Energie, Arbeit und gesellschaftliche Reproduktion

Kolya Abramsky argumentiert, dass Energie nicht bloß Rohstoff für den kapitalistischen Produktionsprozess ist, sondern historisch stets auch Mittel zur Befriedung von Klassenkämpfen war. Was bedeutet diese These im Kontext von Peak Oil und einer möglichen Energiewende?

„Energie ist elementare Bedingung jedweden Lebens. Die Verfügbarkeit über Energie ist ein elementares und unteilbares Menschenrecht. (…) Es wird milliardenfach verletzt.“1

„Aus kapitalistischer Perspektive erscheint Energie als wesentliches technologisches Mittel zur internationalen Kontrolle der ArbeiterInnenklasse. In erster Linie stellt sie einen Ersatz für die Arbeit dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Kapital zunehmend mit der ArbeiterInnenklasse zu Rande gekommen, indem es Arbeit durch Energie ersetzt hat… Durch ihre unmittelbare Anwendung im Produktionsprozess befreit Energie das Kapital von der Arbeit. Daraus folgt, dass Kontrolle über die Verfügbarkeit und den Preis von Energie sowohl Kontrolle über die technologischen Bedingungen des Klassenkampfes auf internationaler Ebene, als auch Kontrolle über ökonomische Entwicklung bedeutet.“2

Um die gegenwärtige so genannte „Energiekrise“ und einen möglichen zukünftigen „Übergang zu erneuerbaren Energien und/oder zu einer Post-Erdöl-Zukunft“ zu verstehen, muss berücksichtigt werden, in welchen Verhältnissen die Menschen den Reichtum der globalen Ökonomie produzieren, und wie die ArbeiterInnenschaft reproduziert und politisch desorganisiert wird. Ebenso wichtig ist es, die spezifische Arbeitsteilung im Energiesektor auf globaler Ebene ins Auge zu fassen. Zwei zentrale Aufgaben müssen dabei angegangen werden: (a) die globale Arbeitsteilung im Energiesektor soll dargestellt werden, und (b) die Verhältnisse, in der diese Arbeitsteilung erzeugt, aufrechterhalten und geformt wird, in einer breiter angelegten Analyse kapitalistischer Verhältnisse aufeinander bezogen nachgezeichet werden.

Dieser Artikel versucht, drei allgemeine Fragen zu umreissen
und zumindest teilweise zu beantworten:

- Wie hängt Energie mit Arbeit und der Reproduktion derselben auf einer allgemeinen Ebene zusammen?

- Welche Rolle spielen Arbeit und ArbeiterInnen konkret innerhalb des Energiesektors?

- Wie kann ein Verständnis von Energie und Arbeit dazu beitragen, aktuelle Konzepte, wie „Energiekrise“ und „Energiewende“ zu verstehen?

Zunächst einige einleitende Bemerkungen zu Energie und Arbeit. Historisch wurden zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten unterschiedliche Energiequellen in unterschiedlichen Kombinationen verwendet. Es existiert eine Vielzahl unterschiedicher Energiesektoren. Dazu zähl(t)en etwa Walfett, Holz, Torf, Kohle, Erdöl, Kernenergie, Wind, Solarenergie, Biotreibstoffe, Wasserkraft oder Kuhdung. Mit jedem dieser Sektoren ist eine spezifische Form der Arbeitsteilung verbunden. Energie erfordert Technologien, um Kraftstoffe zum Gebrauch aufzubereiten, z.B. als Antriebskraft, Hitze, Licht etc. Beispiele dafür sind Benzin und der Verbrennungsmotor, oder Kohle und das kalorisches Kraftwerk. Und schließlich kann Energie mehr oder weniger zur Ware gemacht werden. Der Begriff „Arbeitskräfte“ wird hier im weitesten Sinne des Wortes verstanden, und schließt jedeN ein, dessen/deren Arbeit (oder Land oder andere natürliche Ressourcen) nutzbar gemacht oder kommodifiziert werden muss, um Mehrwert für das Kapital zu schaffen. Dieses Konzept stellt weder industrielle Fabriksarbeit oder urbane Arbeit über landwirtschaftliche Arbeit, noch bezahlte über unbezahle oder „freie“ über „erzwungene“ Arbeit. Darüber hinaus geht es davon aus, dass reale materielle Hierarchien und Interessenkonflikte zwischen ArbeiterInnen existieren. Damit die Produktion von Gütern und deren Verkauf zu Profitzwecken auf einem kontinuierlich expandierenden Markt stattfinden kann, muss ein Reservoir an kontrollierbaren Arbeitskräften kontinuierlich reproduziert, aufgestockt und ausgedehnt werden. Dies wird als „gesellschaftliche Reproduktion“ bezeichnet.

Energie als Subsistenzmittel

Energie ist besonders aufgrund seiner Bedeutung für die Herstellung von Nahrung, Unterkünften, Beleuchtung und Heizung, ein wesentliches Subsistenzmittel. Ohne sie könnte menschliches Leben nicht existieren und der Prozess der Reproduktion bräche zusammen. Wenn Menschen keinen direkten Zugang zu Energie haben, müssen sie, um zu überleben, zumindest Zugang zu Geld haben, um Energie kaufen zu können.

