"Nur eine innere trostlose Leere

Tausende Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen waren Frauen. Ihre Geschichte ist noch immer wenig bekannt. 2006 widmen sich die Befreiungsfeiern endlich dem Schwerpunkt "Frauen in Mauthausen"

Seit 1947 gibt es in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen jährlich zum Tag der Befreiung Feiern mit internationalen Gästen. Mit dem Gedenkjahr 2005 begann das Organisationskomitee der Internationalen Befreiungsfeiern - das sind das Mauthausen Komitee Österreich, die Österreichische Lagergemeinschaft Mauthausen sowie das Internationale Mauthausen Komitee, in jedem Jahr einen bestimmten Schwerpunkt zu setzen. Im Jubiläumsjahr war das Thema "Hier war die Jugend Europas - hier ist die Jugend Europas". Laut Projektleiter Helmut Edelmayr vom Mauthausen Komitee Österreich waren deshalb heuer "automatisch" die Frauen von Mauthausen und den zahlreichen Nebenlagern als Schwerpunktthema dran, "weil die bisher nie wirklich im Mittelpunkt standen".

An die 200.000 Menschen waren im Konzentrationslager Mauthausen gefangen, die Hälfte davon wurde dort ermordet. Etwa 8.500 unter den Häftlingen waren Frauen, von denen 4.065 namentlich bekannt sind. Die anderen wurden nicht registriert, weiterdeportiert oder ermordet. Etwa die Hälfte der registrierten weiblichen Häftlinge waren politische Häftlinge. Die zweite große Häftlingsgruppe waren die aus rassistischen Gründen Verfolgten: Jüdinnen (22%), Romnia und Sintezzas (zusammen 11%). Etwa vier Prozent der Häftlinge wurden als "Asoziale" geführt. Zu dieser Gruppe zählten nach offizieller Definition "Landstreicher, Bettler und Dirnen". Es war aber auch ganz einfach eine Sammelbezeichnung für Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen aus der Rolle, die ihnen die NS-Gesellschaft zuschrieb, fielen: Lesben, Frauen mit mehreren Partnern oder mit "rassisch" nicht einwandfreien Partnern. Die Kategorie "asozial" hatte bei Frauen oft mit ihrer Sexualität zu tun und liegt nahe an der Zuschreibung "sexuell verwahrlost", die nur für weibliche Häftlinge verwendet wurde.

Das KZ Mauthausen wurde 1938 als reines Männerlager konzipiert. Das Ziel war "Vernichtung durch Arbeit", deshalb die Lage am Steinbruch. Das Lager fungierte als Hinrichtungsstätte und als administratives Zentrum für die zahlreichen Nebenlager, die der Rüstungsindustrie dienten. Im April 1942 wurden erstmals Frauen im KZ registriert: vier Sloweninnen, die gemeinsam mit 48 Männern zur Exekution nach Mauthausen gebracht wurden, wahrscheinlich wurden sie beschuldigt, Partisaninnen zu sein. Genaueres ist über ihre Biografien nicht bekannt. Die weitere Chronologie liest sich wie eine endlose Liste mit Zahlen ankommender Frauen unterschiedlicher Nationalität, die dann ermordet oder seltener auch weitertransportiert wurden. Erst im September 1944 wurde das Frauenkonzentrationslager Mauthausen gegründet. Von da an gab es auch ein eigenes Häftlingszugangsbuch, die Frauen bekamen eigene Häftlingsnummern. In dieser Phase ist es eine der Hauptfunktionen des KZ Arbeitskräfte für die Rüstungsindustrie zu liefern, die in zahlreichen Nebenlagern untergebracht wurden. So arbeiteten über 400 Frauen in den Rüstungsbetrieben in Hirtenberg, meist politische Häftlinge aus Italien und Russland; sie mussten vor allem gefährliche und gesundheitsschädliche Schwerstarbeit leisten. Auch für die Zellstoffindustrie in Lenzing gab es ein Nebenlager, in das fast 600 weibliche Häftlinge verschleppt wurden.

