wurden die Veränderungen mit einer Verbesserung des Lebensstandards assoziiert, aber eben nicht immer; Gegenstandsbereich waren in der Regel die Länder Afrikas, Asiens, Lateinamerikas, Ozeaniens und der Karibik (im folgenden bezeichnet als der globale Süden), doch auch hier sind Ausnahmen zu finden. Anfänglich ging es primär um Wirtschaftswachstum und Industrialisierung, später z.T. um Grundbedürfnisse, Armutsbekämpfung oder Nachhaltigkeit. Gemessen wurde „Entwicklung“ daher zunächst am Bruttoinlandsprodukt, später gewannen auch andere Indikatoren wie Schulbildung und Lebenserwartung an Relevanz.

Dennoch herrschte in der Entwicklungstheorie keineswegs völlige Beliebigkeit. Einflussreich waren lange Zeit Definitionen wie die von Ulrich Menzel:

„Ich verstehe unter Entwicklungstheorie Aussagen, mit deren Hilfe ... begründet wird, warum es in den Industriegesellschaften Westeuropas, Nordamerikas und Ostasiens zu Wirtschaftswachstum, Industrialisierung, sozialer Differenzierung und Mobilisierung, mentalem Wandel, Demokratisierung und Umverteilung gekommen ist (diese Prozesse nennt man Entwicklung) bzw. warum in den übrigen Teilen der Welt diese Prozesse ausbleiben, nur unvollständig realisiert werden oder lediglich eine Karikatur dieser Prozesse zu beobachten ist. Letzteres nennt man, je nach analytischem Zugang, Rückständigkeit oder Unterentwicklung.“ (Menzel 1993: 132)

„Entwicklung“ stellt demnach abstrakt ein Bündel von miteinander verknüpften und normativ positiv aufgeladenen Prozessen dar, die in einigen Regionen stattfanden und in anderen nicht. Diese Definition lässt sich einerseits pragmatisch als Arbeitsgrundlage verwenden, bietet andererseits aber auch hinreichend Anschauungsmaterial für eine (postkoloniale) Kritik, die darin mündet, den Begriff nur in Anführungszeichen zu verwenden. Denn hier werden Prozesse, die in Europa, den europäischen Siedlungskolonien in Nordamerika (und später auch in einigen Ländern Asiens) stattfanden, zur historischen Norm erklärt; ihr Ausbleiben bzw. ihre Unvollständigkeit wurden als erklärungsbedürftig definiert und zur Grundlage einer wissenschaftlichen Disziplin. Partikulare historische Prozesse erscheinen so unter Ausblendung ihrer Schattenseiten als menschheitsgeschichtlicher Fortschritt und die eigene Gesellschaft als ideale Norm, während andere Gesellschaften als defizitäre Versionen derselben kategorisiert werden („unterentwickelt“).

Problematisch erscheint hier jedoch nicht nur der Eurozentrismus, sondern insbesondere das allzu simple, entpolitisierende Wahrnehmungs‑ und Erklärungsmuster für gesellschaftliche Phänomene verschiedenster Art. James Ferguson sieht „Entwicklung“ als Bezeichnung für „eine vorherrschende Problematik oder ein Interpretationsraster, durch das wir über die verarmten Weltregionen Bescheid wissen. Innerhalb dieses Interpretationsrasters wird eine Vielzahl von alltäglichen Beobachtungen verständlich und mit Bedeutung versehen. Die Bilder der zerlumpten Armen Asiens werden lesbar als Anzeichen einer bestimmten Entwicklungsstufe... Innerhalb dieser Problematik erscheint es offensichtlich, dass verschuldete Drittweltstaaten und hungernde BäuerInnen ein gemeinsames ‘Problem’ haben, dass ihnen beiden ein bestimmtes ‘Etwas’ fehlt: ‘Entwicklung’.“ (1994: xiii) Hinter so charakterisierten „Entwicklungsproblemen“ verbergen sich jedoch äußerst heterogene Phänomene, deren Ursachen und Kontexte, die oftmals viel mit Machtverhältnissen, Privilegien und Exklusion zu tun haben, durch diese Bezeichnung überdeckt werden. Es wird begrifflich suggeriert, dass sich die Probleme durch Entwicklungsinstitutionen und ‑projekte, durch technische, unpolitische Eingriffe lösen lassen. Dies ist ein strukturelles Problem: Durch die normative Konnotation des Begriffs stellen Prozesse, die „Entwicklung“ vorantreiben sollen, einen gemeinsamen Nenner zwischen Geberinstitutionen, Planungsministerien, vielfältigen betroffenen Bevölkerungsgruppen und vielen Nichtregierungsorganisationen dar. Wer ist schon gegen „Entwicklung“? Für konkrete politische Initiativen, die internationale und innergesellschaftliche Konflikte benennen und Partei ergreifen für marginalisierte Gruppen, lässt sich sehr viel schwerer Unterstützung finden. Der überwiegende Effekt dieses Interpretationsrasters ist die Entpolitisierung sozialer Ungleichheit als „Entwicklungsproblem“ – oftmals interpretiert als Mangel an Kapital, Technologie oder Expertenwissen. Die Analyse sozialen Wandels und der Kampf um die Verbesserung materieller Lebensbedingungen sind uneingeschränkt legitim. Wenn sie jedoch unter dem Begriff der „Entwicklung“ stattfinden, bedienen sie die eurozentrischen und entpolitisierenden Annahmen, die oftmals mit ihm verknüpft sind – selbst wenn sie sich explizit von diesen distanzieren.

Ein drittes (und mit dem vorangegangenen zusammenhängendes) kritikwürdiges Element im Entwicklungsdiskurs ist das auf die Saint-Simonisten des 19. Jahrhunderts zurückgehende Prinzip der Treuhandschaft (vgl. Cowen & Shenton 1996), das neben dem Evolutionismus die zweite Wurzel der Entwicklungstheorie darstellt. Ihm zufolge verfügen bestimmte ExpertInnen über tieferes Wissen darüber, wie positive gesellschaftliche Wandlungsprozesse voranzutreiben sind, weswegen sozialtechnologische Interventionen auf der Grundlage dieses Wissens („Entwicklungsprojekte“) grundsätzlich sinnvoll und legitim sind. Solche treuhänderischen Interventionen „im Namen der Entwicklung“ fanden in der Geschichte der Entwicklungspolitik oftmals auch gegen den Willen der Betroffenen statt (vgl. Nandy 1994).

Um das Konstrukt der „Entwicklung“ mithin seiner Selbstverständlichkeit zu berauben und auf diese fragwürdigen Aspekte aufmerksam zu machen, wird der Begriff in diesem Artikel nur in Anführungszeichen verwendet.

Postkoloniale Studien und ihre Analysestrategien

Postkoloniale Studien sind nicht einfach deswegen postkolonial, weil sie sich mit nachkolonialen Gesellschaften befassen. Vielerorts werden postkoloniale Ansätze über ihr Erkenntnisinteresse und ihren Gegenstandsbereich definiert etwa als „Thematisierung des Fortbestehens und Nachwirkens einer Vielzahl von Beziehungsmustern und Effekten kolonialer Herrschaft“ (Conrad & Randeria 2002: 24). Für Maria do Mar Castro Varela und Nikita Dhawan (2005: 8) untersucht postkoloniale Theorie „sowohl den Prozess der Kolonisierung als auch den einer fortwährenden Dekolonisierung und Rekolonisierung“. Auch nach Hannah Franzki und Joshua Kwesi Aikins (2010: 9) charakterisiert die „Konzeptionalisierung“ der „Nachwirkungen des Kolonialismus“ postkoloniale Studien. Bei näherer Betrachtung erweisen sich diese Konzeptionen als (mutmaßlich intentional) sehr weit gefasst, schließen sie doch auch die Arbeiten ein, die unter Stichworten wie Dependenz, Imperialismus und Neokolonialismus Abhängigkeits‑, Herrschafts‑ und Ausbeutungsverhältnisse zwischen Metropolen und Satelliten, Zentrum und Peripherie bzw. in der Regel ehemaligen Kolonialmächten und ehemaligen Kolonien untersuchen. Diese unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer erkenntnistheoretischen Grundlagen und ihres theoretischen Fokus oft überdeutlich von den Arbeiten von Edward Said, Homi Bhabha und Gayatri Spivak, die zumeist als die klassischen Beispiele postkolonialer Theorie gelten, und die sich primär mit kolonialen Diskursen und allenfalls sekundär mit ihren Auswirkungen auf materielle Praktiken befassen. Daher differenziere ich zwischen postkolonialen und antikolonialen Ansätzen. Letztere untersuchen zwar ebenfalls Nachwirkungen des Kolonialismus bzw. neue Spielarten, aber ohne den Fokus auf Repräsentationen. So verstehen Patrick Williams und Laura Chrisman postkoloniale Ansätze auch als „Kritiken am Prozess der Produktion von Wissen über den Anderen“ (1994: 8). Die Vernachlässigung „materieller Verhältnisse“ zu Gunsten von „bloßen Repräsentationen“ ist denn auch der Hauptvorwurf der marxistischen Kritik an postkolonialen Ansätzen (vgl. Dirlik 1994, Shohat 1992 und Parry 2004). Zwar stellt die Betonung der Ebene der Repräsentation keinen Konsens dar. Der Mehrzahl der postkolonialen Arbeiten geht es jedoch tatsächlich primär um Auswirkungen des Kolonialismus auf der Ebene der Repräsentation, um die diskursive Konstruktion von Identitäten, Konzepten und Praktiken, die bestimmte materielle Praktiken ermöglicht und legitimiert. Ihr Erkenntnisinteresse fragt nach Kontinuitäten und Parallelen zum Kolonialismus in der gegenwärtigen Welt. Über diese grundlegende Analysestrategie hinaus lassen sich weitere postkoloniale Analysestrategien am Beispiel bekannter VertreterInnen postkolonialer Theorie (Edward Said, Gayatri Spivak, Homi Bhabha und Dipesh Chakrabarty) konkretisieren und spezifizieren.