Wie bei Land und anderen Subsistenzmitteln ist der Grad der Trennung zwischen EnergieproduzentInnen und -konsumentInnen entscheidend. Je mehr die ProduzentInnen von ihren grundlegenden Subsistenzmitteln getrennt sind, desto stärker sind sie von Lohnarbeit abhängig, um ihre Subsistenzmittel zu erwerben. Historisch gesehen war der Prozess der Trennung von den Subsistenzmitteln notwendig, um eine Gruppe von Menschen zu schaffen, die keine andere Möglichkeit hat als für Lohn zu arbeiten, und die so die notwendige Arbeitskraft für die kapitalistische Produktion zur Verfügung stellt. Dieser Prozess, der nach wie vor andauert, wird „ursprüngliche Akkumulation“ und „Enteignung“ genannt. Entscheidend ist, dass der Grad der Trennung der Menschen von ihren Subsistenzmitteln, in diesem Fall von Energie, weder dauerhaft noch einfach gegeben ist, sondern vielmehr Gegenstand eines ständigen Prozesses von Kämpfen, Konflikten und Aushandlungen.

Dies wirft die Frage nach Eigentum, Kontrolle und Zugang zur Energieproduktion und -konsumtion auf. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welchen Zweck diese erfüllen. Wird Energie produziert und konsumiert, um den Anforderungen der Kapitalakkumulation – für die sie ein wesentliches Rohmaterial und Produktionsmittel ist – zu entsprechen, oder dient sie dazu, die Bedürfnisse menschlichen Überlebens zu befriedigen? Diese Interessen sind einander strukturell diametral entgegengesetzt. Dies führt zu Kämpfen um die Kommodifizierung von Energie, die sich um die Frage drehen, ob Energie eine gemeinsame Ressource außerhalb von Marktverhältnissen ist, oder eine Ware, die auf dem Weltmarkt für Profit verkauft wird; und insoweit Energie bereits kommodifiziert ist, gibt es einen Kampf um das Ausmaß der Kommodifizierung.

Gegenwärtig sind kommunale und öffentliche Energieressourcen auf der ganzen Welt – von Wäldern bis zu Ölfeldern – zunehmend von Privatisierung bedroht, besonders durch regionale und multilaterale Freihandelsabkommen wie NAFTA, FTAA, EU oder die WTO. Dies wirkt sich wesentlich auf Energiepreise und die Zugangsmöglichkeiten der Menschen zu Energiequellen aus, unabhängig davon, ob es „saubere“ oder „schmutzige“ Energiequellen sind.

Dieser Prozess der Privatisierung und Einhegung kommunaler oder öffentlicher Ressourcen für Profitzwecke erinnert an die Einhegung der Wälder Europas, die sich über mehrere Jahrhunderte vollzog. Dieser Prozess war ein integraler Bestandteil der Entstehung einer europäisch dominierten kapitalistischen Weltwirtschaft und bedeutete, dass Menschen mehr und mehr in die Abhängigkeit vom Geld und damit von Lohnarbeit getrieben wurden, um Zugang zu Energie zu haben. Somit ist die Einhegung ein wichtiger Teil des Prozesses der Expansion des Weltmarktes, basierend auf der Verfügbarkeit eines globalen Reservoirs an Arbeitskräften. Es ist wichtig festzuhalten, dass dies kein Nebeneffekt ist, sondern ein wesentliches Merkmal. Die Expansion des Weltmarktes bedeutet die Einhegung von Gemeingütern, und Energie ist eines der wichtigsten Gemeingüter. Zusätzlich zum Eigentum an Energie spielt – sobald sie kommodifiziert wurde – ihr Preis eine entscheidende Rolle für die gesellschaftliche Reproduktion; dies vor allem in Bezug auf die Höhe des Preises und die Frage, wer diesen bezahlt. Zahlt das Kapital für die Reproduktion der Arbeitskraft, die es benutzt, um Profite abzupressen, oder ist es in der Lage, diese Kosten auf die bezahlten oder unbezahlten ArbeiterInnen abzuwälzen. Schließlich muss etwas über Widerstand gesagt werden. Neben den Auseinandersetzungen um Land gibt es vermutlich keinen Bereich, in dem die Kämpfe um Gemeingüter zentraler sind als in Bezug auf die zwei miteinander verbundenen Prozesse der Enteignung gemeinschaftlicher Energieressourcen und der steigenden Energiepreise. Der Aufstand der Zapatistas in Mexiko, der seit 1994 andauert, war zum Teil eine Antwort auf die Lockerung der über 70 Jahre alten Einschänkungen der Eigentumsrechte ausländischer Konzerne an Mexikos Erdöl durch die NAFTA. Zuletzt hat Evo Morales in Bolivien die Erdgasfelder des Landes verstaatlicht. In den letzten zehn Jahren gab es große Auseinandersetzungen in Bezug auf die Privatisierung der Stromversorgung, etwa in Frankreich, Südafrika, Südkorea und Thailand. In aller Welt wurde Widerstand gegen die Privatisierung von Wäldern geleistet, wobei Frauen in vielen dieser Kämpfe eine führende Rolle einnahmen. Die meisten dieser Kämpfe sind international vernetzt, sodass spezifische lokale Kämpfe einander inspirieren, Informationen austauschen und über verschiedene globale Netzwerke unterstützen.