Innerhalb des Hauptlagers Mauthausen gab es schon ab 1942 ständig eine Gruppe von weiblichen Häftlingen, die im neu gegründeten Lagerbordell zur Arbeit gezwungen wurden. Die Geschichte dieser Frauen war von Anfang an mit großen Stigmata belegt und wurde erst in den letzten Jahren näher untersucht. Zwar war die Existenz von Häftlingsbordellen in manchen Erinnerungsberichten männlicher Häftlinge durchaus erwähnt worden und somit bekannt. Die Zwangsprostituierten standen in der Häftlingshierarchie an unterster Stelle, wurden von ihren Mithäftlingen verachtet. Die Häftlingsbordelle wurden auf Befehl Himmlers eingerichtet, ihr Besuch sollte bestimmten Häftlingsgruppen als Prämie und Anreiz erlaubt werden. Die Frauen kamen aus dem KZ Ravensbrück, wo sie angeblich "freiwillig" angeworben worden waren, weil man ihnen nach sechs Monaten die Entlassung in Aussicht stellte. Dass im System der Konzentrationslager nichts "freiwillig" geschah und dass keine Zwangsprostituierte je entlassen wurde, ist heute belegt. Damals schürten diese Gerüchte aber die Verachtung gegenüber den Frauen, die in der Folge an Infektionen, Geschlechtskrankheiten und unter Zwangsabtreibungen litten, die oft auch zum Tod führten. Die Diskriminierungen schon während der Haftzeit führten dazu, dass die betroffenen Frauen bis heute kaum jemals von ihren Erfahrungen berichtet haben. Wie in an.schläge 02/06 berichtet, läuft zurzeit in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen eine sehr engagierte Sonderausstellung zum Thema "Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern", zu der auch ein informativer Katalog aufliegt.

In den letzten Monaten vor der Befreiung des Konzentrationslagers wurde die Lage für die Häftlinge immer dramatischer. Immer neue Transporte aus anderen Lagern, wo die Befreiung schon absehbar war, trafen ein. Die Überlebenden der Todesmärsche, auf die die Insassen geräumter Lager geschickt wurden, kamen nach Mauthausen, wo maßlose Überbelegung, unsägliche hygienische Bedingungen und Krankheiten herrschten. Am 5. Mai 1945 kamen die ersten amerikanischen Soldaten nach Mauthausen. Die Reaktion der völlig entkräfteten Menschen war verhalten. Eine Frau erinnert sich: "Ich dachte immer, und habe es mir auch tausendmal vorgestellt, dass dieser Augenblick irgendwie besonders aufregend, ja erschütternd und vor allem beglückend sein würde. Nichts von alledem fühlte ich. Kein Glück, keine Aufregung, nur eine innere trostlose Leere und eine fürchterliche Angst vor dem Nachhausekommen." Auch das Sterben hatte noch kein Ende. Es dauerte Tage bis Wochen, bis die Alliierten die Lage im Griff hatten.
Ende Mai verließen erste Heimkehrtransporte Mauthausen. Doch viele hatten keinen Ort mehr, an den sie heimkehren konnten. Viele emigrierten, viele verbrachten noch Jahre in Lagern für Displaced Persons. Doch auch diejenigen, die in ihre alte Umgebung zurückkehren konnten, fanden dort kein Gehör für ihre Erlebnisse. Der Wiederaufbau und das Herstellen einer vermeintlichen Normalität waren vorrangig. Für die heimgekehrten Frauen bedeutete das eine Rückkehr in ihre alte Rolle als Hausfrauen. Sie sollten sich um ihre Familien kümmern, eine politische Tätigkeit war nicht erwünscht. Dabei war es bei vielen gerade ihre widerständische Betätigung, die sie ins Konzentrationslager gebracht hatte. Dazu kamen Schmach und Schikanen, wenn die Frauen zum Beispiel Invalidenrenten beantragten, über deren Vergabe dieselben ÄrztInnen und BeamtInnen entschieden, die ihnen schon im NS-Apparat, wenn nicht gar im KZ selbst begegnet waren. Für viele blieb nur Verdräng- en und Schweigen. Dieses Schweigen wieder ein Stück weit zu brechen, sollten die Veranstaltungen des heurigen "Schwerpunktjahres" geben.

Mauthausen Komitee Österreich, 2., Obere Donaustr.97-99/4/5, info@mkoe.at, www.mkoe.at
KZ-Gedenkstätte Mauthausen, 4310 Mauthausen, Erinnerungsstr. 1, T. 07238-2269, www.mauthausen-memorial.at, täglich 9-17.30

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at