Deutschland, du Opfer!

Kommentar

in (01.11.2005)

Gedenktage in diesem Jahr, ob zur Landung in der Normandie oder das "Fest der Demokratie" am 8. Mai beschäftigten sich mit dem Nationalsozialismus. Doch dabei ist nicht Alles gut gemeinte gleich gut.

Vom Gedenktag zur Landung in der Normandie, an dem erstmals ein deutscher Kanzler teilnahm bis zum "Fest der Demokratie" am 8. Mai wurde sich besonders dieses Jahr mit dem Nationalsozialismus beschäftigt, dabei ist nicht Alles gut gemeinte gleich gut.

In den Medien, zum Beispiel bis zum 8. Mai in einer täglichen Serie der Süddeutschen Zeitung, kamen vor allem die deutschen "Opfer" vor. Guido Knopps populäre History-Reihe, die in den 90ern mit Serien wie "Hitler - Eine Bilanz" und "Hitlers Helfer" Geschichtsunterricht massenkompatibel und fernsehreif machte, widmete sich im neuen Jahrtausend vor allem den deutschen "Vertriebenen" und Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Dies wurde auch allgemein als Novum dargestellt, so als ob die Beschäftigung vor allem mit den deutschen Toten nicht schon seit dem Ende des Krieges Usus wäre. Die seit den 20ern alljährlich begangenen Volkstrauertage gedenken unterschiedslos aller Opfer des Krieges. Im Bundestag wird an diesem Datum neben der deutschen Nationalhymne das Lied "Der gute Kamerad" gespielt. Die Verdrängung der deutschen Kriegsschuld und der Tatsache, dass nicht nur Hitler und seine fünf Freunde den Holocaust verursacht haben, ist also nichts Neues.

Die Brutalität des deutschen Vernichtungskrieges und des Holocaust werden von der bürgerlichen Öffentlichkeit zwar wahrgenommen, aber mit den deutschen Verlusten, den Heimatvertriebenen, den Kriegsgefangenen, den vergewaltigten Frauen und den Bombenopfern aufgerechnet und auf eine Stufe gestellt. Die Singularität von Auschwitz und der Fakt der Kriegsschuld werden so nivelliert, irgendwie waren ja alle Opfer, irgendwie sind alle in diesen Krieg reingeschlittert und nachher gab es ein böses Erwachen auf allen Seiten.

Am 13. Februar vor 60. Jahren wurde Dresden von der britischen Royal Air Force bombardiert. Eine Bombardierung wie viele andere, möchte mensch meinen. Die Art und Weise, wie seitens der Zivilgesellschaft und der Nazis mit diesem Datum umgegangen wird, zeigt wie deutsches Geschichtsgedächtnis funktioniert.
Im offiziellen Gedenken der Stadt Dresden wird vor allem der Opfer der Bombardierung gedacht, die als unnötig, grausam und im Endeffekt als Kriegsverbrechen dargestellt wird. Damit wird, bewusst oder unbewusst Nazipropaganda übernommen: Dresden wird als militärisch unwichtige Kulturstadt dargestellt, die Opferzahlen werden verzehnfacht und Hetzjagden auf Zivilisten durch Bomber erfunden, die rein technisch gar nicht möglich gewesen wären. Vergessen wird, dass Dresden der Verkehrsknotenpunkt für die Ostfront und die Deportation war. Die deutsche Schuld, von den Nazis geleugnet, wird von der deutschen Zivilgesellschaft anerkannt. So kann mit dem guten Gewissen, aus der Geschichte gelernt zu haben, England vorgeworfen werden, dass sie sich nicht genug mit den eigenen Kriegsverbrechen auseinandersetzen. Als die Queen vor kurzem Deutschland besuchte, wurden Stimmen laut, die von ihr eine Entschuldigung für den 13. Februar forderten.
Mit diesem guten Gewissen und Geschichtsverständnis fällt es natürlich auch nicht schwer, für Deutschland einen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu fordern: Denn wer seine "Auschwitz-Lektion" gelernt hat, kann anderen Staaten ihr "Auschwitz" unter die Nase reiben und dabei das moralisch beste Gewissen haben, wie am Beispiel der Türkei und dem Massaker an den Armeniern schon im Bundestag passiert. Am deutschen Wesen soll die Welt genesen?