Darf man Arisierungsprofit sagen?

Neven DuMont gegen Kieser/Kleinert

Der Kölner Verleger DuMont erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Verwendung des Begriffs "Arisierungsprofit" im Zusammenhang mit den Geschäften seiner Eltern während der NS-Zeit.

Am 13.2.2006 veröffentlichten die Journalisten Peter Kleinert und Albrecht Kieser in der Online-Zeitung NRhZ einen Artikel über Grundstücksgeschäfte der Eltern des heutigen Besitzers des Verlagsimperiums DuMont-Schauberg. Kurz darauf erwirkte DuMont eine einstweilige Verfügung gegen die Verwendung des Begriffs "Arisierungsprofit" im Zusammenhang mit den Geschäften seiner Eltern während der NS-Zeit. Für Anfang Mai wird nun ein Urteil des Kölner Oberlandesgerichts erwartet. Albrecht Kieser geht im Folgenden darauf ein, wie wichtig es ist, die Dinge beim Namen nennen zu dürfen.

"Ohne Erfolg berufen sich die Verfügungsbeklagten (Kleinert und Kieser) darauf, mit ihrem Artikel sei es ihnen um eine politisch-moralische Auseinandersetzung mit dem Verhalten der Eltern des Verfügungsklägers im Dritten Reich (!) gegangen. Dazu hätte es ausgereicht, die objektiven Umstände der jeweiligen Erwerbsvorgänge zu schildern und dem Leser die Bewertung zu überlassen, ob und inwieweit etwa diese Erwerbungen als Früchte der nationalsozialistischen verbrecherischen Politik gegen die jüdische Bevölkerung fragwürdig erscheinen." (OLG-Urteil vom 21.11.2006.)

Dieser Satz im damaligen OLG-Urteil hat mich erschreckt. Kann es wirklich sein, dass ein Gericht Journalisten vorschreibt, sie hätten sich der Bewertung zu enthalten, wenn es um Arisierungsvorgänge geht? Ist es nicht sogar journalistische Pflicht, die damalige Kaufvorgänge, zu werten, einzuordnen, verstehbar zu machen?

Es geht um den Begriff des Arisierungsprofits und -profiteurs. Vorweg: nicht Hunderte, sondern Millionen Deutsche haben von den Arisierungen profitiert. Gerade wer im Geschäftsleben aktiv gewesen ist, hat - wenn er nicht zu den Verfolgten zählte - von Arisierungen und auch vom Krieg profitiert. Mit dieser Feststellung ist die Diskussion über die damaligen Verstrickungen und die Mittäterschaft vieler Deutscher nicht beendet. Aber diese Feststellung muss getroffen werden, wenn es uns weiterhin ernst mit der Verpflichtung sein soll, die Geschichte des Nationalsozialismus aufzuarbeiten.

Zwei Gruppen von "Ariseuren"

Mit dem Hinweis auf die zahllosen Arisierungsprofiteure und Kriegsgewinnler ist, wie gesagt, die Debatte nicht beendet. Dazu gehört z.B. die Erörterung der Frage, wie die Ariseure vorgegangen sind. Es gab, grob gesagt, zwei Gruppen. Solche, die mit Hass und voll freudigem Tatendrang Nutznießer des Systems und seiner Untaten waren. Dazu gehörte Kurt Neven DuMont, nach allem, was wir wissen, nicht. Es gab auf der anderen Seite diejenigen, die in der Gunst der Stunde zugegriffen haben. Als z.B. das Grundstück des Juden Ottenheimer in Marienburg geteilt wurde und zum Verkauf anstand: hätten seine Nachbarn Kurt und Gabriele Neven DuMont nicht zugegriffen, wäre womöglich irgendein neureicher Nazi in den Besitz der Grundstücke gelangt und hätte sich vor der Familie DuMont ausgebreitet. Warum sollten die Eheleute DuMont dieses Risiko eingehen?

Es gab dafür keinen Grund. Es gab im Gegenteil persönliche und ökonomische Gründe, Ottenheimers Grundstücke zu kaufen. Und die Nevens kauften. Zu einem so billigen Preis, unter 30000 Reichsmark, dass sie nach dem Krieg bereit waren, Ottenheimer noch einmal 10000 D-Mark auf den alten Preis dazu zu zahlen. Eine Anerkenntnis des damaligen Unrechts, das den Kauf erst ermöglicht. Denn Ottenheimer war von den Nazis aus dem Land getrieben worden - die Nevens wussten davon, sie kannten Ottenheimer, er gehörte ja mit ihnen zur Elite der Stadt. Die Anerkenntnis des damaligen Unrechts durch eine nachträgliche Zahlung ist Kurt und Gabriele Neven DuMont durchaus anzurechnen. Andere an ihrer Stelle hätten womöglich nicht so gehandelt, sondern nach allen Regeln der Kunst jegliche Ansprüche jüdischer Altbesitzer abzuwehren gewusst.