Landeigentum und Energieressourcen

Die meisten Energieressourcen exitistieren in ländlichen Gebieten. Wenn Energie vom Kapital angeeignet wird, bedeutet das die Enteignung von Land oder zumindest der Kontrolle darüber. Und wie Energie ist auch Land ein grundlegendes Subsistenzmittel. Die gegenwärtige Restrukturierung der globalen Ökonomie bedeutet auch, dass Unternehmen im globalen Maßstab ausgeweitete Investitionsrechte erhalten, was die territoriale Autonomie ländlicher Communities sowie Sozial- und Umweltstandards aushöhlt. Das Eigentum von Bauern und BäuerInnen wird gewaltsam auf das Kapital übertragen. In diesem Prozess sind also zusätzlich zur allgemeinen Enteignung von Land jene Gebiete ganz besonders betroffen, die über Energieressourcen verfügen. Die Suche nach und Extraktion von Öl, Gas, Kohle und Uran sowie der Bau großer Staukraftwerke haben alle erhebliche soziale und ökologische Auswirkungen auf die lokalen Communities. Dies führt zu großen sozialen Konflikten über Landrechte und Verschmutzungen sowie zu Vertreibungen, z. B. in Nigeria, Kolumbien, Ecuador und einer Reihe anderer Länder. Besonders betroffen sind bäuerliche Bevölkerungen, Indigene, Black Communities (in Lateinamerika) und von der Fischerei lebende Gemeinschaften, in denen oft noch intakte gemeinschaftliche Formen des Landbesitzes existieren.

In den letzten Jahren reichten die Widerstandsstrategien gegen die Inbesitznahme oder Zerstörung von Land zur Energiegewinnung von parlamentarischen Kämpfen
bis zu autonomen Community-Organisierungen, Straßenprotesten, gewaltfreiem zivilem Ungehorsam und in jüngster Zeit (etwa in Nigeria) bis zum bewaffnetem Kampf und der Entführung von Angestellten der Ölkonzerne. In Kolumbien drohte die U’wa Community angesichts der fortgesetzten Tätigkeiten des Konzerns OXY-Petroleum sogar damit, Massenselbstmord zu begehen. Auch der Bau der weltweit größten Öl-Pipeline, der Ceyhan-Tiflis-Baku-Pipeline hat zu Protesten geführt, sowohl innerhalb der betroffenen Länder, als auch von internationalen UnterstützerInnen. In Venezuela ist die indigene Bevölkerung aufgrund des Kohlebergbaus, der von einer Reihe staatlicher und ausländischer multinationaler Konzerne betrieben wird, von Vertreibungen betroffen. In den USA bedrohen die Aktivitäten des Kohle-Giganten Peabody Coal die Navajo-Communities in Arizona. Millionen von Menschen wurden in der ganzen Welt aufgrund des Baus von großen Staukraftwerken vertrieben, unter anderem in Indien, China, Brasilien und Indonesien. Während sich die Atomindustrie auf eine neuerliche Expansion vorbereitet, gewinnt auch die Anti-Atomkraft Bewegung wieder an Stärke, sowohl in Gegenden, in denen die neuen Atomkraftwerke entstehen sollen, als auch in jenen, in denen das Uran abgebaut wird – z. B. in den indigenen Gebieten in der Wüste von Nevada/Arizona in den USA oder bei den Uranlagern und -minen auf dem Land der Aborigines in Australien. Wie bei den Kämpfen um das Eigentum an Energieressourcen oder die Nutzung von Land für Energiegewinnung haben auch diese Kämpfe erfolgreich internationale Verbündete gesucht.

Energie und Arbeit

Energie stellt nicht nur ein wesentliches Subsistenzmittel dar und ist mit Kämpfen um Land verbunden, sondern ist auch für Arbeit im Allgemeinen wichtig:

• Die Mechanisierung hat eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität ermöglicht – was im Kontext kapitalistischer Verhältnisse die Basis für Lohnhierarchien und Strategien zur Erhöhung des relativen Mehrwerts darstellt.

Künstliche Beleuchtung hat den Arbeitstag verlängert (so wie in jüngerer Zeit die Ausbreitung von Informationstechnologien), was im Kontext kapitalistischer Verhältnisse die Basis für Strategien darstellt, den absoluten Mehrwert zu erhöhen.

Transport hat die geographische Reichweite von Märkten für Rohmaterialien, Arbeit und Waren erweitet und zu einer Reduktion der Zirkulationszeit von Gütern, Geld, Menschen etc. geführt.

Kommunikationstechnologien führen dazu, dass der Arbeitstag immer mehr Bereiche des Lebens durchdringt.

Billige Nahrung, Unterkunft, Kleidung und Konsumgüter haben die Kosten für die Reproduktion der globalen Arbeitskraft verringert, sodass Lohnsenkungen aufgefangen
und die Differenzen in globalen Lohnhierarchien intensiviert werden konnten. Zum Beispiel wurde die Verfügbarkeit billiger Nahrung größtenteils dadurch erwirkt, dass das Modell der industriellen Landwirtschaft der bäuerlichen Bevölkerung weltweit aufgezwungen wurde.
Dies führte für jene Teile der Weltbevölkerung die ihres Landes beraubt wurden, um die für die energieintensive Agrarindustrie notwendige Konzentration von Land herzustellen, zu Nahrungsmittelunsicherheit. Die verwendeten Dünger und Pestizide verschärften die ökologische Krise und setzten immer größere Teile der Weltbevölkerung den Schwankungen der Weltmarktpreise für Nahrungsmittel aus.

