Der amtierende Präsident Leonel Fernández wird erneut gewählt. Nach ersten Ausszählungen erhielt er knapp 54 Prozent der Stimmen
Am 16. Mai 2008 hatten 5,7 Millionen wahlberechtigte DominikanerInnen die Wahl. Für vier weitere Jahre entschieden sie mit ihren Stimmen über die Besetzung des PräsidentInnenamtes. Trotz anhaltend hohem Wirtschaftswachstum sieht sich das Land mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Eine Analyse der letzten Wahlkampfphase.
Politische Parolen
dröhnen, begleitet von lautem Merengue, aus den Lautsprechern von
Jeep-Ladeflächen und Minivans. In den Farben der Regierungspartei
gekleidete Jugendliche schwenken ihre violett-gelben Fahnen auf den
Straßen. Gebleichte Männergesichter lächeln auf Plakatwänden und falls
die Stromversorgung in diesen Tagen reibungslos funktionieren sollte,
dann kann man in Wahlwerbespots die strahlenden
Präsidentschaftskandidaten dabei bewundern, wie sie Armen und Kranken
freundschaftlich auf die Schulter klopfen. Die Dominikanische Republik
ist in der heißesten Phase des Wahlkampfs angekommen.
Laut Umfragen konnte der Amtsinhaber Leonel Fernández, Mitbegründer der
mittlerweile neoliberalen PLD (Partei der Dominikanischen Befreiung)
gleich im ersten Wahlgang mit knapp über 50 Prozent der
WählerInnenstimmen rechnen. Der 54-Jährige würde sich so seine dritte
Amtsperiode sichern. Per Parlamentsbeschluss war eine erneute
Wiederwahl des Präsidenten zugelassen worden. Sein größter Konkurrent
Miguel Vargas Maldonado von der sozialdemokratischen PRD (Revolutionäre
Dominikanische Partei) lag nach den aktuellsten Umfragen bei 37,4
Prozent.
Die konservative PRSC (Reformistisch-Sozial-christliche Partei), die
einst von dem mehrmaligen Staatspräsidenten und bedeutenden Politiker
der Trujillo-Diktatur, Joaquín Balaguer, gegründet worden war, hatte
auch zehn Tage vor der Wahl noch kein Regierungsprogramm vorgestellt.
Laut Wahlpropaganda in den öffentlichen Medien sollen wohl die
Verbesserung der Lebensmittel- und Energieversorgung einen Schwerpunkt
ihres Programms bilden. Der von ihnen gestellte Kandidat Amable Aristy
Castro vereint aktuell vier Prozent der Stimmen.
Die KandidatInnen der kleineren Parteien sind sich trotz verschiedener
Ideologien einig, dass sie sich vor allem für die Bekämpfung der
Korruption einzusetzen wollen. Allerdings konnte laut Umfragen sonst
niemand mit mehr als 1,5 Prozent rechnen.
Leonel, wie er kurz in der Dominikanischen Republik genannt wird, war
einst Ziehsohn des angesehenen Literaten und Politikers Juan Bosch.
Dieser hatte sich für die Demokratisierung des Landes, soziale Reformen
und eine USA-unabhängige Politik eingesetzt und war nach nur sieben
Monaten Amtszeit als Staatspräsident 1963 durch einen Militärputsch
gestürzt worden. Bereits für die Amtszeit von 1996 bis 2000 bekleidete
Leonel Fernández das Präsidentschaftsamt. Er bescherte dem Land eine
achtprozentige Wachstumsrate. Im Jahr 2003 erzeugte die spektakuläre
Bankenpleite unter Präsident Hipólito Mejía eine schwere
Wirtschaftskrise. Am 16. Mai 2004 wurde Leonel Fernández wiedergewählt
und versprach, durch ein neoliberales Wirtschaftsprogramm an die
Wachstumsrate seiner ersten Amtszeit anzuknüpfen. Mit den besten
Wirtschaftsdaten seit 19 Jahren scheint ihm dies tatsächlich gelungen
zu sein. Im Jahr 2006 beispielsweise zeigte die Dominikanische Republik
bei anhaltender Inflation von fünf Prozent ein Wirtschaftswachstum von
10,7 Prozent. Die Staatsverschuldung erreicht dagegen aktuell ihr
Rekordhoch. Die Auslandsverschuldung beläuft sich laut Länderbericht
des Auswärtigen Amts auf sieben Milliarden US-Dollar. Auch ist die
Dominikanische Republik im internationalen Vergleich nach wie vor nicht
konkurrenzfähig. Die Schwachstellen im Gesundheits- und Bildungswesen
und die schlechte Stromversorgung, die Verluste durch mangelhafte
Leistungen und Stromklau nach sich zog, konnten auch unter der
Regierung Fernández nicht ausgemerzt werden. Dennoch ist nach über
zweieinhalb Jahren zäher Verhandlungen im März 2007 das umstrittene
Freihandelsabkommen zwischen den USA, Zentralamerika und der
Dominikanischen Republik (DR-CAFTA) in Kraft getreten. Die Abkommen der
CAFTA-Freihandelszone mit bis 2015 sukzessiv abnehmenden Zöllen für den
Warenaustausch mit den USA werden zu einer Erhöhung der Importe aus den
USA führen. Dabei wird sich das Exportvolumen voraussichtlich nicht
signifikant erhöhen. Aufgrund von Verlusten, die durch fehlende
Zoll-Einnahmen für US-Importe entstanden sind, ist es bereits in der
Phase der Implementierung von DR-CAFTA in der Dominikanischen Republik
zu einem Anstieg der Preise gekommen. Denn die Regierung versuchte,
durch Anhebung der Steuern für Erdgas und Nahrungsmittel die geringeren
Staatseinnahmen zu kompensieren.
