Die Politik der Whiteness

Ansichten von einer kulturellen Front

in (12.04.2001)

Warum über Whiteness sprechen? Birgt das nicht die Gefahr, Whiteness wieder ins Zentrum zu stellen, anstatt dieses Zentrum aufzulösen; ...

Warum über Whiteness sprechen? Birgt das nicht die Gefahr, Whiteness wieder ins Zentrum zu stellen, anstatt dieses Zentrum aufzulösen; sprechen wir dem Begriff damit nicht eine falsche Wirklichkeit zu, anstatt seine Konstruiertheit aufzuweisen? Aber die Risiken, nicht über Whiteness zu sprechen, sind größer. Whiteness nicht zum Thema zu machen, würde bedeuten, ihre normative "Unsichtbarkeit" fortzuschreiben, anstatt der scheinbaren Universalität weißer Positionen nachzuweisen, daß sie selbst den Interessen einer "Farbe" geschuldet sind. Wir würden damit eine Asymmetrie fortsetzen, die auch viele kritische Analysen über Rassismus und Kultur beeinträchtigt: alle, die nicht weiß sind, werden in ihrem "Anderssein" Thema, ob positiv besetzt oder nicht, während Whiteness selbst außen vor gelassen wird - unhinterfragt, selbstverständlich, monolithisch, unhistorisch. Wer von "ethnischen Communities" spricht, meint "farbige" Communities; Weiße scheinen keine ethnische Community zu sein.

Whiteness ist seit kurzem zum Thema historischer Untersuchungen gemacht worden. Diese Arbeiten bauen auf Elementen der marxistischen und feministischen Geschichtsschreibung auf, um sie gleichzeitig einer radikalen Revision zu unterziehen, und haben die zentrale Bedeutung von Whiteness für die Herausbildung von Nation, Klasse und Imperialismus unterstrichen, sowohl für die USA als auch für Europa. Whiteness wird hier als Schlüsselbegriff sichtbar für den Prozeß, in dem Land genommen und Nationen gebaut wurden - ein Prozeß, in dem die Formierung von Whiteness sowohl als Ursache wie als Folge erscheint. Zu nennen wären die Arbeiten von Reginald Horsman: Race and Manifest Destiny; Theodore Allen: The Invention of the White Race; David Roediger: The Wages of Whiteness; Kathleen Blee: Women of the Klan, und anderen.

Soziologie und Cultural Studies beginnen sich ebenfalls dem Thema Whiteness zuzuwenden. Auch hier geht es sowohl um die Herausbildung von Subjekten als auch von Gesellschaftsstrukturen und Institutionen; auch hier wird deutlich, daß Rasse eine zentrale Kategorie sozialer Strukturierung ist, keine periphere. Obwohl es einige ältere Vorläufer gibt, ist der überwiegende Teil dieser Arbeiten erst in den späten 80ern und in den 90ern geschrieben worden.

Whiteness ist ferner zum Thema geworden in Arbeiten, die sich mit dem Rassismus sozialer Bewegungen auseinandersetzen. Am entwickeltsten sind diese Untersuchungen für den Bereich des Feminismus und der Frauenbewegung. Auch hier sind die meisten Arbeiten erst in den letzten zehn Jahren entstanden; viele davon befassen sich mit der Repräsentation von Whiteness in Kultur und Literatur. Zu nennen wären etwa Adrienne Rich: Disloyal to Civilization; Toni Morrison: Playing in the Dark; Elizabeth Spelman: Inessential Women.

Die Rassifizierung von Politik, Klasse und Geschlecht

Haole, Pakeha, Ghost, Gringo, Wasiku, Honky - das sind einige der Namen, mit denen Nicht-Weiße Weiße bezeichnen. Amerikaner, Brite, Mann, Frau, Weiße Frau, Weiße US-Amerikanerin - das sind einige Namen, mit denen Weiße sich selbst bezeichnen. Zu welchen Zeiten ist Whiteness "sichtbar" und zu welchen "unsichtbar"? Wann ist sie "verschwunden", versteckt in universalistischen Begriffen von Nation, Ethnie, Kultur? Die Rede von der "unsichtbaren Rasse", so zutreffend sie uns oft erscheinen mag, spiegelt selbst eine gewisse historische Blindheit wider. Weißsein ist nur dann und dort "unsichtbar", wo die Überordnung von Weiß über Nicht-Weiß hegemonial geworden ist, und selbst dann bleibt diese Unsichtbarkeit eine instabile Angelegenheit. Zu den Zeiten und an den Orten, wo Whiteness und weiße Dominanz etabliert oder wiederhergestellt werden, sind sie extrem sichtbar. Sie sind keineswegs "unsichtbar" oder einfach "normativ", sondern werden offen benannt und eingefordert.