Energie hat also eine wichtige Rolle bei der Ausformung der weltweiten Klassenverhältnisse insgesamt gespielt, nicht nur im Energiesektor. Mechanisierung ist ein besonders wichtiger Prozess, durch den sich Energie und menschliche Arbeit wechselseitig beeinflussen. Es ist erhellend, sich diesen Prozess im Detail anzusehen. Energie ist ein Ersatz für menschliche (oder tierische) Arbeit. Die Geschichte der Energienutzung ist, mit allen Vor- und Nachteilen, eine Geschichte der Substitution menschlicher Arbeit durch externe Energiequellen: Holz, Kohle, Gas, Öl, Kernenergie, Windmühlen…

Paradoxerweise verrichtet inmitten all dieser „arbeitssparenden“ Technologien niemand wirklich weniger Arbeit als zuvor. Das Lohnverhältnis, das die Fabrik prägt, wurde ebensowenig abgeschafft wie die ungleichen Geschlechterrollen, die so viele Haushalte bestimmen, oder Formen unbezahlter Arbeit. Statt ungleiche und ausbeuterische Arbeitsformen abzuschaffen, haben energieintensive Apparate, Fahrzeuge und Maschinen lediglich die Arbeitsmuster und -strukturen verändert. Tatsächlich hat die Ersetzung von Menschen durch Maschinen und Roboter oft zur Entstehung großer Massen entqualifizierter und unbeschäftigter ArbeiterInnen geführt und regelmäßig Widerstand der ArbeiterInnen hervorgerufen.

Es wäre jedoch falsch, die Ersetzung menschlicher Arbeit als bloßen unintendierten Nebeneffekt der Mechanisierung zu sehen. Die Mechanisierung wurde oftmals gerade dazu eingeführt, menschliche Arbeit zu ersetzen – denn organisierte und rebellische menschliche Arbeit droht der Kontrolle jener zu entfliehen, die sie zu kontrollieren suchen, seien es Grundherren, Fabriksbesitzer oder Landwirtschaftsunternehmen. Die Maschinenstürmer, die die mechanischen Webstühle, die ihre Lebensgrundlage bedrohten, zerstörten, sind hierfür ein berühmtes Beispiel.3 Ein aktuelleres Beispiel finden wir in den Goldminen Südafrikas. Konfrontiert mit dem massiven Widerstand der MinenarbeiterInnen nach dem Zweiten Weltkrieg investierten die MinenbesitzerInnen stark in Mechanisierung, um die ArbeiterInnen zu ersetzen. Dies schien der effektivste Weg, um den Widerstand zu brechen. Für die Förderung von 10kg Gold waren im Jahr 1950 zehn ArbeiterInnen notwendig und es mussten 99.000 Kilowattstunden Energie aufgewendet werden. 1975 wurden für die Förderung derselben Menge Gold fünf ArbeiterInnen angestellt und 180.000 KWh Energie gebraucht.4

All dies zeigt die Wichtigkeit der Energie für das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital im Allgemeinen, nicht nur beschränkt auf den Energiesektor. Daher ist auch ein Übergang zu einem neuen Energiesystem nicht nur für die ArbeiterInnen im Energiesektor wichtig, sondern für alle ArbeiterInnen auf der ganzen Welt, bezahlte wie unbezahlte.

Arbeit im Energiesektor

„Hört her! Wir sollten in einer HolzschlägerInnen-Gewerkschaft sein! Schlag Holz zum Frühstück! Schlag Holz, wasch’ seine Kleider! Schlag Holz, erhitze das Bügeleisen! Schlag Holz, wisch’ die Böden! Schlag Holz, koch’ sein Abendessen!“5

„Das Schiff ist ein schwimmendes Transportmittel für Arbeit … ungefähr fünf Millionen emigrieren, um Arbeit zu finden … es hat 750 Passagiere …man sieht an ihren Gesichtern und Händen, dass die meisten von ihnen BäuerInnen sind, Leute vom Land … dieselben armen Schweine, die die letzte Nacht auf der Straße verbracht haben … dieselben Leute, die herumgestoßen und angeschrieen werden … die in Gruppen zusammengedrängt darauf warten, dass irgendein Beamter sich dazu herablässt, ihre Existenz zu bemerken … Ihre Gesichter und ihr Gewand haben die Farben der Erde, dunkel und braun.“6

Der kommerzielle Energiesektor hat immer die Arbeit vieler verschiedener Menschen an unterschiedlichen Orten umfasst und basiert auf globalen Warenketten, die innerhalb des weiteren Zusammenhangs kapitalistischer Verhältnisse operieren. Diese sind selbst geographisch ungleichförmig und hierarchisch. Historisch gesehen waren ArbeiterInnen im Energiesektor (zumindest im Bereich bezahlter Arbeit) und ihre Gewerkschaften gut organisiert, sowohl in einzelnen Ländern als auch international. Im Mai 2006 vertrat die Internationale Föderation der Chemie-, Energie-, Bergbau- und Fabrikarbeitergewerkschaften (ICEM) annähernd 20 Millionen ArbeiterInnen, die in 379 Gewerkschaften in 123 Ländern organisiert waren.7

Die Tatsache, dass Energie ein strategisches Rohmaterial ist, bedeutet, dass ArbeiterInnen im Energiesektor – ebenso wie ArbeiterInnen, die für diesen Sektor wichtige Rohmaterialien abbauen – sich an einer strategisch wichtigen Position befinden. Das hat widersprüchliche Effekte.