Orientalismus und Othering

Edward Said hat die Konstruktion des Orients in der abendländischen Kultur durch zahlreiche Praktiken der Wissensproduktion (Reiseberichte, akademische Abhandlungen, aber auch Romane und andere literarische Arbeiten) untersucht. Diese Konstruktion basiert Said zufolge auf einer ontologischen Unterscheidung zwischen dem „Orient“ und (meist) dem „Okzident“, welche eine Homogenisierung und Stereotypisierung dieser Region und ihrer BewohnerInnen ermöglicht und es so Europa bzw. dem Westen gestattete, „sich als dessen konstrastierendes Bild... zu definieren“ (1981: 8) – als fortschrittlich gegenüber einem rückständigen, als rational gegenüber einem irrationalen, als liberal gegenüber einem despotischen Orient – und eine „positionsbestimmte Überlegenheit“ (15) zu erlangen. Vor diesem Hintergrund und angesichts zahlreicher verzerrter Darstellungen folgert Said, dass der Orientalismus „mehr der Kultur, die ihn produzierte, als seinem mutmaßlichen Objekt“ entsprach, also eher den Bedürfnissen und Wunschvorstellungen des Westens als den Realitäten des Ostens. Diese Bedürfnisse waren nicht nur identitärer Natur, und hier zeigt sich die politische Relevanz des Orientalismus: Es ging v.a. auch um die Legitimation kolonialer Herrschaft über den Orient, weshalb Said ihn auch als Form „der Herrschaft, der Umstrukturierung und des Autoritätsbesitzes über den Orient“ (10) charakterisiert.

Saids Analysestrategie ist paradigmatisch im Hinblick auf das, was in den postkolonialen Studien mit dem Begriff des „Othering“ bezeichnet wird: die Konstruktion einer (nach der weitgehenden Diskreditierung des Denkens in Rassekategorien heutzutage meist kulturell definierten) Gruppe als „anders“, die dazu dient, die Identität einer Wir-Gruppe davon abzugrenzen und so zu konstituieren und somit politische Ansprüche und Ausschlüsse zu rechtfertigen.[2] Er bezieht sich auf die Ebene der kulturellen Repräsentation und zeichnet dort nach, wie im Westen über Jahrhunderte die gleichen Muster der Stereotypisierung des Orients überdauern – mit den entsprechenden politischen Folgen. Anknüpfend an Said und Todorov (1999) hat Stuart Hall (1994) die Konstruktion des Anderen im Kolonialismus als den Diskurs vom „Westen und dem Rest“ charakterisiert.

Subalterne Repräsentation und Artikulation

In ihrem bekanntesten Text fragt Gayatri Spivak (2008) nach der Fähigkeit und Möglichkeit der Subalternen, für sich selbst zu sprechen. Subalterne versteht sie mit Antonio Gramsci als nicht in die hegemoniale Ordnung eingebundene Klassen, jedoch im internationalen Kontext einer (neo‑)kolonialen Ordnung. In kritischer Wendung etwa gegen Foucault behauptet Spivak, die Subalternen seien keineswegs ohne weiteres in der Lage, als authentische Subjekte ihre Interessen zu artikulieren, und hier liege die Verantwortung der kritischen Intellektuellen. Ihre Kategorie der Subalternität erfasst mehrdimensionale Unterdrückungsverhältnisse aufgrund von „Rasse“, Klasse und Geschlecht: „Wenn die Subalternen im Kontext kolonialer Produktion keine Geschichte haben und nicht sprechen können, dann ist die Subalterne als Frau sogar noch tiefer in den Schatten gedrängt.“ (57) Am Beispiel der britischen Gesetzgebung gegen die Tradition der Witwenverbrennung im kolonialen Indien illustriert sie, dass jegliche Artikulation der subalternen Frauen in dieser Frage entweder von Seiten der britischen Kolonialmacht als Beleg für die Überlegenheit des fortschrittlichen Westens oder von Seiten des traditionellen Patriarchats als Bekenntnis zu eben diesem vereinnahmt wurde:

„Zwischen Patriarchat und Imperialismus, Subjektkonstitution und Objektformierung, verschwindet die Figur der Frau ... in eine gewaltförmige Pendelbewegung, die in der verschobenen Gestaltwerdung der zwischen Tradition und Modernisierung gefangenen ‘Frau der Dritten Welt’ besteht.“ (101)

„Die Subalterne kann nicht sprechen“ (106), folgert Spivak, nicht nur, weil man ihr keine Möglichkeit gebe, sondern auch, weil ihr die Fähigkeit zur Artikulation ihrer Interessen fehle.

Ihre Analyse der Auswirkungen kolonialer Diskurse auf die Konstruktion von Identitäten und Praktiken begründet einen erkenntniskritischen Ideologiebegriff, der Wissen über die Interessen Anderer in Anspruch nimmt. Durch die Verknüpfung von Erbrecht und Witwenverbrennung bezieht Spivak durchaus materielle Praktiken und ökonomische Konflikte mit ein. Sie fragt dabei nicht nur nach der Mehrdimensionalität von Unterdrückung, sondern verknüpft Subalternität auch mit der unzureichenden Fähigkeit und Möglichkeit, die eigenen Interessen politisch wirksam zu artikulieren, untersucht mithin die Bedingungen und Schwierigkeiten subalterner Repräsentation.

Hybridität

Homi Bhabhas Konzept der Hybridität bezieht sich nicht einfach auf die Vermischung zweier Kulturen, sondern auf ein komplexeres Resultat von Kolonisierungsprozessen. Sein bekanntestes Beispiel (Bhabha 1994: 145-174) bezieht sich auf den Bericht eines indischen Katecheten zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der feststellen musste, dass die britische Strategie, die indische Kultur durch die Verteilung von Bibeln zu unterminieren, unerwartete Resultate nach sich zog: Eine große Gruppe von Gläubigen war zwar zum Christentum konvertiert, jedoch zu einer sehr eigenen Version davon, die den Anspruch der Engländer, die heilige Schrift nach Indien gebracht zu haben, vehement zurückwies und ihren Fleischkonsum mit unchristlicher Gottlosigkeit assoziierte. Die leicht verzerrte Rezeption des europäischen Glaubens unterminierte den britischen Herrschaftsanspruch, da die verleugnete und unterdrückte Kultur (hier in Form des Vegetarismus) sich in die koloniale Präsenz (hier in Form der Bibel) einschreibt und diese transformiert. Hybridität bezeichnet somit die Produktivität kolonialer Diskurse, die durch deren subversive Aneignung zu einer Umkehrung der kolonialen Herrschaftsstrategie der Nichtanerkennung des Anderen führt und letztlich die Identität der kolonialen Autorität destabilisiert.

Bhabha fragt somit nach den Grenzen und Bruchstellen kolonialer Herrschaft, nach Möglichkeiten der Aneignung ihrer Diskurse und den unbeabsichtigten Wirkungen ihrer Machtausübung. Mit der Analysestrategie der Hybridität wird so nach den Ambivalenzen und Inkohärenzen von Diskursen und ihnen entsprechenden Identitätsformierungen und nach den Bedeutungsverschiebungen gefragt, die mit unterschiedlichen Kontexten und Aneignungsprozessen dieser Diskurse einhergehen. Es geht Bhabha daher z.T. auch um das Verhältnis von Diskursen und von ihnen ermöglichten materiellen Praktiken.

Provinzialisierung Europas

Dipesh Chakrabarty (2000, 2002) hat den Begriff der „Provinzialisierung Europas“ aufgrund der Diagnose geprägt, dass in der Geschichts‑ und anderen Geisteswissenschaften (und Sozialwissenschaften, möchte man ergänzen) „Europa“ das theoretische Subjekt darstellt und so die Perspektive der Disziplinen prägt. Oft in weitgehender Unkenntnis nichtwestlicher Kulturen seien sich als universell verstehende Theorien formuliert worden. Diese erwiesen sich zwar paradoxerweise auch für SozialwissenschaftlerInnen aus der Dritten Welt als nützlich und sinnvoll, beinhalteten jedoch auch ausschließende und begrenzende Effekte. Als Beispiel führt er die unkritische Übernahme der Vorstellung vom Nationalstaat als erstrebenswertester Form der politischen Gemeinschaft durch antikoloniale Bewegungen an. Dabei geht es ihm darum, die Historizität und Kontingenz vermeintlich universeller europäischer Konzepte aufzuzeigen, und um Alternativen zu ihnen – nicht in Form einer pauschalen Zurückweisung der Moderne, sondern in der Anerkennung ihrer vielfältigen, auch nichteuropäischen Formen.

