Vermarktung von Emotionen

in (21.11.2006)

Deutscher Orchestertag - was mag das sein? Der 4. Deutsche Orchestertag tagte am 5. und 6. November, also zwei Tage, in Berlin als "zentrale Plattform des Austauschs zwischen

deutschen Orchestermanagern". Thema: Qualitätsmanagement im Orchester.

Manager bringen ihre Ware auf den Markt. So ist es kaum verwunderlich, daß Stefan Schulte, Geschäftsführer der "gläsernen Manufaktur" von Volkswagen in Dresden, und Siegmar Mosdorf, einst Wirtschaftsstaatssekretär des Bundeskanzlers Gerhard Schröder und heute Vorstand der Wirtschaftsberatungsgesellschaft CNC Berlin, die Hauptredner waren. Sie verklickerten den Orchesterleuten, daß Kultur-Sponsoring im modernen kapitalistischen Unternehmen integraler Bestandteil der Imagepflege ist. Kunst als Ware könne und müsse wie ein Premium-Produkt, nämlich wie die Luxuslimousine "Phaeton", vermarktet werden. Das sei auch die geeignete Strategie für die Kultur insgesamt. Der VW-Konzern, der in Dresden eine durchsichtige Luxuskarossenschmiede installiert hat und in seinem Glaspalast bei laufender Produktion Konzerte, Theater und Ballett präsentiert, gefällt sich darin, "Erlebniswelten zu schaffen, die eine breitere Zielgruppe beziehungsweise ein größeres Publikum an die Marke heranführen". VW oder Beethoven als Marke - egal. "Wir vermarkten Emotionen."

Das Heil sucht man in der Gewinnung von Sponsoren. Widerspruch gegen Etatkürzungen gab es kaum, weil "die Kassen ja leer sind". So blieb auch ein Zeichen der Solidarität mit den Thüringer Theatern und Orchestern aus, denen der thüringische Kultusminister Jens Goebel ab 2009 zwölf Millionen Euro aus dem Haushalt streichen will. Damit sind die Stellen von 200 Orchestermusikern in Eisenach, Gotha, Nordhausen, Rudolstadt, Saalfeld, Sondershausen und Suhl gefährdet. Daß dann auch die berühmten Orchester von Mittelstreichungen und Qualitätsverlust bedroht sind, ist den Managern nicht gegenwärtig.

Die Orchester sind auf dem Markt. Wer sind die Kunden? Anselm Rose, Intendant der Dresdner Philharmoniker und Vorstand des Deutschen Orchestertages, hat die "Politik als Kunden" ausgemacht. Folglich muß man sie umwerben. Die harten Striche in den Haushaltsplänen rechnet er eher der mangelnden Bildung der gegenwärtigen Politikergeneration an als der neoliberalen Haushalts- einschließlich Kulturpolitik. Rezept Mosdorf: die Politiker persönlich ansprechen. Eine Rüge fing sich Karin Rowe vom Staatsorchester Hannover ein, die sich "nur schriftlich" an einige Minister gewandt hatte. Held des Tages hingegen war Patrick Wasserbauer (Bochumer Symphoniker), dem es gelungen ist, einem Pharma-Unternehmer durch ständige Tuchfühlung fünf Millionen Euro abzuluchsen.
Diffus blieb das Bild des Konzertbesuchers. Münchens Erfolgsrezept: Konzentration auf junge, zahlungskräftige Besucher zwischen 30 und 40. Wie aber die Einkommensentwicklung breiter Schichten, namentlich im Osten, die Zuschauerzahlen beeinflußt, war kein Thema. Ebenso wenig Gehaltserhöhungen für die Musiker. Zwar war Rolf Bolwin, Direktor des Deutschen Bühnenvereins als Arbeitgeberverband, zum Vortrag über einen neuen Tarifvertrag geladen, doch über Tariferhöhungen sagte er kein Wort. Fest steht hingegen, daß das Urlaubsgeld wegfällt.

Die Berliner Symphoniker haben ihre bewährte Arbeit in den Schulen, womit sie bisher allen anderen voraus waren, aus Geldmangel einstellen müssen. Das wurde bedauert, schien aber nicht weiter zu beunruhigen. Events sind wichtiger als kontinuierliche musische Bildung.

Der Deutsche Orchestertag als Klub von Orchestermanagern suchte einst den Mittelweg zwischen Orchestermusikern als Arbeitnehmern und dem Deutschen Bühnenverein als Arbeitgeberverband. Damals erhob er den Anspruch selbstbewußter Interessenvertretung der Kulturorchester gegenüber Politik, Interessenverbänden und Öffentlichkeit. Geblieben sind Anpassung an die herrschende neoliberale Fiskal- und Kulturpolitik und die Bittstellerrolle vor Mäzenen und Sponsoren. Der Markt wird es richten! Die eingesparten Orchestermusiker dürfen die Manager um ihre Illusionen beneiden.