Deutsch, aber gründlich

Der CDU-Parteitag in Stuttgart zeitigte kaum nennenswerte Ergebnisse:
eine windelweiche Debatte zur DDR-Geschichte der CDU – Wir waren
dabei, aber nicht schuld – und vor allem wahltaktisch bestimmtes Herunterreden
der Folgen der Finanzkrise. Mehr war nicht zu erwarten und
auch nicht notwendig. Für das Simulieren von Politik reicht das allemal.


Doch dann ein demokratisches Aufbegehren der Parteitagsbasis – gegen
den ausdrücklichen Willen der Großen Vorsitzenden. Eine Grundgesetzänderung
wird von der Volkspartei, die ihre Stärke in der Mitte sucht,
gefordert. Ein Zusatz zum Artikel 22: »Die Sprache in der Bundesrepublik
ist Deutsch«. Wer hätte das gedacht? Wer kann solchen Antrag eingebracht
haben, wer hat ihm zur Mehrheit verholfen?


Man könnte verstörte Delegierte vermuten, die bei ihrer Abreise in
Dresden oder Leipzig gefragt wurden: »Ham se dir ooch ne Freischdällung
gegähm, wie beim Honneger?« Es könnte aber auch eine Allianz der
deutschen Leitkulturhammel gewesen sein.


Aber nein, es liegt anders, ganz anders. Auch die CDU ist mittlerweile
von V-Leuten des Bundesamtes für Verfassungsschutz mehrheitlich unterwandert.
Und den Schlapphüten geht die Arbeit aus. In der NPD sollen sie nicht, in der LINKEN brauchen sie nicht, jedenfalls nicht ernsthaft. Um
die Terroreros in Deutschland kümmert sich bald das BKA allein. »Weshalb
also noch Verfassungsschutz?«, fragen sich Max Mustermann und
Lieschen Müller.


Da war Handeln angesagt, entschlossenes zumal. Und die IMs in der
CDU haben mehrheitlich gehandelt. Denn: Wenn bald – und es könnte
bald sein, denn von Herrn Schäuble und anderen Superdemokraten geforderte
Grundgesetzänderungen werden jetzt ja so en passant, Verzeihung,
so im Vorübergehen erledigt – wenn also bald »Hier wird Deutsch
gesprochen!« Verfassungsrang erhält, erschließen sich den Schützern
der Verfassung völlig neue Tätigkeitsfelder.


Zunächst wären die Landesämter, zuerst und vorzugsweise in Bayern,
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen, erheblich aufzustokken,
vorrangig mit Mitarbeitern aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-
Holstein, aus dem Duden-Verlag und von der Hochschule für Schauspielkunst
»Ernst Busch« Berlin. Neben der gewohnt verdeckten Arbeit
müssen in diesen Schwerpunktländern öffentliche Streifen des Verfassungsschutzes
eingerichtet werden. Im ersten Halbjahr nach Inkrafttreten
genügen noch Ermahnungen, danach wird mit Bußgeldbescheiden zur
Kasse gebeten. Der Bundeshaushalt erhält eine ungeahnte Finanzierungsquelle,
mit der alle zusätzlichen Belastungen aus der Finanzmarktkrise
und den noch zu erwartenden aus der erst noch anstehenden Krise der
»Realwirtschaft« mühelos abgedeckt werden können.


In einigen Sondergebieten (Lausitz, Köln, Bayerischer Wald, Suhl und
Neugersdorf-Oberlausitz) wird der Ausnahmezustand verhängt, dessen
Aufhebung erst nach mehrjähriger nachgewiesener Sprachschulung aller
Bewohner zur Überprüfung dem Bundesverfassungsgericht anheimgestellt
werden kann. BAP, Die Höhner sowie alle Gruppen, die an »Hitparaden
der Volksmusik« und ähnlichen kriminellen Veranstaltungen teilnehmen,
erhalten einen persönlichen Mitarbeiter aus den Reihen des
Verfassungsschutzes gestellt.