Einerseits ist es notwendig, viel Mehrarbeit von ihnen abzupressen und hohe Output-Levels zu gewährleisten. Dies führt dazu, dass in manchen Bereichen des Energiesektors Formen der Zwangsarbeit eine Rolle spielen können, besonders in Perioden verstärkter Konkurrenz zwischen Konzernen und Staaten. Beispiele hierfür sind etwa die Kohleminen in den afrikanischen Kolonien, welche die Rivalität zwischen den imperialen Mächten Europas anheizten8 oder Strafarbeit im Süden der USA, die eingesetzt wurde, um den Industrialisierungsprozess zu unterstützen.9 Vor dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer neuerlichen Welle von Zwangsmaßnahmen im Energiesektor, sowohl im Rahmen der New Deal-Politik in den USA, als auch in Stalins beschleunigter Zwangsindustrialisierung. Nazideutschland, das über wenig eigene Ölquellen verfügte, setzte auf eine Art synthetischen Kraftstoff. Zusammen mit dem Industrieunternehmen IG Farben setzte der Staat Armeen von ZwangsarbeiterInnen ein, um diesen Kraftstoff aus Kohle produzieren zu lassen. In der Periode vor der Iranischen Revolution von 1979 wurden streikende ArbeiterInnen in der Ölförderung mit Waffengewalt aus ihren Häusern gezerrt und gezwungen, die Produktion fortzusetzen.10 Gegenwärtige Beispiele sind etwa migrantische ArbeiterInnen in den Ölstaaten des Persischen Golfs. Schockierenderweise erinnert das oben angeführte Zitat stark an die klassischen Beschreibungen der Sklavenschiffe während des atlantischen Sklavenhandels. In Kolumbien, dem Land mit der höchsten Rate ermordeter GewerkschafterInnen, sind ÖlarbeiterInnen mit lebensbedrohlicher Repression durch Paramilitärs konfrontiert. Aber auch im Sektor neuer Energien treten Arbeitskonflikte auf. Brasilianische ArbeiterInnen im Zuckerrohranbau sind bei der Produktion des Rohmaterials für die US-Ethanol-Versorgung Arbeitsbedingungen ausgesetzt, die an Sklaverei erinnern.

Andererseits bedeutet die strategische Positionierung der ArbeiterInnen im Energiesektor, dass diese eine starke Verhandlungsmacht gegenüber ihren ArbeitgeberInnen und Regierungen (sowie anderen ArbeiterInnen) besitzen. Arbeitskämpfe im Energiesektor haben regelmäßig zu Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Lohnerhöhungen geführt und wirkten oftmals auch als Anstoß für verbesserte Bedingungen für ArbeiterInnen in anderen Sektoren. Hierfür können etwa die Errungenschaften der KohleminenarbeiterInnen im Britischen Generalstreik von 1926 oder jene der Erdöl-ArbeiterInnen in der Iranischen Revolution 1978-79 als Beispiele angeführt werden.

Vielleicht wird die widersprüchliche Position der EnergiearbeiterInnen am Beispiel der ÖlarbeiterInnen in den OPECLändern am besten sichtbar. Deren Kämpfe spielten für den Anstieg des Ölpreises in den 1970ern eine wichtige Rolle. Die infolge der Kämpfe hohen Erträge des Erdöls ermöglichten einerseits viele soziale Reformen, etwa im Bildungsund Gesundheitsbereich, waren jedoch zugleich mit harter Repression verbunden.

Unbezahlte Arbeit im nichtkommerziellen Energiesektor

Oft wird argumentiert, dass Erdöl das Fundament der Energieversorgung des gegenwärtigen Kapitalismus sei. Einerseits ist dass völlig richtig: Öl ist sicherlich die Hauptenergiequelle für die Produktion und Konsumtion von Gütern auf dem Weltmarkt – solange wir die Produktion der Arbeitskraft, die selbst eine wichtige Ware am Weltmarkt ist, ausklammern. Es ist aber genau diese Exklusion der Produktion von Arbeitskraft, die problematisch ist. In der ganzen Welt, besonders in ländlichen Gegenden, decken die Menschen ihren Energiebedarf nicht ausschließlich oder auch nur hauptsächlich durch die Nutzung kommerzieller Energie, sondern durch nichtkommerzielle Energie aus Dung, Holz und anderer Biomasse, die Wärme, Licht und Brennstoff bereitstellt. Mehr als ein Drittel der Menschheit, über zwei Milliarden Menschen, hängen gegenwärtig zur Deckung ihres täglichen Energiebedarf von diesen Energieträgern ab. Das Sammeln solcher Brennstoffe wird meist von Frauen und Kindern als Teil der „Hausarbeit“ verrichtet, ohne Lohnentschädigung und den (begrenzten) Schutz, den die sogenannte „formelle Ökonomie“ mit ihren Gewerkschaften oder anderen organisatorischen Formen anbietet.11 Diese Energiequellen sind absolut entscheidend für die Reproduktion der weltweiten Arbeitskraft zu extrem niedrigen Kosten.

