Schöne alte Welt

Wenn Politiker am Ende ihres Witzes sind, sprechen sie gerne von einem Neuanfang. Die Neue Mitte des ersten Schröder-Kabinetts war so ein Etikettenschwindel. ...

... Sie stellte sich als Wundertüte ohne Inhalt heraus. Nicht anders verhält es sich mit der von Tony Blair ausgerufenen New-Labour-Politik. Neu ist aber nur der grenzenlose Machtopportunismus, von einer renovierten Arbeiterpartei keine Spur. Auch bei den Ministranten des Kapitalismus, an den Börsen, bediente man sich wie im Goldrausch des positiv besetzten Präfix "neu". Mit lemminghafter Besessenheit stürzten sich Analysten und Anleger in die Neue Ökonomie. Sie brachten fast das ganze System zum Einsturz. Jetzt muß, wie stets, das Gemeinwesen den Schaden bezahlen, mit hoher Arbeitslosigkeit, Steuerausfällen und Staatsverschuldung.
Nicht anders wird es uns mit der Neuen Weltordnung ergehen. In Schwang kam der Begriff während des Zweiten Golfkrieges, als George Bush der Ältere seinen Scheinsieg über Saddam Hussein errang. Halbfertig wie die Bezwingung des Diktators in Bagdad blieb die Vorstellung von einer neuen Weltordnung. Das Versäumte holt jetzt der zweite US-Präsident aus der Bush-Dynastie nach. Und während sich die Politiker im Weißen Haus und im Parlament wie zielfixierte Jäger auf einen Krieg gegen den Irak konzentrieren, schreiben Historiker, Publizisten und Politologen im großen Gedankenflug die Drehbücher für eine Neue Weltordnung.
Herauskommt immer wieder nur das abendländisch, jetzt westlich, zentrierte Bild einer von den USA bestimmten Weltordnung. Da werden die alten historischen Klischees von einer einst von Rom aus beherrschten Welt bemüht und auf die USA als künftige Pax Americana übertragen. Schnell erweist sich dabei, daß die Neue Weltordnung aus dem Denken und den Mechanismen der alten, zunächst von Europa und dann mehr und mehr von den USA geprägten besteht. Unterschwellig kommen die alten kolonialen Herrschaftsgelüste zum Vorschein, wobei die Globalisierung als Handlungsgebot dient und die Demokratisierung nach westlichem Kanon als Missionsauftrag. Wir erleben also die Wiederherstellung der schönen alten Welt. Jedenfalls den Versuch.
Er wird nicht gelingen, denn es gibt kein Zurück zu den für den Westen guten alten Zeiten. Die Welt wird, wenn sie bewohnbar bleiben will, sich nicht mehr von Mächten und Herrschaftsepochen bestimmen und regieren lassen. Sie wird sich den Mühen der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung unterziehen müssen. Das Forum dafür sind die Vereinten Nationen, geschaffen aus Einsicht und Erfahrung nach dem Zweiten Weltkrieg, ausgerichtet auf die Menschheits-ideale von Freiheit und Gleichheit und trotz aller Widersprüche ihrer Mitglieder erstaunlich überlebensfähig. Hier, wo sonst, werden der Westen und voran die USA ihre politischen, wirtschaftlichen Vorzüge zum Nutzen für alle anbieten und vielleicht auch durchsetzen können. Oder auch mal den Kürzeren ziehen. Das Wort von der einen Welt ist nicht nur für das Internet reserviert.