Der Gegenwind wird schwächer

in (29.09.2007)

Seit einem Jahr ist Doris Bures u.a. für die Finanzierung der Frauenberatungsstellen zuständig. Sind die Beratungsstellen mit der bisherigen Arbeit der österreichischen Frauenministerin zufrieden?

Im Juli hatte die Frauenministerin Vertreterinnen der Frauen- und Mädchenberatungsstellen aus ganz Österreich zu einem ersten Treffen im Bundeskanzleramt eingeladen. "Ich möchte direkten Kontakt mit jenen, die wertvolle Frauenarbeit leisten", meinte Doris Bures. Schon allein solche Worte der Wertschätzung, in Kombination mit zahlreichen angekündigten Verbesserungen, lassen die Frauen aus den Beratungsstellen endlich aufatmen. Das Gesprächsklima sei viel besser, sind sich die Beraterinnen einig, "besonders nach dem Entsetzen der letzten Jahre", so eine Kollegin aus Niederösterreich. "Wir werden wieder als Expertinnen wahrgenommen und nach unserer Meinung gefragt. Bei Rauch-Kallat zählten nur Vermittlungszahlen und der hohe verwaltungstechnische Aufwand reduzierte unsere Beratungskapazitäten", erläutert Rosemarie Ertl vom Netzwerk der Frauenberatungsstellen.
Die Stimmung ist also gut. Aber das Budget ist immer noch "lächerlich klein". Ein bisschen mehr als bisher, insgesamt vier Millionen Euro, stehen Bures zur Förderung von Frauenprojekten 2007 zur Verfügung. Nachdem zuletzt ein Doppelbudget 2007/2008 verhandelt wurde, wird es auch nächstes Jahr nicht sehr viel mehr sein. Für das nächs- te Doppelbudget verspricht Bures, sich für eine Erhöhung der Mittel einzusetzen. Die sollte dann aber wirklich spürbar sein, nicht nur für die Interventionsstellen.
Gewaltschutz ist einer der drei Schwerpunkte im Frauenministerium. Deshalb wurde zuletzt das Budget für die Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie um 60 Prozent erhöht. Das war längst fällig, sind sich alle einig. Auch wenn "die Rolle der Frauen- und Mädchenberatungsstellen im Gewalt- und Opferschutz bisher übersehen wird", gibt eine Beraterin aus dem Burgenland zu bedenken.

Ein Großteil der Frauen- und Mädchenberatungsstellen in Österreich tauschen sich im "Netzwerk der österreichischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen" aus, das 1995 gegründet wurde. Dreißig der derzeit insgesamt 43 Beratungsstellen im Netzwerk sind anerkannte "Frauenservicestellen". Dieser Titel wurde 1992 von Johanna Dohnal eingeführt, um den Ausbau von Frauenberatung immer in Verbindung mit frauenpolitischer Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu verstärken. Das heißt: Frauenservicestellen sind immer Teil einer Frauenberatungsstelle, die Beratungsangebote (von juris- tischer Beratung bis Unterstützung bei Gewalterfahrungen) müssen niederschwellig, freiwillig und kostenlos sein. Beratung hat in einem frauenfreundlichen Rahmen stattzufinden von multiprofessionellen Beraterinnen, die nicht "nur" Sozialarbeiterinnen sind, sondern etwa auch Weiterbildung im Bereich frauenspezifischer Beratung haben. Das Angebot muss Beratung, aber auch Information und frauenspezifische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit umfassen.
Anerkannte Frauenservicestellen bekommen vom Frauenministerium - im Vergleich zu anderen Einrichtungen - "recht gute Förderungen und ihre Anträge werden immer als erste bearbeitet", erklärt Rosemarie Ertl vom Netzwerk. Und sie bekommen im Normalfall auch immer die gleiche Fördersumme: 2007 waren das 45.000 Euro für jede Frauenservicestelle. Das sind 500 Euro mehr als 2006, die selbe Erhöhung wie im Jahr davor. Und das ist eigentlich viel zu wenig, "wahrscheinlich nicht einmal eine Indexanpassung", sagt Rosemarie Ertl. Sie hofft auf mehr Geld im nächsten Jahr und natürlich bleibt die Forderung des Netzwerks aufrecht, dass es eine Basisfinanzierung von mindestens 100.000 Euro für alle Frauen- und Mädchenberatungsstellen geben muss.
Weitere Forderungen des Netzwerks, die zuletzt wieder beim Treffen mit Doris Bures im Juli deponiert wurden: Fortsetzung des österreichweiten Ausbaus (das Ost-West-Gefälle ist beträchtlich), mehrjährige Förderverträge, Vereinfachung der Abrechnungsmodalitäten, Finanzierung spezifischer Angebote auch durch andere Ministerien bzw. die Länder (z.B. juristische Beratung durch das Justizministerium oder Dolmetschkosten durch das Innenministerium).
Einiger Forderungen hat sich die Frauenministerin bereits angenommen: So hat sie angekündigt, dass es ab 2008 zumindest dreijährige Förderverträge für Frauenservicestellen geben soll. Auch so manche absurde Richtlinie aus der Rauch-Kallat Ära soll zurück genommen werden, beispielsweise dass nicht alle Personalkosten sowie keine Steuerberatungskosten oder Computer abgerechnet werden dürfen. Die Abrechnung wird wieder einfacher.