Dass manche Energieformen „modern“ und andere „traditionell“ genannt werden, beruht auf der unausgesprochenen Annahme, dass die gegenwärtig existierenden Ungleichheiten im globalen Energiesystem gelöst werden könnten, indem das existierende System einfach ausgeweitet wird, sodass die Zahl der VerliererInnen – NutzerInnen „traditioneller“ Energie – fällt und die Zahl der GewinnerInnen – NutzerInnen „moderner“ Energie – steigt. Das basiert auf der Vorstellung, dass jene ohne Zugang zu „modernen“ Energiequellen „aufholen“ und Zugang zu diesen Quellen erreichen können. Es scheint jedoch, dass „primitive“ Biomasse-Brennstoffe nicht lediglich eine anachronistische Anomalität der „modernen Welt“ sind, sondern vielmehr einen wesentlichen Teil von deren ungleichem Charakter ausmachen; genauso wie unbezahlte Arbeit nicht eine „vorkapitalistische“ Anomalität darstellt, sondern eher einen Stützpfeiler, auf dessen Basis bezahlte Arbeit existieren kann. „Moderne“ Energiequellen und Technologien, so wie Erdöl, und „nicht-moderne“ stehen zueinander in Beziehung. Es scheint, dass eines die Kehrseite des anderen ist und Erdöl nicht ohne Biomasse existieren kann. Das Gegenstück und der wesentliche Stützpfeiler kommerzieller Energie am Weltmarkt ist die nichtkommerzielle Energie, kombiniert mit unbezahlter Arbeit.

USA: billige Energie und teure Arbeit

Wenden wir uns den USA zu, dem größten pro-Kopf Energieverbraucher der Welt. Die USA haben den Rest der Welt schlichtweg ihrem eigenen Bedarf nach Energie und besonders nach Öl untergeordnet. Daraus entstehen zwei Bilder: Einerseits der totale Egoismus und die Ignoranz gegenüber dem Energiebedarf des Rests der Welt, andererseits eine extreme Verwundbarkeit und Abhängigkeit. Warum wurde die US-Ökonomie und -Bevölkerung so abhängig vom Erdöl aus der ganzen Welt? Und was sind die Effekte dieser Abhängigkeit?

„Billige“ Energie war ein wesentlicher Stützpfeiler des Wirtschaftswachstums
und der Hegemonie der USA nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Zugang zu ergiebigen Energiequellen war sowohl innerhalb der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion als auch in Bezug auf die Reproduktion des Lebensunterhaltes der Bevölkerung ausschlaggebend für die Absicherung des sozialen Friedens in den USA. Wenn Arbeit teuer und schwer zu kontrollieren ist, gehört es zu den bewährtesten Strategien von Grundherren, Unternehmen und ArbeitgeberInnen, Menschen durch Maschinen zu ersetzen und die ArbeiterInnen einer kontrollierenden und spaltenden Disziplinierung zu unterwerfen; eine solche Strategie ist gleichbedeutend mit der Abpressung von mehr Arbeit in kürzerer Zeit, also der Intensivierung der Arbeit. Dies war ein wesentlicher Faktor in der Automatisierung der Automobilfabriken in Detroit in den 1950ern, ein Prozess, der auf eine Serie von Arbeitskämpfen und wilden Streiks in diesem Sektor folgte. Die Automatisierung entfachte organisierte Arbeitskämpfe wie jene der Dodge Revolutionary Union Movement (DRUM) und die League of Black Revolutionary Workers.12 Schwarze ArbeiterInnen trugen die Hauptlast dieser Veränderungen und nannten den Prozess abwertend „Niggermation“. Um 1970 nutzte die verarbeitende Industrie 66 Prozent mehr Energie als im Jahre 1958, aber nur 35 Prozent mehr Arbeit.13 Billige Energie war auch entscheidend für die Reduktion der Lebenshaltungskosten, von Nahrung, Wohnen, Kleidung und Transport. In anderen Worten, sie stellte einen zentralen Faktor für die Reduktion der Reproduktionskosten der Arbeitskraft dar und erhöhte so den Mehrwertanteil des Kapitals. Eine McDonalds-„Mahlzeit“ kann man für weniger als einen Dollar bekommen. Soziale Unruhe wurde durch die Erleichterung eines Konsumismus eingedämmt, der den Lebensstandard direkt erhöht.