Obwohl er vorwiegend in der Dimension des Diskurses verbleibt, geht es Chakrabarty doch darum, alternative Praxen zu ermöglichen, was gerade im von ihm thematisierten Bereich der Konstruktion von Staaten, Staatsbürgerschaft und Privatsphäre von großer politischer Relevanz ist. Die hier sichtbare Analysestrategie artikuliert eine in vielen postkolonialen Arbeiten präsente Zielsetzung: die eurozentrische Prägung vorherrschender Konzepte herauszuarbeiten und die Möglichkeit anderer Wissensformen aufzuzeigen.

Alle vier postkolonialen TheoretikerInnen liefern interessante und überzeugende Hypothesen, jedoch meist auf eher anekdotischer empirischer Basis. Die systematische Anwendung ihrer Analysestrategien[3] und die Überprüfung ihrer Hypothesen erscheint als sinnvolles Unterfangen gerade für Entwicklungstheorie und ‑politik.

Postkoloniale Perspektiven auf „Entwicklung“

„Das eine Feld fängt da an, wo das andere sich weigert hinzuschauen.“ (Sylvester 1999: 704)

Zwischen Entwicklungsforschung und postkolonialen Studien besteht also ein Spannungsverhältnis. Obwohl beide auf den ersten Blick einen gemeinsamen Gegenstandsbereich haben (den globalen Süden und Nord-Süd-Beziehungen), zeigen sich bei näherem Hinsehen folgende deutliche Unterschiede (vgl. McEwan 2009: 2):

Anwendungsorientierung: Wissen in der Entwicklungsforschung steht i.d.R. unter dem Imperativ seiner Umsetzbarkeit in praktische Problemlösungen. Wissen in den postkolonialen Studien ist oft auf Kritik an Repräsentationen beschränkt. Beides hängt damit zusammen, dass sie zu weiten Teilen von unterschiedlichen Disziplinen stark beeinflusst wurden (Ökonomie vs. Literaturwissenschaft).

Theoretische Zielsetzung: In der Entwicklungsforschung geht es klassischerweise um die planende Umgestaltung der Gesellschaft entlang universeller Leitbilder, während die postkolonialen Studien diese universellen Leitbilder in Frage stellen im Hinblick auf den Verdacht des Eurozentrismus.

Methodischer Fokus: Der Entwicklungsforschung geht es primär um messbare sozioökonomische Veränderungen, zumeist auf der Makro-Ebene (Wirtschaftswachstum, Einkommensverteilung, Kaufkraft). Postkoloniale Studien befassen sich viel stärker mit kulturellen Fragen, Repräsentationen und Identitäten sowie mit Erfahrungen und Prozessen auf der Mikro-Ebene.

Diese schematische, idealtypische Darstellung wird sicher nicht allen AutorInnen gerecht, erweist sich jedoch im Hinblick auf die erwähnten TheoretikerInnen als plausibel. Für Menzel steht das Ziel der Umgestaltung der Gesellschaften des Südens im Hinblick auf Wirtschaftswachstum, Industrialisierung, Demokratisierung etc. außer Frage, es geht lediglich um die Wege, wie es erreicht werden kann. Kulturelle Differenz oder Identitäten oder die simple Frage nach den Vorstellungen der „zu Entwickelnden“ spielen hierbei keine Rolle (oder bestenfalls eine instrumentelle: interkulturelle Trainings für EntwicklungsexpertInnen und partizipative Methoden könnten hilfreich sein). Umgekehrt stehen bei Said die Konstruktion des orientalischen Anderen, bei Spivak die (Un‑)Möglichkeit subalterner Artikulation, bei Bhabha die Produktivität kolonialer Diskurse im Vordergrund – und nicht Statistiken über materielle Ungleichheit in und zwischen Gesellschaften. Sylvesters Vorwurf, die einen hörten den Subalternen nicht zu, die anderen fragten nicht nach der materiellen Reproduktion der Subalternen, erscheint nicht als völlig gegenstandslos. Sich als kritisch verstehende Ansätze, die beim Kampf um soziale Gleichheit die Anerkennung von Differenz vernachlässigen, bleiben paternalistisch, genauso wie solche, die über dem Respekt vor anderen Weltbildern und Identitätskonstruktionen materielles Elend aus dem Blick verlieren, zynisch werden. Die extremsten Konsequenzen einer solch einseitigen Fokussierung wären eine entwürdigende Fürsorgediktatur auf der einen und ein Diversity-Kapitalismus, in dem Menschen auf ihre ganz eigene kulturspezifische Weise verhungern, auf der anderen Seite. Dennoch haben sich zahlreiche Arbeiten auf scharfsinnige und produktive Weise mit der Kritik und Verbesserung entweder materieller oder diskursiver Verhältnisse befasst. Aus emanzipatorischer Sicht ist jedoch eine Verknüpfung beider Ebenen notwendig. Sie kann ferner deren spezifische Wechselwirkung untersuchen und bietet so die Chance auf Erkenntnisgewinn.

Daher sollen nun eine Reihe von Arbeiten skizziert werden, die explizit oder implizit aus einer postkolonialen Perspektive auch die Fragen der Entwicklungsforschung aufgreifen. Dabei ziehe ich Beiträge aus unterschiedlichen thematischen Bereichen heran, vom Selbstverständnis der EntwicklungshelferInnen über die Rolle des IWF bis hin zu Projekten indigener Selbstermächtigung in Belize. Während zunächst Arbeiten diskutiert werden, die sich explizit auf postkoloniale Ansätze beziehen, geht es im weiteren Verlauf des Artikels auch um solche, die dies nicht tun, aber implizit den oben identifizierten Analysestrategien folgen. Daneben geht es um den Stellenwert materieller Praxen.

Ausgeklammert bleiben an dieser Stelle die Post-Development-Ansätze (Sachs 1993, Escobar 1995, Rahnema 1997a), die mit ihrer Fundamentalkritik an Theorie und Praxis der „Entwicklung“ aus postkolonialer Perspektive Pionierarbeit geleistet haben, aber an anderer Stelle schon ausführlich behandelt worden sind (Ziai 2004, 2006a, 2007a), sowie die ebenfalls hinlänglich bekannten lateinamerikanischen Arbeiten aus dem Umfeld der Gruppe Modernidad/Colonialidad (vgl. Quijano 2010, Mignolo 2010, Dussel 1993). Cheryl McEwans wichtige Arbeit zu Postkolonialismus und Entwicklung (2009) trägt sicher zur Etablierung und Verbreitung des thematischen Fokus bei, wird aber aufgrund ihres Lehrbuchcharakters an dieser Stelle gleichermaßen außen vor gelassen.

Identitäten und Partnerschaft in der Entwicklungszusammenarbeit

In der Perspektive der zentralen postkolonialen Fragestellung nach der Repräsentation des Eigenen und des Fremden analysiert Maria Eriksson Baaz (2005) auf der Grundlage einer poststrukturalistischen Diskurstheorie und zahlreicher Interviews mit europäischen EntwicklungshelferInnen in Tansania, wie im Entwicklungsdiskurs Identitäten konstruiert werden, insbesondere im Hinblick auf das neuerdings zentrale Prinzip der Partnerschaft. Im Anschluss an Ernesto Laclau und Chantal Mouffe definiert sie Diskurs als Repräsentationsstruktur, mit der Bedeutungen temporär fixiert und soziale Praxen organisiert werden. Identität sieht sie als einen doppelten Prozess, „in dem das Subjekt nicht nur ‘angerufen’ wird, eine bestimmte Subjektposition einzunehmen, sondern gleichzeitig in eine bestimmte Position ‘investiert’... abhängig vom Kontext und dem diskursiven Feld, in dem wir uns positionieren, werden bestimmte Identitäten ‘aktiviert’“ (15). Die Autorin verortet sich im Feld der postkolonialen Theorie und bezieht sich auf Hall, Said und Bhabha, distanziert sich jedoch ausdrücklich von den Post-Development-Ansätzen aufgrund ihrer vereinfachten Sichtweise der „Entwicklungsindustrie“ als eines homogenen Akteurs der Verwestlichung.