Während des Gipfeltreffens der Rio-Gruppe am 7. März 2008 in Santo
Domingo setzte sich Fernández für eine friedliche Lösung im
diplomatischen Konflikt zwischen Kolumbien, Venezuela und Ecuador ein.
Daher sprach sich das dominikanische Innenministerium gegenüber der
internationalen Gemeinschaft für eine Nominierung des Präsidenten zum
diesjährigen Friedensnobelpreis aus. „Durch das persönliche Einwirken
Leonels konnte ein möglicher Lateinamerika-Krieg mit all seinen
schrecklichen Folgen für die Region und die Welt abgewendet worden",
hieß es zur Begründung. Die Menschenrechtspolitik im eigenen Land
erscheint jedoch verbesserungswürdig. Die Menschenrechtsorganisation
amnesty international kritisiert insbesondere die Diskriminierung
haitianischer MigrantInnen und DominikanerInnen haitianischer
Abstammung. Im Zuge illegaler Massenabschiebungen ist es wiederholt zu
Gewaltanwendungen, häufig mit Todesfolge, gekommen. Auch HIV-Positive
sehen sich mit einer massiven Diskriminierung konfrontiert. Nach
Schwarzafrika hat die Karibik die zweithöchste Prävalenz von HIV/AIDS.
Die Dominikanische Republik liegt nach Haiti auf Platz zwei. Die
Existenz illegaler HIV-Tests und daraus erfolgender Verlust des
Arbeitsplatzes stellen neben dem mangelnden Zugang zu medizinischer
Versorgung nach wie vor ein Defizit der Regierung Fernández dar. Die
Regierung bestätigt, dass trotz massiver Unterstützung aus dem Ausland,
70 Prozent der Bevölkerung die benötigten Medikamente nicht erhalten.
JedeR vierte DominikanerIn lebt in Armut. Bei einem erneuten Sieg
verspricht Leonel seine Aufmerksamkeit der Bekämpfung der Armut, der
Optimierung der öffentlichen Dienstleistungen im Gesundheitswesen und
der Schulbildung zu widmen. Für Menschen, die in extremer Armut leben,
plant er, das Sozialsystem auszuweiten. Billiges Essen sei seiner
Regierung und der PLD-Partei heilig. Er garantiere, dass es in seiner
nächsten Amtszeit im Land nicht die kleinsten Anzeichen von Streiks
wegen hoher Lebensmittelpreise geben werde. Als Appetithäppchen gab es
vorab schon mal ein kleines Wahlkampfgeschenk. Eine stolze halbe
Milliarde Euro schwer ist die präsidentielle Großtat, die eine profunde
Veränderung im Verkehrsbereich einleiten soll - die Metro, die kürzlich
in der Hauptstadt in Betrieb genommen wurde.
Aber auch die eine Million DominikanerInnen, die in den USA leben,
sollten nicht zu kurz kommen. Hier musste es auch keine U-Bahn sein, es
reichte ein kleines Festival für die tanzbegeisterten Landsleute. In
New York, Miami, Boston und New Jersey begleiteten den Präsidenten im
April bekannte Bachata- und Merenguemusiker wie Fernando Villalona,
Peña Suazo und Jorge Taveras auf seiner Kampagnenreise, die insgesamt
mehr als eine Million US-Dollar kostete.
Großzügig zeigt sich Fernández auch gegenüber den SympathisantInnen der
PLD. Was von der Opposition schon lange vermutet und von der
TV-Journalistin Nuria Piera unlängst aufgedeckt wurde, ist seit Anfang
April Gewissheit: Niemand arbeitet, aber alle erhalten Lohn. Die
Zahlung an PLD-SympathisantInnen in Höhe von monatlich mehreren hundert
Millionen Pesos durch die Regierung ist gängige Praxis - und zwar seit
2005. Fernández selbst gab kürzlich die Existenz der so genannten
Basiskomitee - Lohnliste zu. Gegenüber der Wahlbehörde JCE
rechtfertigte er diese als zwingend notwendig: „Gäbe es sie nicht,
hätte dies bereits den Fall der Regierung zur Folge gehabt, da nur auf
diese Weise viele Menschen in einen Mechanismus des Überlebens
eingegliedert werden konnten". Allerdings habe die Lohnliste nichts mit
den aktuellen Wahlen zu tun. Sie sei vielmehr ein Instrument, um
soziale Proteste - wie sie das Land zuvor immer wieder gesehen hatte -
zu vermeiden. Die dominikanische Politik leide unter zwei Tragödien -
die eine heiße, eine Wahl zu verlieren, die andere, eine Wahl zu
gewinnen. Die Tragödie zu gewinnen bedeute, dass jeder, der sein Votum
für die Regierung gibt, sich einen Posten verspreche. Die Organisation
Amerikanischer Staaten (OAS) kritisierte scharf die überdimensionale
Medienpräsenz der PLD, ebenso wie die Nutzung staatlicher Geldmittel
für den Wahlkampf.