Folglich erfordern die kollektiven Strategien des Kapitals zur Kontrolle der Arbeit in den USA, die auf dem doppelten Prozess von Mechanisierung und Konsumtion auf hohem Niveau beruhen, ergiebige Quellen billiger Energie. Oder, genauer gesagt, sie benötigen zumindest die Fähigkeit, Energieflüsse und Preise zu kontrollieren. Energiepreise sind nämlich alles andere als ein unvermeidbares Diktat der „unsichtbaren Hand“, einer reinen Angebot-Nachfrage-Logik; sie sind in Wirklichkeit hochgradig politisch.14

Teure Energie kann manchmal für die Kontrolle der Bedingungen, unter denen Menschen arbeiten, nützlich sein. In den vielfältigen und miteinander verbundenen Krisen – politische und ökonomische Krise, Finanzkrise, Energiekrise, Nahrungsmittelkrise – der 1970er Jahre, als die sozialen Auseinandersetzungen heftig waren, wäre ein direkter Angriff auf die ArbeiterInnen (etwa durch Lohnkürzungen) sehr schwer durchzusetzten gewesen, ohne massiven Widerstand zu provozieren. Insofern die Erhöhung von Energiekosten eine Erhöhung von Lebenshaltungskosten bedeutet, ermöglichte eine geplante Erhöhung von Energie und Nahrungsmittelpreisen eine hocheffektive indirekte Attacke auf die Löhne in den USA und weltweit.

Das gegenwärtige Energiesystem der USA und besonders die großen Ölkonzerne sind mit großen Problemen, Ungleichheiten, Konflikten und Schwachstellen in einem hochgradig stratifizierten globalen Energiesystem konfrontiert. Diese Probleme und Ungleichheiten werden vermutlich noch stärker sichtbar werden, wenn die Energiepreise steigen und Erdöl vermehrt durch neue Energiequellen ersetzt wird.

Energiewende und Klassenkampf

Das zwanzigste Jahrhundert und besonders die Nachkriegszeit war von der Verbindung von „teurer Arbeit“ und „billiger Energie“ gekennzeichnet. Dieser Zusammenhang stellte einen integralen Faktor der Verhinderung und Eindämmung von Klassenkämpfen auf der ganzen Welt dar, besonders aber in den USA, für deren Hegemonie dies ein essentieller Bestandteil war. Es steht fest, dass aktuell eine globale Veränderung des Energiesystems bevorsteht. Die Frage ist nicht mehr, ob diese Veränderung passiert, sondern welcher Art die Verschiebung sein wird und auf welchen Technologien sie basieren wird. Wer wird die Bedingungen dieses Prozesses vorgeben und mit welchen Zielen? Und vor allem: wer wird die Gewinne ernten und wer die Kosten tragen? Wie werden die Verhältnisse zwischen den ArbeiterInnen in den Branchen der erneuerbaren und der nicht erneuerbaren Energiequellen aussehen? Wer wird in der Lage sein, sich die für die Produktion notwendige Arbeit zu Nutze zu machen (ebenso das Wissen, die Rohmaterialien und das Geld)? Wie werden die Veränderungen im Energiesektor das Verhältnis zwischen Kapital und Lohnarbeit und zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit verändern?

Es ist wahrscheinlich, dass, wenn die existierenden Energiebestände teurer werden – im monetären, sozialen, politischen und ökologischen Sinn – es auch zu entsprechenden Versuchen von Seiten des Kapitals kommen wird, die Arbeit zu verbilligen, nicht nur indem Löhne gesenkt werden, sondern auch in Bezug auf andere Kosten der Arbeit, insbesondere indem die Kosten der Reproduktion der Arbeitskraft auf unbezahlte, vor allem von Frauen verrichtete Arbeit verschoben werden. Und wir können davon ausgehen, dass, wenn Energiepreise eher sprunghaft als graduell ansteigen, auch der Angriff auf die Arbeit plötzlich erfolgen wird. Wenn wir annehmen, dass billige Energie für die Verringerung der Reproduktionskosten der Arbeitskraft ausschlaggebend war, stellt sich die Frage, wer die erhöhten Kosten für die Reproduktion tragen wird? Wird das Kapital in der Lage sein, die erhöhten Reproduktionskosten auf die ArbeiterInnen in verschiedenen Teilen der Welt abzuwälzen – besonders auf unbezahlte Haus- und landwirtschaftliche Arbeit, die in erster Linie von Frauen ausgeübt wird – oder werden die ArbeiterInnen sich weigern dies zu akzeptieren?

Die Konflikte werden vermutlich insbesondere in den USA akut werden, wo steigende Arbeitskosten in der Vergangenheit zumindest teilweise durch billige Energie kompensiert wurden. Die zuvor dargestellte Doppelstrategie hat große – und die dominanten – Fraktionen der US-ArbeiterInnenklasse im weltweiten Vergleich zu extrem großen EnergieverbraucherInnen gemacht. Infolgedessen sind US-ArbeiterInnen besonders verwundbar für die massiven Veränderungen, die sich im Weltenergiesystem gegenwärtig anbahnen. Es ist wahrscheinlich, dass ArbeiterInnen in den USA unvorbereitet einen massiven und schnellen Angriff erleiden werden, der, obschon unter neuen Bedingungen, in einer Wiederbelebung von Arbeitsformen resultieren könnte, die in den energiereichen Ländern des globalen Nordens, besonders in den USA, bereits annähernd abgeschafft waren. Dies ist besonders wahrscheinlich, wenn die USA beginnen sollten, im Fahrwasser der Weltwirtschaftskrise eine „Reindustrialisierung“ einzuleiten, diesmal aber auf dem Rücken einer geschlagenen ArbeiterInnenschaft. Man muss sich nur die Straßen, Felder und Küchen Indiens ansehen, um die Arbeits- und Lebensbedingungen zu sehen, die in einem Kontext gedeihen, in dem kommerzielle Energie teuer und rar, Arbeit aber reichlich vorhanden und billig ist.