Hegemonie ist niemals vollständig, niemals gleichförmig. Für die USA beispielsweise mag weiße Dominanz, weiße Normativität, die simple Gleichsetzung von "weiß" und "amerikanisch" in einer Kleinstadt selbstverständlich sein, in einer Großstadt jedoch fraglich. Sie mag in den Vorstädten völlig gesichert sein, in den innerstädtischen Arealen jedoch offen herausgefordert. Es gibt Orte, wo Amerikanertum als "Weißsein" offen und gewaltsam verteidigt wird, etwa an der mexikanischen Grenze. Kalifornier parken ihre Autos im Grenzgebiet so, daß sie mit den Scheinwerfern in die Richtung potentieller Eindringlinge leuchten.

Einwanderungspolitik ist ein Feld, auf dem die Konstruktionen "Rasse", "Nation" und "Kultur" in ständiger Bewegung sind, um Weißsein als unsichtbare Norm zu erhalten und durchzusetzen, und wo andere in wechselnder Folge und Intensität "rassifiziert" werden. Ein anderes Feld ist innen- und sozialpolitischer Art. Das Reden über "Rasse" ist aufs Engste verbunden mit Vorstellungen darüber, wem die Nation legitimerweise "gehört". Es sind die Debatten darüber, ob Einwanderer, insbesondere Nicht-Weiße, das Recht haben zu arbeiten, Besitz zu erwerben, Ressourcen zu benutzen - angefangen von Wasser und Feuerwehr, bis zu Schulen und den sozialen Sicherheitssystemen. Über den Köpfen von Asiaten, Latinos und Chicanos hängt gewissermaßen ein ständiges Fragezeichen, egal ob es US-Bürger oder Leute mit anderem Aufenthaltsstatus sind. Ich, die ich britische Staatsbürgerin bin und auch so spreche, bin dagegen selten mit der Frage konfrontiert worden, ob es denn in Ordnung geht, daß ich Amerikanistik unterrichte.

Auch politische Themen, die augenscheinlich nichts mit Rasse zu tun haben, werden "rassifiziert". In den Vorwahlen für die Kongreßwahlen 1996 galten Kandidaten als "wählbar", wenn sie sich für restriktive Zuwanderungspolitik und für eingeschränkten Zugang von Einwanderern zum Bildungs-, Gesundheits- und Wohlfahrtssystem aussprachen. Andere entscheidende Punkte waren die Positionen der Kandidaten zur Abtreibung, zur Verbrechensbekämpfung und Strafrechtsverschärfung, sowie zur allgemeinen Gesundheitsversorgung und sozialen Absicherung. All diese Politikfelder sind in der Vorstellung der Allgemeinheit rassisch gefärbt - Kriminalität ist "schwarz", die Notwendigkeit, sich dagegen zu schützen, ist "weiß"; Einwanderer sind "braun" oder "gelb"; "Schwarze" und "Braune" saugen den Wohlfahrtsstaat aus; und "weiße" Frauen wollen Abtreibungen. Und letztlich brauchen "Amerikaner", aber nicht Fremde, Arbeit. "Rote" - Leute indianischer Abstammung und Hawaianer - kommen überhaupt nicht vor.

Die Fakten spielen dabei keine Rolle - zum Beispiel, daß die Mehrzahl der WohlfahrtsempfängerInnen weiß ist. Wie auch immer, die "Neue Mitte" sucht sich zunehmend Kandidaten, die gegen Zuwanderung, aber für Abtreibung sind; gegen allgemeine Gesundheitsfürsorge, aber für härtere "Kriminalitätsbekämpfung". Wie erleben, daß Klasse und Geschlecht mit Nachdruck "rassifiziert" werden, und wir erleben eine verschärfte Polarisierung in "Insider" und "Outsider". Manchmal ist es eine Polarisierung nach Rasse, manchmal nach gesellschaftlicher Stellung, manchmal nach einer Kombination aus rassisch-sozialen Kriterien. Wir erleben auch, daß eine bestimmte Gruppe von Frauen - diejenigen mit der "richtigen" Rasse und aus der "richtigen" Klasse - Seite an Seite mit ihren männlichen Partnern den Weg antreten in eine neue Art von "Insidertum".