Eriksson Baaz kommt wesentlich zu dem Ergebnis, dass trotz der Partnerschaftsrhetorik „die Identifikation der in Entwicklungsorganisationen Tätigen eine Verortung des Selbst als entwickelt und überlegen im Gegensatz zu einem rückständigen und unterlegenen Anderen beinhaltet“ (166). In ihren Interviews werden „die Afrikaner“ nicht nur beharrlich als unzuverlässig, passiv und irrational dargestellt, sondern auch als „auf einer anderen Stufe der Entwicklung und Aufklärung stehend“ (167). Somit liefert Eriksson Baaz empirische Belege für die Aktualität postkolonialer Thesen über die Konstruktion des aufgeklärten westlichen Selbst und des rückständigen nichtwestlichen Anderen. Allerdings geht sie über Saids Analysestrategie hinaus und folgt Bhabha, indem sie die Ambivalenzen und Widersprüche dieser Konstruktionen aufzeigt. So deutet sie das Zögern und die Umformulierungen in den Interviews als Bemühen, Begriffe zu vermeiden, die als eurozentrisch oder rassistisch angesehen werden könnten (154), mithin als Resultat konfliktiver Diskurse und umkämpfter Subjektpositionen. In diesem Zusammenhang kritisiert sie, dass „einige Post-Development-AutorInnen dazu tendieren, die Wirkungen und Einflüsse ihrer Kritik zu vernachlässigen, indem sie EntwicklungskritikerInnen außerhalb der Entwicklungsindustrie verorten... Jede erfolgreiche und einflussreiche Kritik destabilisiert die oppositionelle Identität. Die Vernachlässigung dieses Einflusses und die vereinfachten Darstellungen der in der EZ Tätigen können demnach als Widerspiegelung einer destabilisierten, bedrohten Identität gesehen werden, die ein Verlangen hervorruft, das alternative, kritische Selbst vom Anderen in Form des Mainstream abzugrenzen“ (169f). Hier wird die postkoloniale Kritik mit ihren eigenen Mitteln überzeugend dekonstruiert.

Bezug zu materiellen Praktiken ist kaum vorhanden, Eriksson Baaz bleibt primär auf die Konstruktion von Identitäten (und implizit auf die Legitimation entsprechender Praktiken) beschränkt, liefert jedoch eine überzeugende empirische Anwendung postkolonialer Theorieansätze. Interessant wäre jedoch, die Partnerschaftsdiskurse nicht nur auf ihre Kohärenz, sondern auch auf ihr Verhältnis zur Entwicklungspraxis hin zu befragen.

Dependenztheorie, postkoloniale Kritik und Entwicklungsdiskurse

Ebenfalls überwiegend auf der konzeptionellen Ebene verbleibt Ilan Kapoor (2008). Er illustriert das angesprochene Spannungsverhältnis zwischen Entwicklungstheorie und postkolonialer Kritik anhand einer vergleichenden Auseinandersetzung mit den dependenztheoretischen Autoren Andre Gunder Frank, Fernando Henrique Cardoso oder Enzo Faletto auf der einen und Said, Spivak und Bhabha auf der anderen Seite. Obwohl er durchaus auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Positionen aufmerksam macht, diagnostiziert er, dass aus der postkolonialen Perspektive der Dependenztheorie die Unterordnung der Kultur unter die politische Ökonomie, die Perpetuierung binärer Oppositionen (Metropole-Satellit, Zentrum-Peripherie) und die Konsolidierung des Westens als souveränes Subjekt gegenüber einem unterworfenen, passiven Süden vorzuwerfen sind.

„Indem sie die Analyse der Geschichte mit der Analyse der ungleichen Entwicklung des globalen Kapitalismus gleichsetzt, vergisst die Dependenztheorie, dass sie (wie auch Marx und Lenin vor ihr) Europa als universelles Modell verwendet. In diesem Sinne ist es nicht bloß der Kapitalismus, sondern die Art, wie sich der Kapitalismus in Europa entwickelte, die hier ‘als Geschichte hingestellt wird’ (Prakash)“ (Kapoor 2008: 10).

Mit ihrem theoretischen Anspruch zusammenhängend attestiert Kapoor der Dependenztheorie eine Tendenz zur Einebnung von Differenzen und zur Ausblendung von Gender und Rassismus (11), ebenso wie die Annahme, politische Handlungsfähigkeit sei an den nationalstaatlichen Rahmen geknüpft (12). Im Gegenzug formuliert er jedoch auch eine dependenztheoretische Kritik der postkolonialen Ansätze, die (wie erwartet) auf die Ausblendung des bzw. nicht hinreichende Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus hinweist (wobei hier Spivak z.T. von der Kritik ausgenommen wird), aber auch auf ein Problem des methodischen Fokus aufmerksam macht: „Die Betonung lokaler Diskurse und Handlungen tendiert dazu, zu einer Vernachlässigung der Einflüsse und Auswirkungen übergreifender Faktoren zu führen“ (17). Kapoor spricht hier einen zentralen Punkt an. Die Frage ist nun: Ist der Verzicht auf „totalisierende“ Theoriegebäude der Preis für die Betonung von Differenz – und umgekehrt: Ist die Einebnung von Differenzen der Preis, der für eine „Theorie globaler Vergesellschaftung“ (Brand et al. 1997) zu zahlen ist? Was seine Analysestrategie angeht, ist festzustellen, dass Kapoor in der Kritik der Dependenztheorien primär auf eine Argumentationslinie zurückgreift, die oben als „Provinzialisierung Europas“ umschrieben worden ist.

Kapoor hat sich weiterhin mit verschiedenen Entwicklungsdiskursen aus postkolonialer Perspektive im Hinblick auf den Vorwurf einer Vernachlässigung auseinandergesetzt. Am Ansatz der Grundbedürfnisse kritisiert er, dass dieses Konstrukt physische Notwendigkeiten von implizit als sekundär konzipierten Bedürfnissen und Rechten im Bereich des Kulturellen, Sozialen und Politischen künstlich abgrenze (23). Im Gegensatz zur gesamten anthropologischen Forschung werde suggeriert, diese seien ein Luxus, den sich die Armen nicht leisten könnten. Anhand von Zitaten des Grundbedürfnisbefürworters Paul Streeten weist Kapoor weiterhin die paternalistische und technokratische Schlagseite des Ansatzes ebenso nach wie die „ideologische“ Rechtfertigung von Ungleichheit durch die Konzentration auf absolute Armut unter Vernachlässigung der relationalen Komponente und der Makro-Strukturen (24). Wenn dann anschließend der Diskurs der Strukturanpassung aufgrund seiner Teleologie und Wachstumszentrierung als eurozentrisch kritisiert wird (26), dann wirkt der vorherige Ideologievorwurf gegen die Grundbedürfnisstrategie doch etwas inkohärent, weil er von einer anderen, universalistischen Grundlage ausgeht. Denn wenn Kapoor die kulturübergreifende Verallgemeinerung ökonomischer Kategorien problematisiert (ebd.), – gerade die Post-Development-Kritik hat in diesem Kontext die aus der Ökonomie stammende Annahme universeller und unbegrenzter materieller Bedürfnisse als stillschweigende ideologische Grundlage des „Entwicklungsprojekts“ attackiert (vgl. Esteva 1993, 1995, Latouche 1993) – dann stellt sich die Frage, ob materielle Ungleichheit nicht allein unter der universalistischen Annahme gleicher materieller Bedürfnisse ungeachtet der Kultur als Problem erscheint. Zu klären ist, wie man sich von dieser Grundlage lösen kann, ohne in eine kulturalistische Legitimation von materieller Ungleichheit zu verfallen. Als gangbarer Weg erscheint hierbei ein konstruktivistischer Kulturbegriff (Kultur nicht als statisch, sondern als dynamische Summe der Werte, Normen und Praktiken), der verdeutlicht, dass es in jeder vermeintlichen Kultur allenfalls einen eingeschränkten Konsens über Grund‑ und sonstige Bedürfnisse gibt. Die Lösung des Dilemmas wäre dann hier in der vagen Zielsetzung einer größeren Selbstbestimmung auf der Grundlage einer entsprechenden Selbstverständigung zu verorten.

Hinsichtlich des Good-Governance-Diskurses merkt Kapoor an, das Adjektiv vermittele „einen moralistischen Ton, der nicht bloß impliziert, Entwicklungsländer hätten eine ‘schlechte’ Regierungsführung, sondern auch, dass der Westen das Modell für ‘gute’ Regierungsführung ist und westliche Geber entscheiden, was ‘gut’ und ‘schlecht’ ist“ (30). Hier geht er primär auf die Herrschaftsaspekte des Konzepts ein. Gerade im Vergleich mit Europa und Nordamerika weist er zutreffend darauf hin, dass Korruptionsskandale hierzulande grundsätzlich nicht mit einer entsprechenden Kultur erklärt werden. Seine Analysestrategie verweist hier auf die Konstruktion eines rückständigen (korrupten, patrimonialen und vordemokratischen) nichtwestlichen Anderen.