Andererseits stellt sich die Frage nach einer neuen Runde des globalen Klassenkampfs innerhalb der weltweiten Arbeitsteilung. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass billige Energieinputs für die Eindämmung des Klassenkampfs in den USA so wichtig waren, könnten steigende Energiekosten das Kapital für erneuerte Formen des Klassenkampfs verwundbar machen. Diese könnten einerseits an steigenden Lebenshaltungskosten anknüpfen, die das Kapital auf die ArbeiterInnen abzuwälzen versucht, und andererseits an den Umstand, dass es für das Kapital immer kostenaufwändiger wird, eine seiner erprobtesten Strategien zur Eindämmung von Kämpfen anzuwenden, nämlich die Mechanisierung.

Schließlich ist nicht nur die Frage des Klassenkampfs in den USA ausschlaggebend, sondern auch, ob die neuen globalen Wachstumszentren wie China und Indien in der Lage sein werden, Energie – welcher Art auch immer – in der selben Art und Weise einzusetzen, wie es Großbritannien und die USA taten, um den Klassenkampf zu entschärfen und zu hegemonialen Mächten im Weltsystem zu werden.

Überlegungen über den Konflikt zwischen Kapital und Lohnarbeit, die für eine Debatte um Energie zentral sind, fügen den Diskussionen um die Energiekrise und eine mögliche Energiewende ein Element der Unsicherheit hinzu. Dies lädt zu vorsichtigen Spekulationen über das Ausmaß ein, in dem erneuerbare Energien – besonders in der Langzeitperspektive – eine materielle Basis für entweder die fortgesetzte Reproduktion kapitalistischer Verhältnisse oder aber die Errichtung nicht-kapitalistischer gesellschaftlicher Produktions- und Reproduktionsverhältnisse darstellen können. Es gibt hier keine offensichtlichen oder eindeutigen Antworten: dies sind keine technischen, sondern politische Fragen. Und während es großen Bedarf für weiterführende Untersuchungen in diesem Bereich gibt, sind die Fragen auch nicht bloß Forschungsfragen. Die Antworten liegen in der konkreten historischen Entwicklung des Energiesektors, der weltweiten kapitalistischen Verhältnisse und den Ergebnissen der miteinander verbundenen Kämpfe, die diese Prozesse formen. Es ist wahrscheinlich, dass wir uns erst am Anfang einer Periode intensiver Auseinandersetzungen um
Energie befinden. Es gilt, die Offenheit der „Energiekrise“ und möglicher „Lösungen“ anzuerkennen, um in der Lage zu sein, aktiv an den damit verbundenen Kämpfen teilzunehmen.

Das englische Original erscheint im Herbst 2009 in: Abramsky, Kolya (Hg.): Sparking a World-wide Energy Revolution. Social Struggles in the Transition to a Post-Petrol World, Oakland: AK Press, 2009

Anmerkungen

1 Abschlusserklärung der Weltversammlung für Erneuerbare Energien 2005: Das Menschenrecht auf Erneuerbare Energien, http://www.wrea2005.org/downloads/WREA_2005_abschlusserklaerung_de.pdf
2 Midnight Notes: Midnight Oil. Work, Energy, War 1973-1992 (New York 1992), S. 124, Herv. i. O.
3 Marx, Karl: Das Kapital, Bd. 1, MEW 23, S. 451f.
4 Norre, Peter/ Turner, Terisa: Oil and Class Struggle (London 1980)
5 Die Frau eines Minenarbeiters im Film „Salt of the Earth“ von Herbert Bibermann (1954)
6 Beschreibung eines Schiffs, das migrantische ArbeiterInnen in die Ölindustrie am Persischen Golf transportiert. Midnight Notes, a.a.O., S. 67-70.
7 http://www.icem.org/
8 Padmore, George: The Life and Struggles of Negro Toilers (Hollywood 1931)
9 Lichtenstein, Alex: Twice the Work of Free Labor. The Political Economy of Convict Labor in the New South (London/ New York 1996), S. 105-126.
10 Norre / Turner, a.a.O., S. 299
11 Warwick, Hugh/ Doig, Alison: Smoke – the Killer in the Kitchen. Indoor Air Pollution in Developing Countries (London 2004)
12 Georgakas, Dan/ Surkin, Marvin: Detroit: I do Mind Dying. A Study in Urban Revolution (Boston 1975); Bird, Stewart/ Lichtman, Rene/ Gessner, Peter, in association with the League of Black Revolutionary Workers: Finally Got the News (Detroit 1970); Denby, Charles: Workers Battle Automation (Detroit 1960); Denby, Charles: Indignant Heart. A Black Worker’s Journal (Boston 1989)
13 Midnight Notes, a.a.O., S. 124
14 Für eine interessante Diskussion zum politischen Charakter von (Energie-)Preisen, allerdings nicht im Kontext der USA, vgl. Ramirez, Bruno: The Working Class Struggle Against the Crisis: Self Reduction of Prices in Italy; in: Zerowork 1 (1975)