Erst SIcherheit, dann Frieden

Deutsche Truppen in den Nahen Osten?

Mehr als 1200 Libanesen und Israelis sind bereits während der jüngsten Kampfhandlungen ums Leben gekommen. Trotz der UN-Resolution vom 11. August ist der Frieden noch in weiter Ferne.

Mehr als 1200 Libanesen und Israelis sind bereits während der jüngsten Kampfhandlungen ums Leben gekommen, noch mehr Menschen, darunter zahlreiche Zivilisten, wurden verletzt. Die Infrastruktur des südlichen Libanon ist zerstört. Auf beiden Seiten der Grenze ist die Zivilbevölkerung auf der Flucht vor dem Krieg. Trotz der UN-Resolution vom 11. August ist der Frieden noch in weiter Ferne.
Die Internationale Gemeinschaft möchte nun mit der Entsendung einer 15.000-Mann starken Truppe das Ende der Kampfhandlungen überwachen und eine Atmosphäre schaffen, die eine langfristige Lö-sung des Konflikts vorbereitet. Hilfsorganisationen soll der Zugang zur Zivilbevölkerung verschafft und eine sichere Rückkehr von Flüchtlingen ermöglicht werden. Die von der libanesischen Regierung zu entsendenden 15.000 Soldaten bei der Entwaffnung von Milizen und bei der Wiederherstellung ih-rer vollen Souveränität über den Südlibanon zu unterstützen, sind Aspekte des verlängerten Mandats der UN-Stabilisierungstruppe UNIFIL.
An der Mission einer solchen internationalen Friedenstruppe sollen auch deutsche Soldaten beteiligt sein. So wünscht es zumindest einhellig die israelische Regierung. Die Debatte auf deutscher Seite hingegen ist hochkontrovers. Unseres Erachtens müssen dabei folgende Fragen im Zentrum stehen:
• Ist die Intervention einer dritten Partei in Form einer internationalen Schutztruppe - unab-hängig von einer deutschen Beteiligung - für beide Konfliktparteien von so großem Gewicht, dass ein Ende der Kampfhandlungen dauerhaft unterbunden werden kann?
• Kann Deutschland als Teil einer Friedenstruppe das Vertrauen, das es im Nahen Osten ge-nießt, und seine stabilen Beziehungen zu allen Seiten des Konflikts zur Unterstützung eines Friedensprozesses tatsächlich und über den Nutzen einer solchen Truppe hinaus einsetzen?
• Welche realistischen Perspektiven gibt es nach einer möglichen Verhinderung weiterer mili-tärischer Auseinandersetzung über das israelisch-libanesische Grenzgebiet hinaus?
Die kurzfristige Perspektive ist klar: Die Waffenruhe muss hergestellt und überwacht werden. Dies wird auch endlich ein Ende der zu verurteilenden Angriffe auf zivile Ziele mit sich bringen. Die Abwesenheit von kriegerischen Auseinandersetzungen wird jedoch ohne damit einhergehende Frieden schaffende Schritte "nur" eine fragile Situation stabilisieren, aber keine dauerhafte Sicherheits- und Friedensord-nung etablieren. Dies erfordert die Lösung der komplexen Probleme des Nahostkonfliktes wie Grenz-ziehungen, Flüchtlingsfragen und das regionale Demokratiedefizit.
Die Entwaffnung der Hisbollah ist nur einer der vielen diffizilen Aspekte dieses Prozesses, da sich die Bewegung als fester gesellschaftlicher Akteur und nicht nur als Widerstandsbewegung in der libanesi-schen Bevölkerung Respekt und Ansehen verschafft hat. Hierin unterscheidet sich die Hisbollah kaum von anderen islamistischen Bewegungen, die aufgrund des politischen und sozialen Versagens ihrer jeweiligen Regierungen in eine mehrheitsfähig werden konnten. Im Fall des Libanon wird nur ein na-tionaler Dialog aller Kräfte - einschließlich der militanten - die internationale Anstrengung mit Erfolg krönen. Dabei muss die internationale Gemeinschaft die beschädigte Legitmität der libanesischen Re-gierung wiederherstellen und sie durch Training der Armee und weitergehende finanzielle und logis-tische Unterstützung in die Lage versetzen, das Gewaltmonopol im ganzen Land zurück zu gewinnen.
Letztlich jedoch kann die Klärung des endgültigen Grenzverlaufs zwischen Israel, Syrien, Libanon und den Palästinensern und die Schaffung einer demilitarisierten Zone zu Israel nur die Rahmenbedin-gungen einer Sicherheitsordnung schaffen. Für eine nachhaltige Friedensordnung bedarf es einer Stärkung der Demokratie in den Ländern des Nahen Ostens und damit auch des sozialen Friedens in der Region. Die Reintegration der vertriebenen Zivilbevölkerung des Südlibanon in die politische, ge-sellschaftliche und ökonomische Entwicklung ihres Landes hat dabei auch nach innerlibanesischer Ansicht oberste Priorität. Gerade beim gesellschaftlichen Aufbau in Krisenregionen hat die sozialde-mokratische Entwicklungs- und Außenpolitik in den vergangenen Jahren Wertvolles geleistet, nicht zuletzt mit Hilfe des Zivilen Friedensdienstes. Ähnliche Hilfe zur Selbsthilfe wäre übrigens auch in an-deren Ländern ein gangbarer Weg, um radikalen, insbesondere islamistischen Bewegungen den Zu-lauf abzugraben.
Deutschland kann in vielfältiger Weise helfen, beispielsweise durch die Vermittlung im Fall entführter Soldaten. Oberste Leitlinie jeder Form von deutscher ziviler, militärischer, entwicklungspolitischer o-der diplomatischer Intervention muss jedoch sein, dass sie den vitalen Interessen aller Konfliktparteien direkt oder indirekt zu Gute kommt und sie mit den flankierenden internationalen Maßnahmen inein-ander greift. Nur so wird die Bundesrepublik auch langfristig ihren Ruf als allseits anerkannte Vermitt-lerin wahren können, um welchen Teile der hiesigen Opposition ja besorgter zu sein scheinen als um den Frieden am Rande Europas.