Reiche Eltern für alle?!

Im Bildungssystem gibt es weit mehr Probleme.

in (10.09.2008)

Meistens ist mit der Floskel „Ökonomisierung des Bildungssystems" nur das Universitätssystem gemeint. In dem Zusammenhang wird dann meistens über Studiengebühren gesprochen. Eigentlich geht es aber um viel mehr.
Auch die Einführung neuer, verkürzter Studiengänge, die mit dem Abschluss Bachelor und dem Nachfolgeabschluss Master enden, gehören in die Diskussion um die Ökonomisierung der Bildung. Und schließlich muss man sich überlegen, ob nicht auch die Schule und sogar der Kindergarten schon irgendwie „ökonomisch" sind.

Studiengebühren
In einigen deutschen Bundesländern gibt es Studiengebühren. Die Leute zahlen Geld um studieren zu dürfen. Wer kein Geld hat, kann nicht studieren, hat keinen Zugang zu Bildung. Leute, die nicht genug Geld zum Studieren haben, können also später auch keine höheren Einkommen erzielen. So bleiben sie in ihrer gesellschaftlichen Schicht gefangen. Unterm Strich führt das dazu, dass nur diejenigen später viel Geld verdienen, deren Eltern jetzt schon viel Geld verdienen. Und die Leute, deren Eltern wenig verdienen, werden später selber auch weniger verdienen. Deshalb haben auch sehr viele Studierende mit spektakulären Aktionen überall in Deutschland versucht, die Einführung von Studiengebühren zu verhindern. Slogans waren z.B. „Wir kaufen nicht, was uns gehört!" oder „Bildung ist ein öffentlichen Gut!" In Hessen wurden die Studiengebühren  sogar wieder abgeschafft.

Bachelor und Master
Das Studiensystem wurde in den letzten Jahren so umgestellt, dass man nun schon nach sechs statt nach elf Semestern einen ersten Abschluss machen kann, den „Bachelor". Man kann danach einen zweiten Abschluss dranhängen, den „Master". Man könnte denken: Ist doch gut, so geht's schneller, man muss nicht soviel Studiengebühren zahlen. Dass die neuen Abschlüsse fast zeitgleich eingeführt wurden mit den Studiengebühren, ist jedoch kein Zufall. Die neuen Studiengänge bauen auf Effizienz. Das heißt, dass in möglichst wenig Zeit möglichst viel Stoff gelernt werden soll. Auswendig lernen, Ankreuzklausuren und ein kaum zu bewältigender Stress steht jetzt auf der Tagesordnung. Zum Denken kommen Studis kaum noch vor lauter Auswendiglernen.
Der Stress soll sie auf den Druck in der Arbeitswelt vorbereiten, heißt es manchmal. Klar: Ist das Arbeitsleben unmenschlich, so muss man eben auch unmenschliche Studienbedingungen schaffen, die auf ein unmenschliches Leben vorbereiten. Es geht also nicht mehr um Wissen, um Bildung, um eine Erziehung zu kritisch denkenden Menschen, sondern um Anpassung an die Ideale der Wirtschaft.

Schule und Kindergarten
Auch schon in der Schule oder sogar noch früher wird angefangen, Kinder auf solche wirtschaftlichen Ideale hin zu erziehen. Disziplin, Gehorsam, stumpfes Auswendiglernen, bloß nicht zu viel denken, nicht zu viel fragen. LehrerInnen als Autoritäten akzeptieren, nicht kritisieren und alles glauben, was sie sagen: Das ist doch Schule, oder?
So etwas muss man Kindern nicht beibringen, wenn man sie zu demokratisch denkenden Wesen erziehen will. So etwas muss man Kindern beibringen, wenn man sie zu Idioten erziehen will, die ihrem Chef später die Füße küssen. Schule und Uni sind Zulieferbetriebe für die Wirtschaft. Sie machen Kinder und junge Erwachsene kaputt, damit sie später im Job nicht anecken, auffallen, damit sie sich unterordnen können.

 

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