Der Ingenieur Miguel Vargas Maldonado, der in der Regierung von
Hipólito Mejía Staatssekretär für öffentliche Arbeiten und
Kommunikation war, verspricht in seinem Regierungsprogramm die
Schaffung von 600.000 Arbeitsplätzen in vier Jahren, eine Erhöhung der
Haushaltseinnahmen, eine Reduktion der Lebenshaltungskosten sowie die
Verbesserung von öffentlicher Schulbildung, Gesundheitsleistungen und
der Sicherheit der Bürger. Die würdevollere Ausstattung der Wohnungen
der ärmsten Familien sowie der Bau von Projekten für erneuerbare
Energien im ganzen Land sind seine weiteren Ziele. Insgesamt gründet
sich der Regierungsvorschlag der PRD auf vier Säulen: Die
Modernisierung des Staates und ein Rechtsstaat in ökonomischer,
ökologischer und sozialer Hinsicht. Das Jahr 2007 bezeichnet Maldonado
rückblickend als gutes Jahr - jedoch ausschließlich für die
FunktionärInnen der Regierung. Während sich die dominikanische
Bevölkerung in ihrer breiten Masse oft nur das Nötigste leisten könne,
schwelge man in einem sehr privilegierten Kreis in Millionen von Peso.
„Die Vision der Regierung für ein hohes Wirtschaftswachstums steht noch
immer in einem extrem starken Kontrast zum Wohlergehen vieler Menschen"
so der schärfste Konkurrent von Fernández. Die PLD hingegen wirft
Miguel Vargas vor, während seiner Zeit als Minister illegale
Immobiliengeschäfte mit dem Staat abgeschlossen zu haben.
Die ständigen korrupten Machenschaften, die für Regierungs- und
Parteifunktionäre des Landes typisch sind, scheinen die Bevölkerung
kaum noch zu stören. Nur fünf Prozent der DominikanerInnen geben laut
einer Umfrage, die die US-Firma Hamilton Campaigns kürzlich für die
Tageszeitung El Día durchgeführt hat, die Bekämpfung der Korruption als
wichtigstes Thema für die nächste Legislaturperiode an. 23 Prozent der
DominikanerInnen wünschen sich eine Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Eine Preissenkung der Grundnahrungsmittel gefolgt von der Bekämpfung
des Drogenhandels, der Verbesserung der Gesundheitsversorgung und
öffentlichen Sicherheit sowie die Optimierung der Energieversorgung
stellen ebenfalls wichtige Themen für die neue Regierung dar. Nur zwei
Prozent wünschen sich eine Verbesserung des öffentlichen Bildungswesens.
Was davon wirklich für die dominikanische Bevölkerung in Erfüllung
gehen wird, steht in den Sternen des wolkenlosen karibischen Himmels.
Denn leere Versprechungen von PolitikerInnen und die Selbstbereicherung
von RegierungsfunktionärInnen gehören zum Land wie Rum, Baseball und
Merengue. Auch bei dieser Wahl scheinen Alternativen nicht in Sicht.
Sollte es Leonel Fernández wider Erwarten nicht schaffen, seine dritte
Amtsperiode einzuläuten, so ist es ihm zumindest gelungen, sich selbst
ein pharaonisches Denkmal zu setzen: Die Metro, die unter dem heißen
Sand der Insel ihre Runden dreht.
KASTEN:
LEONEL FERNÀNDEZ HAT GEWONNEN
Was bereits zu erwarten war hat sich bestätigt. Die erst nach
offiziellem Redaktionsschluss bekannt gewordenen Wahlergebnisse
sprechen eine klare Sprache: Leonel Fernández soll weiter machen. Seine
Partei, die regierende PLD, erhielt bei den Wahlen am 16. Mai 53,83
Prozent der Stimmen. Insgesamt konnte Fernández 2.199.734
WählerInnenstimmen auf sich vereinen (Stand vom 17. Mai). Damit steht
ihm eine dritte Amtszeit bevor. Der neben ihm noch aussichtsreichste
Kandidat auf die Präsidentschaft, Miguel Vargas Maldonado (PRD), bekam
40,48 Prozent der Stimmen. Alle anderen Kandidaten sind weit
abgeschlagen unter fünf Prozent:
PRSC: 4,59 Prozent
PRSD: 0,47 Prozent
PRI: 0,04 Prozent
MIUCA: 0,44 Prozent
PAP: 0,15 Prozent
Text: Claudia Winkler de Peña
Ausgabe: Nummer 408 - Juni 2008