Crossover mit bestickten Turnschuhen

Über den musikalischen Mainstream der 90er

Dass die Streber von Metallica bei der großen Tour mit Guns `N Roses im Jahre 1993 beim Publikum besser abschneiden als die Truppe von Sänger Axl Rose, ist kein Wunder. Brav spielen sie jeden Abend ihre Hits vom legendären „schwarzen Album“ und die Endlosfrickelnummern aus der Zeit davor. Während dessen liegen die Gunners vollgedröhnt hinter der Bühne. Der Höhepunkt im Wanderzirkus der „Monsters of Rock“ ereignet sich dann bei einem Konzert in St.Louis: Sänger Axl Rose springt mit seinen schicken Basketballschuhen, deren Laschen sein in rosa gestickter Vorname Axl schmückt, von der Bühne. Er vermöbelt einen Fan mit Kamera in der Hand. Alles nicht ganz fair, aber fein: Die Guns `N Roses haben nämlich gerade ihre besten Alben veröffentlicht, Use your illusion 1 und 2. Da kann man sich schon mal daneben benehmen.
Aus heutiger Sicht wirkt das alles ein bisschen peinlich. Axls bestickte Schuhe, seine weißen Radlerhosen und die Zigarette, die der Gitarrist „Slash“ am Gitarrenkopf unter den Saiten befestigt. Aber spätestens, wenn wir den Samstagnachmittag mit den Terminator-Filmen vor dem Fernseher verbringen, erinnert uns der Song „You could be mine“ im zweiten Teil der Actiontrilogie daran, dass die Use your illusion - Alben vielleicht die interessantesten Musikproduktionen der neunziger Jahre sind.

Die Antipoden der „Monsters of Rock“ in der Frühphase der Neunziger sind demgegenüber nicht so skandalumwittert. Robbie Williams nimmt erst ein paar Jahre später an Gewicht zu, Drogen sind tabu. Und ein Großteil der Boybands verschwindet schnell in der Versenkung. Die beste Boyband der Welt ist natürlich Take That. Das erste Album „Take that and party“ von 1992 kommt wie ein typisches Debüt-Album daher: Zwei, drei Hits – sonst nix. Anders dann aber 1995 ihr Höhepunkt „Nobody else“ mit den bekannten Referenzliedern „Back for good“ und „Never forget“. Obwohl der Boyband-Hype irgendwann abebbt, setzt er sich heute in den Pop-Schlagern aus den Casting-Shows fort. Das subversive Potential der Boybands der Neunziger ist auch nicht zu unterschätzen. Es wird offensichtlich, dass Popbands von Agenturen zusammengestellt und vermarktet werden und sich nicht schon seit der Schule kennen.

Eine weitere Stilblüte der neunziger Jahre ist die „Crossover“- Stilisitik, eine Mischung aus Rockmusik und Hip-Hop. Auch bei einigen Redakteurinnen des prager frühling zur Abwechslung von der Elektronik sehr beliebt ist das Debüt-Album der H-Blockx „Time to move“ und auch das eher hardcore-mäßige Album von Such A Surge „Under pressure“. Das klingt richtig nach Jugendzentrum und bei „Gegen den Strom“ kann man schön mitträllern.

Schade: Der Crossover scheitert daran, dass er irgendwann für die Hip-Hopper zu uncool und für die Rocker zu modern wird. Dass sich in den Neunzigern Politikerinnen und Politiker der Grünen, der SPD und der PDS von der Stilistik inspirieren lassen und eine gemeinsame „Crossover“-Diskussion - allerdings ohne die H-Blockx – beginnen, zeigt deutlich: Es ist eine politisch engagierte Musik. Wer allerdings heute den Crossover reanimieren will, muss sich wenigstens mit seinem Scheitern beschäftigen.

Alben:
Metallica, Black Album, 1991, Elektra Records / Vertigo Records
Guns N Roses, Use your illusion 1 und 2, 1991, Geffen Records
Take That, Take That and party, 1992, RCA Victor Europe
Take That, Nobody else, 1995, Rca Int. (Sony BMG)
H-Blockx, Time to move, 1995, Hansa Sing (Sony BMG)
Such a surge, Under Pressure, 1995, Epc (Sony BMG)