Im Hinblick auf Menschenrechte im Entwicklungsdiskurs distanziert Kapoor sich gleichermaßen von einem Naturrechtsuniversalismus wie von einem Kulturrelativismus, ebenso kritisiert er (wie Dhawan, siehe unten) die nicht-essentialistische Position Nussbaums mit Spivak als im Detail doch wieder insofern modernisierungstheoretisch, als dass nichtwestliche Kulturen erneut mit Patriarchat und Fundamentalismus assoziiert werden. Auch hier bedient er sich also einer mit Said vergleichbaren Analysestrategie. Auf Kapoors weitere Aufsätze (z.B. zur postkolonialen Politik Bhabhas oder zur Relevanz der Habermas-Mouffe-Debatte für die Dritte Welt) kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden (siehe dazu die Rezension von Kapoor in diesem Heft). Zumindest in den hier besprochenen Aufsätzen ist die methodische Vorgehensweise vorherrschend, sich mit Texten und Konzepten und allenfalls indirekt mit materiellen Praktiken zu beschäftigen. Kapoor nimmt jedoch die materialistische Kritik an den postkolonialen Studien durchaus ernst.

Entwicklungsdiskurs, Kosmopolitismus und Demokratisierung

Nikita Dhawan hat große Verdienste erworben als Mitverfasserin der ersten grundlegenden Einführung in die postkolonialen Studien im deutschsprachigen Raum (Castro Varela & Dhawan 2005). In einem kürzlich erschienen Artikel nimmt sie eine „postkolonial-feministische Analyseperspektive“ ein, um „die Machtverhältnisse aufzuzeigen, die gegenwärtige Diskurse von globaler Entwicklungszusammenarbeit begleiten“ (2009: 54). Leider befasst sie sich dabei so gut wie gar nicht mit der einschlägigen Literatur zu Entwicklungsdiskursen (z.B. Escobar 1995, Crush 1995, Moore & Schmitz 1995, Cooper & Packard 1997, Ziai 2006b) und überhaupt nicht mit entsprechenden Dokumenten aus der Entwicklungszusammenarbeit. Stattdessen stützt sie sich auf Spivak, um mit ihr die Konzepte kosmopolitischer Demokratie von Beck, Fraser, Benhabib und v.a. Nussbaum zu kritisieren – welche allesamt nicht der Entwicklungsforschung zuzurechnen sind, sondern höchstens als sozialphilosophische Grundlage entwicklungspolitischer Tätigkeit in Anspruch genommen werden könnten.

Ihre Kritik postuliert eine „Komplizenschaft von liberalen kosmopolitischen Solidaritätsbekundungen mit globalen Herrschaftsstrukturen“ (53), und zwar aufgrund einer „unzureichenden Auseinandersetzung mit den historischen Prozessen, die die Mitglieder einer globalen Elite in eine Stellung gebracht haben, die es ihr nun ermöglicht, als Wohltäterin der Allgemeinheit aufzutreten“ (ebd.), einer universalistischen Annahme von Ähnlichkeiten zwischen metropolitanen und subalternen Subjekten, und weil die „Politik des Helfens“ „ökonomische und geopolitische Interessen“ verdecke, wobei „Geschlecht und Entwicklung“ dem globalen Norden „als Alibi dient, im globalen Süden erneut zu intervenieren“ (55). Konkrete Belege für den Ideologievorwurf werden leider nicht erbracht. Problematisch ist auch, dass ausschließlich der Westen als Akteur der „Entwicklung“ konzipiert wird und die Rolle nationaler Eliten, die sich den Diskurs im Rahmen der Dekolonisierung angeeignet und instrumentalisiert und oftmals ohne Rücksicht auf Verluste in die Praxis umgesetzt haben, außen vor bleibt. Mit Spivak versteht Dhawan Entwicklungspolitik wie den Kolonialismus als „befähigende Verletzung“; es gehe darum, „zu untersuchen, inwiefern die Befähigung mit einem Minimum an Verletzung gestärkt werden kann“ (56). Es stellt sich die Frage, ob hier entsprechende Verletzungen – Eingriffe in die Lebenswelt der „Unterentwickelten“ mit dem Ziel der „Entwicklung“ – nicht etwas zu leichtfertig als unabdingbare Notwendigkeit dargestellt werden. Dies zumindest würden die meisten Post-Development-VertreterInnen entgegnen (s. bes. Nandy 1988, 1993, 1994; Alvares 1994).

In Bezug auf Demokratisierungsprozesse im Süden vertritt Dhawan analog zu Spivak die These, dass den Subalternen die Fähigkeit zur Artikulation ihrer Interessen fehle, auch wenn die Möglichkeit dazu gegeben sei:

„‘Die Massen’ werden dargestellt, als seien sie sich stets ihrer Interessen bewusst und dazu in der Lage, diese auszudrücken. Demgemäß werden sie als idealisierte und homogen wählende Subjekte angesehen, deren politische Stimme (voice/vote) schlicht als eine Erweiterung ihres alltäglichen authentischen Sprechens verstanden wird. Die Stimme der Subalternen wird also gerade im selben Moment zum Verstummen gebracht, an dem die Behauptung, sie werde gehört, triumphierend verkündet wird.“ (57)[4]

Hier, wie auch in verblüffend ähnlichen Passagen des neo-populistischen Post-Development (Rahnema 1997b: 388), wird sichtbar, wie heikel Spivaks Argumentation ist, da sie Bezug nimmt auf ein Wissen über die wahren Interessen der Subjekte, das diesen selbst verborgen bleibt – „falsches Bewusstsein“ nannte man das früher – und das eine Legitimation für die Missachtung entsprechender politischer Artikulation darstellt. Kohärent folgert Dhawan: „Ohne eine Ausbildung in der Ausübung der Freiheit reicht der bloße Besitz von Rechten nicht aus“ (57). Aber sind die „Ausbilder“ dann nicht (mindestens!) den selben Vorwürfen ausgesetzt, die Dhawan als Kritik an den „kosmopolitischen DemokratInnen“ formuliert? Und erfüllt der von ihr vorgeschlagene Lösungsweg eines generellen Zugangs zum formalen Bildungssystem wirklich die Kriterien, die sie selbst einfordert, nämlich keine eigenen Erfahrungen zu verallgemeinern und keine „Standardformeln“ (59) vorzuschlagen? Auf der Grundlage der Schriften von Ivan Illich (1973) wäre hier mit einem klaren „Nein“ zu antworten.

Auch der Umgang mit der internationalen Zivilgesellschaft und neuen sozialen Bewegungen (die z.T. durchaus politische Bezugspunkte kosmopolitischer, aber auch postkolonialer TheoretikerInnen darstellen) kann nicht ganz überzeugen. Ersterer unterstellt Dhawan, mit ihrer Hilfe sei „die redistributive Macht des Staates gänzlich untergraben worden“ (59), was bei aller berechtigten Kritik gegenüber Nichtregierungsorganisationen die Frage in den Raum stellt, ob nicht doch Unterschiede zwischen medico international und dem European Roundtable of Industrialists bestehen. Im Hinblick auf neue soziale Bewegungen postuliert sie, die Subalterne habe keinerlei Anteil an ihren organisierten Kämpfen (60). Auch wenn ein gewisses Misstrauen gegenüber dem Anspruch der Repräsentation der Unterdrückten nicht schaden kann, scheint ein solch pauschales Urteil den indigenen AktivistInnen in Organisationen wie PCN (Kolumbien), EZLN (Mexiko) oder MAS (Bolivien) nicht gerecht zu werden – es sei denn, man definiert die fehlende politische Artikulation bzw. Teilhabe an politischen Kämpfen als notwendiges Kriterium für Subalternität. Dies jedoch hätte problematische Konsequenzen: Es ließe einerseits die These, dass die Subalterne nicht sprechen kann, komplett tautologisch werden. Andererseits unterstellte es, dass unterdrückte Gruppen, die sich politisch auflehnen, nicht mehr zu den „wahren“ Unterdrückten gehören.

Dhawans Plädoyer für eine „transnationale Literalität“ (Spivak) (der Terminus wird nicht erläutert, bezieht sich aber auf Dezentrierung der Bildung durch das Erlernen mehrerer Sprachen, vgl. Schagerl o.J.), ihre Warnung vor einer unreflektierten Interessenvertretung der Anderen und ihr Hinweis darauf, dass „unterdrückte Minderheiten sich innerhalb eines Diskurses der Aufklärung bewegen, wenn sie bürgerliche und politische Rechte einfordern“ (61) und „in vielen postkolonialen Kontexten ... die Kritik an der Moderne zu einer Stärkung von konservativen und nationalistischen Ordnungen geführt hat“ (62) sowie ihr daran anknüpfender Appell, „das Haus des Herrn mit seinem eigenen Werkzeug zu demontieren“ (der dem ursprünglichen Diktum von Audre Lorde widerspricht) sind wiederum durchaus plausibel. Die fragwürdigen Elemente in der Argumentation vermögen sie jedoch nicht zu verdecken.

Dhawans Analysestrategie illustriert beispielhaft, wie Spivaks Thesen zu Subalternität und Repräsentation auf andere, im weiteren Sinne entwicklungspolitische Kontexte übertragen werden können. Ihre Kritik an der kosmopolitischen Demokratie bezieht sich auf die eurozentrische Prägung der diskursiven Konstruktion der entsprechenden Konzepte und Praktiken. Ebenfalls beispielhaft – im Sinne einer Kritik der postkolonialen Studien – ist allerdings die wenig ausgeprägte und lückenhafte Auseinandersetzung mit materiellen Praktiken der Entwicklungspolitik bzw. Demokratisierung.

