Rede von Prof. Rainer Roth, Fachhochschule Frankfurt

Europäischer Aktionstag: Abschlusskundgebung des DGB 3.4.2004 Berlin

in (05.04.2004)

Europäischer AktionstagAbschlusskundgebung des DGB 3.4.2004 Berlin

A) Bis 2010 will Deutschland mit der Agenda an die Weltspitze,
z.B. indem es Arbeitslosen die Stütze unter die heutige Sozialhilfe kürzt,
indem es sie in untertarifliche Armuts-Arbeit presst
und indem es alte Menschen zu Sozialhilfeempfängern macht.

Deutschland will gewinnen, indem Millionen verlieren.
Wer ist eigentlich Deutschland? Deutschland ist immer noch die Mehrheit der arbeitenden Menschen und nicht eine Minderheit von Besitzenden, die ihrem Profit hinterherjagt.
Kann man überhaupt im Namen Deutschlands sprechen, wenn man eine Politik gegen die Mehrheit des Volkes macht?

B) Dem Kapital reicht die Agenda nicht. Hans-Werner Sinn fordert die Senkung aller Bruttolöhne um 10-15%. Für's Erste. Das wollte die Deutsche Bank auch schon mal, nämlich 1929. Die Abschaffung der Tarifverträge und das Ende der Gewerkschaften folgte nach 33. Solche Krisenlösungen wollen wir nicht.

Arbeitgeberverbände verlangen die Senkung der Sozialhilfe um 25%.
Und die Bundesregierung hat das ernsthaft überlegt.

Beim Abriss der Sozialhilfe geht es nicht um Florida-Rolf. Es geht um das Lohnniveau aller.
Die Sozialhilfe wirkt wie ein Mindestlohn. Sie muss genauso verteidigt werden wie Tarifverträge.
Wir brauchen den Schulterschluss von Arbeitslosen und Beschäftigten, nicht ihre Spaltung.

C) Es heißt, Arbeitslose sind faul. Ist nicht ein Wirtschaftssystem selbst faul, das mit so vielen Menschen so wenig anfangen kann, besonders mit Älteren, mit Jugendlichen oder mit Frauen?

D) Hauptzweck der Agenda ist Lohndumping. Dennoch haben fast alle Gewerkschaftsmitglieder im Bundestag dafür gestimmt. Das ist eine Schande für die Gewerkschaftsbewegung. Und: Demonstrationen wie die heutige hätte es auch schon vor der Verabschiedung der Agenda geben müssen.

E) Das Kapital macht ständig Arbeitskräfte arbeitslos. Mit revolutionärer Technik, Überproduktionskrisen und Kapitalexport. Und es hat auch die Lösung dafür: Der Preis der Ware Arbeitskraft muss in einem internationalen Schlussverkauf so lange fallen, bis eben jeder wieder Arbeit hat. Wenn es dabei überhaupt eine Grenze nach unten gibt, dann nur, wenn wir sie durchsetzen.

F) Löhne und Sozialhilfe, die nicht bis zum Ende des Monats reichen, sind asozial. Wir brauchen gesetzliche Mindestlöhne oberhalb der Sozialhilfe. Denkbar wären zehn Euro die Stunde. Und wenn das Kapital schon so viele Menschen nicht mehr braucht,
dann soll es wenigstens zahlen, damit sie anständig leben können.

G) Die Armut von Beschäftigten, Arbeitslosen und Rentnern zu verhindern, ist Wirtschaftsmanagern zu teuer, die es selbst auf Stundenlöhne von über 1.000 Euro bringen.
Da werden lieber Dutzende Milliarden verbrannt: in Aktiencrashs, Immobilienblasen, Fehlinvestitionen oder abenteuerlichen Krediten.

Menschen sind Nebensache. Treten wir dafür ein, dass Menschen sich selbst zur Hauptsache machen, statt Spielzeug von Märkten zu sein.

H) Kapitalgesellschaften kassierten dank der Steuerreform bisher 60 Mrd. Euro Steuersozialhilfe. Ohne jede Gegenleistung, einfach fürs Nichtstun. Hier klagt keine BILD-Zeitung über Mißbrauch. Diese Steuersozialhilfe muss gestrichen werden.

I) Die Lohnabhängigen in Europa wollen keinen Wirtschaftskrieg gegeneinander. Letztlich hat keiner etwas davon, sich im Namen der Wettbewerbsfähigkeit gegenseitig zu unterbieten. Wir brauchen verstärkte internationale Zusammenarbeit.

Wir brauchen auch viele örtliche Bündnisse auf einer klaren Grundlage. Ich möchte Sie aufrufen, den Frankfurter Appell gegen Sozial- und Lohnabbau zu unterstützen.
Man kann vom Kapital auch lernen.
Nämlich: entschlossen die eigenen Interessen zu vertreten. Sorgen wir dafür, dass es in diesem Sinne überall eine Aufbruchstimmung gibt. Kanzler Schröder fordert uns auf, an unsere Kinder zu denken. Genau das tun wir!