Militärpropaganda „unter Umgehung des Verstandes“

in (25.09.2008)

Auch die ReservistInnen machen mobil: Am Samstag wollen die ehemals aktiven Soldaten der Bundeswehr mit fast 100 Veranstaltungen in ganz Deutschland werben. Man will für Propagandazwecke stärker die Musik nutzen, die "unter Umgehung des Verstandes direkt ins Gemüt" gehe. So steht es im Veranstaltungs- und Organisations-handbuch, das der Reservistenverband für den „Tag der Reservisten" herausgegeben hat. 

 

Im Vorwort kritisiert der Vizepräsident Michael Sauer, dass sich im letzten Jahr nicht alle 16 Musikzüge am Tag der Reservisten beteiligt hätten. Dies sei schade, denn „Musik geht unter Umgehung des Verstandes direkt ins Gemüt und schafft ein positives Klima für unsere Gespräche mit den Bürgern." Hauptsächlich sollen in den Gesprächen Mitglieder geworben werden, auf dieses Ziel wird in dem Handbuch mehrmals hingewiesen. Bereits heute vereint der Verband nach eigenen Angaben 130.000 der insgesamt 8 Mio. in Deutschland lebenden ReservistInnen.

Aber es geht auch um Werbung für die Bundeswehr. So sehen sich die ehemaligen Soldaten als „Mittler für die Bundeswehr in der Gesellschaft". In der Vergangenheit gab es immer wieder Proteste gegen die öffentlichen Werbe-Aktionen der Bundeswehr. Die ReservistInnen beanspruchen für sich einen Bonus in der Propagandaschlacht für die Armee: Sie seien „glaubwürdig, weil sie nicht im Sold der Armee stehen."

Tatsächlich aber ist die Militär-Propaganda der Ehemaligen genauso kühn durchkalkuliert wie die PR-Offensiven der Bundeswehr selbst. Auf den 37 Seiten des Handbuchs wird eine genaue Anleitung für Veranstaltungen gegeben; Tipps und Tricks verraten, wie viel Presse zu den Kameraden gelockt werden kann; Attraktionen und Aktionen vorgestellt; Werbemittel vom Briefbogen bis zum Anzeigenmotiv bereitgestellt und Checklisten angeboten. Am Ende gibt es sogar einen Evaluationsbogen um die Werbemaßnahme in den kommenden Jahren noch effektiver zu gestalten.

Bereits jetzt ist der Reservistenverband bemüht, durch einen „einheitlichen Auftritt" eine „einheitliche Botschaft" zu vermitteln. Insbesondere soll auch die Presse angesprochen werden. Dass die Resonanz in den vergangenen Jahren eher mager ausgefallen ist, sieht man bei den Ehemaligen als vertane Chance, „da diese Form der Werbung völlig kostenfrei ist".

Ebenfalls solle mehr mit „sozialen Organisationen" zusammengearbeitet werden - um in der Öffentlichkeit besser dazustehen: Sammlungen, beispielsweise für die Deutsche Kriegsgräberfürsorge, waren bislang eher die Ausnahme. Dies sei „schade, da soziales Engagement in der Regel zur Imagesteigerung führt und eventuell anschließende Scheckübergaben noch einmal durch Einbindung der Presse öffentlichkeitswirksam ‚verkauft' werden können."

Der Reservistentag findet dieses Jahr schon zum achten Mal statt. In jedem Bundesland soll es eine „Schwerpunktveranstaltung" geben, hinzu kommen „flächendeckende Regionalveranstaltungen". In den vergangenen Jahren hat sich die Anzahl der Veranstaltungen auf etwa 80 im gesamten Bundesgebiet eingependelt.

„Neu ab 2008" ist die verstärkte Werbung für die zivil-militärische Zusammenarbeit, die „künftig stärker in die Gesellschaft transportiert werden" soll.

 

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