Noten: „Wer aus der Reihe tanzt, bleibt sitzen“

in (19.09.2008)

Sie kommen immer mal wieder zwischendurch, einmal im Jahr ganz groß und versetzen jedesmal tausende junge Menschen in Angst und Schrecken: Noten.
Wir sprachen mit Mortimer Berger über die unbeliebten Ziffern und seine Erfahrungen mit diesen.


utopia: Du bist gerade mit der Schule fertig. Meinst du, du hättest genauso viel gelernt, wenn du keine Noten bekommen hättest?

Mortimer Berger: Nein, ich hätte viel mehr gelernt. Lernen für Noten ist nichts weiter als stures Pauken. Die gelernten Inhalte sind nach der Unterrichtsstunde, der Hausarbeit oder der Klausur schnell vergessen. Am Ende springt wenig dabei raus. Das System der Noten führt dazu, dass ich nicht über den Sinn des Lernens nachdenke, ich lerne nur für die Noten. Wenn ich darüber nachdenke, einen Sinn erkenne und mich deshalb für etwas interessiere, lerne ich viel mehr.

Hast du die Noten auch nicht gebraucht, um dich selbst einschätzen zu können?

Ein gewisses Feedback ist natürlich sinnvoll. Aber das muss man nicht über Zahlen machen. Viel besser ist es, darüber zu sprechen. Es gibt viele Möglichkeiten jemandem Rückmeldungen zu geben, die viel effektiver sind als Noten.

Stellen wir uns vor,  es gäbe keine Noten: Wonach soll ein Arbeitgeber oder eine Arbeitgeberin dann seine Personalentscheidungen treffen?

Erstmal denke ich, dass der Ansatz falsch ist: Schule sollte etwas anderes leisten, als Menschen für die Wirtschaft verwertbar zu machen. Außerdem glaube ich nicht, dass die Noten objektiv oder gerecht sind. Bei allem Respekt vor den Fähigkeiten von Lehrerinnen und Lehrern: Noten sind immer subjektiv. Sie werden meistens nach Sympathie und Antipathie vergeben und nicht nach erbrachten Leistungen. Das habe ich oft genug selber erlebt.

Warum gibt es dann überhaupt  noch Noten?

Es ist ja nicht so, dass Noten für die Wirtschaft überhaupt keinen Sinn machen. Sie sortieren Menschen aus: Wer aus der Reihe tanzt, bleibt sitzen oder bekommt einen schlechten Abschluss. Momentan wird mehr Anpassung als Selbstbestimmung gefördert. Das ist ja das Problem an unserem gesamten undemokratischen Schulsystem. Lehrerinnen und Lehrer haben viel zu viel Macht. Noten ist nur eines von mehreren Druckmitteln, die dazu benutzt werden Schülerinnen und Schüler gehorsam zu machen.

Interview: David

Mortimer Berger hat gerade seine Schulzeit beendet, während der er bei LiSA, der Linken SchülerInnen Aktion, aktiv war. LiSA bietet eine Aktionsplattform für linke Schülerinnen und Schüler und setzt sich für selbstbestimmtes Lernen und eine Demokratisierung des Bildungssystems ein.: www.linkeschuelerinnen.de

 

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