Das Comeback der Sozialdemokratie

Das gequälte Gesicht von Guido Westerwelle, Angela Merkels versteinerte Mine, Stoibers Wut auf die "Frustrierten" im Osten, die Lachnummer Münte als Vizekanzler einer "Großen" Koalition, ...

... Joschka Fischers Verdruss, dass die "moderne Linke" in Gestalt der Grünen abgeschlagen hinter der "alten" nur auf Platz vier gelandet ist - es könnte ein lustiger Abend werden am 18. September. Und dann noch die Enttäuschung von BDI-Präsident Jürgen Thumann und die Erleichterung der Gewerkschaften, die sich gleichzeitig aber auch um ihr Verhältnis zum traditionellen Bündnispartner SPD sorgen müssen. Schließlich der Geldsegen für die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Es gibt gute Gründe, dieses Mal zur Wahl zu gehen.

Zwar blieb organisierte Gegenwehr gegen den neoliberalen Umbau zur Deutschland AG eher marginal, doch viele Menschen hat diese Politik gründlich abgeschreckt. Wir erleben eine "Krise der Repräsentation", die sich darin spiegelt, dass die Lebenswirklichkeit einiger sozialer Milieus in der offiziellen Politik überhaupt keinen Niederschlag mehr findet. Bislang führte diese Unzufriedenheit zur Wahlenthaltung vieler Menschen. Nun scheint es, als könnten sie in der Stimmabgabe für die Linkspartei.PDS ihren Ausdruck finden.

Die momentane Zustimmung zur Linkspartei verweist auf die Instabilität des herrschenden Blocks. Ihr erstes Opfer ist die SPD. Von Mitgliederverlust gebeutelt, findet ihre Legitimationskrise den vorläufigen Abschluss in der Abwahl Schröders und dem Ende des rot-grünen Modernisierungsbündnisses. Ob CDU/CSU und FDP daraus wirklich Profit schlagen können, ist noch nicht ausgemacht. Auch wenn Merkel und Westerwelle die Bundestagswahl gewinnen sollten, spricht vieles dafür, dass Schwarz-Gelb sich noch schneller abnutzt als Rot-Grün.

Die vorgezogene Neuwahl hat in der parlamentarischen und in der außerparlamentarischen Linken eine Dynamik erzeugt, die noch vor kurzem kaum jemand für möglich gehalten hätte. Binnen kürzester Zeit hat sich das Wahlbündnis zwischen PDS und WASG gegründet. Schröders Kalkül, durch Neuwahlen den Formierungsprozess einer Partei "links von SPD und Grünen" schon im Ansatz zu verhindern, ist nicht aufgegangen.

Der Einzug einer starken Linksfraktion in den nächsten Bundestag wird auch für die radikale Linke von Bedeutung sein. Diese müsste sich gegenüber der moderaten Linken profilieren und offensiv für ihre Positionen werben. Denn mit der Konstitution einer linken Wahlalternative wird längerfristig neu definiert und festgelegt, was in Zukunft als "links" zu gelten hat. Dabei kann es für die außerparlamentarische und radikale Linke nicht um eine unkritische Bezugnahme auf die neue sozialdemokratische Parteigründung gehen. Worum es aber sehr wohl geht, ist ein taktischer Umgang, der die eigenen Bewegungsspielräume erweitert, und eine strategische Intervention in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um linke, emanzipatorische Gegenentwürfe zum neoliberalen Autoritarismus der Agenda 2010 - und darüber hinaus.

Klar ist: Die Wahl der Linkspartei kann nicht die Lösung sein, aber ihr Erfolg bei den Bundestagswahlen wird dazu führen, dass auch eine radikal linke Opposition stärker als bisher wahrgenommen wird. Fällt der Stimmenanteil der Linkspartei so groß aus, dass sich der neoliberale Block auch offiziell zur Großen Koalition zusammenrotten muss - um so besser.

aus: ak - analyse + kritik - Zeitung für linke Debatte und Praxis/Nr. 497/19.8.2005