Kein Menschenrecht auf Wasser

Vor einem Jahr wiesen Gewerkschafter, Bürgerrechtler, Dritte-Welt-Gruppen und die Bürgerinitiative für Sozialismus auf dem Friedenspolitischen Kongreß in Hannover in einer Resolution darauf hin, .

... daß mehr als vier Milliarden Menschen keinen oder nur unzulänglichen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Zitiert wurde die Feststellung der UNO-Umweltbehörde, wonach 40 Milliarden Dollar jährlich genügen würden, allen Menschen sauberes Wasser, ausreichend Nahrung, Gesundheitsschutz und allen Kindern eine Grundausbildung zu gewährleisten. Jetzt läuft das von der UNO ausgerufene "Jahr des Süßwassers" ab - und was hat sich geändert? In eben diesem Jahr 2003 sind rund 200 Millionen Menschen an verseuchtem Wasser erkrankt und mindestens zwei Millionen unmittelbar an den Folgen des Wassermangels gestorben.
Die Vereinten Nationen hatten im März eine wegen des Irak-Krieges wenig beachtete Wasser-Konferenz einberufen, die ohne konkrete Ergebnisse blieb. Das einzige, was die UNO und mit ihr die Weltbank zustande brachten, war die Erklärung, der Zugang zum Wasser sei ein menschliches Bedürfnis. Wohlgemerkt: ein Bedürfnis, kein Menschenrecht. Und darum darf es nach den Vorstellungen der Neoliberalen und Globalisierer in den Industriestaaten, die noch über genug sauberes Wasser verfügen, dem Profitstreben unterworfen werden.
"Der Schlüssel zum Wasser heißt Marktwirtschaft", sagt Maurice Strong, Chef der vor wenigen Jahren gegründeten Weltwasserkommission. Die Welthandelsorganisation WTO fordert eine "weltweite Marktöffnung" für Wasser wie auch für Bildung, die beide noch überwiegend staatliche Angelegenheiten sind. Bei der glücklicherweise geplatzten WTO-Konferenz in Cancún im Sommer verlangte die EU-Kommission freien Zugang zum Geschäft mit Trinkwasser in insgesamt 72 Staaten, darunter Bangla Desch, Brasilien und Kolumbien. Dafür machte sich nicht nur unser Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) stark, sondern auch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die in diesem Zusammenhang den Satz prägte: "Die Liberalisierung muß helfen, die Armut zu verringern." Was schert es sie, wenn Experten von Nichtregierungsorganisationen, darunter Attac, auf die Gefahr hinweisen, daß sich die privaten Anbieter nach dem Gesetz des Profits darauf beschränken, diejenigen Gebiete zu versorgen, wo es sich für sie lohnt, während in den armen Landstrichen der Entwicklungsländer das Wasser immer knapper und dreckiger wird.
Die französischen Konzerne Vivendi und Suez kontrollieren schon heute Wasserunternehmen in über 130 Ländern auf allen fünf Kontinenten. Die britische Firma Thames Water ist ebenfalls weltweit tätig. Und auch deutsche ¬ Gesellschaften wie RWE und Gelsenwasser erhoffen sich ein einträgliches Geschäft. Immerhin haben ihnen dafür die Briten ein Beispiel geliefert: Nach der Privatisierung der Wasserwirtschaft im Jahre 1989 sind innerhalb von knapp zehn Jahren die Preise für den privaten Verbraucher insgesamt um 44 Prozent gestiegen.
Man vergleiche: 40 Milliarden Dollar im Jahr würden reichen, nicht nur für Wasser, sondern auch für andere Grundbedürfnisse. Das Geld wäre vorhanden. Allein die USA haben im Vorfeld ihrer Irak-Agression 40 Milliarden Dollar für die Aufrüstung bereitgestellt. Kürzlich billigte das Repräsentantenhaus 87,9 Milliarden Dollar für die Fortsetzung des Irak-Abenteuers, davon allein 65 Milliarden zur Begleichung der Besatzungskosten. Aber hier geht es ja um Öl und nicht um Trinkwasser.
Übrigens: Vor nicht langer Zeit galt Wasser noch als ein Gut, das nicht Kapitalgesellschaften, sondern der menschlichen Gesellschaft gehört. Wie die Luft. Wann wird sie privatisiert?

aus Ossietzky 24/2003