Das imaginäre Quartett

Die Rassifizierung von Klasse und Geschlecht greift auf ein Set von Bildern und Vorstellungen zurück, die in den frühen kolonialen und rassistischen Diskursen entwickelt wurden. Das Repertoire ist schmal. Seine Themen wiederholen sich bis zur Banalität - aber das ändert nichts an der Wirkungsmacht dieser Bilder. Es ist eine kleine, immergleiche "Familie", ein Quartett von fixen Bildern: Weiße Frau, Weißer Mann, Nicht-weißer Mann, Nicht-weiße Frau. Die zeitliche und räumliche Verbreitung dieses Quartetts ist enorm.

Die Weiße Frau ist schwach, verletzlich, zart bis heikel, sexuell "rein", aber bisweilen leicht vom rechten Weg abzubringen. Der Weiße Mann ist stark, dominant, der Schiedsrichter der Wirklichkeit, und der selbsternannte Beschützer der Weißen Frauen und Verteidiger der Nation bzw. des Territoriums. (Die Nation und ihre Ehre zu beschützen, beinhaltet in der Regel auch, die rassische Keuschheit der Weißen Frauen zu verteidigen.) Der Nicht-weiße Mann ist sexuell triebhaft - manchmal verführerisch, manchmal räuberisch, insbesondere gegenüber der Weißen Frau; er ist es, vor dem die Weiße Frau vom Weißen Mann beschützt werden muß. Die Nicht-weiße Frau schließlich ist ebenfalls sexuell aktiv, eine Verführerin, eine Gefährtin, die willig und leicht zu haben ist, insbesondere für den Weißen Mann; ihre Hygiene läßt zu wünschen übrig, sie ist von gnadenloser Fruchtbarkeit, aber ihr Brutpflegetrieb ist nützlich, wenn er dem Weißen Mann zugute kommt - genauso wie ihre Fürsorge für weiße Kinder oder auch Erwachsene, wiederum wenn das dem Weißen Mann oder der Weißen Frau zugutekommt. Die Nicht-weiße Frau ist ein Bild, das von hoher Ambivalenz ist - immer in der Gefahr, daß aus der exotischen Schönen die Unfeminine und Häßliche wird.

Die vier Elemente dieses Quartetts bedingen sich gegenseitig. Der Weiße Mann würde als Retter flachfallen, wenn es nicht die Weiße Frau gäbe, die gerettet werden muß. In ähnlicher Weise würde der Weiße Mann viel von seinem Selbstwertgefühl und Daseinszweck verlieren, wenn es nicht den Nicht-weißen Mann und dessen Qualitäten als Raubtier gäbe. Die Kosten und Nutzen dieser fixen Bilderwelt insgesamt sind unterschiedlich verteilt. Der Weiße Mann hat von der Aufrechterhaltung des imaginären Quartetts am meisten zu gewinnen, und verliert am meisten, wenn das Quartett aufgelöst würde. Umgekehrt haben der Nicht-weiße Mann und die Nicht-weiße Frau wenig bei diesem Spiel zu gewinnen. Kompliziert ist es für die Weiße Frau: Einerseits zieht sie Privilegien und sozialen Status aus ihrer rassisch-geschlechtlichen Verortung; andererseits wird sie dadurch eingeschränkt. Das betrifft insbesondere ihre Sexualität, denn das imaginäre Quartett ist strikt heterosexuell, und ein sexuelles Überschreiten der rassischen Trennlinie ist nur für den Weißen Mann (und auch nur als "inoffizieller Verkehr") möglich.

Ich habe bei der Nachzeichnung des imaginären Quartetts versucht, das Typische hervorzuheben, aber ich glaube kaum, daß ich übertrieben habe; eher im Gegenteil. Das Quartett spielt sein endloses Spiel durch die gesamte Geschichte des britischen Imperialismus, durch die gesamte Geschichte der Vereinigten Staaten, und anderswo; und es spielt sein Spiel auch heute. Es dient dazu, unzählige Formen von Gewalt (körperliche, kulturelle und psychische Gewalt) zu "erklären" und zu legitimieren - für den Unterdrücker, aber unter Umständen auch für die Unterdrückten. Männer und Frauen aus Fleisch und Blut, weiß und nicht-weiß, finden sich in Elementen und Aspekten diese Spiels eingeschlossen, bewußt oder unbewußt, erzwungen oder gewollt, mit vollem Ernst oder als ironisches Zitat.

Man könnte sagen, die weißen Mitglieder des imaginären Quartetts würden nicht für jeden Weißen und für jede Weiße passen, sondern nur für solche von gehobenem sozialen Status. Diese Beobachtung ist richtig, aber ich denke, sie bestätigt den fundamentalen Charakter von Whiteness eher, als daß sie ihn relativiert. Ab einem bestimmten Grad von sozialer Desintegration verliert man das Prädikat "weiß", vor allem Frauen; so wie viele Einwanderergruppen sich in einem langen, harten Prozeß der Anpassung und Bewährung das Prädikat "weiß" erstritten haben. Der Kampf um den sozialen Status ist immer auch ein Kampf darum, "weiß" zu sein. Whiteness besteht wesentlich in der Macht, darüber zu entscheiden, wer dazugehört und wer nicht, wer "weiß" ist und wer nicht. Wer "weiß" ist und wer nicht, läßt sich nicht aus irgendwelchen tatsächlichen Praktiken oder Eigenschaften derer ableiten, die sich um "Weißsein" bemühen, sondern ist ausschließlich eine Entscheidung derer, die unbestritten "weiß" sind.

Gibt es eine "weiße Kultur"?

In den letzten Jahren hat wieder eine Phase begonnen, in der Whiteness ihre Unsichtbarkeit verliert und sichtbar wird - als ein Gegenstand der Untersuchung und Kritik für die einen, als ein Objekt der Begierde und Verlustängste für die anderen. Was das letztere anlangt, können wir feststellen, daß ein weiß motivierter Terrorismus sich in den USA und anderswo auf dem Vormarsch befindet; zu seinen Zielen gehören schwarze Kirchen, asiatische Schulkinder und Regierungseinrichtungen. Weiße Aktivisten stilisieren sich selbst als Vertreter einer aussterbenden Rasse, die zum Gegenschlag antreten - gegen eine Regierung, die angeblich von Juden geführt wird, mit multinationalen Einflüssen und mit der Unterstützung durch schwarze "Untermenschen", und die den Weißen, den selbsternannten "Ureinwohnern" des Landes, ihre angestammten Rechte nehmen will. So überspannt das klingt, es hat seinen Widerhall in den Ängsten und Phantasien des weißen Mainstreams: daß die Lehrpläne der Universitäten von Schwarzen und anderen Nicht-weißen dominiert werden (im Bündnis mit Juden, Homosexuellen und anderen Liberalen); daß weißen Männern die Arbeitsplätze genommen und an andere verteilt werden; daß das Land durch das Wohlfahrts- und Gesundheitssystem bankrott geht; und daß die nordamerikanische Marktöffnung und die illegalen Einwanderer die Wirtschaft ruinieren. Wahlverhalten und Gesetzesinitiativen sind die Waffen, zu denen aus solchen Ängsten gegriffen wird - Waffen des Mainstream, gewiß, aber in ihrer Wirkung genauso brutal, wenn nicht schlimmer.

Andere Weiße versuchen stattdessen die Frage aufzuwerfen: Was sollen Weiße mit ihrem Weißsein anfangen? Gibt es Alternativen zu den Formen von Whiteness, die nationale und rassische Dominanz formen? Die Antwort bleibt unklar. Versuche, Weiße als "eine Gruppe unter anderen" zu konstituieren (wie dies zum Beispiel "European American clubs" auf dem Campus tun), funktionieren nicht recht. Sie können schwer der Ausstrahlung entgehen, etwas Besonderes sein zu wollen, und ob es z.B. "europäische Amerikaner" als kulturelle Gruppe überhaupt gibt, erscheint noch fraglicher als bei nicht-weißen Gruppen. In jüngerer Zeit, d.h. seit den späten 80ern, haben Auseinandersetzungen mit der eigenen Whiteness im Kontext sozialer Bewegungen oder linker Zusammenhänge stattgefunden - ausgelöst durch Solidaritätsarbeit oder multi-rassische Koalitionen. Diese Auseinandersetzungen erfolgten unter einem definitiv antirassistischen Anspruch. Es bleibt jedoch auch hier anzumerken, daß Untersuchungen über weiße Kultur und Identitätsbildung, die den Aspekt von Whiteness als Form rassischer Dominanz in den Hintergrund treten lassen, ihre antirassistische Qualität leicht verlieren können.

In den letzten Jahren sind solche Formen der Auseinandersetzungen "kommerzialisiert" worden - als Praxis, die sich in Firmen, im Bildungswesen und im NGO-Sektor verbreitet. Programme zur "Sensibilisierung" und zum "Leben mit Unterschieden" reagieren auf die Tatsache, daß Klassen, Büros, Firmen und soziale Einrichtungen in immer höherem Maße "multikulturelle" Orte werden. Es geht darum, Weiße (nicht nur, aber hauptsächlich Weiße) in "kultureller Kompetenz" zu trainieren, d.h. der Fähigkeit, effektiv mit kulturell "Anderen" zu arbeiten. Einige dieser Programme, allerdings keineswegs alle, verfolgen das Ziel, rassische und ethnische Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu fördern. Sie führen allerdings leicht dazu, die Aufmerksamkeit mehr auf die "Anderen" zu richten als auf die eigene Dominanz. Whiteness wird wieder unsichtbar, Weiße werden die großen Kompetenzgewinner, und Nicht-Weiße werden darin ausgebildet, sich in den Kommunikationsstrukturen zurechtzufinden, die anscheinend "farblos" und "natürlich" sind.

Eine andere Frage, die aus der Auseinandersetzung mit "Whiteness" aufgeworfen wird, lautet: "Sind Weiße, ist weiße Kultur, 'gut' oder 'schlecht'"? In einer solchen Fragestellung verschwinden die sehr reellen Fragen, wie Weiße in rassische Hierarchien eingebunden sind und wie diese Hierarchien verändert werden, zugunsten einer statischen Vorstellung von weißem Wesen und weißer Erbsünde. Auf eine solche Fragestellung steigen Weiße sofort ein, entweder um ihre Unschuld zu beweisen oder um Erlösung zu finden. Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt dahin, irgendetwas zu finden, wie man doch "stolz" auf "weiße Kultur" sein kann, oder Whiteness als Kategorie zu relativieren durch den Hinweis auf die Bedeutung von Klasse oder Ethnizität. Ein weiteres Problem dieser Herangehensweise ist, daß "Kultur" zu einer Sache mit festen Umrissen gemacht wird und die Prozesse ausgeblendet werden, durch die kulturelle Praktiken entstehen.

In einer typischen Trainings-Broschüre heißt es: "Unsere Situation (als weiße Amerikaner) ist eine besondere. Während kulturelle Minderheiten um Macht gekämpft haben, müssen weiße Amerikaner darum kämpfen, ihre Macht zu teilen. Während kulturelle Minderheiten darum gekämpft haben, ihre Autonomie zu erhalten, müssen weiße Amerikaner darum kämpfen, daß unsere Kultur so existieren kann, daß sie andere Kulturen nicht unterdrückt. Wir müssen eine öffentliche Diskussion darüber entwickeln, wie wir als weiße Amerikaner in einem multikulturellen Amerika existieren wollen."

Die Absicht ist erklärtermaßen eine antirassistische. Die Methode ist, die Diskurse nicht-weißer AktivistInnen nachzuahmen, aber gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß diese Diskurse sich angesichts weißer Dominanz und Rassenprivilegien nicht unmittelbar kopieren lassen. Es ist ein Versuch, ein bißchen in Rassismus-Kritik hineinzuschnuppern, ohne mit der Offenheit davon zu sprechen, wie es schon mal der Fall war. Whiteness wird bei dieser Herangehensweise aus einer Kategorie rassischer Dominanz zu einem kulturellen Phänomen. Und: Whiteness bekommt eine Homogenität und Gegenständlichkeit, die sie nicht hat. Genausowenig wie es eine festumrissene "schwarze Kultur", eine "Chicano-Kultur" usw. gibt, gibt es eine festumrissene, homogene "weiße Kultur". Weiße waren nie eine kulturell identische Gruppe; und nicht alle von Weißen bevorzugten kulturellen Praktiken waren kulturell dominant.

Whiteness ist keine "Kultur", sondern eine Praxis. Whiteness ist keine "Sache", sondern ein Prozeß. Dieser Prozeß vollzieht sich in unterschiedlicher Weise an verschiedenen Orten und in verschiedenen sozialen Beziehungsnetzen. Er vollzieht sich gegen Widerstände, und er ist anfechtbar - überall dort, wo er geschieht.

Der Artikel ist eine gekürzte Fassung des Textes Local Whitenesses, Localizing Whiteness, in: Ruth Frankenberg (Hrsg.): Displacing Whiteness. Essays in Social and Cultural Criticism. Übersetzung: CS