Koloniale Muster, Entwicklungspolitik und „counter-mapping“ in Belize

Eine andere Bezugnahme auf postkoloniale Theorie, v.a. Spivak, und entwicklungspolitische Diskurse finden wir bei Joel Wainwright (2008). Ausgehend von der postkolonialen Erkenntnis, dass koloniale Herrschaft auf die Produktion bestimmter Wissensformen angewiesen ist, untersucht Wainwright zunächst den Diskurs, der die Vertreibung der Maya und die Versuche, sie sesshaft zu machen, im mittelamerikanischen Belize ermöglicht hat. Er arbeitet heraus, dass das zentrale Diskurselement – das landwirtschaftliche System der Maya (Brandrodung) ist primitiv, ineffizient und zerstörerisch und muss daher grundlegend verändert werden, um angesichts ihres Bevölkerungswachstums eine nachhaltige Entwicklung zu sichern – auch im späteren Entwicklungsdiskurs unverändert die Legitimation für treuhänderische Interventionen darstellt, die die Indigenen ansiedeln und ihre Anbaumethoden umstellen sollen. Analog zum Orientalismus zeigt er auch die Annahmen eines „Mayanismus“ auf, der Wissen über diese Gruppe, ihr Wesen und den Umgang mit ihnen bereit stellt. Doch es bleibt nicht beim „Othering“, Wainwright erforscht auch die Ambivalenzen des kolonialen Diskurses, die sich v.a. in der Wandlung des bekanntesten und einflussreichsten Entwicklungsexperten der kolonialen Herrschaft zum Verfechter indigener Rechte nach der Unabhängigkeit manifestieren – der jedoch auch dann noch dem Mayanismus verhaftet bleibt. Die auf die Maya im Toledo-Distrikt abzielenden (und wenig partizipativen) Entwicklungsprojekte seit 1978 zielten dem Autor zufolge auf die Privatisierung des kommunalen Landbesitzes, eine kapitalintensivere Landwirtschaft und letztlich eine stärkere Identifikation der Maya mit dem Nationalstaat ab und führten zu einer Überschuldung vieler BäuerInnen, was in eine breite Protestbewegung mündete. Diese erreichte zwar einen Schuldenerlass und eine Neuverteilung des Landbesitzes, jedoch ging es bei letzterer um privatisierte Parzellen, die den männlichen „Familienoberhäuptern“ überschrieben wurden. Wainwrights Studie integriert vorbildlich politökonomische und diskursanalytische Vorgehensweisen in der Analyse der Herrschaftsverhältnisse entlang der Ethnien, Klassen und Geschlechter. Noch spannender ist jedoch ihre Auseinandersetzung mit der aus der antikolonialen Geographie stammenden Praktik des counter-mapping.

Dieser Terminus bezieht sich auf eine „Kartographie von unten“, und im konkreten Fall haben die Maya-Gemeinden im Anschluss an ihren Protest einen Atlas erstellt, in dem sie ihr Land, ihre Lebensweise und ihre Weltsicht darstellen und erläutern – und der hegemonialen, die indigene Kultur (und ihre territorialen Ansprüche) nicht anerkennenden Sichtweise entgegensetzen. Wainwright – der auch bei diesem Projekt beteiligt war – liest diesen Atlas jedoch nicht als authentische Aussage über die Maya-Kultur, sondern als Versuch, eine solche zu konstruieren, und stellt in Anlehnung an Spivak die Frage: „Can the subaltern map?“ (260) Er zeigt, wie sich keineswegs „authentisch indigene“ Diskurselemente des Nationalismus, der nachhaltigen Entwicklung, des internationalen Rechts und der feminisierten Natur dort wiederfinden, wie die Vorstellungen der das Projekt begleitenden Geographen der „cultural ecology“ eingeflossen sind, und wie die Selbstdarstellung der Maya Ambivalenzen ausblendet zugunsten einer verklärten, vom Mayanismus geprägten Idylle, in der z.B. Reis, Lohnarbeit, Kettensägen und Christentum und andere äußere Einflüsse nicht vorkommen (253). „Die Bedeutung dessen, was den ‘Maya’-Raum im Atlas charakterisiert, wird durch ein System von Ausschlüssen produziert“ (257), und der deutlich sichtbarste betrifft die Geschlechterverhältnisse, v.a. die Fokussierung auf männliche Tätigkeiten, die Festschreibung traditioneller Rollen und die Ausklammerung der verbreiteten Gewalt in der Ehe. Selbst wenn man das Projekt als eines der gegenhegemonialen Wissensproduktion begreift und ihm strategischen Essentialismus zugesteht: kritikwürdig ist dies allemal. Und letztlich beruhen auch die Karten im Maya-Atlas auf den Vorlagen kolonialer Kartographen über das nationalstaatliche Territorium von Belize, ehemals Britisch-Honduras.

Wainwright folgert, dass es keine einfache Lösung und kein „Außen“ jenseits von Herrschaftsdiskursen gibt und fordert, „Entwicklung“ zu „dekolonisieren“, sie von der „Erbschaft des westlichen Kolonialismus“ in Form des Kapitalismus, der Treuhandschaft und der Ansiedlung loszulösen (286). Die positive Bezugnahme auf „richtige“ „Entwicklung“ (284) im Sinne einer Verbesserung der Lebensverhältnisse erscheint als essentialistischer Wermutstropfen[5] in einer überzeugenden, kritisch-theoretisch geleiteten und empirisch fundierten postkolonialen Analyse materieller Praktiken und der mit ihnen verknüpften Diskurse, die bei aller Kritik auch die Ambivalenzen in kolonialen Diskursen und bei aller Sympathie auch die problematischen Elemente in antikolonialen Praktiken nicht ausblendet.

Während in den bisher diskutierten Arbeiten postkoloniale Theorie explizit Referenz und Rüstzeug der Untersuchungen darstellte, existieren auch eine Reihe von Studien, die erst auf den zweiten Blick einen solchen Bezug aufweisen: nämlich dann, wenn man ihre Analysestrategien herausarbeitet.

Ägypten als Objekt des Entwicklungsdiskurses

Mitchells Studien zur Konstruktion Ägyptens im Entwicklungsdiskurs (1995, 2002, 2009) kontrastieren Weltbankdarstellungen des Landes zunächst mit empirischen Fakten und Statistiken. Er kommt zu dem Schluss, dass in ihnen eine technokratische und entpolitisierende Sichtweise dominiere, die Konflikte und Machtverhältnisse ausblende. Mitchell zeigt, dass die verbreitete Darstellung des zentralen „Entwicklungsproblems“ Ägyptens – das fruchtbare Niltal inmitten einer Wüste kann die rapide zunehmende Bevölkerung nicht mehr ernähren – einer Überprüfung nicht standhält: Die Bevölkerungsdichte liegt weit unter der Belgiens oder Südkoreas (vom Ressourcenverbrauch ganz zu schweigen), die landwirtschaftliche Produktivität wuchs konstant schneller als die Bevölkerung, und die sich verschlechternde Ernährungssituation (immer mehr Nahrungsmittelimporte, zunehmende Unterernährung) erklärt Mitchell mit einer Umstellung der Nachfrage in Richtung Getreide als Futtermittel: Zunehmende soziale Ungleichheit sowie Tourismus haben die „effektive Nachfrage“ hin zum Fleischkonsum verschoben, unterstützt durch eine Subventionspolitik der Regierung: Das steigende Einkommensgefälle „ermöglichte ... den Bessergestellten, die Ressourcen des Landes von der Produktion von Grundnahrungsmitteln zur Produktion von Luxusgütern umzulenken“ (2009: 173). Auch die vermeintliche Landknappheit entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Problem der Bodenkonzentration, und die technokratischen und managementorientierten Lösungsversuche des solchermaßen auf „natürliche Beschränkungen von Geographie und Demographie“ (179) zurückgeführten Problems ändern nichts an der ihm im Kern zugrundeliegenden sozialen Ungleichheit.

Die Weltbankvorschläge, sich das Modell des exportorientierten Wachstums z.B. Südkoreas als Beispiel zu nehmen, implizieren, so rechnet Mitchell vor, eine vierzigfache Steigerung der Nichterdölexporte, aber es „gibt keine Hinweise darauf, dass die Nachfrage Europas nach mit Luftfracht herangeschafften ägyptischen Schnittblumen und Wintertomaten auch nur um einen Bruchteil dieses Betrages zunehmen könnte“ (191). In diesem Lösungsvorschlag wird jedoch deutlich, dass die Weltbank immer noch Nationalstaaten als diskrete funktionale Einheiten konstruiert, was die Übertragbarkeit von wirtschaftlichen Strategien ermöglicht – „ohne Rücksicht auf ihre unterschiedliche Position innerhalb der größeren wirtschaftlichen und historischen Netzwerke“ (190). Des Weiteren konstruiert, so Mitchell, der Entwicklungsdiskurs sein Objekt als eine von den Entwicklungsorganisationen getrennte Realität. Auch wenn USAID „mehr oder weniger erfolgreich als eine Form staatlicher Unterstützung für die amerikanischen Konzerne [funktionierte], während sie in Ägypten am Abbau staatlicher Unterstützungen arbeitete“ (202), stellte sich die Organisation als vernunftgeleiteter Akteur außerhalb der Machtkonfiguration des Landes dar. Dies sei ein strukturelles Merkmal des Entwicklungsdiskurses, in dem der Westen das dem Nicht-Westen fehlende Expertenwissen bereit stelle, ansonsten aber seine eigene Rolle hinsichtlich der Fragen von Macht und Ungleichheit auf globaler, nationaler oder lokaler Ebene ausblende.

