Gorleben: „Es hat sich gelohnt.“

in (14.12.2008)

Amaru muss mit unentschuldigten Fehlstunden auf seinem Abschlusszeugnis rechnen, weil er im Wendland gegen den Atommülltransport demonstriert hat. utopia sprach mit ihm über Schule, Demos, Pyramiden, Gewaltbereitschaft und Stromwechsel.

 

utopia: Amaru, du warst im Wendland bei den Castor-Protesten. Hat dich nicht abgeschreckt, dass du dort vorher keinen kanntest?

Amaru: Ich hatte vorher schon Bedenken. Aber es ist halt was Neues, man lernt viele, neue Leute kennen. Ich habe mir dann gedacht: Ich finde da bestimmt Leute, die in meinem Alter sind.

Und? Hast du sie gefunden?

Im Bus habe ich David von der utopia kennen gelernt. Der war dann meine Kontaktperson für die weiteren Tage. Auch im Camp.

Hast du mit ihm auch auf der Schiene gesessen?

Wir haben es versucht. Als der Castor an uns vorbeifuhr, waren es noch 50 Meter bis zu den Schienen. Wir hätten fünf Minuten eher da sein müssen. Dass wir den Transport verpasst haben, liegt daran, dass wir uns nachts im Wald verlaufen haben.

Hast du es denn wenigstens auf die Straße geschafft?

Ja, ich saß einmal auf der Straße und wurde geräumt. Aber der Castor wäre eh nicht gefahren, solange die Pyramiden noch da standen.

Was für Pyramiden?

Auf der Straße waren zwei Beton-Pyramiden, an denen sich insgesamt acht Leute fest gekettet haben. Da war viel Polizei und irre viele Leute. Die waren eine große Hilfe für die Angeketteten, denn die Unterstützer haben dafür gesorgt, dass die Polizei die Blockierer auch gut behandelt hat.

Was hast du sonst noch erlebt?

Vieles. Am Samstag, das war wirklich eine gelungen Demo, muss ich sagen. Super Stimmung, das Wetter hat mitgespielt, keine Gewalt.

Die Polizei sagt, einige Demonstrierende seien gewaltbereit gewesen…

Das habe ich im Nachhinein auch gelesen und das hat mich sehr gestört. Ich war ja da und habe mich dann gefragt: Wo waren die Gewalttäter denn? Vielleicht ist für die Polizei eine Blockade bereits Gewalt.

Bist du auch in Konflikt mit der Polizei gekommen?

Bei einem Spaziergang hat uns die Polizei festgehalten. Wir durften dann weitergehen – immer zu zweit.

Warum das?

Das war in der Nähe der Schienen und dort gab es ein Versammlungsverbot. Die Polizistinnen und Polizisten hatten wohl Angst, dass wir uns auf die Schiene setzen.

Weil du eingekesselt warst, konntest du nicht zurückfahren.

Genau. Eigentlich wollte ich sonntags zurückfahren. Aber die Leute, mit denen ich fahren wollte, sind dann schon gefahren. So bin ich erst am Dienstag zurückgekommen…

…und warst deswegen zwei Tage nicht in der Schule. Wie haben deine Mitschülerinnen und Mitschüler reagiert?

Die haben mich direkt gefragt, warum ich gefehlt habe, was ich dort gemacht habe.

Du hast die Schule geschwänzt. Hat es Ärger gegeben in der Schule?

Ja, meine Klassenlehrerin hat direkt am Montag zu Hause angerufen und eine Standpauke gehalten. Als ich dann wieder in der Schule war, hat sie auch mit mir noch einmal geschimpft. Jetzt kriege ich wahrscheinlich unentschuldigte Fehlstunden.

Können dir deine Eltern keine Entschuldigung schreiben?

In der Schule wissen eh alle, dass ich da war. Ich hatte vorher schon einen Antrag auf Beurlaubung gestellt, deshalb haben alle Entschuldigungen nichts genützt.

Dein Antrag wurde abgelehnt…

Ja, weil ich in der Schule leistungsmäßig nicht so gut war und ich nach Meinung meiner Klassenlehrerin „was für meine Zukunft tun sollte“. Meiner Meinung nach habe ich das allerdings getan. Die Schulleiterin hätte mich sonst vielleicht dort hingehen lassen.

Und jetzt?

Ich bin in der zehnten Klasse, die unentschuldigten Stunden werden auf dem Zeugnis stehen, mit dem ich mich bewerbe. Aber ich kann ja erklären, warum.

Hat sich denn dann die Gorleben-Fahrt gelohnt?

Ja. Wir haben gezeigt, dass viele gegen die Castor-Transporte, den Endlagerstandort Gorleben und gegen die Atomkraft generell sind.

Bringt das Demonstrieren überhaupt etwas?

Ja, es steht ja auf der Kippe, ob die Atomkraftwerks-Laufzeiten verlängert werden. Und natürlich ist das Demonstrieren nur eine Möglichkeit. Man kann den Strom wechseln,…

… hast du das getan?

Ja, wir sind in der Familie vor ein paar Monaten zu Greenpeace Energy Ökostrom umgestiegen. Weil wir rausgekriegt haben, dass es fast genauso viel kostet. Es ist glaub ich ein paar Cent teurer. Es gibt da keinen großen Unterschied.

 

Interview: Felix W.

 

Amaru ist 16 Jahre alt und war im November zum ersten Mal im Wendland um gegen den Atommüll-Transport zu demonstrieren.

 

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