"Sie geht auf unsere Vorschläge ein", freut sich Maria Rösslhumer von der Informationsstelle gegen Gewalt in Wien. Das gibt Mut, aber zufrieden sind die Beratungsstellen damit noch lange nicht. Die Informationsstelle (inkl. Helpline) wurde 1999 gegründet, seither hat sie sogar um fast 15 Prozent weniger Geld bekommen. Besonders die Helpline wurde 2004 massiv gekürzt, weshalb sie beispielsweise nicht mehr ausreichend beworben werden konnte. Im Herbst möchte Doris Bures deshalb Geld für eine große Werbekampagne springen lassen. Zusätzlich bekommt die Informationsstelle Geld vom Frauenministerium für ihr Engagement im Rahmen der Europarats-Kampagne zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen.
Auch die Beratungsstelle "Kassandra" in Niederösterreich kann ihr "Minimalangebot" nur deshalb aufrecht erhalten, weil die Mitarbeiterinnen viele unbezahlte Stunden leisten. Das Geld reicht also bei weitem nicht. Dabei kommen Vernetzung, politische Arbeit, Öffentlichkeitsarbeit und ähnliches viel zu kurz - nach Dohnals Definition also eigentlich unerlässliche Qualitäten einer anerkannten Frauenservicestelle, die auch mitfinanziert werden müssten.
Was steht in den nächsten Monaten auf dem Programm? Zunächst arbeitet das Netzwerk der Frauenberatungsstellen im Auftrag der Frauenministerin an den Qualitätskriterien für anerkannte Frauenservicestellen. Es gibt zwar gewisse Qualitätsstandards, aber für alle gültige Kriterien festzulegen ist schwierig. "Jede Stelle hat andere Arbeitsschwerpunkte und auch andere Arbeitsweisen, je nach Region", erklärt Rosemarie Ertl.
2008 will das Frauenministerium weiteren Beratungsstellen die Anerkennung als Frauenservicestelle zusprechen. Manche haben sich selbst darum beworben, auch das Netzwerk hat einige Stellen vorgeschlagen. So sollen beispielsweise die Migrantinnen-Beratungen LEFÖ und PEREGRINA in Wien endlich zu Frauenservicestellen werden. Auch die Anerkennung der Frauenberatung Feldbach in der Steiermark, des Frauentreffs Rohrbach in Oberösterreich sowie von Undine und Lilith in Niederösterreich wird vom Netzwerk unterstützt.
Eine ausreichende Basisfinanzierung der Frauenberatungsstellen ist notwendig und dringend. Viele Beraterinnen im ganzen Land arbeiten bereits am Limit oder darüber hinaus. Manche Beratungsangebote (etwa juristische) können, wenn überhaupt, nur minimal aufrecht erhalten werden. Selbst um den Basisbetrieb zu garantieren, müssen viele Stellen Geld über Projektförderungen dazu verdienen.
Die guten Gespräche mit der Frauenministerin geben Hoffnung, die nötige Aufstockung der Mittel lässt noch auf sich warten. "Das Frauenministerium muss wieder mehr Identität bekommen", wünschen sich Beraterinnen aus Oberösterreich. Kolleginnen aus Wien kommen zu der Einschätzung, dass gefördert wird, "was politisch opportun ist und eine gute Presse gibt, aber doch keinen Tsunami auslöst". Der Gegenwind wird schwächer, aber im sicheren Hafen sind Österreichs Frauenberatungsstellen noch lange nicht angekommen.

UND ALLE ANDEREN?
Neben den Frauen- und Mädchenberatungsstellen gibt es in Österreich natürlich auch zahlreiche Fraueninitiativen, die nicht (nur) in der Beratung tätig sind, sondern beispielsweise Bildungsarbeit, politische Arbeit oder Medienarbeit leisten. Viele dieser Frauenorganisationen beklagen, vom Regierungswechsel und der neuen Frauenministerin bislang noch nicht allzu viel gemerkt zu haben. Es gibt die Befürchtung, dass Projekte, die nicht unter die Schwerpunktsetzungen Gewaltschutz und Beratung fallen, auch von Ministerin Bures nicht stärker gefördert werden bzw. weiterhin gar kein Geld erhalten. So ist beispielsweise beim Verein zur Erarbeitung feministischer Erziehungs- und Unterrichtsmodelle (Efeu) die Basisfinanzierung für 2007 auch im September noch nicht gesichert. Sollte vom Ministerium keine Förderzusage mehr kommen, kann der Verein für den Rest des Jahres keine Gehälter mehr auszahlen und muss zwei seiner drei Angestellten kündigen.

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at