Es stellt sich die Frage, inwiefern hier von einer postkolonialen Analyse die Rede sein kann. Zunächst einmal verweist Mitchell auf die neokoloniale Rolle von USAID, somit also auf Parallelen zwischen kolonialer und nachkolonialer Periode. Dann argumentiert er, dass die Konstruktion des nichtwestlichen Anderen maßgeblich von den Bedürfnissen und Interessen der westlichen Akteure geprägt ist (und weniger von der ägyptischen Realität) – was letztlich Saids Argument empirisch unterfüttert. Und weiterhin betont er die analytischen Beschränkungen, die sich aus der Verallgemeinerung des westfälischen Staatenmodells ergeben – was Chakrabartys These entspricht. Somit ließe sich behaupten, dass auch ohne explizite Bezugnahme auf die erwähnten AutorInnen hier eine empirische Anwendung der postkolonialen Fragestellungen, Analysestrategien und Hypothesen festzustellen ist. Die Auseinandersetzung mit materiellen Praktiken ist hierbei nicht nur intensiv und präzise, sondern auch produktiv, denn sie ermöglicht eine erweiterte Kritik der entsprechenden Konstruktionen des Entwicklungsdiskurses, indem diese nicht nur als eurozentrisch, sondern als sachlich falsch und interessengeleitet (fast möchte man sagen: ideologisch) entlarvt werden.

Transnationalisierung des Rechts, Widerstand und der „listige Staat“

Shalini Randeria untersucht in mehreren Aufsätzen (2003, 2009a, 2009b) den „zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die Privatisierung öffentlicher Güter“ in Indien unter den Bedingungen einer „durch Rechtspluralismus und überlappende Souveränitäten charakterisierte[n] Architektur der Global Governance“ (2009a: 211). Hierbei unterscheidet sie innerhalb der nachkolonialen Staaten zwischen schwachen Staaten, denen „die Macht fehlt, nicht-staatliche supranationale und subnationale Akteure erfolgreich zu disziplinieren“ (217) und listigen Staaten. Diese sind durchaus „in der Lage, die Bedingungen auszuhandeln, unter denen sie die Souveränität in bestimmten Politikfeldern mit anderen Akteuren teilen, während sie über andere die Kontrolle behalten. Sie verleugnen ihre Macht nur, um sie auszuüben und sich dennoch mit Hinweis auf ihre eigene Machtlosigkeit der Verantwortung zu entziehen“ (ebd.). Am Beispiel der von der Welthandelsorganisation (WTO) eingeforderten Patentgesetzgebung Indiens im landwirtschaftlichen wie auch im pharmazeutischen Bereich (letztlich eine Privatisierung von Wissen) erkennt Randeria durchaus eine Einengung des Spielraums für nationalstaatliche Politikgestaltung, der listige Staat schöpfe den vorhandenen Spielraum jedoch von alleine keineswegs aus – erst wenn er durch (nationalen und transnationalen) zivilgesellschaftlichen Widerstand massiv unter Druck gesetzt werde.

Nun wäre auch an dieser Stelle die Frage möglich, was diese Argumentation mit postkolonialen Studien zu tun habe, wenn der Terminus nicht sämtliche Bereiche nachkolonialer Staaten abdecken soll. Mit (neo‑)kolonialen Diskursen, Repräsentationen und Identitäten hat der Text tatsächlich wenig zu tun. Die Antwort lautet: Zum einen beruft sich der indische Staat in einigen der erwähnten Auseinandersetzungen auf den kolonialen Land Acquisition Act, der Enteignungen im öffentlichen Interesse ermöglicht, und das britische Prinzip des „eminent domain“, das „dem Staat Hoheit über natürliche Ressourcen und Bodenschätze seines Territoriums verleiht“ (227). Somit geht es hier um koloniale Kontinuitäten im Bereich der Rechtsnormen und damit verbundener Praktiken. Zum anderen illustrieren Randerias Ausführungen implizit die Thesen Bhabhas über die Bruchstellen kolonialer Herrschaft und die Möglichkeiten der subversiven Aneignung entsprechender Diskurse. Dies nicht nur, weil die Handlungen und Strategien der listigen Staaten die simple Vorstellung einer neokolonialen Weltordnung unter der Herrschaft des Nordens als unterkomplex erscheinen lassen, sondern weil in dem Konflikt um das Mumbai Urban Transport Project das Beschwerdepanel der Weltbank und ihre (letztlich nicht durchgesetzten) ökologischen und sozialen Auflagen für Zwangsumsiedlungen zum positiven Bezugspunkt für zivilgesellschaftliche indische Organisationen wurden – gegen die indische Regierung, die jedoch solchen Schwierigkeiten „listig“ mit einem Wechsel der Geberorganisation aus dem Weg ging (230-232). Auch dass Protestorganisationen 2003 im Verfahren gegen Coca-Cola erreichten, dass der Oberste Gerichtshof von Kerala das aus der US-amerikanischen Gesetzgebung stammende Prinzip des „public trust“ übernahm und den Staat zur Gewährleistung des Zugangs zu Luft, Wasser, usw. verpflichtete und deren Privatisierung zu kommerziellen Zwecken ausschloss (228), verweist auf die Potenziale der emanzipativen Aneignung von Normen im Rahmen einer Transnationalisierung des Rechts jenseits einer Dichotomie von guter Zivilgesellschaft und bösem Staat – oder widerständigem Süden und unterdrückendem Norden. Auch ohne ihn zu zitieren, demonstriert Randeria so die Produktivität von Bhabhas Analysestrategie ebenso wie das Potenzial einer profunden postkolonialen Untersuchung materieller Praktiken.

Der IWF als Wissensproduzent und Disziplinierungsinstrument

Teivo Teivainen (2009) vertritt in seiner Analyse des IWF im wesentlichen drei Thesen: Zum einen zeigt er auf, dass der Widerspruch zwischen dem undemokratischen Entscheidungssystem des IWF (Stimmrechte sind nach Kapitalanteilen gewichtet) und dem demokratischen Selbstverständnis der dieses System kontrollierenden Länder (genauer: Staaten und Regierungen) gerechtfertigt wird durch zwei Elemente: Das erste ist die „Doktrin der ökonomischen Neutralität“ (107), die den IWF als unpolitischen Berater in ökonomischen Sachfragen darstellt; das zweite die „Annahme vom Nationalstaat als der größten legitimen politischen Gesellschaft, wonach die Ebene der internationalen Beziehungen überhaupt keine politische oder öffentliche Sphäre darstellt, in der demokratische Forderungen Gültigkeit beanspruchen können“ (ebd.). Dies ist scharfsichtig beobachtet, auch wenn die These kaum über das hinaus geht, was bereits Ferguson (1995), Roxanne Lynn Doty (1996) oder der (vom Autor zitierte) Rob B. J. Walker (1993) herausgearbeitet haben. Zweitens wird der IWF in diesem Kontext als „moderner Priester“ bzw. „Lehrer der Metaphysik“ bezeichnet, worunter Teivainen „(Re‑)Produzenten von Wahrheitsansprüchen, die auf Strategien der Universalisierung und Neutralisierung aufbauen“ (108) versteht. Drittens behauptet er in einem Vergleich zwischen der Situation lateinamerikanischer Schuldnerstaaten in den 1920er bzw. 30er mit der in den 1980er und 90er Jahren, in letzterem Fall hätten die Regierungen keinerlei Spielraum gehabt und durch die Auflagen der Strukturanpassungsprogramme in einer Beziehung der „politischen Knechtschaft“ (132) zum IWF gestanden, und zwar im Rahmen eines globalen Governance-Systems mit autoritären, über die demokratische Kontrolle im staatlichen Rahmen hinausgreifenden Elementen (129). M.a.W.: der IWF wird als neokoloniales Disziplinierungsinstrument des Nordens dargestellt.

