Unangenehme Freunde

Überwachung und Fußball WM

in (01.11.2005)

"Zu Gast bei Freunden" ist das Motto der Fußball WM -Im krassen Gegensatz zu diesem strahlenden Image stehen die Durchführungen der Ticketvergabe und Überwachungspläne während der WM.

Zu Fußball WM 2005 gibt sich Deutschland weltoffen und tolerant. Im krassen Gegensatz zu diesem strahlenden Image stehen die Durchführungen der Ticketvergabe und Überwachungspläne während der WM.
dieselbe alte deutsche scheisse
Bevor man Kunde wird: Daten verkaufen
Wer bei WM-Fußballspielen 2006 live dabei sein will, muss nicht nur technisch auf der Höhe der Zeit sein und online buchen und überweisen, der Fan von heute sollte auch eine Mastercard besitzen, die einzige akzeptierte Kreditkarte. Er sollte freigiebig sein, insbesondere mit seinen Angaben zur Person, denn wieso sonst sollte man zu einem schlichten Kartenkauf neben Name, Anschrift, Nationalität, Geschlecht, Geburtsdatum, Ausweisnummer (Für Kinder soll ein Ausweis beantragt werden), E-Mail-Adresse, Fax, Telefonnummer und Lieblingsverein ("Fan von") angeben?
Der Sicherheit diene all dies, erläutert die offizielle Ticket-Website. Doch die erhobenen Daten sind wenig sicherheitsrelevant. Wofür sie benötigt werden könnten, zeigt sich - wenn man sich denn beim Glücksspiel um die Karten anmeldet - unter dem Kapitel "Einwilligung in die werbliche Nutzung der Daten". Werbliche Nutzung, das bedeutet Werbung und zur Marktforschung, Übermittlung zu eben diesen Zwecken an offizielle Partner der WM und auch an ausländische Sponsoren.

Nachdem Datenschutz- und Fanorganisationen gemeinsam Sturm gelaufen sind, wird inzwischen auf die Freiwilligkeit dieses Kreuzchens hingewiesen. Dank der vielen zustimmungspflichtigen Regelungen - "Allgemeinen Ticket-Geschäftsbedingungen", "Verkaufsrichtlinien" "Datenschutzbestimmungen" - und der Verknüpfung von "Informationen vom DFB" mit der Zustimmung wird die Mehrzahl der BestellerInnen dennoch zustimmen, um die Chance auf Karten nicht zu verringern.
Nachdem man all dies durchlaufen hat, willigt man auch gerne "unwiderruflich und für alle gegenwärtigen und zukünftigen Medien ein in die unentgeltliche Verwendung seines Bildes und seiner Stimme" - nach einer Kartenbestellung hat man ohnehin viel Persönliches preisgegeben, da kann auch die Verwendung des eigenen Bildes in der nächsten weltweiten Werbekampagne nicht mehr schrecken.

Fans im Fadenkreuz
Die Personalisierung, also die eindeutige Zuordnung der Karten zu einem Menschen soll den Schwarzmarkt bekämpfen, "unberechtigte Doppeleintritte" verhindern und unerwünschte Personen, die beispielsweise als Hooligans bekannt sind, von den Stadien fernhalten.
Für all dies sei auch der Einsatz der RFID-Chips, die auf den Tickets implementiert sind, erforderlich. Auf den Chips sollen keine persönlichen Daten gespeichert werden, sondern nur ein Schlüssel zu diesen, der dann dennoch jede Person mit Hilfe der im Hintergrundsystem gespeicherten Daten z.B. am Stadiumsdrehkreuz eindeutig identifiziert. Dass die RFID-Chips aber nicht nur eine Identifikation am Eingang gewährleisten - was auch eine schlichte Ausweiskontrolle unaufwendiger und billiger könnte, sondern die bereits Big-Brother-Award gekürten "Schnüffelchips" auch komplette Bewegungsprotokolle aller StadiumsbesucherInnen möglich machen, wird dezent verschwiegen. Eine Personalausweiskontrolle behält man so konsequenterweise auch zusätzlich vor - Kameraüberwachung ist bei großen Fußballspielen ohnehin obligatorisch.

Wahrscheinlicher als die angeführten Gründe ist, dass die WM als großes Testfeld und gleichzeitig als Akzeptanzbeschaffer zum Einsatz der RFID Technik dienen soll. Fußball wäre nicht zum ersten Mal Vehikel zur Einführung eines staatlichen Überwachungsinventars, dass später auch in Gesetze gegossen wird. Wir erinnern uns: Ausreiseverbote, die mit der "Hooligan-Verordnung" aus dem Jahre 1998 erstmals möglich wurden, machten schon drei Jahre später als "Datei Gewalttäter" Karriere, um PolitaktivistInnen die Ausreise nach Genua zu verwehren.

Das Szenario eines Festivals der Überwachung scheint nicht mehr aufzuhalten. Kritik an der "Orwell-Arena" wurde reichlich geübt, doch die Reaktionen sind minimal - sowohl auf Seiten der Fifa als auch auf Seiten des "offiziellen Partners": Dem Innenminsterium der Bundesrepublik Deutschland.