Tod eines Lebensmenschen

Haider, der Mann des kleinen Mannes, ist männlich gestorben.

Einer der größten Männer der Republik ist gestorben. Der Supermann. Rächer der Geknechteten, Beschützer der Witwen und Waisen. Oder eigentlich: Beschützer Kärntens vor dem Wiener Pfrund, Schutzpatron des kleinen Mannes, leutseliger Feschak mit dem Trachtenjopperl. Männlich ist er gestorben, in einer dicken, schwarzen Machokarre, bei schneller Geschwindigkeit. Immer unter Strom, immer Vollgas. Er hat immer alles gegeben. Das bezeugen jetzt politische Weggefährten und Journalisten, freundlich wie feindlich gesinnte.
Was zurückbleibt, sind orange-braungesichtige Buberln, die sich nicht mehr einkriegen können. Sie alle geben an, ihren Lebensmenschen, ihren besten Freund, ihre Lichtgestalt, ihren großen Erlöser verloren zu haben. „Die Sonne ist vom Himmel gefallen“, verlautbart einer, „und die Uhren sind stehengeblieben heute Nacht.“ So viel Poetisches über den, der selber gerne Griffiges gesagt hat. Vor allem ein Namenspoet war er. Einer, der Analogien zwischen Waschmitteln und Vornamen sofort erkannte und der slawisch klingende Nachnamen mit Aufenthaltsgenehmigungen assoziierte. Insofern sind blumige und bildhafte Abschiedsworte wohl angebracht.
Frauen sind keine dabei, die ihren Lebensmenschen, ihren Weggefährten verloren haben. Haiders Familie – betagte Mutter, Frau und zwei Töchter – kommt nicht zu Wort. Dafür dürfen die Buben ungehemmt in die Kamera heulen. Die, die sonst so stramm und straff erscheinen (wollen), geben sich von Emotionen übermannt. Völlig orientierungslos sind sie. Der Weltuntergang breche für sie herein, sagen sie. Wie Mitglieder einer Sekte, der der Guru abhanden gekommen ist, erscheinen sie alle vom BZÖ dieser Tage.
Wie sehr muss in diesem männerbündlerischen Verein alles auf die eine große Vaterfigur ausgerichtet gewesen sein. Das Führungsprinzip, alle auf Schiene und bloß nicht abweichen. Haiders Meinung war die Meinung der Partei. Und welche Meinung gilt jetzt?
Frauen gab es genauso wie Buben an der Seite des Jörg. Doch während mit jenen Verbrüderung, Umarmungen und Schulterklopfen angesagt waren, gab es für die Frauen eher subtile Gesten der Herabwürdigung. Man erinnere sich an die Kuchen-Fütterung der Heide Schmidt. Mit Susanne Riess-Passer war Haider das Susi-und-Strolchi-Duo der Nation, in dem Haider die Susi, nachdem er sie vorangeschickt hatte, immer wieder vorführte, in dem er die Sager lieferte und sie die Dinge dann ausbaden musste.
Frauenpolitisch hat er persönlich wenig hinterlassen, der Jörg. Das Thema wurde, gerade in der FPÖ, den strammen Frauen der Partei überlassen. Und die waren natürlich der Linie Ehe – Familie – Mutterschaft treu. Insofern war auch die einzige frauenpolitische Maßnahme in Kärnten eine Familien- politische: der Kinderscheck für die Kärntner Mütter und Mutterln.
Nicht nur die Partei, ein ganzes Land steht still vor Schock und Trauer. Alle die, die ihn vorher angeblich nicht gewählt haben, können jetzt auf einmal ihre persönliche Geschichte vom Jörg erzählen. „Du bist unsere Lady Di!“, wird wehgeklagt. Der Kärntner Lord, der seine eigene Provinz führte und auf Verfassungsvorschriften pfiff, wird posthum zur Lady der Herzen erklärt. Nur im Vergleich versteht sich. Nicht wirklich. Plus einem neuen Aspekt seiner Männlichkeit: dem des Märtyrers. Es entsteht ein regelrechter Unfallstellentourismus. Und ein Kondolenzbuchunterschreibtourismus. Und dort, wo sich die von Trauer Getroffenen treffen, entstehen schon die ersten Verschwörungstheorien. Das Auto muss manipuliert worden sein. Dass er besoffen mit über 140 km/h durch ein Ortsgebiet gefahren ist, wird ignoriert.
Die Liste ließe sich ewig fortsetzen: Jörg und die Medien, Jörg und die Vergangenheit, Jörg und das Ausland, Jörg und die Ausländer, Jörg und … Ein Zeichen dafür, dass dieser Mann eine lange und starke Präsenz hatte, die nun in der Trauer und Mythisierung ihren letzten Höhepunkt erfährt. Hoffentlich.