Diese These ist nun beileibe nicht aus der Luft gegriffen, würde jedoch überzeugender wirken, wenn eine eingehendere Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Versuchen erfolgte, die Konditionalitäten der Strukturanpassung zu umgehen bzw. zurückzuweisen. So hat z.B. George (1988) ausführlich die vom Norden angedrohten drakonischen Zwangsmaßnahmen gegenüber unwilligen Schuldnerstaaten geschildert. Andererseits haben Paul Mosley, Jane Harrigan und John Toye (1991) den Verhandlungsspielraum der Nehmer gegenüber den Bretton-Woods-Institutionen erforscht und kamen zu dem überraschenden Ergebnis, dass viele Regierungen die Auflagen zumindest der Weltbank oftmals ohne negative Konsequenzen ignoriert haben.[6] Ecuadors neue Strategie der Nichtbedienung als illegitim eingestufter Schulden ist in diesem Kontext hochinteressant (vgl. Kaiser 2009). Auch Teivainen berücksichtigt materielle Praktiken eher lückenhaft: Die Reform der Strukturanpassungsprogramme und ihre formelle (!) Neuausrichtung an Armutsbekämpfung, „ownership“ und Partizipation bleiben ausgeblendet, ebenso wie die veränderte Rolle des IWF im internationalen Schuldenregime: Durch die Rückzahlung der IWF-Kredite (v.a.) seitens der großen lateinamerikanischen Schuldnerstaaten ist sein Einfluss deutlich gesunken (vgl. Ellmers 2006) und in der Frage der Einführung eines Staateninsolvenzverfahrens war gerade er nicht für das Scheitern moderat progressiver Initiativen in der internationalen politischen Ökonomie verantwortlich. Zwar entsprach das IWF-Modell des Sovereign Debt Restructuring Mechanism (SDRM) in wichtigen Punkten nicht den NGO-Forderungen nach einem fairen und transparenten Schiedsverfahren, aber eine geregelte Insolvenz wäre für Schuldnerstaaten sicherlich ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem Status Quo. Der entsprechende SDRM-Vorschlag aus dem IWF ist letztlich am Veto der USA, aber auch der lateinamerikanischen Schwellenländer gescheitert, da diese die Reaktion der Finanzmärkte in Form von Risikoaufschlägen (Zinssatzerhöhungen) als Resultat eines solchen (ihnen eigentlich zugute kommenden) Insolvenzverfahrens befürchteten.[7] Dies illustriert, dass die internationalen Finanzbeziehungen zwar durchzogen sind von asymmetrischen Machtverhältnissen, letztere sich aber nicht auf die „Knechtschaft“ der Schuldner gegenüber dem IWF reduzieren lassen.

Teivainens Kritik am IWF beruht v.a. auf dem Nachweis von an koloniale Beziehungen erinnernden Herrschaftsverhältnissen zwischen Nord und Süd und der Dekonstruktion[8] ihrer Legitimationsversuche. Ein Bezug zur postkolonialen Theorie im engeren Sinne und den erwähnten Analysestrategien lässt sich implizit in der Herausarbeitung der beschränkenden Konsequenzen einer westfälisch-nationalstaatlichen Vorstellung politischer Gemeinschaft erkennen, die mit Chakrabartys Perspektive einer Provinzialisierung Europas konvergiert.

Zusammenfassung

In diesem Überblick wird die Vielfalt postkolonialer Ansätze deutlich. Einige verbleiben wie Eriksson Baaz auf der Ebene des Diskurses, andere wie Mitchell beziehen materielle Praktiken mit ein, einige knüpfen explizit an postkoloniale Theorien an (Dhawan, Wainwright), andere weisen nur einen impliziten Bezug zu ihnen auf (Randeria, Teivainen).

Hinsichtlich der zwei Ausgangsfragen dieses Artikels ist folgendes festzuhalten: Erstens scheinen die vier herausgearbeiteten, über die Frage nach kolonialen Kontinuitäten hinaus gehenden Analysestrategien – Orientalismus und Othering; subalterne Repräsentation und Artikulation; Hybridität und Provinzialisierung Europas – in der Lage zu sein, diese Vielfalt zu erfassen und die Herangehensweisen einzuordnen. Mehr noch: Mit ihrer Hilfe ist es möglich, auch solche Arbeiten als postkolonial zu identifizieren, die keine explizite Bezugnahme auf entsprechende Theorien aufweisen.

Zweitens: Der Vorwurf der Vernachlässigung materieller Praktiken in den postkolonialen Perspektiven auf „Entwicklung“ ist in dieser pauschalen Form nicht haltbar. Es zeigt sich, dass materielle Praktiken der Entwicklungspolitik in vielen Fällen Teil oder Fokus des Untersuchungsgegenstands sind. Deutlich ist aber auch geworden, dass die Auseinandersetzung mit diesen Praktiken des Öfteren ungenau, oberflächlich und/oder lückenhaft ist. Dies gilt insbesondere für die Makro-Ebene und entsprechende Institutionen – Randeria kann hier als positive Ausnahme gelten. Die schematische Dichotomie repräsentationskritischer Postkolonialismus vs. materialitätskritische Entwicklungsforschung wird durch eine Reihe der untersuchten Arbeiten (Wainwright und Mitchell sind hier an erster Stelle zu nennen) aufgebrochen.

Hier wird auch der Erkenntnisgewinn einer solchen postkolonialen Perspektive auf „Entwicklung“ deutlich. Hätte Wainwright sich auf die Perspektive der Entwicklungsforschung beschränkt, wäre die Analyse auf (gescheiterte) Entwicklungsprojekte und (erfolgreiche) soziale Bewegungen beschränkt geblieben und hätte die Zielsetzung, materielle Verbesserungen der Maya durch Ansiedelung und Umstellung ihrer landwirtschaftlichen Praktiken zu erreichen, nicht hinterfragt, da sich das Erkenntnisinteresse auf den wirtschaftlichen Nutzen und nicht auf die kolonialen Kontinuitäten gerichtet hätte. Der Maya-Atlas würde aus dieser Perspektive womöglich als traditionalistische Nostalgie bewertet, mit Sicherheit jedoch würde im Hinblick darauf beurteilt, welche Konsequenzen für den Lebensstandard der Maya er impliziert – die umkämpften Prozesse der Konstruktion einer eigenen Identität und auch der Einfluss des Mayanismus auf diese blieben einer solchen Analyse verborgen, ebenso wie der treuhänderisch-paternalistische Impetus des Entwicklungsdiskurses, der immer noch auf die Korrektur als vormodern klassifizierter Lebensweisen abzielt.

Auf der anderen Seite illustriert Mitchells Studie, wie zentral die Auseinandersetzung mit ökonomischen und politischen Strukturen auch für eine postkoloniale Analyse sein kann. Bei einem Verzicht auf eine solche Auseinandersetzung hätte er zwar die Konstruktion Ägyptens im Entwicklungsdiskurs als eurozentrisch und entpolitisierend kritisieren können. Die Absurdität der Weltbankvorschläge und v.a. die mit dieser Konstruktion der „Entwicklungsprobleme“ des Landes verknüpften handfesten materiellen Interessen ägyptischer Eliten und US-amerikanischer Konzerne wären so nicht sichtbar geworden – oder hätten lediglich ohne überzeugende Belege verschwörerisch angedeutet werden können.

Dementsprechend kann gefolgert werden, dass die postkolonialen Analysestrategien sich dann als besonders produktiv und erkenntnisfördernd erweisen, wenn sie mit empirischen Untersuchungen zu politischen und ökonomischen Institutionen und Prozessen kombiniert werden. Gerade im Hinblick auf die sichtbar gewordenen Lücken in der postkolonialen Forschung im Bereich der Entwicklungspolitik wird hier ein vielversprechendes Forschungsprogramm deutlich.

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Anschrift des Autors:
Aram Ziai
aram.z@gmx.net



[1]      Diese und alle folgenden Übersetzungen stammen vom Verfasser.

[2]      Julia Reuter (2002) hat „othering“ treffend mit „Veranderung“ übersetzt.

[3]      Die hier identifizierten Analysestrategien decken sicher nicht die ganze Breite postkolonialer Studien ab, nicht einmal bei den herangezogenen AutorInnen: auch aus den Konzepten der Mimikry, des Dritten Raums, des Worlding, des strategischen Essentialismus oder des Privilegien Verlernens ließen sich möglicherweise weitere Strategien herausarbeiten.

[4]      Grundlage ihrer Argumentation ist hierbei ein Artikel über die Wahlen in Nicaragua 1990. Am Rande sei angemerkt, dass das Wahlergebnis auch durchaus als Ausdruck eines rationalen Interesses der Bevölkerung am Ende des Konflikts mit den Contras und den USA interpretiert werden kann.

[5]      Um Missverständnissen vorzubeugen: essentialistisch ist nicht der Bezug auf eine Verbesserung der Lebensverhältnisse, sondern ihre Verknüpfung mit dem Begriff der „Entwicklung“.

[6]      Dies erklären sie v.a. durch den „Mittelabflussdruck“ der Weltbank. Die oftmals verheerenden sozialen Auswirkungen der Strukturanpassung sollen hiermit jedoch nicht relativiert werden.

[7]      Quelle hierfür sind ExpertInneninterviews, die im Rahmen meiner Habilitationsschrift (Ziai 2007b) geführt wurden.

[8]      Der Begriff wird hier nicht im Sinne Derridas gebraucht, sondern bezieht sich auf das Herausarbeiten der (theoretischen und politischen) konzeptionellen Grundlagen einer Praxis.

 

PERIPHERIE Nr. 120, 30. Jg. 2010, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 399-426
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