Da der Verfassungsschutz auch präventiv tätig sein soll, richtet er eine
Übersetzungsabteilung, zu Beginn erst einmal mit 1 500 Mitarbeitern, ein. Hier kann jeder Bürger zur Vermeidung von Bußgeldern seine geplanten
Redebeiträge, Briefe und E-Mails vor Entäußerung auf Unbedenklichkeit
prüfen und bei Bedarf korrigieren lassen. Die Gebühren
betragen fünfzig Prozent der Bußgelder; Elferräte und Büttenredner aus
dem Rheinland sowie Kellner aus Bayern zahlen einen Aufschlag von
zweihundert Prozent.


Eine etwas größere Abteilung des Verfassungsschutzes übernimmt den
unnachsichtigen Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Sprache
in Industrie, Handel, Gewerbe und Werbung. Der damit erzwungene
Austausch von über achtzig Prozent aller Produktbezeichnungen, Firmennamen,
Fernseh- und sonstiger, auch Außenwerbung, löst einen ungeahnten
Aufschwung bei Werbeagenturen, Filmstudios und Handwerksbetrieben
aus, mit dem der Abschwung in der Automobilindustrie mehr
als ausgeglichen wird. Um unzumutbare Härten zu vermeiden, werden
per weiterem Zusatz zum Artikel 22 folgende Wörter zu deutschen erklärt:
Döner, McDonalds, Burger, Cola, Job-Center, Info-Point und Hartz
IV. Handy ist bereits ein deutsches Wort und bedarf deshalb keiner besonderen
Erwähnung.


Daimler nennt sich vorbeugend um in »Betrieb zur Herstellung von
Fahrzeugen für den straßengebundenen Individual- und Güterverkehr
in Deutschland und der Welt«, BMW zu »DMW in Bayern«. Herr Ackermann
teilt mit, daß die Deutsche Bank nach längerer Prüfung zwar ihren
Namen behält, aber aus sprachlichen Gründen jegliche Aktivitäten im
Investmentbankingbereich schrittweise zurückfährt.


Der Bundespräsident erhält in einer Entschließung vom Bundestag
eine Freistellung von korrekter deutscher Sprache bei seinen Berliner Reden;
insbesondere sei mit dem neuen Verfassungszusatz nichts über abverlangte
Sinnhaftigkeit der deutschen Rede gesagt. Bundestag und Bundesrat
weiten in einer Sondersitzung diese Freistellung auf Abgeordnete
des Bundestages, der Länderparlamente und der Gemeindevertretungen
sowie auf alle Angestellte von Bund, Ländern und Gemeinden mit Ausnahme
des Verfassungsschutzes selbst aus. Der Verfassungsschutz legt
vergeblich Klage gegen diese Einschränkung des Gültigkeitsbereiches
der Verfassung ein, da er sie lediglich mit den enormen Einnahmeausfällen
aus Bußgeldern begründet hatte.In Stuttgart wird im Dezember 2009 ein Denkmal zur Erinnerung an den
Parteitagsbeschluß des CDU-Parteitages 2008 durch Bundeskanzler Roland
Koch enthüllt. Er läßt sicherheitshalber seine Rede durch einen Vertreter
des Verfassungsschutzes verlesen.


Silvester 2009 wird erstmals der »Deutsche Preis zum Schutz der Deutschen
Sprache« verliehen. Er geht zu gleichen Teilen an Mario Barth und
an »Das Blättchen«, an ersteren für seinen schöpferischen Beitrag zur
Erweiterung und Vermittlung einer einfachen deutschen Alltagssprache,
an das »Blättchen« für sein tapferes Festhalten an der alten deutschen
Rechtschreibung.


Der Verfassungsschutz erhält am gleichen Tage den Status einer gemeinnützigen
Vereinigung und ist zum Ende 2009 größter öffentlicher
Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland.