Abschiebungen vor Gericht

Online Protest wird "real life" verfolgt

in (20.05.2005)

Am 14. Juni 2005 wird der Prozess gegen InitiatorInnen der Online-Demonstration gegen Lufthansa eröffnet

Am 14. Juni 2005 wird in Frankfurt am Main der Prozess gegen Andreas-Thomas Vogel eröffnet. Er wird als Registrant zweier Homepages stellvertretend für die TeilnehmerInnen und InitiatorInnen der Online-Demonstration gegen Lufthansa im Jahre 2001 von der Fluggesellschaft angeklagt.

Im Rahmen der "deportation class Kampagne" hatten das "kein mensch ist illegal"-Bündnis, zusammen mit um die 250 weiteren Organisationen und der Gruppe libertad! zu einer bis dahin völlig neuen Protestform gegen die saubere Airline aufgerufen: Im Internet sollte am 20. Juni 2001 zeitgleich mit der Jahreshauptversammlung der Aktionäre die Internetpräsenz der Lufthansa aufgerufen werden, um die Seite zu verlangsamen oder gar wegen Überlastung offline zu schicken.
Neben der Veröffentlichung des Aufrufs ist essenzieller Bestandteil der Klage die ebenfalls auf der Homepage libertad.de bereitgestellte "Protestsoftware" - eine kleines Programm, dass Mehrfachanfragen an die angeforderte Adresse der Lufthansa beschleunigen sollte und wohl auch hat: Mutmaßlich 13.000 Menschen beteiligten sich an der Aktion und verursachten um die 1,2 Millionen Zugriffe auf die Seite.

Die daraus folgende Übertragungsdauer der Inhalte führte - so die Anklageschrift der Lufthansa - "zu deutlichem Buchungsrückgang". Zumindest für die Computer im Deutschen Forschungs-Netz (DFN), über das die meisten Universitäten vernetzt sind, war der Zugriff mutmaßlich wegen Sperrung der IP-Adressen nicht möglich. Die Vermutung, das studentische Protestpotential solle damit ausgesperrt bleiben, liegt nahe, kann aber nicht belegt werden.
Das Gericht wird über die Vorwürfe der Nötigung und Anstiftung zur Nötigung zu entscheiden haben. Spannend wird die Verhandlung in mehrfacher Hinsicht, denn sie wird für die künftige Spruchpraxis für Internetprotest wegweisend sein.
Werden Aufrufe zu Online-Demos künftig bestraft werden? Ist es gar eine Gewaltanwendung koordiniert eine Internetpräsenz anzuklicken? Werden künftig womöglich einzelne User zur Verantwortung gezogen? Eine nicht ganz unwahrscheinliche Perspektive, hatte die Lufthansa doch laut Presseerklärung von libertad! erfolglos versucht, die Daten der Anfragenden von den Providern zu bekommen. Ein Unterfangen, das heute wegen zahlreicher Gesetzesänderungen zumindest bei polizeilichen Ermittlungen denkbar wäre.

Die BetreiberInnen der "deportation class Kampagne" jedenfalls bestehen darauf: Auch im Internet muss es Versammlungsfreiheit geben: "Wenn Konzerne, die mit Abschiebungen Geld verdienen, ihre größten Filialen im Netz aufbauen, dann muss man auch genau dort demonstrieren."
Eine Frage auch der Freizügigkeit, also dem Recht, auch virtuell jederzeit dorthin zu gehen, wo man will. Es muss allen gleichermaßen möglich sein, auf öffentliche Seiten zuzugreifen!

Real Life Abschiebung geht weiter
Während über Strafen bei Protest verhandelt wird, geht das legale Geschäft der Fluggesellschaften - beispielhaft LTU und Lufthansa - mit den Abschiebungen weiter. Die "deportation class Kampagne", ist weiterhin nötiger denn je: Allein 2004 wurden über 21.000 Abschiebungen auf dem Luftweg durchgeführt.

Viele der abzuschiebenden Flüchtlinge wehren sich gegen den Transport in Unrechtsstaaten und Armut, werden von BGS Beamten gefesselt und brutal behandelt. Bereits 2004 fand ein ganz anderer exemplarischer Prozess um die Abschiebung statt: Der Tod von Aamir Ageeb, der 1999 bei seiner Abschiebung gefesselt und von den "begleitenden" Bundesgrenzschutz-Beamten in den Flugsitz gedrückt wurde bis er erstickte, wurde als Körperverletzung mit Todesfolge angesehen - die Täter können mit einer gemilderten Strafe von neun Monaten Freiheitsstrafe zur Bewährung weiterhin ihren "Dienst" tun.

Protest und Solidarität tut not!
Kundgebung am 14. Juni 2005 am Amtsgericht Frankfurt.
Mehr Infos unter: www.libertad.de/online-demo