Wie Kurt Neven DuMont auch anzurechnen ist, dass er seine Möglichkeiten nutzte und seine jüdische Sekretärin schützte, ebenso einige sozialdemokratische oder liberale Redakteure weiterbeschäftigte. Obwohl - oder weil? - der DuMont Verlag zu den Kriegsgewinnlern der Zeit gehörte. Die Auflage der Kölnischen Zeitung konnte dank der Wehrmacht, die das Blatt zu zehntausenden Exemplaren an die Frontsoldaten verteilte, enorm gesteigert werden. Die Zeitung wurde verteilt, weil sie in Nichts von der großen Linie des Regimes abwich, weil sie alle Kriege unterstützte und auch die Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben gut hieß. Hätte die Kölnische Zeitung nicht so geschrieben, wäre sie verboten worden. Anlass dafür zu geben, hat der Verlag vermieden.

Auch Oskar Schindler war übrigens ein Kriegsgewinnler, sogar ein Arisierungsprofiteur. Er hat eine jüdische bzw. polnische Fabrik übernommen und durch Lieferungen an die Wehrmacht viel Geld gemacht. Und er hat - wenn auch in erheblich größerem Stil und systematischer - Juden gerettet.

Deshalb sage ich: mit der Feststellung "Da war einer Arisierungsprofiteur" ist die Diskussion noch nicht beendet. Aber diese Feststellung immerhin muss sein. Verlogen wird jede weitere Diskussion, wenn diese Feststellung unterschlagen oder sogar verboten wird. Wir tun uns mit der Anerkenntnis der Tatsache schwer, dass wohl kein Unternehmer der damaligen Zeit nicht vom System profitiert hat. Er lebte in diesem System, also profitierte er von seinen Regeln - wenn er nicht unterging. Diese Tatsache zu nennen und zu werten ist aber Voraussetzung, wenn der Nationalsozialismus nicht im Nebel der Vergangenheit zur Untat einiger Irrer um den Oberirren Hitler umgedeutet werden soll.

Man konnte in unterschiedlicher Weise profitieren: mit vollem Einverständnis, ja mit vollem und tätigem Hass auf alle, die das System ausgrenzte, verfolgte, überfiel, ermordete, niederbrannte. Von denen hat es mehr als genug gegeben. Und man konnte profitieren, weil die Zeiten halt so waren, wie sie waren.

Kurt und Gabriele Neven DuMont hätten ökonomisch unvernünftig gehandelt, wenn sie die durch die kriegsbedingte Auflagensteigerung der Kölnischen Zeitung erzielten Profite nicht in die Arrondierung ihres Grundbesitzes Breite Straße gesteckt hätten. Sie haben ökonomisch vernünftig gehandelt und die fehlenden Grundstücke dazu gekauft. Allerdings um den Preis einer weiteren Verstrickung in die verbrecherischen Regelungen des Systems. Ohne diesen Preis zu zahlen, hätten sie damals die Grundstücke des jüdischen Vorbesitzers (der Wäschereibesitzer Brandenstein) vom Gerlingkonzern nicht erwerben können. Das Bewusstsein, sich mit diesem Kauf in das Unrechtsregime verstrickt zu haben, haben die Eheleute DuMont nach dem Kriege vermutlich nicht gehabt. Sonst hätten sie wohl den Erben bzw. Nachlassverwaltern des jüdischen Wäschereibesitzers Brandenstein ebenfalls eine Abstandssumme gezahlt. Als stille Wiedergutmachung sozusagen. Ähnlich wie beim Juden Ottenheimer, der ehemalige Nachbar der DuMonts in Marienburg.

Auch das muss bewertet werden. Und über die möglichen unterschiedlichen Bewertungen kann und sollte gestritten werden.

Wenn allerdings Bewertungen von gerichtlicher Seite verboten werden, kommt die Auseinandersetzung nicht voran, bricht die Aufarbeitung ab. Will das Gericht das? Kann es im Ernst und guten Gewissens eine gerade erst begonnene Diskussion über das Ausmaß der Verstrickung der Kölner Wirtschaft in den Nationalsozialismus zu unterbinden versuchen?
Arisierungsprofite wurden zahllose gemacht in Köln. Auch vom Verlagshaus Neven DuMont bzw. seinem Eigentümer. Damit ist, wie gesagt, die Diskussion nicht beendet. Beendet wäre sie, wenn ein Gericht verbietet, von konkreten Arisierungsprofiten und -profiteuren zu reden. Ich kann das kaum glauben.